Mittwoch, 15. Dezember 2010
H.R.F. Keating: "Inspector Ghote zerbricht ein Ei"
"Inspector Ghote zerbricht ein Ei"
original "Inspector Ghote Breaks an Egg"
1970, Collins London
übersetzt von Marianne Lipcowitz
2004, Unionsverlag Zürich
216 Seiten
1 Seite Liste der Hauptpersonen
ISBN 9783293202993
In diesem Kriminalroman wird ein korrekter Polizist von einem hohen Politiker eingesetzt einen Mord von vor 15 Jahren zu lösen. Das ist eigentlich ein Vorwand, denn man will den mächtigsten Mann des Dorfes, in dem dieser Mord passiert sein soll, politisch untergraben.
Obwohl es Inspector Ghote nicht leicht gemacht wird - polizeiinterne Intrigen bis Demonstrationen gegen ihn und der Haß eines heiligen Mannes verfolgen ihn - schafft es beide 'Aufträge' zu erledigen.
Mich faszinierten in dem Buch wie die unterschiedlichen Kasten, und Lebensumstände der Menschen geschildert werden - die Vorsicht der Unberührbaren, bis zur Arroganz der Brahmanen. Jede Schicht weiß genau welche Rechte, aber auch welche Frechheiten erlaubt sind.
Zwischendrin blitzt immer wieder etwas skurriler Humor auf, etwa wenn ein "alkoholdurchtränkter" Zeuge beschrieben wird, oder die Tarnung des Inspectors als Vertreter für Hühnerfutter genutzt wird.
Mich hat das Buch gut unterhalten, auch wenn es konzentriert gelesen werden möchte. Viel Freude beim Mitverfolgen wie der Inspector letztendlich doch seine Beweise zusammenbringt.
Sonntag, 12. Dezember 2010
Thrity Umrigar : "Die Nähe zwischen uns"
"Die Nähe zwischen uns"
amerikanische Originalausgabe "the space between us"
2005 William Morrow, New York
ins Deutsche übertragen von Svenja Geithner
2006 Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin
358 Seiten
7 Seiten Glossar der verwendeten indischen Ausdrücke (und Speisen)
1 Seite Danksagung
ISBN-13: 978-3-550-08648-9
Dieser Roman erzählt die Geschichte zweier Frauen die in Bombay leben. Die eine ist eine wohlhabende Parsin, die andere ihre Haushälterin, die täglich aus den Slums zu ihr fährt um sich um sie und ihren Haushalt zu kümmern. Die Frauen haben lange Zeit ihres Lebens miteinander verbracht und wissen viel über einander ohne viele Worte zu verlieren.
Sera, die schöne Parsin, geht in eine wohlhabende Ehe und erlebt dort eine tyrannische Schwiegermutter, einen musikliebenden Schwiegervater, dessen Papagei, ihren jähzornigen Ehemann und ihre später ihre gemeinsame Tochter.
Bhima heiratet einen liebenswürdigen positiven fröhlichen Mann, hat 2 Kinder, und arbeitet bei Sera. Nach einem Arbeitsunfall ihres Mannes, bei der die Firma Bhima als Analphabetin dazu bringt auf alle Rechte zu verzichten, erhält Bhima die Familie, da ihr Mann sich in den Alkohol flüchtet. Schließlich flieht er mit dem gemeinsamen Sohn aufs Land zurück - von dem er kommt. Die gemeinsame Tochter bleibt, heiratet, bekommt wieder ein Mädchen und gemeinsam ziehen sie der Arbeit wegen nach Delhi. Tochter und Schwiegersohn sterben an Aids in Delhi - die Beschreibungen im Krankenhaus sind erschreckend -, und Bhima nimmt ihre Enkelin Maya zu sich.
Maya wird schwanger - und hier startet das Buch eigentlich. In Rückblenden werden die Geschichten der beiden Frauen aufgerollt. Auch die Tochter von Sera ist schwanger, aber verheiratet und offenbar in einer glücklichen, wohlhabenden Ehe.
Maya ersucht Sera um Begleitung ins Krankenhaus zur Abtreibung, und erst spät wird klar, daß der Schwiegersohn von Sera der Vater des Kindes aus einem Übergriff des Mannes an Maya war. Als er merkt, daß Bhima aus seinem Verhalten die Wahrheit entdeckt hat, behauptet er, daß sie Geld entwendet hat um sie aus seiner Familie loszuwerden. Der Plan geht auf.
Der Roman ist dicht beschrieben - auf der einen Seite die Elendsviertel mit Gemeinschaftstoilette und einem gemeinsamen Brunnen, Probleme mit der einfachsten Hygiene bis zu gutem wohlhabenden Leben in schöner Umgebung und schönen Kleidern. Die Seiten auf denen das Krankenhaus in der offenbar ersten Phase mit Aids, als niemand mit der Krankheit umgehen konnte, geschildert wird, sind erschreckend unmenschlich. Nachher werden die Toten rituell verbrannt.
Die Menschen sind schön und klar gezeichnet - die Sympathie der Autorin liegt klar bei den Frauen, denn fast kein Mann wird positiv oder gut beschrieben.
Schön finde ich wie sie auf die Unterschiede der Gesellschaften eingeht und sie beobachtet: die Parsen und deren Grundsätze, die Armen und wie sie leben, bis zum lebendigen Marktleben.
Das Buch ging mir unter die Haut. die Handlungsstränge sind stark erzählt. Es bleibt die Frage für mich ob Sera gegen die Anschuldigungen ihres Schwiegersohns etwas anderes hätte tun können, als Bhima entlassen. - und auch ob sie ernst nimmt, daß Bhima ihr gesagt hat, daß ihr wunderbarer Schwiegersohn der Vater des abgetriebenes Kindes war. Vor allem bleibt die Frage, was Menschen wie Bhima und Maya nach dem Jobverlust machen (werden/würden).
Schön fand ich den Glossar, der sowohl auf die offenbar üblichen Formulierungen und Begrüßungen einging, aber auch typische Gerichte in Bombay beschrieb. Im Text kamen immer wieder Worte vor die das Miteinander charakterisierte wie Sodabottleopenerwalla - die mir sehr gut gefielen.
Den Roman kann ich allen empfehlen, die sich gerne in eine andere Kultur - mit seinen schönen und dunklen Seiten - einlassen möchten, und von starken Frauen faszinieren läßt.
Samstag, 27. November 2010
Oliver Bottini : "Mord im Zeichen des Zen"
"Mord im Zeichen des Zen"
Scherz - ein Verlag der S.Fischer GmbH, Frankfurt am Main
Dritte Auflage 2004
367 Seiten
ISBN 3-502-61117-3
In dem Buch wird beschrieben wie eine Kommissarin, die am Wochenende widerwillig einen Fall übernimmt, - nämlich einen buddhistischen Mönch mitten im Winter in einer friedlichen Gegend um Freiburg zu überwachen - ihrem Gefühl vertrauend, letztendlich eine Gruppe Menschen, die asiatische Kinder entweder Adoptiveltern in Europa vermittelt oder diese Kinder pädophilen Kreisen zuführt, aufstöbert und zerstört.
Die Hauptfigur Louise Boni, oder Luis genannt, ist eine Kommissarin, die zuerst verwirrt wirkt, und bei der sich dann ein beginnendes Alkoholproblem abzeichnet. Die Flucht in den Alkohol begründet sie damit, daß sie einige Zeit zuvor einen Kindermörder erschießen mußte und erst ab der Hälfte des Buches wird Grund zwei, nämlich die gescheiterte Ehe durch permanente Seitensprünge des Ehemanns, enthüllt.
Nebenstrang des Buches, der durch unterschiedliche Menschen verkörpert wird, ist das Thema Buddhismus oder Zen oder Spiritualität. Der Junge, der ihr Sushi liefert, bringt genauso Anregungen, wie der japanische Leiter (der nur englisch spricht) des buddhistischen Klosters in Frankreich bis zu einem faszinierenden charismatischen deutschen Japanspezialisten, der mit einer Japanerin verheiratet ist.
Der Krimi hat mir gut gefallen, war allerdings nicht ganz leicht lesbar, weil einerseits die Bereiche in denen die Probleme innerhalb des Polizeisystems geschildert werden stören, und andererseits die Beschäftigung mit dem dort vermittelten Buddhismus Aufmerksamkeit fordern, aber empfehlenswert ist das Buch allemal.
Sonntag, 14. November 2010
Monika Mertl: "Nikolaus Harnoncourt - Vom Denken des Herzens"
Monika Mertl:
"Nikolaus Harnoncourt
- Vom Denken des Herzens"
Eine Biographie
2004, Residenz Verlag
366 Seiten
2 Seiten Einstimmung
9 Seiten Zeittafel
22 Seiten Diskographie
5 Seiten Personenregister
ISBN 3-7017-1409-6
Ein faszinierendes Buch über faszinierende Menschen, das mich einige Monate in Spannung gehalten hat.
Die Autorin schildert Nikolaus Harnoncourt als Musiker, als Familienmenschen, als 'Bastler' und geht auf die musikalische Umgebung und deren Wandlungen ein.
Das Buch startet bei dem familiären Hintergrund (den Großeltern und Eltern) von Nikolaus Harnoncourt, geht dann über Jugend in der Steiermark, und dann Studium und Liebe in Wien, in der er der späteren Ehefrau und Mitstreiterin Alice Harnoncourt geborene Hoffelner in Wien begegnet, über die Zeit bei den Wiener Symphonikern als Cellist. Es ist Zeit und Beschreibungen der Rezeption der "alten" Musik in den 50-er und 60-er Jahren in Wien gewidmet und zeigt die Auseinandersetzung und das Entwickeln einer eigener Rezeption und Musikdarstellung.
Schön sind die Einblicke in Studenten-, Musikerzeit, Ehe- und Familienleben - faszinierend wie Menschen genau zu spüren scheinen wo sie hingehen und hingehören um genau das Richtige zu tun (auch wenn dies Nikolaus Harnoncourt anders wahrgenommen hat).
Als geschichtsinteressierten Menschen waren für mich die Reflexionen auf Zwischenkriegszeit (Familie), Weltkrieg und Aufbau des Lebens hochinteressant.
Die Menschen sind interessant, aber fast spannend wird es für musikinteressierten Menschen wenn erzählt wie mit alter Musik damals an der Uni umgegangen wurde, wie die Welt der Konzert in den 60-er Jahren bestückt war, wie die Entwicklung / Herausforderung verlief und welche Polarisierungen die unterschiedlichen Musikauseinandersetzungen hervorrief.
Am Schluß des Buches geht es um Salzburg und wie damals mit Karajan, Post-Karajan und Mortier etc. in der Ausseinandersetzung um Mozart umgegangen wurde.
Platz finden die wichtigen Ensembles und Orchester mit denen Zusammenarbeit besteht und besteht : wichtig sind der Concentus Wien, dessen Wachsen und Gedeien bis zu großen Reisen, sehr intensiv und fast nahe geschildert ist, aber auch das Concertgebouw orkest, das Zürcher Opernorchester bis zu den Wiener Philharmonikern finden viel Raum.
Faszinierend ist für mich wie die Zeit der Zusammenarbeit für die Mozart - Opern in der Schweiz beschrieben wird: für mich entstand der Eindruck einer fast idealen Zeit in der sich ein 'Dream Team' mit Jean-Pierre Ponelle zusammenfunden haben dürfte.
Da immer wieder Ausschnitte aus Gesprächen mit Nikolaus Harnoncourt abgedruckt sind, (und ich seine Stimme aus Interviews kenne), hatte ich immer wieder das Gefühl direkt angesprochen zu werden oder direkt manches 'gesprochen' zu erhalten.
Für mich ein Buch bei dem ich immer wieder die Seiten zumachen und durchdenken mußte, auch hinterfragend, was ich mitgekriegt habe oder was auch nicht, ob ich in dem Konzert / der Aufführung gewesen war und wie ich dieses Konzert / Aufführung in Erinnerung habe.
Ein wunderbares Buch für musikverliebte Leser, die sich von einem faszierenden Menschen und einer außergewöhnlichen Harmonie in Beziehung in den Bann ziehen lassen möchten.
Dienstag, 9. November 2010
Caroline Roe : "Der blinde Heiler von Girona"
"Der blinde Heiler von Girona"
auf englisch "Cure for a Charlatan"
1999, Penguin Group, New York
Deutsch von Marc Staudacher
2001, Deutsche Erstausgabe, Rowohlt Taschenbuch Verlag
316 Seiten
2 Seiten Personenregister
ISBN 3-499-22520-4
Ein gut lesbarer Roman, der bei mir in die Kategorie Krimi fällt, weil ich doch mitgeraten resp. mitgedacht habe, wer der Mörder sein könnte.
Girona im Mittelalter, ist eine Stadt des Handels, der Handwerker, der Juden, der Christen, der hart arbeitenden Menschen und solcher die es nicht tun.
