Mittwoch, 30. Juni 2021

Magne Hovden : "Die Kunst, einen Elefanten zum Tanzen zu bringen"

 Magne Hovden :
"Die Kunst, einen Elefanten zum Tanzen zu bringen"
Roman
original "Cirkus"
2019, Cappelen Damm Oslo
aus dem Norwegischen von Frank Zuber
2020, Knaur Verlag
295 Seiten + 1 Seite Danksagung
ISBN 978-3-426-22714-5

Lise Gundersen, die seit einigen Jahren einem toughen Geschäftsmann zu Seite steht, Firmen aufzukaufen und viele Menschen durch Merger zu entlassen, erbt von dem unbekannten Bruder ihres Vaters einen Zirkus; sie erbt nur wenn sie einige Zeit mit dem Zirkus lebt und fünf Vorstellungen - inklusive daß Elephantendame Lucille tanzt - durchhält.
In der Zirkus gibt es Fillipp - einen Clown -, Tatjana - eine Trapezkünstlerin -, Miranda - mit trainierten Kaninchen -, Schwertschlucker und einen tanzenden Elephanten. Onkel Hilmar hatte eine Freundin im Zirkus, die warmherzige Diana, die als einzige versucht zwischen der wirtschaftsorientierten Lise und dem zerfledderten Zauber des Zirkus zu vermitteln.
Lises Chef Borge hat als Käufer des Zirkus einen Künstler, der bereit ist die Mindestsumme zu zahlen, zum Zirkus eingeladen. Das Ende ist ziemlich überraschend.

Die Beschreibungen sind entweder cooles Stadt-ambiente in gestyltem Mobiliar oder wie der Zirkus durch ländliche Gegend fährt, nette Dörfer mit Fluß, oder sonst abgelegene Gegenden. 

Lise ist die Hauptperson, die entweder für menschliches Miteinander und Mitgefühl oder genau das andere Extrem nämlich Mitarbeiter in Arbeitslosigkeit bringen pendelt. Ihr abendliches bei der Elephantendame Lucille sitzen und reden, bringt sie durcheinander.
Borge, ihr Chef, von dem sie das Handwerk des Mergens und Kündigens gelernt hat, ist der kühle, gefühllose Punkt in diesem Märchen.
Die Artisten und Acrobaten im Zirkus bilden das menschliche Sammelsurium mit heimlicher Liebe, enttäuschte Liebe, verletzte Liebe, und später dann etwas Hoffnung in Liebe.
Der Künstler der sich für den Zirkus interessiert ist als ziemlich bizarre Figur gezeichnet.

Im Hintergrund wird die Geschichte von Vater und Onkel Ilses erzählt, und in kurzen Kapiteln in Briefen Onkel Hilmars erste Eindrücke Ilse übermittelt.

Der Roman ist liebevoll geschrieben, und macht Hoffnung auf Menschen und daß doch Entscheidungen, die gut tun getroffen werden können.

Dienstag, 22. Juni 2021

Antonio Hill : "Der Sommer der toten Puppen"

Antonio Hill :
"Der Sommer der toten Puppen" - ein Barcelona-Krimi
original "El verano de los juguetes muertos"
2011, Debolsillo Barcelona
Aus dem Spanischen von Thomas Brovot
2013, Suhrkamp Taschenbuch
362 Seiten + 1 Seite Danksagung
ISBN 978-3-518-46467-0

Hauptperson ist der argentinische Inspektor Hector Salgado, dem in Barcelona die Wut über einen Mädchenhändler Schwierigkeiten beschert hat. Ein Freund ersucht ihn  zu untersuchen ob ein Teenager wirklich beim Rauchen aus dem Fenster gefallen ist, oder ob mehr dahinter steckt.
Aus mehreren Blickpunkten wird spannend erzählt und auch in die Vergangenheit gesprungen, wie ein Kindheitserlebnis - bei dem Puppen um eine Leiche im Wasser trieben - Jahre später endlich gelöst wird, und weitere Tote bringt.
Die Lösung und das wieso hatte ich nicht erwartet, es geht aber um Kindesmißbrauch.

