Donnerstag, 22. Juni 2017

Martin Suter : "Der Koch"

Martin Suter :
"Der Koch"
Roman
2010, Diogenes
285 Seiten +  16 Seiten Maravans Rezepte + 1 Seiten Quellen + 2 Seiten Dank
ISBN 978-3-257-23999-7

In diesem Roman geht es um überraschend viel Kochen. Maravan, ein Flüchtling aus Sri Lanka, hilft in einem Haubenlokal in der Schweiz in der Küche. Zu Hause hatte er von seiner Großmutter Kochen mit vielen Gewürzen und Sinnlichkeit gelernt - ein Wissen das er in der Schweiz nicht als Beruf einsetzen kann. Nachdem er für seine Arbeitskollegin Andrea gekocht hatte, verliert er die Arbeit. Er versucht durch das Netzwerk der Flüchtlinge aus Sri Lanka zu überleben und kommt mit einer militanten Gruppe in Kontakt. Gemeinsam mit der Arbeitskollegin entsteht die Idee zu erotischem Essen in zehn Gängen, das bei Ehepaaren die ihre Beziehung in Stimmung bringen wollen, und auch Geschäftsmännern mit Berufsunterhalterinnen Erfolg hat. Während Andrea eine Professionelle gut gefällt, kommt Maravan einem Geschäft auf die Spur, bei dem Waffen nach Sri Lanka geschmuggelt werden, was einem lieben Verwandten das Leben kostete.

In vielen und intensiven Absätzen wird das Kochen von Maravan beschrieben. Faszinierend sind die Mischungen aus Gewürzen und die Ideologie der Sinnlichkeit, die dahinter steckt. Allerdings konnte ich mit dem Spiel mit Essenzen und Parfüms die über das Essen geträufelt werden, wenig anfangen.

Hintergründe sind die Kämpfe in Sri Lanka und im Herbst 2008 die Bankenkrise, die sich zur internationalen Wirtschaftskrise auswächst. Die Wirtschaftskrise ist bekannt; neu waren die Erzählungen über die Gruppen die in Sri Lanka teilweise mit unendlicher Gewalt gegen eigene und fremde Menschen umgehen. Die Finanzierung der Kämpfe läuft über mafia-ähnliche Strukturen, die Schutzgelder erpressen.

Die Menschen sind intensiv geschildert : Maravan als großer ruhiger Mensch mit ruhiger Ausstrahlung, Ándrea als attraktive Frau die auf Frauen steht, Dallmann ein rücksichtloser sinnlicher Wirtschaftsmensch, Makeda ein schöne afrikanische Professionelle, und Sandana eine junge Frau aus Sri Lanka die behutsam die engen geistigen Grenzen der Gemeinschaft öffnet.

Der Roman ist spannend geschrieben und hat mich bis ein Uhr Nacht wach gehalten bis ich wußte wie die Geschichte ausgeht. Viel Freude beim Lesen !

Martin Suter wurde am 29. Februar 1948 in Zürich geboren. Er war erfolgreicher Werbetexter und Drehbuchautor. 1997 sattelte er komplett auf Schriftsteller um als sein Roman "Small World" Durchbruch hatte. Mittlerweile sind 14 Romane und einige Drehbücher erschienen. Er lebt in Zürich, auf Ibiza und in Guatemala.

Donnerstag, 15. Juni 2017

Juan Gómez Bárcena : "Der Himmel von Lima"

Juan Gómez Bárcena :
"Der Himmel von Lima"
Roman
original "El Cielo de Lima"
2014, Editorial Salto de Página, S.L. Madrid
Aus dem Spanischen von Steven Uhly
2016, Secession Verlag für Literatur, Zürich
308 Seiten
ISBN 978-3-905951-95-0