Isaac ist der blinde Arzt, den alle Menschen der Stadt in Anspruch nehmen, egal welcher Konfession sie sind. Seine zweite Tochter Raquel und der Bub Yussuf, den er aufgenommen hat, ersetzen ihm Augen und schildern was sie bei den Patienten sehen.
Drei Morde erschüttern das Vertrauen der Menschen, 2 unschuldige Frauen kommen bei plötzlich ausgerufenen Hexenjagden ums Leben - auch die ältere Tochter Isaacs, die einen Christen geheiratet hat, wird verdächtig, aber rechtzeitig von den Mannen des Bischofs geschützt.
Am Schluß kommt heraus, daß der Diener eines magischen Scharlatans seine private Fehde gegen seinen erfolgreichen Bruder bestritten hat, und die Morde dem Bruder in die Schuhe schieben wollte.
Die Medizin, die Isaac verschreibt, scheint mir ein Gemisch aus Hahnemann und fünf Elementen zu sein, aber sie dürfte funktionieren.
Nettes Detail ist die Katze nahmens 'Feliz'.
Witzig finde ich wie "die Magi" geschrieben wurde, denn offenbar dürfte es auch hier einige Änderungen der Schreibweise gegeben haben.
Personen wie Bischof, Schreiber, Bäcker, Wollspinner bis zu Bordell- und Schankbesitzerin sind kräftig gezeichnet. Auch die Landschaft in der die Jungen auftragsgemäß nach Kräutern suchen, ist vorstellbar.
In Summe ein gut lesbares Buch, dessen Kleinigkeiten Freude zu lesen machen.
Samstag, 6. November 2010
Natalia Ginzburg : "Die Straße in die Stadt"
"Die Straße in die Stadt"
Pseudonym: Allesandra Tornimparte
original "La strada che va in città"
1942, Einaudi, Turin
aus dem Italienischen von Maja Pflug
1997, Verlag Klaus Wagenbach, Berlin
88 Seiten
ISBN 978-3-803111661
Der Roman wird auf 88 Seiten erzählt und handelt von der jungen Frau Delia, die immer wieder aus dem Dorf entwischt um in der Stadt - hübsch gemacht - die Straße auf und ab zu gehen.
Sehr trocken, fast unbeteiligt schildert Delia wie sich spazieren geht, Männern gefällt, schließlich mit einem reichen Sohn aus ihrem Dorf in einer Absteige immer wieder verkehrt und prompt schwanger wird. Ihre Eltern versuchen die Schande zu verschweigen, und arrangieren zuerst, daß Delia zu ihrer Tante in ein noch trostloseres Dorf als ihr Heimdorf kommt und schließlich doch die Hochzeit mit dem Kindesvater, der inzwischen mit dem Studium fast fertig ist. Als das Kind dann da ist, bekommt es eine Kinderfrau und Delia geht wieder in hübschen Kleidern die Straße auf und ab.
Daß Delia von dem Ziehsohn der Eltern, dem Neni, verehrt und geliebt wird, merkt sie zu spät. Neni ist der einzige der Familie, der regulär in der Stadt arbeitet und der einzige Mensch, der versucht ihr einen Arbeitsbegriff beizubringen.
Delias Schwester Azalea ist das Vorbild - sie hat hübsche Kleider, legt die Kinder bei der Kinderfrau ab und hat wechselnde Liebhaber hinter dem Rücken ihres älteren gut verdienenden Mannes.
Das Ende ist nicht wirklich zufriedenstellend - Einsamkeit, Leere und Oberflächlichkeit bleiben, denn der einzige der etwas ändern und bewegen wollte, Neni, ist um die Zeit der Geburt des Kindes gestorben.
Alles wird trocken geschildert: das Dorf, die Kleider, die Häuser, die hysterische Mutter, der betrunkene Vater, die Trostlosigkeit im Haus der Tante zu der Delia abgeschoben wird. Landschaft und Menschen bleiben etwas wie Scherenschnitte, sind aber trotzdem gut erfaßbar und vorstellbar.
Ob ich das Buch empfehlen kann, ist mir derzeit noch nicht klar. - vielleicht ergänze ich meine Meinung später noch.
Sonntag, 31. Oktober 2010
Emil Habibi : "Das Tal der Dschinnen"
"Das Tal der Dschinnen"
Roman aus Palästina
1985, arabische Originalausgabe
"Uhtîye"
aus dem arabischen von Hartmut Fähndrich und Edward Baden
1993, Lenos Verlag, Basel
167 Seiten
1 Seite Hinweis vom Verfasser
5 Seiten Nachwort von Hartmut Fähndrich
ISBN 3-85787-640-9
Zu dem Buch habe ich gegriffen, weil mich der Untertitel "Roman aus Palästina" angesprochen hat.
Leider bin ich trotz mehrmaligen Leseversuchen nicht weiter als bis Seite 22 gekommen.
Es blitzte immer wieder sehr trockener skurriler Humor auf, aber leider hat mich das nicht motiviert weiterzulesen.
Hoffentlich halten andere Leser länger durch als ich. |
Mittwoch, 27. Oktober 2010
Val McDermid : "Die Geiselnahme"
"Die Geiselnahme"
original "Hostage to murder"
deutsch von Sonja Finck
Ariadne Krimi 1143 - 2003, Argument Verlag
250 Seiten
ISBN 3-88619-873-1
Guter, schön lesbarer Krimi der einige Handlungsstränge miteinander vermengt, und - was ich mag - sich die Zeilen nimmt um auf Menschen und deren Umgebung einzugehen.
Lindsay, ehemalige Journalistin in Kalifornien, ist mit ihrer Traumfrau Sophie nach Schottland zurückgekehrt, weil Sophie hier eine Universitätsprofessur angenommen hat. Lindsay lernt Rory kennen : jung, lebenslustig, Journalistin mit zu vielen Themen um sie alleine zu bearbeiten. Als ein Schulbub entführt wird (erst rückblickend wird klar, daß dies nur zum Schutz des Buben war), setzen die zwei Frauen einen verrückten Plan den Buben aus Rußland zurückzuholen mithilfe des Stiefvaters des Buben, Lindsays Vater und einem Schiff um. Kurz darauf wird das Auto mit dem Stiefvater mittels Bombe zerstört. Im Showdown in einer Garage können die Mutter und Bub den Erpressungsversuchen des biologischen Kindesvaters entgehen, und Männer deren Mitgliedschaft bei der extremen IRA bekannt ist, kommen ums Leben.
Parallel zur Journalisten-Enthüllungsgeschichte wird die Beziehungskrise zwischen den Frauen geschildert. Sophie hat ein Männerpaar gefunden, dessen ein Teil bereit ist als biologischer Vater zu fungieren. Lindsay ist der ganze Kinderwunsch suspekt, und erst am Ende des Romans als die kleine Tochter da ist, funkt es und sie ist bereit ihren Part als Co-Mutter zu übernehmen.
Schön finde ich wie die Autorin die Menschen schildert.
Alleine wie sie die Typen der IRA skizziert - den coooolen Chef, den habichtsartigen zynischen Mörder, den ewig zerstrubelten chaotischen 'Idioten' dem man aber auch einen Job geben muß, sind für mich ein Genuß.
Im Gegensatz dazu die Farben in denen das Schwulen-lesben-Café gezeichnet ist und deren verschiedenen mehr oder weniger ausdrucksstarken Menschen, v.a. das Leben von Rory, die in dem Café einen Stammtisch als ihr Büro aufgebaut hat.
Die Story ist rasch, mit starken Linein gezeichnet, Personen / Landschaften / Umgebung sind klar; für mich war es ein Vergnügen das Buch zu lesen.
Dienstag, 26. Oktober 2010
Eva Rossmann : "Ausgekocht"
"Ausgekocht"
Ein Mira-Valensky-Krimi
2003, Folio Verlag Wien - Bozen
260 Seiten
+ 2 Seiten 'Danke!'
ISBN 3-85256-251-1
Netter, rasch zu lesender Krimi der Gusto auf gutes Essen macht; garniert ist das Ganze mit Katze Gismo, die Oliven liebt.
Mira hilft Billy (Sibylle) Winter, die ein bodenständiges ausgezeichnetes Restaurant von einem Starkoch übernommen hat, die Anfeindungen, Bosheiten bis Mordanschlag zu lösen.
Nebenschauplatz ist das Magazin, bei dem Mira ihre wöchentlichen Artikel schreibt und abliefert, inkl. Intrigantenstadl und Vetternwirtschaft.
Spannender finde ich wie sie über gehobene Restaurants und Starköche/ Fernsehköche bis zur Streßverarbeitung mit Alkohol schreibt. Seitenhiebe erhalten die Restaurantkritiker, bei denen ein Querschnitt von interessiert und neugierig bis einfach nur mißgünstig bzw. fast erpresserisch unterwegs sind.
Mira fädelt auch eine Liebesgeschichte zwischen Billy und einem ihrer ehemaligen Schüler, mittlerweile selber Restaurantinhaber ein, was Billy gut tut, da ihr Ex-mann gerichtliche Schritte unternimmt um den gemeinsamen Sohn unter seine Fittiche zu erhalten.
Netter Krimi, nach dessen Fertiglesen ich mir dachte, warum ich keinen Branzino daheim habe um ihn kurz anzubraten, mit Koblauch, Basilikum zu versetzten, und mit etwas Parmesan .. sorry, hier kommt ein fantastisches Rezept für Spaghetti al alio, olio e peperonici dazwischen ....
Sonntag, 24. Oktober 2010
Rudyard Kipling : "Kim"
Rudyard Kipling :
"Kim"
1901 auf englisch erschienen
deutsch von Hans Reisinger
1981, Deutscher Taschenbuchverlag
13. Auflage 2007
328 Seiten
ISBN 978-3-423-12602-1
Das ist für mich ein wunderbares vielschichtiges Buch, eine herrliche farbenfrohe aktive Geschichte voll mit verschiedenen Religionen, Menschen aus verschiedenen Schichten.
Kim O'Hara ist ein Bub, der sich geschickt und intelligent durchs Stadtleben von Lahore schlägt, und in Mahbub dem wichtigen Pferdehändler einen Freund hat. Ein Lama aus Tibet taucht auf und erzählt daß er auf der Suche nach einem Fluß ist, der alle Sünden abwäscht. Kim beschließt sein Chela zu werden, indem er für den alten weisen Mann sorgen wird, und gleichzeitig das Land sehen wird.
Da Kim ein gescheiter, gewitzer junger Mensch ist, der rasch aufnimmt welche Wünsche, Flüche oder Verhaltensweisen erfolgreich sind, und auch verschwiegen ist, vertraut ihm Mahbub ein Schreiben zur sicheren Weiterlieferung an. Später erst wird klar, daß damit ein größerer Krieg und viele Tote verhindert worden waren.
Auf der Reise durch das Land sehen der Lama und Kim viele unterschiedliche Menschen, Gesellschaftsschichten, Religionen und Teufelsglauben, und erfahren weil der Lama als heiliger Mann gilt meist günstige Aufnahme (im Tausch gegen Segen, Schutz oder Horoskoplesen).
Als sie zu nahe an einen Trupp englischer Soldaten kommen, enthüllt sich, daß Kim irischer Abstammung und kein Inder ist. Ein Pater und ein Oberst setzten ihren Einfluß, daß Kim die ihm zustehende westliche Ausbildung erhält. Der Lama setzt seine Kontakte in Gang und schafft es, daß Kim auf die beste dieser Schulen kommt. Kim ist drei Jahre dort und lernt lesen, schreiben und die Kunst Karten zu zeichnen. In den Ferien zieht er mit Mahbub, dem Pferdehändler und Spion durchs Land, oder sucht mit dem Lama den heiligen Fluß oder wird bei Lurgan, einem Mann der Magie und der Edelsteine und der Heilmedikamente in die Kunst der Heilung eingeführt.
Danach enthüllen Mahbub und Babu/Hakim Kim, daß sie dringend seine 'spionistische' Hilfe im Norden Indiens brauchen, und Kim und der Lama machen sich auf den Weg in die Kälte und Schnee der Berge. Während es dem Lama als geborener Mann der Berge immer besser geht, hat Kim als flachlandgewohnter Mensch einige Anpassungsprobleme. Die beiden treffen dort auf Männer und es gelingt ihnen in den Besitz geheimer Berichte zwischen Rußland und anderen Stämmen und abtrünnigen Königen zum kommen und diese zu übergeben.
Zurück im Flachland bei einer scharfzüngigen reichen Sahiba, wird Kim wieder gesund gepflegt und der Lama erreicht nach Fasten und Meditieren Reinigung im Fluß und damit Erlösung seiner Sünden und auch der Menschen die er liebt.
Kipling beschreibt sehr schön Menschen, Kleidung, Charakteristika unterschiedlicher Religionen, Häuser in der Stadt oder am Land; er geht schön auf die Hitze im Süden des Landes ein, genauso wie auf Schnee, kalten Wind, verkarstet Gebirgszüge und deren tierische Bewohner; es ist faszinierend wie er dem Süden die großen Wasserbüffel und dem bergigen Norden die Bergziegen, kleinen Wollschafe und kleinen Kühe zuschreibt.
