Mittwoch, 28. Februar 2018

Jules Vitrac : "Der Teufel von Eguisheim"

Jules Vitrac :
"Der Teufel von Eguisheim" - Kreydenweiss & Bato ermitteln
2018, Rowohl
356 Seiten
ISBN 978-3-499-27325-4

In einen gemütlichen Städtchen mit Fachwerkhäusern im Elsaß befassen sich die Chef de Police Céleste Kreydenweiss und Brigadier Luc Bato mit zwei Toten, einem vergrabenen Hund und einer Eichhörnchenfalle. Der neue sehr puritanische Priester, ein lebensfroher Chorleiter, die plaudernde Trafikantin, eine ältere Cleptomanin, eine Restaurantbesitzerin, ein jovialer Bürgermeister und ein naturverbundener Hippie sind nur einige in dem Umfeld, aus dem sie ihre Schlüsse ziehen müssen. Tollwut wird erkannt, aber das woher und warum wer daran sterben soll(te) dauert dann doch noch. Zwei Liebensgeschichten finden in dem Roman auch Platz, sowie ein verzogener Mops und ein gemütlicher roter Kater.

Die Menschen sind gut vorstellbar geschildert und machen Spaß zu lesen.
Der Ort ist ein liebenswürdiges Dorf, das hin und wieder von Touristen überschwemmt wird.
Das Bistro und das Restaurant sind immer wieder geschildert mit herrlichen Gerichten : einheimischer Ziegenkäse, Münsterkäse, Paté en croute (Fleischpastete im Blätterteig), Flammkuchen,  Quiche, Zwiebelkuchen, Baeckeofe, Paté Lorraine, gratinierte Schleie und Kougelhupf.

Wer der Teufel ist sieht jeder anders - der nackte Hippie im Wald, der bigotte Jesuitenpater, oder alte Gerüchte über Tollwut.

Der Roman ist unterhaltsam geschrieben. Viel Spaß beim Lesen.

Veronika Rusch arbeitete als Juristin in Deutschland und Italien. Dann wurde sie Schriftstellerin. Sie veröffentlich neben unter ihrem eigenen Namen auch unter dem Pseudonym Fiona Blum, Franziska Weidinger und Jules Vitrac. 2008 erschien das erste Buch unter ihrem Namen. Unter Jules Vitrac sind des Kriminalromane mit Frankreich und gutem Essen - hier erschien 2016 der erste Band.

Freitag, 23. Februar 2018

Silke Ziegler : "Im Angesicht der Wahrheit"

Silke Ziegler :
"Im Angesicht der Wahrheit" - Rückkehr ins Roussillon
2017, Grafit Verlag Dortmund
499 Seiten
ISBN 978-3-89425-491-9

In diesem Gemisch aus drei-Viertel-Krimi und ein-Viertel-Liebesroman verschlägt es Estelle nach langen Jahren in Heidelberg wieder in ihre Heimatstadt Argelès-sur-mer zurück. Dort möchte sie sich für ein Verbrechen kurz bevor zu wegzog rächen, aber jemand kommt ihr zuvor. Während Estelle die fühlbar erotische Nähe zu Nachbar Tom und die Fragen des Sohnes Noah bereits zu viel werden, kommt neben der Polizei noch die Geschichte ihrer verstorbenen Großmutter mit Liebe und Bösem dazu. Am Schluß siegt noch eine Art Gerechtigkeit, und die Paare finden zueinander.

Die Personen sind durchaus vielfältig geschildert, wobei es spannend ist wer wen kalt schildert. Die Sympathie ist bei Estelle die den Seiltanz zwischen etwas aufbauen und einem gräßlichen Ereignis verarbeitet lebt. Als kalt bis verlogen sind Anwalt, Politiker, Arzt, und Menschen die nicht kooperieren genannt.