Hector Salgado, war der Liebe wegen in Barcelona hängen geblieben; seine Ex-Frau liebt jetzt eine Frau; es gibt einen Sohn. Innerhalb der Polizei hat er Menschen die ihn  unterstützen, was wichtig ist, da aus dem Mädchenhändlerring ein sehr bösartiger Rachefeldzug gegen ihn aktiv ist. Er wird als schwierig, verschwiegen und eigenbrötlerisch beschrieben.
Die neue ihm zugeteilte Kollegin Leire ist jung, gescheit, denkt schräg und ist sexuell sehr aktiv.
Marc Castell ist der Teenager, der aus dem Fenster gefallen war; er war sehr verschlossen, hatte sich erst im Auslandssemester wegen Englisch zu öffnen begonnen, und eine junge Frau kennen gelernt.
Sein bester Freund Aleix Rovira hat Krebs besiegt, ist sehr attraktiv und charmant, und spielt mit der Gefahr und Frauen. Seine Familie zählt zu den wichtigen und reichen der Stadt; liebevoll und ihm durch die Krankheit geholfen hat ihm allerdings nur sein Bruder Eduard.
Deren gemeinsame Freundin Gina Ballester ist lieb, besorgt und läßt sich leider zu leicht zu führen.
Enric Castell, der Vater von Marc, ist erzkatholisch, zeigt wenig Liebe, was zu einem Teil des Problems wird.
Joanna, die Mutter Marcs, hat ihren Mann und Sohn verlassen, ist aber diejenige die nicht aufgibt die Lösung um ihren Sohn zu wissen zu wollen.
Felix Castell ist der Onkel von Marc, ein Priester, der sich immer um seinen Neffen liebevoll gekümmert hat, und der ihm wichtig ist. Er weiß mehr über die Leiche mit den Puppen, sah sich aber veranlaßt zwei  Menschen zu schützen.

Der Roman ist spannend geschrieben.
Die Menschen sind oft einsam und in ihren Gedanken und Problemen geschildert.

In Summe ein sehr empfehlenswerter Kriminalroman der auch unter die Haut geht. Viel Freude beim Lesen !

Antonio Hill, wurde 1966 in Barcelona geboren. Er studierte Psychologie und arbeitet dann als Übersetzer aus dem Englischen. Er lebt und arbeitet in Barcelona.

Mittwoch, 16. Juni 2021

Frida Gronover : "Dänische Schuld"

Frida Gronover :
"Dänische Schuld" - Gritte Madsen ermittelt
2020, Ullstein Verlag
361 Seiten
ISBN 978-3-548-06078-1

Gitte Madsen lebt in einer freundlichen Feriensiedlung am Meer in Dänemark, und arbeitet bei einem Bestatter. Als beim Abendessen in einem Restaurant am Nachbartisch ein Mann vergiftet wird, bemüht sie sich den/die Mörder herauszubekommen, und trifft wieder mit Kommissar Ole zusammen. Parallel versucht sie weiterhin herauszubekommen, wohin und warum ihr Vater verschwunden ist.
Die Familie des Ermordeten ist interessant, ihre Nachbarn in der Feriensiedlung ebenfalls, und auch andere Begräbnisse bringen interessante Menschen.
Am Schluß ist der Mord gelöst - der Tod eines Kindes hatte Reaktionen nach sich gezogen - , und ein Puzzlestein über ihren Vater ist dazugekommen.

Gitte stammt aus Münster, und hat nach einer Beziehung mit einem besitzergreifenden Mann beschlossen zu übersiedeln um sich wohl zu fühlen.
Es ist einiges über verschiedene Bestattungen und Vorbereitungen zu lesen, was wenig mordid, dafür humorvoll unterhaltend ist und zeigt wie verschieden die Kunden in den Metier sind.