Auch wenn Kim der Hauptprotagonist ist, finde ich das Heilsuchen des Lamas faszinierend. Die Art wie er mit Medition, Fasten aber auch "Verdienst erzielen" durch das Senden Kims in die beste Schule an sich arbeitet. Als er in Zorn gerät weil ihn ein Mensch in den Bergen schlägt, verzweifelt er fast an der Schuld weil der nicht das Rad des Lebens akzeptieren kann.
Einziges Manko in dem Buch ist für mich, daß ich gerne eine Karte Indiens mit den wichtigsten Punkten dieses Buches im Anhang gefunden hätte.
Ich habe den Roman genossen : die Spiritualität, die Menschen, die Ziele, die Beschreibung von Landschaften und hoffe andere Leser genießen ihn genauso wie ich.
Dienstag, 12. Oktober 2010
Ladislaus Tarnowski : "Der Dämon in der Apotheke"
"Der Dämon in der Apotheke"
die verwendete Erzählung stammt aus "Waldteufel. Gespenstergeschichten und Geistersage", 1842
Originaltitel der Geschichte: "Amygad und Servatius oder das Gespenst in der Apotheke"
Illustriert von Christoph Feist nach farbigen Linolschnitten
2010, Achilla Presse Verlagsbuchhandlung
52 Seiten inkl. Illustrationen
Es waren die Illustrationen, die mich zu diesem Buch greifen ließen. Die Illustrationen sind auf die Menschen und ihre Handlungen reduziert, und sind nur in einigen Farben gehalten (violett, gelb, blau, rot, etc.).
In der Erzählung wird in "alter" Sprache erzählt, wie sich der böse Geist/Satan bei einem geldgierigen Apotheker einnistet, dort seine Pestblumen züchten, und damit Unheil sähen möchte.
Servatia, Tochter des Apothekers und Leonhard, Sohn des Gelbgießers (Messinggießers) sind ineinander verliebt, was dem Apotheker nicht gefällt. Deren beider Tugend, und Liebe ist stärker als Intrigen und am Schluß kämpfen ein guter Geist aus dem Himmel und das böse Skelett machtvoll miteinander ehe der Satan in die Hölle geschickt wird und die Pestblumen vernichtet sind.
Die Sprache und das Vokabular sind aus 1842 - im Vorwort steht "Die Orthographie und Zeichensetzung wurde in manchen Fällen behutsam der heutigen Schreibweise angepaßt. Der Sprachduktus blieb unangetastet". Es werden Worte wie "Silesia", "Demuth", "zur Blüthe kommen", "concentriertem" verwendet und mir gefiel die Formulierung "Sticht euch der Tollwurm?" (s. 38) besonders gut.
Das Buch kann ich jedem empfehlen, der sich gerne mit alter deutscher Sprache beschäftigt und dem das Gut - Böse und Happy End Freude macht.
Donnerstag, 7. Oktober 2010
Tschingis Aitmatow : "Der Junge und das Meer"
Tschingis Aitmatow :
"Der Junge und das Meer"
original "Пегий пес, бегущий краем моря“
1977 Zeitschrift Snamja
aus dem Russischen von Charlotte Kossuth
1978 Bertelsmann/München/ Verlag Volk und Welt, Berlin DDR
160 Seiten
ISBN 3-570-05431-4
In dem Buch wird eine spannende Geschichte über das Erwachsen werden, Sterben für die Familie und die Urgewalt der Natur , in diesem Fall des Meeres, erzählt wird.
Kirgis wird das erste Mal von Großvater, Vater und Onkel im Kajak mitgenommen. Er soll lernen in der Tradition der Familie Robben zun töten und als Jäger seine Familie zu ernähren. Die Fahrt zu den Inseln, auf denen die Robben leben wird bei gutem Wetter angetreten. Dann kippt das Wetter, riesige Wellen gefährden Kajak und Männer, und Nebel fällt ein. Mit dem Nebel kommt die absolute Stille und Windlosigkeit. Da das Trinkwasser - der größte Schatz in dieser Situation - auszugehen droht, beschließt zuerst der Großvater, später der Onkel, und am Schluß der Vater über Nacht das Boot zu verlassen, um den Jungen die letzten Trinkwasserschlucke und damit vielleicht das Überleben zu sichern.
Die Polareule und Sterne, die endlich auftauchen, leiten den Jungen heim. Er hat seinen Stern (den Vater), seine Welle (seinen Onkel) und sein Lebensgedicht auf dieser Fahrt kennen gelernt.
Der Roman ist stark, er ging mir unter die Haut. Das rauhe Leben auf dem Meer, die Art wie das einfache Überleben geschildert wird, und nach welch archaischen Regeln die Männer beschließn in den Tod zu gehen um anderen das überleben zu ermöglichen, setzen sich wie Widerhacken fest und die Bilder lassen nicht einfach los.
Die Schilderungen des Lebens im Dorf und später die Windlosigkeit und Stille im Meer liefen wie ein Film vor mir ab.
Schön finde ich wie der Autor die zarten Bande zwischen Kirgis und einem Mädchen andeutet.
Schauplatz ist das ochotskische Meer und einige Inseln dort; ich mußte erst einmal den Atlas bemühen damit ich wußte wo der Roman spielt.
Ein starkes Buch für alle Leser, die keine Angst vor Urgewalten haben, und Leser, die sich in eine Geschichte hineinziehen lassen wollen.
Sonntag, 26. September 2010
Ana Menéndez : "Damals in Kuba"
"Damals in Kuba"
original "In Cuba I was a German Shepherd"
bei Gove Atlantic, NY 1997
aus dem Amerikanischen von Barbara Schaden
2001 Karl Blessing Verlag
220 Seiten
3 Seiten Glossar kubanisch - deutsch
ISBN 3-89667-140-5
Erzählungen:
* In Kuba war ich Schäferhund (27 Seiten)
* Hurrikangeschichten (15 Seiten)
* Die perfekte Frucht (24 Seiten)
* Warum wir gegangen sind (14 Seiten)
* Geschichte eines Papageis ( Seiten)
* Verwechselte Heilige (20 Seiten)
* Baseballträume (18 Seiten)
* Die letzte Rettung (19 Seiten)
* Verwandtschaft in Miami (14 Seiten)
* Das Fest (20 Seiten)
* Das Haus ihrer Mutter ( 25 Seiten)
Die Autorin ist Tochter von Kubanern, die aus Kuba ausgewandert sind, und ihre Geschichten über Menschen die aus Kuba nach Miami etc. gekommen sind, in sehr schöner dichter, manchmal skurriler Weise schreibt.
In "in Kuba war ich Schäferhund" sind die Protagonisten 4 Männer, die gemeinsam Domino spielen und sich Witze erzählen. 2 Männer sind aus Kuba, 2 aus der Dominikanischen Republik. Für Amerikaner sind diese Domino spielenden älteren Herren beliebte Photomotive, was sich die Herren an einem Weihnachtsabend verbieten.
In "Die perfekte Frucht" kocht die Dame das Hauses 3 Tage lang nur Banenen ein, macht Bananenschnitten, Bananenfrapees etc. um die Seitensprünge ihres Ehemannes zu überwinden und um ihm ihre Liebe zu zeigen. Die Geschichte und die Besessenheit des Banenenverwertens war etwas gespenstisch.
"Warum wir gegangen sind" hat mich in den Bann gezogen. Der Mann vergräbt sich in Münzen zählen und die Frau sieht im schneebedeckten Teil der USA Birken mit Hibiskusblüten, dann kommen auch blaue Blüten. Das Paar war aus dem warmen Miami weggezogen, um den Tod ihres Kindes zu überwinden. Am Schluß versinkt die Frau in ihren Träumen von Wärme und blühenden Bäumen im realen tiefen Schnee, und der Mann kann sie nicht mehr zurückholen (?).
In "Geschichte eines Papageis" weckt der Besuch einen wunderschönen bunten Papageis bei einem frustrierten Ehepaar mittleren Alters, die Lebenslust der schönen Frau und sie beginnt wieder an ihre Träume und Kraft etwas umzusetzen zu glauben.
In "Verwechselte Heilige" wartet eine Amerikanerin kubanischen Ursprung auf das illegale Einwandern ihres Ehemanns. Freunde und Familie deuten an, daß sie (möglicherweise) nur geheiratet wurde, damit ihr Ehemann einen Aufenthaltsgrund hat. Er ertrinkt beim Fluchversuch. Ein Überlebender der Flüchtlingsgruppe des Tages zuvor kommt um die Nachricht zu bringen, und gesteht, daß er einen Brief und eine Schnitzerei leider verloren hat - - der Ehemann hat seine (für andere) unschöne Frau geliebt.
Die verrückteste Geschichte war für mich "Verwandschaft im Miami" bei der dem Großvater ein Radio aus dem Ohr wächst und die Antennen im Wind tanzen, die Großmutter im Baum sitzt und sich mit den Zehen festkrallt, Tante Julia Menschen beißt, aber alle auf Info von Onkel aus Kuba warten. In fast jedem Absatz werden verrückte Bilder gemacht, von denen das für mich verrückteste "das Haus füllt sich mit purpurnen Haien" ist.
Ein anderer schöner Satz : "Das wahre Kunststück im Leben besteht darin, für die Traurigkeit einen rosaroten Namen zu finden" (Seite 163)
In "Das Fest" warten viele Menschen bei einer Party auf einen ehemaligen Freund, einen ehemaligen Mächtigen von Kuba von dem die einen als "El Aleman" (weil er so groß und blond war) sprechen, aber auch einige als Mörder bezeichnen, weil er manche Probleme parteifreundlich regelte.
Im "Haus ihrer Mutter" entdeckt eine erfolgreiche Redakteurin, zweite Generation in Miami, daß die Erzählungen ihrer Eltern und v.a. ihrer Mutter über das Haus, die gesellschaftliche Stellung, das Ansehen das sie erzählte erlebt zu haben, nur Phantasie ist. Aber sie wird von Menschen erwartet, die hoffen, daß sie doch wieder zurück nach Kuba kommen wird - was nie sein wird. Detail, das mir in der Geschichte gut gefiel, war, daß der Eheman der Redakteurin jedes Tag zum Frühstückstoast ein selbstverfaßtes Gedicht gelegt hat.
Die Geschichten sind unterschiedlich faszinierend, evozieren unterschiedliche Bilder in mir. Manche habe ich dreimal gelesen, weil mich die bunten, fast papageienhaften, Farben und Assoziationen angesprochen haben und auch unter die Haut gingen.
Ich wünsche auch anderen Lesern viel Freude beim Lesen und Genuß bei den teilweise griffig und angreifbar beschriebenen Menschen, Familien und Pflanzen.
Mittwoch, 15. September 2010
Alice Munro : "Der Traum meiner Mutter"
unter "The Love of a Good Woman"
1998 bei A. Knopf, New York
aus dem Englischen von Heidi Zerning
2002, S. Fischer Verlag, Frankfurt
221 Seiten
7 Seiten Nachwort von Judith Hermann
* Der Traum meiner Mutter (62 Seiten)
* Die Kinder bleiben hier (44 Seiten)
* Stinkreich (50 Seiten)
* Vor dem Wandel (50 Seiten)
Der 'Traum meiner Mutter' beschreibt wie eine junge Frau Jill, die Musikerin werden möchte, von einem Mann der im Krieg umkommt ein Kind auf die Welt bringt. Sie ist so überfordert, daß die Schwestern des Mannes einspringen. Erst als die jungen Mutter einen Tag alleine mit dem Baby ist, ist es möglich, daß die beiden miteinander eine Beziehung aufzubauen beginnen.
In die 'Kinder bleiben hier' erzählt eine junge Frau und doppelte Mutter Pauline, wie sie beim Schauspielen in eine Affäre gleitet, und ihr Mann am Schluß als Rache die Kinder behält. Schön sind hier die Beschreibungen des Strandes an dem die Familie mit ihren Schwiegereltern ist.
Das Stück das geschauspielert werden soll, ist die "Eurydike" von Jean Anouilh, in dem die junge Mutter die Eurydike spielt, und der spätere Geliebte der Regisseur ist.
Der Aufbau der Geschichten erscheint mir sehr ähnlich, denn mehr als drei Viertel der Geschichte verlaufen in einem ruhigen deskriptiven Strom, und dann plötzlich schlägt die Geschichte einen Hacken und man landet ganz woanders.
Im 'Traum meiner Mutter' hat es die junge Mutter geschafft als Musikerin in einem Orchester zu spielen; in 'die Kinder bleiben hier' ist klar, daß der Regisseur nur eine Affäre und ja nichts wichtiges war.
Die Landschaften, die Häuser, deren Einrichtung, das Geschirr sind schön skizziert, das Gewand und die Szenerie sind wie eine aquarellierte Bleistiftzeichnung beschrieben.