Die Geschichte wird aus Sicht von Estelle, der Polizistin Caroline und einigen Männern erzählt.
Die Teile der Großmutter sind kursiv gesetzt und damit erfreulich klar erkennbar. Im Stil hat mich die Großmutter mit ihrer Direktheit und Wärme angesprochen, auch wenn ich in diesem Teil der Geschichte einiges für ziemlich konstruiert halte.

Es gibt einige Liebesszenen, die zwar nicht stören, aber - meiner Ansicht nach - nicht wirklich notwendig sind.

Das Buch ist spannend. Ich habe bis 2 Uhr früh gelesen bis ich es ausgelesen hatte. Mitraten nach dem Mörder ist möglich. Viel Spaß beim Lesen !

Silke Ziegle wurde 1975 in Weinheim (Baden-Würthemberg) geboren. Sie war Finanzassistentin und arbeitet jetzt als Assistentin an der Universität in Heidelberg. 2013 erschien mit "Tödlicher Verrat" ihr erster Krimi im geliebten Südfrankreich. Sie spricht sehr gut französisch und liebt das Roussillon. Mittlerweile sind bereits sechs Bücher von ihr erschienen.

Montag, 19. Februar 2018

Gabriel Garcia Marquez : "Zwölf Geschichten aus der Fremde"

Gabriel García Márquez :
"Zwölf Geschichten aus der Fremde"
original "Doce cuentos peregrinos"
1992, Mondadori, Madrid
Deutsch von Dagmar Ploetz und Dieter E. Zimmer
1993, Kiepenheuer & Witsch
212 Seiten
ISBN 3-462-02238-5

Im 'Prolog. Warum zwölf, warum fremd und warum Geschichten' (1992) erzählt der Autor von den Ideenfetzen für Romane und Erzählungen, dem Leben außerhalb seiner Heimat und wie diese Erzählungen oder Hörspielvorlagen entstanden sind. Berührt hat mich der Satz, daß er sich ein Schulheft bei seinen Kindern ausgeborgt hat um Ideen hineinzuschreiben.
* 'Gute Reise, Herr President' (1979) spielt in Bern und begleitet einen wohlgepflegten älteren Herrn, dem einer Operation bevorsteht. Eine Familie aus seiner Heimat kümmert sich zuerst berechnend, dann liebevoll um ihn.
* 'Die Heilige' (1981) ist eine Geschichte in Rom, in der junge kreative Menschen einem Mann begegnen der mit einem Kindersarg unterwegs ist und versucht das schöne schwebende Kind als Wunder heiligen sprechen zu lassen.
* 'Dornröschens Flugzeug' (1982) ist eine kurze Geschichte über eine schöne Frau, die der Erzähler im Flugzeug, während sie schläft, bewundert.
* In 'Ich vermiete mich zum Träumen' (1980) hat eine Frau einen Job als Traumdeuterin in Familien in Wien, in der Karabik; eine poetische Geschichte die verzaubert.
* 'Ich bin nur zum Telefonieren gekommen' (1978) macht Angst, weil eine Künstlerin durch eine Panne in einem Gefängnis für Verrückte landet und ihr Mann wegen Eifersucht nicht hilft. Ort ist Katalonien.
* 'Augustspuk' (1980) ist auch im Raum Barcelona angesiedelt und ist am Ende wirklich 'spooky'.
* In 'María dos Prazeres' (1979) berührt die Geschichte über eine alternde Prostituierte mit Hund, die sich um ihr Grab kümmert, bis sie feststellt, daß noch Liebe auf sie wartet. Ort ist Barcelona.
* in 'Siebzehn vergiftete Engländer' (1980) kehrt Prudencia Linero aus Südamerika nach Neapel zurück, möchte den Papst sehen und ist am Schluß glücklich daß sie keine Austernsuppe gegessen hat.
* 'Tramontana' (1982) ist ein Wind, der sich auch an den Nerven der Menschen in Katalonien auswirkt.
* 'Der glückliche Sommer der Frau Forbes' (1976) erzählt von der strengenden Frau Forbes als Kindermädchen von zwei ausgelassenen Buben am Strand von Sizilien
* Phantasievoll ist 'Das Licht ist wie das Wasser' (1978) wenn Kinder mit Tauchzeugs in der Wohnung eines Hochhauses unterwegs sind.
* 'Die Spur deines Blutes im Schnee' (1976) zieht sich zwischen Madrid bis Paris, als ein jung verheiratetes sehr verliebtes Ehepaar mit dem Auto unterwegs ist. Die schöne Ehefrau hatte sich an einer Rosendorne gestochen und tropft vor sich hin. Die Geschichte geht wie die meisten Geschichten in dem Buch nicht gut aus.