Gitte fährt entweder im Auto oder auf dem Rad durch die Gegend. Der Ferienort ist nett beschrieben.
Das Sammelsurium an Menschen die hier beschrieben werden ist unterhaltend : ein charismatischer junger Mann im Rollstuhl, eine bodenständige Großmutter, zwei Künstlerinnen, ein attraktiver Kommissar, tätowierte Männer mit Hund, eine faszinierende Witwe, und eine von Gerüchten umwitterte Frau sind mit Mitgefühl und Humor beschrieben.

Die Liebe bzw der Wunsch nach Liebe kommt nicht zu kurz, sowohl für Gitte als auch für ihren Chef könnte sich etwas entwickeln.

Mir ist die betonte Freundlichkeit, die die Dänen (angeblich) leben, etwas zu viel, vor allem in Kombination daß jeder jeden dutzt und das auch noch freundlich findet.

Mitraten im Sinn des Who-dunnit ist möglich.
 
In Summe ist der Krimi ein schwungvoll geschriebener Kriminalroman. Viel Spaß beim Lesen.

Donnerstag, 10. Juni 2021

Giulia Conti : "Lago Mortale"

Giulia Conti :
"Lago Mortale" - Ein Piemont-Krimi
2019, Hoffman und Campe Verlag, Hamburg
280 Seiten + 2 Seiten Nachbemerkungen der Autorin / Karten auf den Innenklappen
ISBN 978-3-455-00546-2

Simon Strasser, deutscher Journalist mit italienischer Mutter, lebt seit Jahren am Ortasee mit der Tochter einer Freundin, die ihn als Vater sieht. Er entdeckt eine führerlose Segelyacht auf dem See, und eine Leiche, was ihn wieder in Kontakt mit der toughen Maresciallo Carla Moretti in Kontakt bringt. Sie folgen gemeinsam der Spur zu einer Hippiekomune, Drogen, Homosexualität, besserer Gesellschaft in wichtigen Wirtschaftszweigen, und Simon auch einigen Segelfahrten. Auch Besuch bei einem Steinmetz und in ein Krankenhaus ist bei den Ausflügen im Hochsommer. Am Schluß kommt heraus, wie schwer sich manche Eltern mit der Homosexualität ihres Kindes tun.

Parallel sieht er sich als Ersatzvater gefordert und hinterfragt seine Beziehungsfähigkeit. Da er einige Auswahl an interessanten Frauen in seiner Umgebung hat, ist der Strang etwas mühsam.

Interessant sind die Erzählungen über die Alessi und andere reale Firmen, die im Piemont ihren Unternehmensstandort haben; hier wurde schriftstellerische Freiheit und Wirklichkeit gemischt. Es gibt dort eine Dombauhütte des Mailänder Doms, die nicht so wie beschrieben ist, aber dieser Teil ist faszinierend zu Lesen.

Als Hintergrund kommt immer wieder die Geschichte der Partisanenrepublik Ossola, die 44 Tage im Jahr 1944 mit eigenem Parlament, eigener Währung, Zeitungen und demokratischem Leben hatte. Die Hälfte der Menschen flohen beim Zusammenbruch durch Kriegsinvasion in die Schweiz.

Ort ist der See und die Region mit ihrem Bergen, und auch kleinen Dörfern. Es ist Hochsommer und sehr heiß.
Es gibt viel über schöne Segelschiffe und auch eine traditionelle Segelregatta zu lesen.

Mitraten des Who-dunnit ist möglich.

Der Summe ist der Krimin ein wunderbarer Ferienkrimi, bei dem über Wirtschaft, Geschichte und auch über bodenständiges italienisches Essen erzählt wird. Viel Freude beim Lesen !