Dienstag, 31. August 2010
Alex Merz : "Der Argentinier"
"Der Argentinier"
2009, Haymon Verlag Innsbruck - Wien
97 Seiten
ISBN 978-3-85218-580-4
mit 3 Pinselzeichnungen von Heinz Egger
In dem Buch wird in kleinen Absätzen von einem Mann erzählt, der aus der Schweiz für zwei Jahre seinem Traum auswanderte und nach Argentinien zog. Als er dann zurückkam, wurde er Volksschullehrer und reiste nie wieder fort.
Lena erzählt bei einem Schultreffen dem Autor (?) von ihrem Großvater, der nach zwei Jahren Argentinien, über die er fast nie spricht, zu seiner Amelie heimkehrte und wie er dann in der Schweiz lebte. Der Name "der Argentinier" blieb ihm erhalten, auch Geschichten von ihm als Tangotänzer, obwohl man ihn nie - außer bei der Hochzeit Lenas - Tango tanzen sah.
Am Ende schließt sich der Kreis, denn erst auf den letzten Seiten wird erzählt, daß "der Argentinier" in Argentinien, eine Frau geliebt hatte, mit ihr Tango getanzt hatte, und ihrer illegetimen Tochter von "dem Schweizer" erzählt hat.
Beim Lesen des Buches bin ich ruhig geworden. Die Reflexionen eines Menschen über die Oberflächlichkeit, Achtlosigkeit und Gleichgültigkeit, die behutsam beschrieben sind, ohne ein Vorwurf zu werden, ließen mich das Buch genießen.
Schön fand ich die Schilderungen von alten Photos mit Bergen, Bauern, Wanderarbeitern, Schule, wobei nicht nur die Bilder wichtig waren, sondern auch das Entstehen der Bilder, und dann die Rezeption und das was den Schulkindern Jahre später damit vermittelt wurde. In den Schilderungen der Photos ist fast die Stofflichkeit zu sehen.
Der Autor schildert die Personen, die Umgebung(en), die Berge, die Häuser, bis zur Landwirtschaft sehr greifbar, aber immer liebevoll distanziert.
Das Buch kann ich jedem empfehlen, der sich Zeit & Muße nehmen will, und absatzweise oder auch drei Absätze lang Beobachten zu lassen.
Montag, 23. August 2010
Daniel Múgica : "Die Stadt von unten"
1996 Plaza & Janés Editores, Barcelona
"La ciudad de abajo"
aus dem Spanischen von Ulrich Kunzmann
1998, Ullstein Taschenbuch
140 Seiten
ISBN3-548-24342-8
1. Krankheit
2. Die Schulen
3. Die Freunde
4. Der Alkohol
5. Die Reise
6. Die Frauen
7. Die Trauer
8. Der Unfall
9. Die Kinder
10. Die Gegenwart
Ein faszinierendes Buch, das - chronologisch gesehen - die Geschichte eines Buben erzählt, der als Kind eine Hüftkrankheit hat, dann gesund wird, die Adolezenz erlebt, als Jüngling immer wieder in die verschiedenen Suchtmittelräusche abstürzt .... und am Schluß 'Sicherheit' im klassischen Rahmen der Familie mit Frau und Kindern findet.
Die Chronologie der 10 Kapitel wird in Erzählform gesprengt - der Jugendliche ist einmal der kranke Bub und zwei Sätze später der erwachsene Mensch, der Familienvater und Ehemann ist, und genau dort ankert.
Die Stadt von unten ist einerseits ein Bild für die Schmerzen, die ihn immer wieder abstürzen lassen oder in die er sich immer wieder geistig rettet, um mit den Schmerzen und den Behinderungen fertig zu werden.
Später ist die Stadt von unten die Welt der Räusche, die er entweder alleine oder mit wechselnden Partnerinnen und Freunden hat. Im Detail schildert der Autor die verschiedenen 'Aufnahmearten' der unterschiedlichen Drogen. Preisgelder, die mit 22 Jahren für Schriftstellerarbeit genommen werden, werden mit Drogen verheizt.
Schilderungen sind auch das idylle Familienleben mit Frau und Zwillingen, die wie ein Happy End am Ende des Romans stehen.
Kurz, aber intensiv schreibt der Autor über terroristische Angriffe auf Menschen mit Idealen, die familiär aus dem dritten Reich und später das Baskenland und dortigen Terror betreffen.
Mich hat die Dichtheit und das Rauschhafte in dem Beschreiben des Drogenkonsums, des Wegtretens, des Alkoholkonsums, das Absacken wenn Drogen wichtiger werden als Miete zahlen oder sich um die Wäsche kümmern fasziniert; das Familiengetue und Happy End war mir zu kitschig.
Mich faszinieren die sprachlichen Bilder des Autors/ vielen Dank an den Übersetzer :
.. daß man immer allein ist, wenn das auch gegen den Willen derjeniger geschieht, die dich lieben (S.12)
.. das Schwimmbecken .. ein flüssiger Planet ..
.. impulsive spontane Verabredungen mit der Traurigkeit (S.23)
Ich ging in den Klängen auf und schlich mich wie ein heimlicher Untermieter in ihre Seele ein (2.35)
.. der Mond ... warf seine Messerklingen in die Wellen (2.49/50)
.. eine riesige Schlingpflanze aus blauem und orangerotem Feuer rankte sich an einem Firmament aus Alkohol empor (S.52)
S. 81 ... daß ich Illusionen sammelte und mir keine mehr blieben.
S. 84 .. Garten, in dem der Herbst, ..., Laubwirbel umherstreute.
S. 123 Die Bücher überziehen die Wände wie Schlingpflanzen und klettern die Treppe empor, überfluten die Schlafzimmer und finden Ruhe.
Mittwoch, 11. August 2010
Dagmar Hansen : "Frühstück mit Puschkin"
"Frühstück mit Puschkin"
1999 Gustav Lübbe Verlag GmbH
223 Seiten
ISBN 3-7857-0973-0
Zu dem Buch habe ich aufgrund des Titels, und des Konterfeis des schwarzes Katers am Cover gegriffen. Der Buchumschlag hat daraufhingewiesen, daß Puschkin genau dieser schwarze Kater ist.
Der wunderschöne schwarze Kater, mit Stammbaum (nona!) erzählt aus seiner Beobachtungswarte was die Specie Homo Sapiens, v.a. seine Dosenöffnerin und ihre drei Freundinnen und diverse Männer in Thema Beziehung oder eben nicht aufführen. Gestört wird er von einem neuen roten Katertier namens Nemo (ohne Stammbaum!) und 2 Hunden der Umgebung. Daß nur er und Nemo es schaffen letztendlich ein Happy End zwischen einem katzenliebenden Mann und ihrem Dösenoffner herbeizuführen, ist jedem/r Liebesromanleser/in klar.
Gut unterhalten haben mich nur die Szenen, in denen der Kater das Wort hat - das was vier Frauen Ende der zwanzig zu bequatschen haben, war für mich nur zum quer hinunterlesen (und fad). Das wunderschöne wuschelige (dicke) Katergetier Puschkin hätte ich durchaus gerne mal gekrault.
Montag, 9. August 2010
Leonardo Padura : "Der Nebel von gestern"
Leonardo Padura :
"Der Nebel von gestern"
2005 'La neblina de ayer'
bei Tusquets Editores, Barcelona
aus dem kubanischen Spanisch von Hans-Joachim Harstein
2008, Unionsverlag, Zürich
359 Seiten
2 Seiten Nachbemerkungen und Dank von Leonard Padura, 2004
2 Seiten mit Biographien von Autor und Übersetzungen, und Bibliographie von Padura
ISBN 978-3-293-00388-0
Das Buch ist eigentlich eine Kriminalgeschichte, aber mich haben die Bezüge auf Leben und Geschichte von und in Kuba mehr interessiert.
Die Geschichte erzählt wie der ehemalige Polizist Mario El Conde, der seit Jahren als Buchhändler überlebt, eine wunderbare alte private Bibliothek mit Schätzen der Buchkunst aus Kuba entdeckt, ihm beim schmökern in einem Buch ein Zeitungsausschnitt einer Bolerosängerin aus der Zeit knapp zur Revolution entgegenfällt und von dem Foto der Sängerin Violeta del Rio dermassen fasziniert ist, daß er wissen will wer diese Frau wirklich ist.
Mithilfe von Freunden, alten Verbindungen, Bekannten bei der Polizei entwickelt sich gebrochen von kursiv gesetzten Briefen einer Frau an einen Mann, einem Ermordeten, Einblicken in das Lebens Kubas, daß sich der Chef einer alter Patrizierfamilie, der excellenter Geschäftsmann mit Verbindungen hatte, als Witwer in die 30 Jahre jüngere faszinierende schöne Frau verliebt hatte. Gemeinsam wollten sie Kuba verlassen, aber der Zyankalitod der Sängerin kam dazwischen.
40 Jahre später gesteht die illegitime Tochter des Patrizierhauses, die aus einer langen Beziehung zwischen ihm und seiner getreuen Sektretärin entstand, die Vergiftung der Sängerin - und die Hoffnung, daß der Patrizier endlich ihre Mutter heiraten würde (was dann nicht geschah).
Faszinierend bis erschreckend ist wie das Leben der Menschen auf Kuba geschildert wird - wie die Menschen die es nicht in eine Cooperativa oder ein Büro schaffen, mit Drogen, betrug, Schlägerein, etc. zu überleben suchen. Andere Menschen müssen um zu Essen kaufen zu können Bücher, Bilder, Mobiliar etc. verkaufen. Und beide Gruppen der Gesellschaft sind nicht klein.
Der Autor läßt Menschen die die Zeit vor dem Sturz Battistas erzählen, als für die Menschen Unterhaltung und Musik möglich gewesen sein dürften - im "jetzt" wird davon nichts mehr erzählt.
Der Enttäuschung, daß die Revolution zwar Battista vertrieben hat, aber die anderen Wünsche nach Gerechtigkeit und Chancen für mehr Menschen nicht erfüllte, ist greifbar.
Greifbar sind die Menschen, die das Buch bevölkern, wie die Freunde Conde's, der Händler Yogi, der Rollstuhlfahrer "der Dünne", Cantido, aber auch der Polizist Manolo bis zu der ehemaligen Prostituierten, Puffmutter und Näherin Elsa Contreras.
Schön sind für mich die Passagen, in denen dem die Liebe des Buchhändlers zu Büchern beschrieben wird, und daß ihm die Beziehung der Menschen zu Büchern wichtig ist. Die Art wie über Bücher geschrieben wird, deren Entstehungsgeschichten, wie auf das Besondere in Druck, in Farbgestaltung bis zur teilweise exklusiven Verpackung in Leder und Geld habe ich beim lesen sehr genossen.
Leider kann ich nicht genug spanisch um das Buch in seiner Originalsprache zu lesen - aber Formulierungen wie 'Erinnerungsfetischist', 'auf das Wohl der tapferen Leber geleert' und 'Mitglied der Vereinigung unbekehrbarer Alkoholiker' machten mir beim Lesen großes Vergnügen (und danke an den Übersetzer, denn ich erhoffe mir hier den Einfluß seines Sprachgefühls).
Was mir abgeht bei dem Buch ist ein bzw. mehrere Glossare: eines für die spezfisch kubanischen Wörter (auch wenn sie nachher im Text erklärt werden) z.b. torreja, Bolero, teniente, anejo; ein anderes Glossar wäre schön über all die Bücher die angeführt werden, und ebenso die Musikernamen.
Das Buch kann ich jedem empfehlen, der gerne sich in eine andere Welt begeben will, eine Welt mit Musik, Lebenswillen, und Büchernarren, um dessen Lebensart ein Krimi mit etwas Brutalität erzählt wird.
Sonntag, 1. August 2010
Maria Norowska : "Der russische Geliebte"
"Der russische Geliebte"
1996 'Rosyjski kochanek" bei Wydawnictwo W.A.B.,Warschau
aus dem Polnischen von Karin Wolff
2000 Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt
254 Seiten
ISBN 3-596-14876-6
Ein Buch von einer Frau eher mit Zielgruppe für Frauen geschrieben, das von einer großen, oder der richtigen Liebe glauben machen kann, oder zumindest Mut auf Liebe.
Julia, ist Literaturprofessorin in Warschau, Mutter und vielfache Großmutter (was ihr nicht angenehm ist), und auf ein Jahr an die Universtität in Paris als Dozentin eingeladen. Ihre Nachbarn im Hotel sind ein russisches Päarchen - Aleksander ist Historiker und schreibt an einem Buch über die letzten Tage des letzten russischen Zaren und Nadja, die Friseuse ist und über alle Ohren und Zellen in Aleksander verliebt. Nachdem Najda im Streit zurück fuhr, gehen Julia und Aleksander öfters miteinander essen, bis sie nach einem Streit miteinander das Bett teilen. Während für Aleksander die Beziehung kein Problem zu haben scheint, tut sich Julia mit dem Altersunterschied schwer / mehr noch der Beginn der biologischen Menopause führt ihr ihr Alter noch mehr vor Augen. Nach einem gemeinsam Urlaub auf Mallorca - wie vor langer Zeit auch Frederic Chopin und George Sand - zieht das Paar in eine Pariser Mansardenwohnung. Aleksanders Buch wird ein großer Erfolg. Im letzten Kapitel schreibt Julia ihrer Tochter einen Brief und schildert ihr ihr Leben als Ehefrau eines Historikers in Moskau.