Der Roman führt durch vier Kapitel : Komödie - eine Liebesgeschichte - eine Tragödie - Ein Gedicht. José und Carlos sind reiche junge Männer in Lima (Peru) die sich als Dichter sehen, statt sich auf die Nachfolge in den Firmen der Väter vorzubereiten. Um näher an einen bewunderten Dichter in Spanien heranzukommen erfinden sie eine junge Frau, in deren Namen sie dem Dichter bewundernde Briefe zu schreiben mit dem Ziel ein Gedicht dafür zu erhalten. Die Briefe gehen 1904 / 05 noch per schiff, die Damen sind entweder elegant zurückhaltend oder in Bordellen beschrieben. Die jungen Möchte-gern-Dichter holen sich Ratschläge bei Magister Cristóbal, der auf dem Hauptplatz von Lima als Schreiber für Analphabeten und für Verliebte agiert. Der Dichter im fernen Spanien schreibt immer zärtlicher und verliebter, José und Carlos zerstreiten sich, der Dichter plant ein Schiff zu nehmen und die erfundene junge Frau darf endlich an Schwindsucht sterben.

Der Schreibstil ist langsam und bewußt. Der Autor nimmt sich Zeit das damalige Peru, seine alte Oberschicht, die Neureichen, die Hobbies der Reichen, aber auch Politik die Arbeitern etwas menschenwürdiges Leben zugestehen möchte, und Bordelle bei denen dieser Ehrgeiz nicht vorhanden ist zu beschreiben.

Im Mittelpunkt stehen für mich José und Carlos. Beide sind reich, aber Carlos' Vater hat sich vom Kautschukarbeiter hinaufgearbeitet. Er versucht seinen Sohn zum Mann zu machen und fast peinlich in die bessere alt-reiche Gesellschaft zu bringen. Während Jose kein Problem hat die Bordelle zu besuchen, ist es eines für Carlos. Da Carlos eine schönere Handschrift nachmachen kann und somit die erfundene 'Georgina Hübner'-Briefe schreibt, nennt ihn José halb scherzhaft halb ärgernd 'Carlota' was v.a. in der jungen Männer Runde zum Problem escaliert. José ist der verwegenere der beiden, sammelt aber die Briefe des angeschwärmten Dichters; Carlos erfindet als Bub einen imaginären Freund, weshalb er auch eher das Gespür hat wie sich die erfundene Frau verhalten könnte.
Faszinierend finde ich die Gestalt des Magister Cristóbal, der nach einem Krieg als Schreiber am Hauptplatz zurückkehrt. Die Kapitel in denen er den beiden jungen Männern über den Reiz und Nicht-Reiz der Frauen die Chemie zwischen Mann und Frau zu erklären sucht sind sehr unterhaltsam.

Eigenartig sind die Stellen in denen Carlos zu einer Hure geht. Die anderen Mädchen/Frauen in dem Haus haben Namen, nur die die er besucht ist/bleibt namenlos.

Der Schriftsteller vergleicht Liebesgeschichten aus der Literatur wobei "María" von Jorge Isaacs aus Kolumbien neu für mich war.

Für diesen Roman sollte man sich Zeit nehmen, denn er ist nicht einfach von links oben nach recht unten zu lesen; ich habe ihn aber genossen. Viel Freude beim Lesen !
   
Juan Gómez Bárcena wurde am 5. Dezember 1984 in Santander (Spanien) geboren. Er studierte Literaturtheorie und Vergleichende Literatur sowie Geschichte in Madrid und auch Philosophie. Er arbeitet als spanischer Autor, Literaturkritiker  und Dozent für 'Kreatives Schreiben'. Derzeit lebt er in Barcelona.

Sonntag, 11. Juni 2017

Hrsg Alexander Groh, Daniel Resch und Alexandra Rotter : "Das Buch - Buch"

"Das Buch - Buch" - über das Verlegen
herausgegeben von Alexandra Rotter, Alexander Groh und Daniel Resch
2017, Edition Grünanger Wien (Website ist in Konzeption)
113 Seiten + 5 Seiten Biografien
ISBN 978-3902678348

Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus der 'Werkstätte Buchverlag 2013/14' unternehmen hier den Versuch über Verlagswesen (v.a. die Neugründung), über Buchmedien und auch etwas aus Autorensicht in kleinen feinen Artikeln zu formulieren und sich damit auseinanderzusetzten. Ein Graphiker hat den schmalen kleinen Band in klares Schwarz-Weiß ohne Schnörkel gesetzt.