Mittwoch, 2. Juni 2021

Claudia Pineiro : "Der Privatsekretär"

Claudia Pineiro :
"Der Privatsekretär"
Thriller
original "Las Maldiciones"
2017, Verlag Alfaguara, Buenos Aires
Aus dem Spanischen von Peter Kultzen
2020, Unionsverlag
308 Seiten
ISBN 978-3-293-20882-7

Román Sabaté, groß, schlank, grüne Augen, wird zu seinem eigenen Erstaunen als Mitarbeiter der neuen Partei "Pragma" aufgenommen und unterstützt den charismatischen Fernando Rovira als Personaltrainer, und nach der Ermordung dessen Frau als Betreuer seines kleinen Sohnes. In den fünf Jahren, die er dort arbeitet bringt er seinen Freund Sebastian Petit, einen klar denkenden und sehr strukturierten Menschen, in die Partei ein, der sich bei dem Projekt der Splittung der Provinz Buenos Aires einbringt. Parallel lernt er die Journalistin Valentina Sureda, genannt "China", kennen, die eigentlich ein Buch schreiben möchte, zu einem anderen Buch manipuliert wird und versucht an 'die' große Geschichte zu kommen - und in Román verliebt ist.
In strukturell nicht linearen Kapiteln wird erzählt wie Román mit dem Kleinen flüchtet, in der Partei nach ihm gesucht wird, und springend aus verschiedenen Persektiven diese Situtionen beschrieben und rückblickend die letzten fünf Jahre.

Román wird groß, attraktiv, aber nicht sehr engagiert beschrieben. Er wundert sich lange warum er ausgesucht wurde, was sich cirka in der Mitte des Buches entschlüsselt.
Sebastian Petit ist hoch intelligent, begeistert von der Firma, lange sehr loyal zu dieser, aber auch loyal zu Román.
Valentina Sureda, genannt "China", ist Journalistin. Die Passagen, in denen beschrieben wird, wie sie manipuliert und gezwungen wird, an dem Buch über Flüche, die über Politikern hängen zu schreiben, sind gespenstisch, weil hier ihr keinerlei künstlerische Freiheit mehr gegeben wird; Vorschuß wird auch keiner für die viele Vorarbeit geleistet. Für die manche Menschen gilt sie als attraktive Frau, für andere ist sie nicht einen zweiten Blick wert.
Fernando Rovira ist ehemaliger Bauunternehmer, der die neue schneidige Partei Pragma gegründet hat, und Präsident werden möchte, nachdem er Gouverneur von Buenos Aires gewesen sein möchte. Er ist attraktiv, berechnend, manipulativ, grandios in Rhetorik und erwartet rückhaltlose Loyalität.
Seine Mutter ist offiziell nicht merkbar, aber sie zieht im Hintergrund ihre spirituellen Fäden, und Mitinitiatorin der eigenartigen Menage a trois die zu dem kleinen Joachín führt. Sie ist eine eigentümliche Mischung aus Mutterglucke, Hexe, Unberechenbarkeit, schlechtem Gewissen und Skrupellosigkeit.
Handlanger Sylvestre umgibt Rovira ohne auch nur einen Gedanken an Skrupel zu verwenden.
Románs Onkel Adolfo hat Gemisch aus Tischlerei und Möbelgeschäft am Land, und hat seine kommunistischen Verbindungen nie verleugnet, aber im Alter selten aktiviert.

Der Roman spielt in Buenos Aires und am Land. Orte sind zwischen hypermoderner Parteizentrale bis zum Möbelgeschäft am Land eines politisch anders denkenden Onkels.

Die Geschichte ist im Jetzt angesiedelt. Handies sind selbstverständlich, deren Überwachung auch, die älteren Damen beherrschen die sozialen Plauder-netze.

Die Partei an sich und die Menschen darin sind zwar erfunden, die Systeme wie Menschen benutzt und manipuliert werden, und unliebsame mehr oder minder rüde ausgeschaltet werden, ist faszinierend.

Die Welt der Flüche, die Politiker trifft, ist unterhaltsam zu lesen.

Mich hat der Roman in den Bann geschlagen, da er sehr sehr spannend geschrieben ist. Ich war sehr neugierig wie das Ende sein wird, war dann von der Einfachheit aber etwas enttäuscht. Viel Freude beim Lesen !