In Rückblenden rollt Julia ihre Kindheit auf, die sie bei ihrer hilflosen Mutter und dem lieblosen autoritären Großvater verbracht hat. In der gleichen Beiläufigkeit und Lieblosigkeit wird sie beim Erstkontakt mit einem Mitstudenten schwanger. Die Tochter Ewa baut sich ihre Familie auf, in dem sie innerhalb kürzester Zeit einen liebenvollen Mann und mehrere Kinder hat - etwas das Julia lange suspekt ist.
Die Menschen in dem Buch sind schön gezeichnet - die Persönlichkeiten der verschiedenen Freunde Aleksanders in Paris klar und nachfühlbar geschildert. Auch die Szenerien sind fast filmhaft - sei es in Paris, auf Mallorca oder in Moskau.
Kurz kommt das Thema Krieg zu Wort, als einer der Freunde Aleksanders als Photograph ins zerfallende Jugoslawien geschickt wird, und Julia in einem Absatz die Greueltaten und Unmenschlichkeiten der Sieger schildert.
Das Buch ist gut geschrieben, macht das Frau sein und geht schön mit den Veränderungen des Körpers um. Die Liebe des jüngeren Mannes ist für mich romanhaft, denn das Gemisch aus Sensibilität und Sorgen-um-die-Frau ist zwar eine schöne Idee, aber unglaubhaft. Wer die Idee genießen möchte, ist in dieser Geschichte gut aufgehoben.
Samstag, 24. Juli 2010
Erich Maria Remarque : "Liebe Deinen Nächsten"
Erich Maria Remarque :
"Liebe Deinen Nächsten"
Roman
1941 in USA unter "Flotsam" erschienen
1953 dt. Erstausgabe Kurt Desch Verlag, München
3. Auflage 2004 Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln
319 Seiten
27 Nachwort von Tilman Westphalen über Remarques Biographie, Zeitgeschichte der Zwischenkriegszeit, Zeitgeschichte von Flucht und Überleben ohne Papiere im Ist-Roman-Vergleich
3 Seiten Anmerkungen aus Fußnoten
ISBN 3-463-02730-1
Es ist ein sehr gut geschriebener Roman, in denen das Leben dreier Menschen in der Zeit vor dem zweiten Weltkrieg schildert, als Menschen aus politischen Gründen nicht nur ihre Existenz sondern auch Identität mangels gültigem Paß verlieren (können).
Die Geschichte hat zwei Teile und schildert als quasi ersten roten Faden wie es Josef Steiner als Kellner, als Falschspieler, als Wiener Praterbelustigung etc. ergeht. Der zweite rote Faden ist Ludwig Kern, den es als Halbarier zuerst in die Tschechoslowakei, dann Österreich, dann wieder die Tschechoslowakei mit Ausweisungen verschlägt, der sich aber verliebt, und dann wieder Mut in der Trostlosigkeit faßt und via Österreich, und dann Schweiz nach Paris schafft. Die Geschichte des Mädchens, Ruth Holland, ist der dritte rote Faden, in dem sie zuerst mit enttäuschter Liebe fertig werden muß, aber es legal, weil sie noch einen Paß hat (im Gegensatz zu den beiden anderen), nach Österreich schafft, in Wien leider nicht mehr weiterstudieren kann, und gemeinsam mit Ludwig in die Schweiz und dann nach Paris schafft. Ihnen beiden ermöglicht Josef Steiner und Glück daß sie nach Mexiko auswandern können.
Am Anfang des Buches wird die Trostlosigkeit, die Mutlosigkeit, die angst geschildert erwischt zu werden und mangels Papieren ausgewiesen zu werden. Der markante Satz “Ein Mensch ohne Paß ist eine Leiche auf Urlaub” schildert die Grundstimmung. Steiner und Kern lernen sich bei ersten Gefangennahme Kerns kennen, und Steiner nutzt die Zeit Kern Kartenspielen und falls notwendig Falschspielen beizubringen. (Auch später wird Gefängniszeit zum Lernen benutzt – in dem Kern bei einem Mitinsassen französisch lernt).
Später wird der Umgang mit keinen Papieren fast zur Selbstverständlichkeit und man lernt mit Hilfe gutorganisierter und wohlmeinender Menschen die Grenzen zu nehmen; immer hoffend daß man nicht von der Polizei geschnappt wird.
Rund um diese drei Hauptprotagonisten gibt es Menschen, die immer wieder den Weg eines der drei oder aller drei kreuzen, wie “der Poulet” oder Moritz Rosenthal, andere die kurzfristig da sind wie Lilo die Steiner in Wien im Prater beherbergt, Dr. Bree in der Schweiz der Ruth Holland im Krankenhaus unterbringen kann etc.
Polizisten und rechtssprechende Personen werden im weiten Spektrum zwischen faktischem neutralen Gesetz anwenden, genüßlicher Machtausübung bis zu das System hinterfragend aber keine Lösung findend (aber mi kleinen Gutes zu tun versuchend) geschildert.
Der Völkerbund, der über die ausweislosen Menschen und deren Leben Bescheid weiß, aber nichts effektives tut, wird nur geschildert (nicht kommentiert).
Die Schilderungen von Personen, Gefühlen und Gedanken sind sehr klar, und produzieren fast ein Filmscript im Kopf. Auch die Gegenden, die Umgebung, die Ort sind klar gezeichnet und fast zu greifen, fast ist die Nase versucht mitzuschildern.
Das Buch ist “gefährlich”, weil es mit seiner menschlichen Unmenschlichkeit unter die Haut geht und berührt. Situationsbedingte Lösungen werden nicht gezeigt. Das was Mut gibt ist, daß Menschen Menschen helfen können.
Donnerstag, 8. Juli 2010
Rafael Arozarena : "Mararía"
Rafael Arozarena :
"Mararía"
1973, unter Mararía
Verlag Noguer, Barcelona
aus dem Spanischen von Gerta Neuroth übersetzt
1998, Gustav Lübbe Verlag GmbH
232 Seiten
1 Seite Glossar
4 Seiten Nachwort der Übersetzerin
ISBN 3-7857-1503-X
Es ist ein sprödes Buch bei dem man so langsam weiterkommt wie man durch den Sand waten kann, oder bei Hitze einen kargen Berg erklettert. Es ist die Geschichte einer wunderschönen Frau auf einer Insel in einer Männergesellschaft, die zwar Erwartungen für das Schöne entzündet aber keiner damit glücklich wird.
Ort des Romanes ist die Insel Lanzerote, die als Skelett eines Kamels beschrieben wird, der Kampf ums Überleben in einem Dorf mit Gasthaus, Landwirtschaft, aber von dem die Männer weggehen um als Matrosen zu arbeiten.
Sprunghaft wird durch Erzählungen von ausschließlich Männern die Geschichte einer wunderschönen jungen Frau erzählt, die im Alter nur noch abends außer Haus geht und den Ruf als Hexe hat.
Sie hatte eine Kind von einem Mann, wollte einen anderen heiraten der am Tag der Hochzeit von betrunkenen Männern ihres Dorfes spaßhalber erschlagen wurde, verlor ihren Sohn an das Meer das ihn nicht mehr hergab, und bewahrte ihre Würde und ihre kerzengerade Haltung aber auch das Feuer in ihren Augen bis ins hohe Alter.
Männer wollten sie heiraten, sie besitzen, mit ihr angeben, verloren durch sie Berechnung oder Ziele aus den Augen, oder beteten sie einfach nur an.
Die Erzähler sind der Gasthausbesitzer, der Bucklige, der Pfarrer, ein Landbesitzer, ein Matrose der mittellos heimkehrt, ein Arzt am Strand etc. Andere Frauen haben keine Chance und hier auch keine Stimme zur Äußerung.
Die Geschichte fasziniert, aber sie ist trocken und spröde wie die baumlosen Berge, die herumliegende Gerippe der Tiere, und erst langsam baut sich auf warum die kerzengerade Gestalt, vor der sich die Hunde fürchten, so ein Faszinosum birgt.
Das Buch ist jedem zu empfehlen der sich die Zeit und Lust nimmt, langsam eine Landschaft und auch Art des Lebens auf sich einwirken zu lassen und dabei die Personenschilderungen zu genießen.
Samstag, 3. Juli 2010
Juan Madrid : "Der Schein trügt nicht"
"Der Schein trügt nicht"
Originaltitel "Las apariencias no enganan"
1981, Ediciones Jucar, Madrid
aus dem Spanischen übersetzt von Hans-Joachim Hartstein
1993, Piper Gmbh München
184 Seiten
2 Seiten Anmerkungen des Übersetzers (Übersetzungen, Anmerkungen zu den Abkürzungen oder Informationen über typische nicht übersetzbare Vokabel oder Worte)
ISBN 3-492-15606-1
Ein Kriminalroman der desillusioniert über Macht (und Ohnmacht) von Polizisten, Wirtschaft, bis kleinen Ladenbesitzern und jeder Menge Leichen erzählt.
Antonio Carpintero, als Boxer unter dem Namen Toni Romano bekannt, war jahrelang Polizist und arbeitet als Rausschmeißer einer Diskothek. An einem Abend in einem heruntergekommenen Laden eines Freundes startet eine Schießerei an einem Tisch, bei der Toni in Notwehr einen der Schützen trifft.
Damit beginnt für ihn eine Suche nach den Hintermännern, da er sowohl von Polizei, Ex-Chef, Ex-Kollegen, Männern mit Einfluß in verschiedene Richtungen gedrängt wird.
Es sind eine Menge Alkohol, Pistolenkugeln, die unterschiedlichsten Faustfeuerwaffen, einige Frauen und jede Menge Leichen im Spiel, bis am Schluß klar wird, daß die Schießerei am Beginn simple Erpressung wegen Seitensprung gewesen war, die allerdings ziemlich schief ging.
Niemand steigt bei diesem Kriminalroman gut aus - v.a. die negative bis desillusionierte Stimmung bis Bestechung/Lenkung der Polizei wird genau geschildert. Ob das ein Abbild der Polizei in Spanien Anfang der 80-er Jahre des letzten Jahrhundert ist, ist möglich.
Das Buch ist gut lesbar, die Personen sind zwar manchmal stereotyp, aber doch ziemlich anschaulich geschildert. Die Szenerien sind in ihrer Trostlosigkeit spürbar. Ob die Schußwechsel und Trinkszenen so sein mögen, muß der Leser selber entscheiden.
Christiane Martini : "Venezianischer Mord"
Christiane Martini :
"Venezianischer Mord" - "Carusos zweiter Fall"
2006 Piper München Zürich
161 Seiten Krimi + 3 Seiten Personenregister + 3 Seiten italienisch + deutsches Glossar + 1 Seite Rezeptverzeichnis + 2 Seiten Stadtplan Venedig
ISBN 978-3-492-24468-8
Nett und rasch lesbarer Krimi, der ideal für Schokolade- und Katzenfans ist.
Caruso, der rote Kater, hilft mithilfe seiner Katzengang den Mord wegen eines alten Kampfes um ein altes Buch mit Schokoladepralinenrezepten zu lösen (Geheimrezept mit Schokolade, Zimt, Anis, Harrisa und bisserl Giftpilz).
Auch Gnocci, eine kleine dicke Ratte, der es nebenbei schafft seinen Spitznamen, als Kartoffelfresser, zu überwinden und ab nun Dispedanzo, der Schlaue, genannt wird, schafft es mit dem gefährlichen schwarzen Katerbrüderpaar Neri eine Kooperation herzustellen und auch die Rattengang zur Hilfe zu überzeugen.
Inspettore Castello, der Mensch für Camilla, die Carusos Gefährtin ist, kann den Fall durch aktive Mithilfe von Katz & Ratz lösen (Hilfe durch Hervorzaubern von Beweismaterial bis Stoppen des Verdächtigen indem die vielen vorhandenen Vierbeiner sich in besagtes Individuum verknabbern). Leider ist seinem Chef die vierpfötige Hilfe weniger willkommen.
In den Katzenkrimi sind Rezepte von Rosenlimonade, über kandierte Blumen bis Pistazienpralinen etc. eingebaut - manche reizen zum nachbasteln.
Stars des Buches sind die Tiere, sie sind genau und schön vorstellbar gezeichnet sind. Auch der schokobraune Kater Burma, dessen Mensch sich leider als sein Mörder zeigt.
Die Menschen bleiben bis auf den Inspettore schemenhaft und reduziert auf Schuhe, Mantel und Geruch.
