Montag, 9. August 2010

Leonardo Padura : "Der Nebel von gestern"


Leonardo Padura :
"Der Nebel von gestern"
2005 'La neblina de ayer'
bei Tusquets Editores, Barcelona
aus dem kubanischen Spanisch von Hans-Joachim Harstein
2008, Unionsverlag, Zürich
359 Seiten
2 Seiten Nachbemerkungen und Dank von Leonard Padura, 2004
2 Seiten mit Biographien von Autor und Übersetzungen, und Bibliographie von Padura
ISBN 978-3-293-00388-0

Das Buch ist eigentlich eine Kriminalgeschichte, aber mich haben die Bezüge auf Leben und Geschichte von und in Kuba mehr interessiert.

Die Geschichte erzählt wie der ehemalige Polizist Mario El Conde, der seit Jahren als Buchhändler überlebt, eine wunderbare alte private Bibliothek mit Schätzen der Buchkunst aus Kuba entdeckt, ihm beim schmökern in einem Buch ein Zeitungsausschnitt einer Bolerosängerin aus der Zeit knapp zur Revolution entgegenfällt und von dem Foto der Sängerin Violeta del Rio dermassen fasziniert ist, daß er wissen will wer diese Frau wirklich ist.
Mithilfe von Freunden, alten Verbindungen, Bekannten bei der Polizei entwickelt sich gebrochen von kursiv gesetzten Briefen einer Frau an einen Mann, einem Ermordeten, Einblicken in das Lebens Kubas, daß sich der Chef einer alter Patrizierfamilie, der excellenter Geschäftsmann mit Verbindungen hatte, als Witwer in die 30 Jahre jüngere faszinierende schöne Frau verliebt hatte. Gemeinsam wollten sie Kuba verlassen, aber der Zyankalitod der Sängerin kam dazwischen.
40 Jahre später gesteht die illegitime Tochter des Patrizierhauses, die aus einer langen Beziehung zwischen ihm und seiner getreuen Sektretärin entstand, die Vergiftung der Sängerin - und die Hoffnung, daß der Patrizier endlich ihre Mutter heiraten würde (was dann nicht geschah).

Faszinierend bis erschreckend ist wie das Leben der Menschen auf Kuba geschildert wird - wie die Menschen die es nicht in eine Cooperativa oder ein Büro schaffen, mit Drogen, betrug, Schlägerein, etc. zu überleben suchen. Andere Menschen müssen um zu Essen kaufen zu können Bücher, Bilder, Mobiliar etc. verkaufen. Und beide Gruppen der Gesellschaft sind nicht klein.
Der Autor läßt Menschen die die Zeit vor dem Sturz Battistas erzählen, als für die Menschen Unterhaltung und Musik möglich gewesen sein dürften - im "jetzt" wird davon nichts mehr erzählt.
Der Enttäuschung, daß die Revolution zwar Battista vertrieben hat, aber die anderen Wünsche nach Gerechtigkeit und Chancen für mehr Menschen nicht erfüllte, ist greifbar.

Greifbar sind die Menschen, die das Buch bevölkern, wie die Freunde Conde's, der Händler Yogi, der Rollstuhlfahrer "der Dünne", Cantido, aber auch der Polizist Manolo bis zu der ehemaligen Prostituierten, Puffmutter und Näherin Elsa Contreras.

Schön sind für mich die Passagen, in denen dem die Liebe des Buchhändlers zu Büchern beschrieben wird, und daß ihm die Beziehung der Menschen zu Büchern wichtig ist. Die Art wie über Bücher geschrieben wird, deren Entstehungsgeschichten, wie auf das Besondere in Druck, in Farbgestaltung bis zur teilweise exklusiven Verpackung in Leder und Geld habe ich beim lesen sehr genossen.

Leider kann ich nicht genug spanisch um das Buch in seiner Originalsprache zu lesen - aber Formulierungen wie 'Erinnerungsfetischist', 'auf das Wohl der tapferen Leber geleert' und 'Mitglied der Vereinigung unbekehrbarer Alkoholiker' machten mir beim Lesen großes Vergnügen (und danke an den Übersetzer, denn ich erhoffe mir hier den Einfluß seines Sprachgefühls).

Was mir abgeht bei dem Buch ist ein bzw. mehrere Glossare: eines für die spezfisch kubanischen Wörter (auch wenn sie nachher im Text erklärt werden) z.b. torreja, Bolero, teniente, anejo; ein anderes Glossar wäre schön über all die Bücher die angeführt werden, und ebenso die Musikernamen.

Das Buch kann ich jedem empfehlen, der gerne sich in eine andere Welt begeben will, eine Welt mit Musik, Lebenswillen, und Büchernarren, um dessen Lebensart ein Krimi mit etwas Brutalität erzählt wird.

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