Ausgangspunkt war daß alle Werkstatt-Teilnehmer wissen wollten wie man zu einem eigenen Verlag kommt. Vornweg - es geht nicht um Finanzierung, sondern um Begeisterung und wie bleibt man am Ball, hier am Umsatz. Eine Verlegerin wurde hier interviewt, ein Professor mit einigen gescheiterten Verlagsprojekten kommt zu Wort, ein Herausgeber einer Zeitschrift zeigt seine Liebe zu Texten und ist berührend in seinem Engagement um Veröffentlichung von Literatur, und der Leiter der Werkstatt der das Rüstzeug zur Verlagsgründung und etwas Nachdenken wie man wenigstens einige Fehler vermeiden kann weitergeben will, bringt mit pointierten Aussagen manche Probleme auf den Punkt.

Bei den Medien geht es auch um das e-book aber vor allem um die Veröffentlichung, Speicherung und zur Verfügungsstellung wissenschaftlicher Texte. Wer so wie ich von diesem Thema vorher keine Ahnung hatte liest mit steigender Faszination über eine Welt aus Pflichtveröffentlichungen, anerkannten Plattformen, teuren und preiswerteren Veröffentlichungsansätzen. Problematisch wird es mit dem Thema Speichern-auf-lange-Zeit und Zugriffsgarantien. hochinteressant !

Im dritten Bereich geht es über Autoren, bei denen ein 'echter' Schreiber (weil Journalist und Schriftsteller), eine 'echte' Schriftstellerin, eine Ghostwriterin, eine Schulbuchautorin ihre Erfahrungen zusammenfassen. Hier sind vier komplett unterschiedliche Ansätze über Texte schreiben (ohne die Buchverlage sinnlos sind) angeboten.

Die Texte sind unterschiedlich einfach oder mühsam zu lesen, da jede/r Verfasser/in seinen/ihren persönlichen Stil hat.
Sehr gut hat mir das Interview mit Walter Famler gefallen der meint "was nicht auch physisch vorhanden ist, wird irgendwann gänzlich verschwunden sein"; und sich damit für das gedruckte Buch ausdrückt !?

Aufgefallen ist mir daß in mehreren Artikeln die Rede davon ist, daß Adjektive wenig zu nutzen oder zu streichen sind. Schade denn ich mag die gute Nutzung von passenden Eigenschaftswörtern.

Mir ist bei dem Buch aufgefallen, daß es meist ums Wort oder um Texte geht. Die Thematik von Bildern/Photos/Illustrationen oder gar Photobänden/Cartoons/Zeichnungen/Comics/Mangas wird nur gestreift. Eine im Buch interviewte Verlegerin gibt ihre Bücher ausschließlich als gedrucktes Buch heraus, da sie in Illustrationen investiert; ein bei der Buch-Präsentation anwesender Schriftsteller hat gar keine Bilder in seinem E-book (wie auch wenn es hier keinen gemeinsamen Codex gibt, wie aus einem Artikel der Print-Buch und e-book miteinander vergleicht zu lernen ist)

In Summe eine hochinteressante Sammlung verschiedener Texte zum Thema Buch-Verlag.

Bei den Biographien geht mir ein ca. Geburtsjahr der Beteiligten ab, denn ich hätte gerne gewußt ob die Verfasser und Herausgeber entweder der Generation 'Nachkriegszeit (Buch ist rar und wertvoll)', oder der Generation 'gesättigte Zeit aber noch kein Computer dafür ist Buchkauf etwas selbstverständliches geworden', oder der Generation 'mit Joy-Stick-aufgewachsen und weniger Buch lesen' angehören.

Witzigerweise wurde ich beim Lesen dieses Buches in der U-Bahn zum zweiten Mal seit ich diesen Blogg habe auf das Buch das ich gerade lese angesprochen (das erste war "Empty Minds - Texte von John Cage" gewesen)