Für Venedigfans ist schön genau geschildert auf welchen Wegen sich die Katzen (und Ratten) bewegen, und immerwieder wird kurz innegehalten, um 2 Zeilen über das schneetreiben und damit Zauber der Stadt in den Schneeflocken (der auch Spaß für Katzen sein kann) zu schildern. arrivederci cioccolata !
Mittwoch, 23. Juni 2010
Hannelore Hippe : "Niedere Frequenzen"
"Niedere Frequenzen"
1994, Giftmelange - die Krimireihe im Wiener Frauenverlag / Band 3
283 Seiten
ISBN 3-85286-004-0
Leicht geschriebener Krimi, der streckenweise etwas mühsam (konstruiert) wirkt, aber schön in die Szenerien hineinzieht.
Gunda Korwitz, Sekretärin in einem Sender, liest gerne Krimis. Der Chef ihrer Kollegin wird ermordet. Später auch seine Sekretärin. Eine attraktive Kommisarin recherchiert. Gunda fährt nach Wales, weil ein wichtiger Philosoph dort gelebt hatte, aber entführt und ermordet worden war. Es stellt sich heraus, daß ein anderer Mann im Sender die Dissertationsunterlagen seiner Geliebten genutzt hatte um mit diesem Philosphen ein Interview zu fälschen. Da diese Tatsache ans Licht zu kommen droht, hat er kurzerhand die Entdecker ermordet.
Eher kühler Krimi, der für mich keine Gefühl der Dichtheit erzeugte.
Dabei sind die Menschen und das Ambiente schön gezeichnet, sodaß die Protagonisten fast bildhaft vor mir sind. Sowohl das deutsche Umfeld mit wunderbar kochendem Freund von Gunda, essen gehen, Fitnessstudio, bis zu Kantine im Sender als auch der Ausflug nach Wales mit Landschaft, Ruinen, Landgasthaus sind klar beschrieben, ohne daß es pickt.
Die titelgebenden 'Niederen Frequenzen' werden kurz in einem Artikel genannt, sind für mich aber kein Schlüssel zum Buch.
PS: ob es den Wiener Frauenverlag noch 2010 gibt, habe ich leider nicht herausbekommen
Samstag, 12. Juni 2010
Andrej Wolos : "Der Animator"
"Der Animator"
original 2005, Zebra-E in Moskau
aus dem Russischen von Christiane Körner
2007, Carl Hanser Verlag München
285 Seiten
ISBN 978-3-446-20827-8
Ein gut geschriebenes Buch, daß Aufmerksamkeit fordert, mit Begriffen wie Noosphäre etc. herausfordert und mit seinem Grenzgang Seelen am Leuchten zu halten, oder dem Versuch die Seelen Lebender zu lesen und damit womöglich Terrorattaken zu verhindern im Futurismus landet.
Barmin, geschieden, eine Tochter, hat die Gabe die Seelen Verstorbener im Kolben durch die Informationen der Verwandten zum Leuchten zu bringen. Die Qualität dieses Leuchtens hat verschiedenen Stufen und es liegt beim Menschen seines Berufe, den Animatoren, so gut wie möglich zu sein. Der Beruf strengt an und jeden Tag gilt es zu beweisen, daß die Gabe immer noch vorhanden ist. Auf der anderen Seite holt er sich dann die Energie bei Alkohol, Frauen anplaudern, noch mehr Alkohol und Essen.
In hineingeschnittenen Kapiteln werden einige der beendeten Leben erzählt, die am Anfang sehr willkürlich wirken, aber dann zusammenführen da es Berichte aus Katschirien sind - verschleppte Menschen erzählen, ein religiöser Fanatiker, einer russischer bestechlicher Offizier, etc.
Als quasi dritte Ebene kommt eine quasi offizielle/militärische Linie, in der versucht wird Selbstmordattentate aufzuhalten, Terroristen zu verfolgen (was jämmerlich schief geht) und dem Bürgerkrieg in Katschirien zu begegnen.
Katschirien - es geht um Tschetschenien: die Geschichte, den Kampf um Freiheit, aber auch um die Attentate in der Oper (hier im Theater), den religiösen Auseinandersetzungen bis zu den Selbstsprengungen im Bus etc.
Die Liebesgeschichte zwischen Barmin und der 26-jährigen Klara, die sich von ihm trennt weil er immer gesagt hat kein Kinder (mehr) zu wollen, in der Trennungsphase sein Kind auf die Welt bringt, findet kein happy end, den sie überlebt die Geiselnahme im Theater nicht, im Gegensatz zu Barmin.
Für mich war es ein spannendes Buch, das vielleicht etwas kompliziert zu lesen war, weil mir Begriffe wie Noosphäre und Kosmologie neu waren/sind und weil ich erst sehr spät Katschirien nicht als Fiktion, sondern tschetschenische Wirklichkeit erkannt habe.
Es ist keine Gute-Nacht-lesebuch, sondern eines das Fragen evoziert : über Tod, über Geschichte, über Terror etc ....
Sonntag, 23. Mai 2010
Sandra Mulansky : "Tod der Unschuld"
"Tod der Unschuld"
2000, Rowohlt Taschenbuch Verlag
256 Seiten
ISBN 3-499-22891-2
Kein klassischer who-dunnit-krimi sondern die Geschichte um einen getöteten Säugling mit massiven Herzproblemen, mit Eintauchen in die medizinischen und auch menschlichen Probleme für die Angehörigen.
Eine kleine Detektei, bestehend aus 2 Archäologen, wird beauftragt den Tod eines Säuglings in Frankfurt zu untersuchen. Claudia-Marlies lernt Säuglinge mit ihren speziellen Herzproblemen (nur eine Kammer etc.) und deren Eltern, sowie die Spezialisten und Angestellten des Krankenhauses und die Familie des getöten Bubens kennen. Durch einen Zufall stellt sich heraus, daß eine junge Lernschwester komplett mit den seelischen Belastung überfordert war und man erwischt sie als sie einem operierten Säugling mit einer Überdosis das Sterben erleichtern will.
Viele Handlungstränge sind um diese Hauptgeschichte gewoben
*Detekteipartner Federico, der zuviel trinkt, recherchiert in dem er sich als Journalist ausgibt, und sich in eine zeitweise Verdächtige sehr attraktive Frau verliebt
*Claudia-Marlies' Sohn, dem der Kindergarten nicht gefällt und der dazugehörige Vater mit dem die Beziehung nicht eindeutig ist, aber ein happy end im Raum steht
*Claudia-Marlies' Schwester abgehaut ist, - nach Australien, was nur Claudia-Marlies und eine Tante wissen
*die Großeltern des getöteten Buben, die einer rechten Denkart anheim sind, daß es ihnen der Tod des kranken Enkels und damit Abkömmling des nicht geschätzten Schwiegersohns fast recht ist
*der türkische Oberarzt dessen Habitilation von seinem Chef nicht anerkannt wird
*daß die Mutter des Buben einen Zwillingsbruder gehabt hat, bei dessen Geburt es ein Problem gegeben haben, dürfte, sodaß lernen für ihn schwierig war und der sich bei schlechten Noten mit 11 Jahren aufhängte
*der türkische Oberarzt bewacht seine Schwester streng und bezieht gegen ihren alevitischen Freund eher aggressiv Stellung
* ein oder zwei Fälle aus der Detektei
Situationen und Menschen sind klar geschildert und sie entstehen schön vor meinem Auge; manches ist durchaus wie ein Film.
Die vielen Handlungsstränge und - ebenen sind nicht immer leicht auseinander zu halten, aber in Sumnme bleibt die Spannung und Neugier wie die Geschichte denn ausgehen wird, erhalten.
Donnerstag, 20. Mai 2010
Peter. R. Wieninger : "Die Spur der Katzen"
"Die Spur der Katzen"
Roman
1996, Reclam Verlag Leipzig
219 Seiten
ISBN 3-379-00756-0
Eigenartige Geschichte, bei der in der Jetztzeit ein verwöhnter schicki-micki Beamter spirituell erleuchtet wird, und parallel die Geschichte des 'Book of Kells' erzählt wird.
Die titelgebenden Katzen sind als Verteidiger der bösen Energie nur fauchend und kratzend geschildert - leider. Der Hund auf der Seite der positiven Energie, klassisch treu.
Das Buch ist in zwei Strängen aufgebaut, die am Schluß zusammenfinden.
Die Handlung in der Jetztzeit beschreibt den Beamten Steinwändter in Armani/Boss/etc. Anzügen und Sportautos mit "i" am Schluß, der beim Rasen einen Mann überfährt, sein Auto versteckt, trickst um eine Anzeige wegen Autodiebstahls machen zu können, das Auto wider Erwarten ohne Schaden retourerhält (bald aber merkt, daß es nicht sein Auto ist), und dann neugierig geworden und weil seine Kinder und sein Hund bedroht werden (seine Frau ist ihm egal, da er eine Geliebte hat), nach St. Pölten fährt weil ein Hinweis es so will. Im Dom findet er dann die relevanten und rätsellösenden Antworten.
Parallel wird die Geschichte des 'Book of Kells' erzählt, an dessen 340 Seiten im 9 Jahrhunder 4 Mönche arbeiteten, zeichneten, kallographierten, für Farbe Würmer zerrieben ließen , Gold in malbare Konstistenz bringen ließen und für dessen Existenz sie von Inseln bei Schottland, zu Inseln bei Irland fliehen mußten. In den nächsten historischen Wirren wird das Buch in Dublin untergebracht, wo es im 20. Jahrhundert unter Alarmglocken geschützt der Öffentlichkeit gezeigt wird. Berühmt ist es für seine Zeichnungen und die Farben die auch nach einem Jahrtausend noch frisch sein sollen.
Nebenzweig die Geschichte und der spirituelle Hintergrund der Zoroaster, und wie sie den Ausgleich von Gut und Böse auf der Welt sehen.
Das Buch ist so geschrieben, daß ich das Ende wissen wollte, sprachlich hat es mich aber nicht gereizt.
Den Beschreibungen des Buches, der Kleidungen, der diversen Interieurs, der Landschaften, der Stadt St. Pölten und Teilen Wiens ist Raum gegeben ohne sich festzulaufen - leider bleiben die Menschen für mich an der Oberfläche und auch die Wandlung des Abteilungsleiters Steinwändtner durch spirituelle Informationen ist eher belustigend.
Oder macht sich der Autor über seinen eigenen 'halben' Fantasyroman (die andere Hälfte kann eher als Kriminalroman klassifiziert werden) selber lustig ? Beim Lesen des Endes habe ich zumindest mehrmals den Eindruck.
Nettes Detail ist die Beschreibung von "Uisce beatha" ... genau: Whiskey :-)
Dienstag, 11. Mai 2010
Linda Mather : "Schlechte Zeiten für den Widder" - "ein Astro Krimi"
"Schlechte Zeiten für den Widder"
"ein Astro Krimi"
Original "Blood of an Aries"
1993 Macmillan London/Pan Macmillan Ltd.
aus dem Englischen von Wolfgang Thon
1. Auflage, 1996, Aufbau Taschenbuch Verlag Berlin
242 Seiten
ISBN 3-7466-1204-7
Nett lesbarer Krimi, der gut in den Öffentlichen unterhält, in dem eine kleine Detektei in Coventry der Ermordung eines Steuerberaters in Ausbildung, eines Universitätsprofessors und eines Amerikaners auf der Spur ist.
Jo, die einen Job neben ihrer Freiberuflichkeit als Astrologin braucht, nimmt eine Teilzeitarbeit als Mitarbeiterin in einer netten kleinen Detektei an. Diese soll einen Leichenfund in einem Hotel klären – den werdenden Steuerberater -, beim Aufarbeiten seiner Kontakte wird der Universitätsprofessor erschossen. Jo und die Leute der Detektei lernen die Familie des aus den USA zurückgekehrten Professors kennen, und auch einige Freunde der Familie.
Dann taucht auch noch ein ehemaliger Student aus den USA aus, der sich als ehemalige Freund/Liebhaber des Professors erklärt. Auch dieser wird ermordet.
Letztendlich kommt Jo drauf, daß der Professor bevor er in die USA ging, eine Freundin seiner damaligen Verlobten und jetzigen Frau vergewaltigt hatte, und diese ihn als Rache erschoß - und, weil er sie erpresste, den amerikanischen Studenten auch umbrachte. Der aufstrebende Steuerberater hat Selbstmord begangen, da er keine Chance sah seine Beziehung zu dem Professor zu leben. Da die Polizei aber die Morde dem amerikanischen Stundenten mit anschließendem Selbstmord in die Schuhe schiebt, bleibt die rächende Frau unbehelligt.
Nett lesbare Geschichte, in der sich auch mit einer Annäherung zwischen Jo und dem Chef der Detektei Macy eine Liebesgeschichte anspinnt.