Die Menschen und Szenerien klar bis kraftvoll gezeichnet und wunderbar vorstellbar. Nähe, Kälte, Liebe, Gewalt, Sehnsucht, Erotik, Wind, Sonne, etc. fast körperlich spürbar.

Auch wenn fast alle Geschichten in Europa spielen, ist die emotionale Nähe zu Lateinamerika vorhanden wenn mexikanische Erdbeben, Bolivien, und die Karibik genannt sind.

Mich haben die kraftvollen Geschichten, auch wenn sie manchmal traurig machen in den Bann gezogen.  Diese Freude wünsche ich auch anderen beim Lesen !

Gabriel José García Márquez wurde am 6. März 1927 in Aracataca (Kolumbien) geboren. Er begann Jus zu studieren, wandte sich aber bald der Literatur zu. Er arbeitete zuerst als Journalist, schrieb ein Buch über Fidel Castro (mit dem er sehr befreundet war). Sein erstes Werk dürfte "La hojarasca" (Laubsturm) aus 1955 sein.  1967 kam sein literarischer Durchbruch mit „Cien años de soledad“ ("100 Jahre Einsamkeit"). Er erhielt 1982 den Nobelpreis für Literatur. Sein Schreibstil ist der 'magische Realismus'. Er starb am 17. April 2014 in Mexico-Stadt, der Stadt seines Lebensmittelpunktes.

Freitag, 9. Februar 2018

Stieg Larsson : "Verblendung"

Stieg Larsson :
"Verblendung"
Roman
original " Män som hatar kvinnor" (dt. „Männer, die Frauen hassen“)
2005, Norstedts
Aus dem Schwedischen von Wibke Kuhn
2006, Wilhelm Heyne Verlag, München
683 Seiten
ISBN 978-3-453-43245-1

In dem Thriller werden die Suche nach einer Vermißten mit der Recherche gegen einen gut vernetzen Wirtschaftsboss.
Am Anfang steht daß der Journalist Mikael in eine Falle getappt ist, weswegen er eine Auszeit nimmt. Diese nutzt ein anderer Wirtschaftsboss um ihn zu beauftragen eine Familienchronik zu verfassen, aber ihm vor allem das Verschwinden bzw den Tod seiner Enkelin Harriet aufzuklären. Parallel wird die Hackerin Lisbeth zu Recherchezwecken eingeschaltet. Für das Verschwinden von Harriett arbeiten sie zusammen, was ihm letztendlich das Leben rettet. Am Ende werden die Netze des betrügerischen Wirtschaftsbosses medienwirksam entflochten.

Die Familie des Wirtschaftsmagnaten Vanger wird mit vielen Menschen geschildert, von denen die meisten ziemlich ungemütlich bis eigen sind, nur wenige sind liebenswert und bereit sich positiv für anderen Menschen einzusetzen. Es gibt nicht nur Workoholics, Alkoholiker, Religionsbesessene, politisch einseitige Persönlichkeiten, sondern auch wirklich Schädliche für Menschen und Gesellschaft.