Die Menschen sind teilweise nett beschrieben, sehr klar die Familie des Professors (die superfreundliche Frau und 2 Töchter, einmal charismatisch kritisch, die andere neugierig und Teenager), auch der Nachbar der Familie (= Liebhaber der Ehefrau) hat klare Konturen, die Freundin der Familie und deren Nichte (die sich in der charismatischen Professor verliebt, und damit die Emotionen ihrer [vergewaltigten] Tante endgültig zum übergehen bringt) sind schön in ihrer Zurückgezogenheit und Verbittertheit die eine, sinnlos verknallt die andere gezeichnet. Auch die Hilfsgeister der Detektei wie der ruppige Al und die positive, plaudernde Bürochefin Celia haben Linien.
Astrologie wird als Thema bißchen angerissen, aber bleibt für mich an der Oberfläche, daß für mich die Kategorisierung ‚Astrokrimi’ zu wenig Substanz hat.
Freitag, 7. Mai 2010
Jutta Motz : "Späte Seilschaften"
"Späte Seilschaften"
Originalausgabe
Pendragon Verlag
Günter Butkus, Bielefeld 2008
449 Seiten
ISBN 978-3-86532-105-3
Spannende Geschichte, mit Leiche im Keller, verdächtigem Archäologen der als Spion gearbeitet hatte, einem Ex-Stasi-Mann der DDR der in England neu Fuß fassen möchte, archäologische Schwindel die nur deshalb nicht publik werden weil der beruflich anerkannte Vater des Schwindlers seinen guten Ruf verlieren dürfte, einem Ex-liebhaber der am Fleischhacken endet, und alles mündet in einem saftigen Pharmaskandal.
den roten Faden bildet die Tochter des verdächtigten Archäologen, der als ehemaliger Spion noch gut weiß, wie man sich verborgen hält. Sie war mit einem Deutschen liiert gewesen und glaubt als einzige daran, daß ihr Vater kein Mörder ist und ist gemeinsam mit einem seiner ehemaligen Schüler auf der Suche nach ihm. Eine Liebesgeschichte beginnt sich hier zu entspinnen ;-)
Der Mörder ist übrigens ein ehemaliger Lernkollege dieser Tochter, der seine unbeantwortete Zuneigung rächen wollte.
Die Geschichte ist spannend, die Personen knapp aber schön skiziert und laufen wie ein Film vor dem geistigen Auge ab. Das Buch ist jedem zu empfehlen der ein bisserl verzwickte Kriminalromane mag.
Dienstag, 27. April 2010
Alexandra Marinina : "Mit verdeckten Karten"
"Mit verdeckten Karten"
- Anastasijas dritter Fall
original "Schesterki umirajut pervymi"
1995, Verlag ZAO Izdatelstvo EKSMO Moskau
aus dem Russischen von Natascha Wodin
2000, Argon Verlag GmbH Berlin
315 Seiten
ISBN 3-87024-508-5
Die Erzählung des Krimis startet mit mehreren willkürlich erschossenen Menschen, in deren Mordlösung sich ein handfester Wirtschaftsbetrug mischt, dessen Ende aber dann ziemlich plötzlich verebbt.
Anastasija Kamenskaja wird mit ihrem Team beauftragt den Mord eines Abteilungsleiters eines staatlichen Zentrums zu lösen.
Dieser Mann war mit seinem Team auf der Fährte eines Wirtschaftsbetruges - eine russische Firma kauft zu verarbeitendes Rohmaterial zum Spottpreis auf und verkauft das gewonnene Rohmaterial extrem teuer weiter. Diese Firma kommt mithilfe von Helfern zu diesem Spottpreis, was darauf schließen läßt, daß höher gestellte Beamte bis bestens organisierte Menschen/Vereinigungen hier systhematisch Regionen ausnutzen, zu ihrem Spielball wirtschaftlicher Interessen werden lassen, und bei Bedarf in Falle drohender Untersuchungen diese Firmen löschen um neue auferstehen zu lassen. Das Spiel bleibt das Gleiche - der Schaden für die Menschen in den Regionen riesig.
Die Macht der Drahtzieher läßt Platanow unter Druck geraten, der auf seine bewährte Strategie, nämlich bei einer intelligenten (neu zu suchenden) Frau unterzutauchen nutzt um zu verschwinden. Dieser Frau erzählt er seine Situation und ersucht sie in seinem Namen über Tage dann Wochen hinweg Telephonate bestimmter Inhalte zu machen.
Dmitrij (Dima) Platonow ist verheiratet, hat ein Kind und hat eine Geliebte, die die Schwester seines besten Freundes Sergej Russanow ist.
In Laufe des Buches werden die Befehls-und Informationsstrukturen geschildert, und durch verschiedene Telephonate gelingt es Platanow und Kira herauszukriegen, daß Russanow bei den Firmenuntersuchungen ein Doppelspiel gemacht hat um Platonow hereinzulegen.
Parallel kommt Nastasija kommt zu dem gleichen Ergebenis, da Platanows Frauengeschichten vor Russanows Frau nicht halt gemacht hatten, und er damit vermutlich die innig geliebte Schwester von Russanow angesteckt haben dürfte.
Der zweite Handlungsstrang ist Kira Lewtschenko gewidmet, die eine wunderschöne eher phlegmatische junge Frau ist, hilfsbereit Platonow gegenüber und genau bei den Telephonaten mit ihren Informationen. Jeden Samstag fährt zur Datscha ihrer Eltern und bringt ihnen Lebensmittel. Erst im letzten Buchfünftel findet Platanow beim Renovieren der Wohnung eine frisch benützte Pistole im Bad und die Todesurkunden ihrer Eltern. Kira hat eine Schützenausbildung und einem Mafiaboss ihre Dienste angeboten – und als Beweis, daß sie jeden Samstag einen Menschen erschiessen wird, bis sie einen Auftrag von ihm erhält. Letztendlich erhält sie einen – nämlich sich und Platonow aus dem Wege zu schaffen.
Auf der letzten Seite fliegen Russanow und Kira durch eine Autobombe in die Luft. (woher aber die ist, ist mir unklar geblieben).
Die Menschen und die Art wie sie leben, sind schön und greifbar geschildert.
Auch der Wirtschaftsbetrug ist klar und logisch nachvollziehbar. Für die Vernetzung der verschiedenen Ministerien, Institute, Zentren und wer wo seine Einflüsse hat ist Konzentration nötig.
Schön ist ein kurzer Exkurs über Mordmotive, denn General Satotschny meint Geld sei die Triebfeder, während Anastasija meint, daß geld nur Mittel zum Zweck sei, weil man mit Geld ein Ziel erreichen kann (Haus, Job, Auto, Frau, Macht, etc ....).
Mir bleibt ein schales Gefühl, denn das Ende ist mir nach dem Zeit nehmen für genaue Schilderungen zu rasch und v.a. zu unklar.
Dienstag, 20. April 2010
Guillermo Arriaga : "Der süße Duft des Todes"
Guillermo Arriaga :
"Der süße Duft des Todes"
original "Un dulce olor a muerte"
1994 Editorial Planeta, Mexiko
aus dem mexanischen Spanisch von Susanna Mende
2001, Unionsverlag Zürich
201 Seiten
2 Seiten Begegnung Guillermo Arriaga und Susanna Mende
2 Seiten Arriaga über Arriaga
ISBN 3-293-00278-1
Ein spannendes Buch, das erzählt wie durch eine dumme Bemerkung eines Dorfbewohners der junge Ladenbesitzer Ramon gezwungen wird den Mord an einer jungen Frau durch Mord an einem Unschuldigen zu rächen.
In einem mexikanischen Dorf, das von Landwirtschaft lebt, fern von modernen Errungenschaften wie z.B. elektrischem Strom, wird der Leichnam eines hübschen Mädchens gefunden. Einer der Umstehenden meint zu Ramon daß sei doch seine Freundin gewesen, und da er sich nicht wehrt ist einige Stunden später im Dorf klar, daß er die Ermordung 'seiner' Freundin zu rächen hat. Der zu Ermordente ist ein Wanderverkäufer, der ein Verhältnis mit einer verheirateten Frau im Dorf hat, und beobachtet worden war (der Beobachter behauptetet, daß das Mädchen Adela mit dem Wanderverkäufer gesehen habe).
Der Dorfpolizist Justino findet zwar heraus daß das Mädchen eine Liebschaft hatte (und vermutlich von diesem Mann getötet worden war), auch daß die Schuhabrücke vor Ort nicht mit denen des Wanderverkäufers Gitano zusammenpassen, aber er hat gelernt dem Leben (und der Dorfehre) seinen Lauf zu lassen.
Einige der Dorfbewohner versuchen Ramon bei der Vorbereitung auf den Mord zu helfen, organsieren mit ihm ein Gewehr, bis ihm der Tierschlachter zeigt wo das Herz liegt, an einem Stier trainiert und ihm einen Eispickel leiht (etwas ähnliches war vermutlich auch die Mordwaffe an dem Mädchen gewesen).
Nach vollbrachtem Mord, muß Ramon das Dorf verlassen - da ihn sonst die Polizei findet.
Das Buch schildert wie die Menschen in Tampico leben, in welchen Wohnverhältnissen sie leben, wie die Familien- und Dorfstrukturen funktionieren, bis zur Art des Essens (Gürteltierspeck; Seebrasse mit Brot, in grobem Salz und ausgepresster Zitrone). Landwirtschaft und Tierzucht wird geschildert - die Bilder der Trockenheit bzw. die brütende "klebrige" Hitze sind fast spürbar.
Die Kapitel/Absätze sind kurz und genau auf diesen einen Menschen konzentriert, dessen meist ziemlich eingefahrere Situation beleuchtet wird. Auskommen aus der Situation ist/scheint nicht möglich - alles folgt vorgeschriebenen/ausgetretenen Strukturen: egal ob eine verheiratete Frau nicht betrügt, oder die Mutter des Ramon zusehen muß wie er zum Mörder wird und dann verschwinden muß, bis zum Polizisten, der Wahrheit nach den internen Dorfgesetzen stellen muß (auch wenn ihm vermutlich sein Vorgesetzter dann Probleme machen wird).
Adela bleibt für mich ein ungreifbarer Schatten, Ramon wird als lieber weicher Mensch, der sich nicht nein sagen traut, geschildert und damit noles volens das tut was man von ihm erwartet, der ehebrechende Wanderhändler Gitano wird für mich greifbar, genauso wie der verwitwete Polizist und andere Dorfbewohner mit ihren Geschichten wie der blinde Rutilio mit seinen Hühnern, oder Juan der in den Vereinigten Staaten sein Glück gesucht hatte aber wegen des Lohnes verraten worden war etc....
Eigen wie sich Ramon, der Adela nur fünf mal gesehen hatte, aber nie mit ihr gesprochen hatte, in eine Phantasiewelt flüchtet, in dem sie zu sehen, zu hören und v.a. zu spüren vermag, aber erst als ihm ihre Liebe angedichtet wird. Nur diese nebulose Welt ermöglicht ihm die Rolle des Mörder aus Ehre durchzuziehen.
Natürlich ist die Nähe zu Marquez' "Chronik eines angekündigten Todes" nahe, aber die Erzählweise ist für mich unterschiedlich, wenngleich mich beide Bücher neugierig gehalten haben.
Ich kann das Buch nur empfehlen - v.a. in der Winterzeit, denn die Beschreibungen von Hitze wärmten mich, und es ist eine spannende Geschichte trotz der Hoffnungslosigkeit die nachher bleibt.
Sonntag, 18. April 2010
Viktoria Platowa : "Die Frau mit dem Engelsgesicht"
"Die Frau mit dem Engelsgesicht"
original "в тихoм oмуте"
1998 bei EKSMO-Press, Moskau
aus dem Russischen von Olga Kouvchinnikova und Ingolf Hoppmann
2002, Aufbau Taschenbuch Verlag GmbH Berlin
404 Seiten
ISBN 3-7466-1875-4
Rasch lesbares Buch, das aber eine ziemlich unglaubwürdige, aber nicht einmal skurile Geschichte erzählt.
Eine unscheinbare Frau, die auf der Filmakademie Moskau nur ihren Freunden hilft, und nachher weiterhilft in dem sie blutrünstige Pornoplots schreibt, wird in den Mord an zwei guten Freunden verwickelt.
Sie läßt sich ihr Gesicht operieren und beschließt den Mord an ihren Freunden zu rächen. Ihre Porno-Storys mit viel künstlichem Blut waren alle Mord durch erschlagen etc. also natürlichem Blut umgesetzt worden. Das Entstehen so eines Gewaltpornos war durch einen der Freunde mitgeschnitten worden - was den Mord an ihm erklärt.
Mit der Ausstrahlung einer schönen selbstbewußten Frau nimmt Eva, in ihrem neuem post-operativen Namen, Kontakt zu einer attraktiven einflußreichen lesbischen Frau auf (die ihr einen Paß machen läßt), zu dubiosen Ladenbesitzern, und wärmt mit neuem Gesicht und neuem Namen alte Bekannte auf. Sie pendelt zwischen Moskau und St. Petersburg hin- und her - die Schilderungen beider Städte sind nicht wirklich anheimelnd. Nebenbei vereitelt sie einen Mord an einem einflußreichen Geschäftsmann, der ihr dafür mit Geld, Wohnung und Rechtsanwalt bei etwaigen Problemen weiterhilft. Dazwischen gibt es weiter Morde - zufällige mit einem Badezimmerhacken oder welche bei denen eine Kugel in einer Pistole vergessen worden war. Auch ein kleiner Ausflug ans Meer mit dem Mann der Träume wird nicht vergessen. Nachdem wieder ein Mann ungebracht wurden war, entpuppt sich, daß genau der Mann der Träume derjenige ist, der hinter den blutigen Pornos steht, aber Eva ist auch hier geschützt also kann sie nach dem Showdown mit Tod des Manns der Träume die Illusion starten, daß jetzt das neue Leben wirklich für sie beginnt.
Die Menschen bleiben für mich ungreifbar, eher Abziehbilder oder Fassaden. Maus/Eva spüre ich leider gar nicht. Witztig ist nur Serga ein ehemaliger Studienkollege, dessen Art immer am flaschen Platz zu sein, einige hilfreiche zu haben und v.a. zu malen einigermassen Konturen hat. Dan, der Mann der Träume erscheint mir als "Mann/Matcho/Macher" zu konstruiert, und Oleg, der rettende Jurist, zu ruhig und zu hilfreich und damit - für meinen Geschmack - zu unwahrscheinlich skizziert wird.
Der Krimi ist gut lesbar, auch wenn er mich immer wieder zum Kopf-schütteln bringt, weil Elemente nicht zusammenpassen (einmal Geldnot, dann ohne Quellenangabe von Einkommen Einkaufsorgien, u.ä.m.).
Donnerstag, 8. April 2010
Nicci French : "Höhenangst"
Nicci French
"Höhenangst"
original "Killing Me Softly" bei Michael Joseph, London, 1999
aus dem Englischen von Birgit Moosmüller
1999, C. Bertelsmann Verlag, München
383 Seiten
ISBN 3-570-00294-2
Spannende gut lesbare Geschichte, bei der sich das leise Grauen behutsam einstellt.
Alice ist mit Jake zusammen. Die beiden leben ein nettes Leben mit gutem Beruf, netten Freunden und eigentlich läuft alles gut. Nur - plötzlich steht Adam Talllis vor Alice. Sie beginnt eine Affäre mit ihm, beendet ihre Beziehung und heiratet Adam.
Adam ist Kletterer im Himalaya und hat einen Ruf als ruhiger besonnener hilfsbereiter Held, während Alice Wissenschaftlerin mit Höhenangst ist. Nach der Heirat beginnt sie nachzufragen wer dieser attraktive Ehe-Mann menschlich ist und wie seine Vergangenheit. Gemütlich beginnt sich dann zu entspinnen, daß dieser Mann Frauen, die es gewagt hatten ihn zu verlassen oder zu hintergehen, tötete - entweder selber, oder mithilfe des Berges. Alice schafft es trotz ihrer starken sexuellen Beziehung, die auch körperlich tief verletzt, zur Polizei zu gehen. Sie weist den Weg zu einer Leiche - Adam weiß daß es vorbei ist und hängt sich an einem Kletterseil auf.
Spannend finde ich die Bergtourenbeschreibungen und auch schön, daß das Thema Bergwanderung für Touristen reflektiert und diskutiert wird.
Lange bleibt das Buch an der auch erotischen Oberfläche und erst langsam geht Schicht für Schicht der Weg zu dem geheimnisvollen Puzzle auf.
Gutes Buch, das ich jedem empfehlen kann, der sich in die Welt der Berge aber auch der Spannung zwischen 2 Menschen nicht entziehen will.
Freitag, 26. März 2010
Connie Palmen : "Luzifer"
Connie Palmen :
Luzifer
'Lucifer' 2007 bei Prometheus, Amsterdam
aus dem Niederländischen von Hanny Ehlers
Diogenes Verlag Zürich, 2008
414 Seiten
1 Seite Nachwort
ISBN 978-3-257-06642-5
Ein großartiges Buch, das Menschen wie mich die Musik lieben, inkl. der verrückten und starken Menschen in den Bann zieht.
Das Buch handelt von der Beziehung 2 "wahrer" Menschen - da ich aber keinen Bezug zu den "Vorbildern" habe, habe ich beschlossen das Buch einfach als das zu sehen was es ist: als einem faszinierenden Roman der von ziemlichen Egozentrikern handelt.
Ein Komponist ist mit seiner Lebensgefährtin und dem gemeinsamn Sohn auf Urlaub in Griechenland. Sie stürzt beschwipst über eine Mauer in die Tiefe und stirbt.
Gerüchte wollen wissen ob dieser Fall ein Unfall ist oder doch Absicht ?
Lösung wird keine angeboten, aber jede Menge von faszinierenden aber verstörend egoistischen Menschen in der Künstlerszene, die sich entweder in Szene setzen oder die Szene beobachtend geschildert werden.
Der Komponist bekennt sich nach dem Unfall zu seiner Homosexualität, schreibt seine Oper (in der Tschaikowski gezwungen worden sei das verseuchte Wasser zu trinken, da er sonst bloßgestellt worden wird) und entwickelt eine "Klanguhr" mit deren Hilfe er Harmonie in der Komposition schaffen möchte.
Kommentar eines seiner Beobachter: er redet vom Leben, aber bringt vielen seiner jungen Partner (in Zeiten von Aids) den Tod.
Einer der Freunde des Komponisten ist Journalist/Schriftsteller und schreibt in seiner Beobachtung wunderbare Portaits. Er nennt seines über den Komponisten "Luzifer" und ein anderes über Claude Villier "Schwarzer Engel" - "Luzifer" wird allerdings nie veröffentlicht.
Das Buch ist stark wie es in Dichtung und auch Musik des 20. Jahrhunderts inkl. Auseinandersetzung mit Arnold Schönberg, aber auch Boulez und Stockhausen herumspringt.
Die Menschen in der Niederlande, die hier beschrieben werden sind starke Charaktäre, stark in Beobachtung, stark in Emotion, stark auch in Beobachtung und Zerlegen der Psyche des anderen.
Das Buch will genossen werden, und ist nicht einfach zu lesen - Hut ab vor der Übersetzterin !
Ich kann den Roman wärmstens Lesern empfehlen, die Musikfreaks sind und sich gedanklich auf verrückte, charismatische und auch entsetzliche egoistische Menschen einlassen wollen.
Donnerstag, 18. März 2010
Eva Demski : "Das siamesische Dorf"
"Das siamesische Dorf"
2006, Suhrkamp Verlag Frankfurt
382 Seiten
ISBN 3-518-41740-1
Ein bißchen wirres Buch mit vielen parallelen Handlungssträngen, unterschiedlichen Menschen, das was sich europäische Touristen unter Urlaub in den Tropen und Exotik vorstellen, etwas Machenschaften und ein Hauch von Buddhismus, das aber die Spannung gehalten hat und neugierig macht auf die Auflösung.
Die Hauptpersonen sind die Journalistin Kecki und der Photograph Max die losgeschickt werden mit netten Reisephotos und nettem Reisebericht nach Deutschland zurückzukommen. Organisator vor Ort ist Herr Ost (eigentlich Horst, aber der Name ist nichts für asiatische Zungen) mit seinem Helferlein Mow.
Mit von der Partie sind andere Urlaubssuchende wie eine kleine Kanadierin mit Rückenproblemen, ein Hoteliersehepaar aus Deutschland, ein Arzt mit Ehefrau etc ...
auf der anderen Seite stehen die Hausdame des Feriendorfes mit einem Mädchen, viele helfende Hände, 2 Klöster (eines mit heiliger Schlange, das andere mit überdimensionalem Hendl), und ab und zu Leichenteile die sich in Windeseile auflösen (scheinen).
Im letzten Viertel kommt heraus, daß Investoren in das Paradies eingreifen wollen, massiv ins die Wälder und die Dörfer der Umgebung eingreifen / planieren wollen, diverse wirtschaftgruppen um Einfluß kämpfen, versuchen den Richtigen zu bestechen zu erreichen, nebenbei wird der deutsche Hoteliersmann entführt, bis dann doch die spirituellen Kräfte siegen dürften und das Ferienparadies genau das bleibt.
Herr Horst bleibt der Organisator, sein Helfer Mow hatte sich auf die Seite der neuen Investorengruppe geschlagen und auch einen Mord begangen, weshalb auf ihn nicht der erstrebte Aufstiegt wartet.
Den Gegensätzen von Urlaubsfeeling mit Sand, Meer das zum Schwimmen einlädt, Freß-buffets, Cocktails in (un)-Mengen, eine Unmenge von entzückend anzusehenden Helfern und Köchen, Thai-massage und der anderen Welt mit tropischen Wäldern deren Bäume die unbewohnten Häuserflächen zurückerobern, Geisterhäusern, einem kleinen blauen Elephanten als Anhänger, und vielen Fragen was die Menschen hier fühlen und denken wird schön Raum gegeben, ohne auf die Nerven zu gehen.
Das Thema Pädophilie wird angesprochen allerdings wird die Zweischneidigkeit von heimlichem Genießen wollen, Kinderdörfer zu gründen und dem finanziellen Erhalt von Familien durch das verborgen von Kindern gehalten.
Nebengeschichte ist übrigens einem Hund gewidmet, den Kecki Katuschuk nennt, und den sie am Ende des Buches auch wirklich mitnimmt.
Gut lesbares Buch, das mir innere Wärme bei dem winterlichen Außentemperaturen gab und gut unterhielt; die spirituellen Welten und Symbole bleiben fremd, aber es ist nicht der Sinn eines Romans eine komplexe Religion mit ihrer Mystik zu transportieren.
Freitag, 12. März 2010
Reinhardt Badegruber : "Die erste Geige spielt der Tod"
"Die erste Geige spielt der Tod"
Echomedia Verlags GmbH, Wien
259 Seiten
ISBN 978-3-902672-12-4
Der Titel ließ mich als Musikfan zu dem Krimi greifen - und es dreht sich sogar um Musik, leider ist es eher eine Abrechnung mit der Musikerszene, mit den Menschen die aus welchen Gründen auch immer Instrumente lernen und /oder spielen und mündet in Musikinstrumentegeschäften bzw. Wiederzurückbringung ehemals russischer Geigen.
Es ist ein Kriminalroman der in Wien (und Umgebung) spielt, hier einiges an Lokalkolorit in Beschreibungen und viel davon in Sprache / Dialogen der Protagonisten einfängt und damit durchaus zu unterhalten weiß (wenn man Sprachspielchen mag).
Richard Beerenleitner ist Journalist einer großaufgelegten Tageszeitung und soll den den Tod des ehemals bekannten Geigers Prof. Mayr, der als Lehrer im Konservatorium endete, untersuchen.
Bei der Suche werden die unterschiedlichstens Wiener Milieus geschildert von bodenständigsten Beisln (mit Liebe) bis zu Villengegend (mit Verachtung - also nichts Neues), bestechliche aber wissende Polizisten, die abgehalfterte Musikerszene, Schleimer im Zeitungsinnenleben, und mir einiges zu viel an Alkohol.
Mit Genuß werden Menschen beschrieben wie der eigensinnige abstoßende neue Journalist Kleiner, der dickliche unsympathische Violinschüler Stefan Müller dessen Eltern sich das Geld für den Violinunterricht vom Munde absparen, die Hausmeisterin Sedlacek mit Violinspielender Vergangenheit, die noble Professorenwitwe Mayr, den verfressenenen diktatorischen Herausgeber Feuchtinger bis zum Polizisten bei der Mordkommission und ehemaligen Klassenkollegen Karl.
Störend finde ich, daß in dem ganzen Buch nur bösartig, abstossend, überheblich miteinander umgegegangen wird. Ob überhaupt ein Satz nicht lieblos über Menschen hier zu finden ist ? Da der Autor Journalist ist, kann er vermutlich in ein wunderbares Panoptikum aus den verschiedensartigsten Menschen greifen und diese schildern, aber ich kann (oder will) mir nicht vorstellen, daß er ausschließlich mit solcher Menschenverachtung zu tun hat/te.
Schön finde ich das kurze Anreißen von Schriftstellern, wie z.B. Manes Sperber, Elias Canetti etc.
Teilweise hat mich das Lesen des Buches gut unterhalten, indem entweder ur-wienerisch oder tiefer Slang oder derzeit aktuelle Worte bis zur deren Überfremdung fast in jedem Satz (oder doch jedem zweiten) eingesetzt werden, auf der anderen Seite wird es irgendwann anstrengend, bzw. ist die Spannung nicht leicht zu halten.
Zusammenfassend kann ich den Krimi Lesern empfehlen die sich gerne in Wienerische Sprache und Milieustudien hineinlegen und unterhalten lassen. Das "gewohnte und echte" Wien ist am Stadtplan nachvollziehbar :-)