Als wichtige handelnde Personen sind der Journalist Mikael Blomkvist der eine privat finanzierte also unabhängige Zeitschrift mit einer uralten Freundin führt. Er hinterfragt politische und wirtschaftliche Machenschaften und hat jede Menge Feinde.
Ihm gegenüber und gleichzeitig als Hilfe ist Lisbeth Salander, die etwas ähnliches wie Asperger Syndrom hat, damit Menschen emotional neutral bleibt aber grandios mit Daten ist. Ihr Leben war gezeichnet von Menschen die sie dirigieren wollten, und auch Übergriffen, sie saftig geschildert sind.
Während Mikael journalistisch getrieben ist, ist Lisbeth entweder neutral denkend oder auf Seiten der unterdrückten und gequälten Frauen aktiv. Von ihr kommt cirka der Satz "auch nur ein Mann der Frauen haßt".

Die Geschichte ist spannend geschrieben (und übersetzt). Die Sprache ist direkt und schnörkellos, ohne großartige Metaphern, fällt manchmal ab, ist aber nicht störend tief.

Der Roman ist der erste Teil der Trilogie. Ich habe mich noch nicht entschieden ob ich die beiden weiteren Teile lese, oder mich den vielen anderen von mir noch nicht gelesen Büchern widme. 

In Summe ein spannender Roman, bei dem mir die Frauengestalten mehr unter die Haut gingen, den ich gerne weiterempfehle.

Karl Stig-Erland Larsson - als Schriftsteller unter Stieg Larsson - wurde am 15. Augugust 1954 in Skelleftehamn Västerboten (Nordschweden) geboren. Er war Jounalist,  arbeitete bei einer Nachrichtenagentur, gab das Magazin "Expo" heraus und Schriftsteller über Extremismus. Die "Milleniumstrilogie" kam posthum heraus; der vierte Band blieb unfertig; weitere vier bis sechs Bücher liegen als Expose vor. Er starb am 9. November 2004 (Herzinfarkt).

Sonntag, 4. Februar 2018

Kazuo Ishiguro : "Bei Anbruch der Nacht"

Kazuo Ishiguro :
"Bei Anbruch der Nacht"
Roman
Original "Nocturnes. Five Stories of Music and Nightfall"
2009, Faber and Faber Ltd, London
Aus dem Englisch von Barbara Schaden
2016, Heyne Verlag München
223 Seiten
ISBN978-3-453-42156-1

In dem Buch sind fünf unterschiedlich lange, aber gleichbleibend intensive Geschichten über Musik, die Liebe zu ihr, und die Kraft die sie geben kann gesammelt.

'Crooner' spielt in Venedig. Der junger Gitarist Jan aus dem ehemaligen Ostblock trifft auf das amerikanische Idol seiner Mutter, der wunderbare Lieder im Stil eines Frank Sinatra oder so ähnliche gesungen hat. Auf Wunsch des alternden Stars der ein Comeback vorhat, begleitet ihn der junge Gitarrist in eine Gondel damit der Star seiner Frau ein Ständchen bringen kann.
Begrifflich ist 'Crooner' ein amerikaner Gesangsstil bei dem es Dank der Erfindung des Mikrophons möglich ist, leise bis schmachtend zu singen.

'Ob Regen oder Sonnenschein' : Der ehemalige Studienkollege Ray(mond) soll eine zerstrittene Ehe in London kitten, wobei ihn beide Ehepartner mittlerweile für einen Versager halten. Romantische Swingmusik, die ihm und der Ehefrau zur Studienzeit gefallen hat, kittet zumindest für den Moment eines Tanzes auf der Terrasse die Stimmung.

'Malvern Hills' ist in den englischen Hügeln. Ein junger Gitarrist zieht zur Schwester aufs Land und hilft in deren Hotel aus. Nachdem ihm niemand in London mit eigenen Songs hören wollte, komponiert er am Land weiter. Ein schweizer Ehepaar, das wie Banker aussieht aber Musiker sind, machen ihm Mut weiter zu komponieren und an die Musik zu glauben.

In 'Bei Anbruch der Nacht' wird der offenbar häßliche Saxophonist Steve überzeugt sich einer Schönheitsoperation zu unterziehen, die der Liebhaber seiner Frau zahlt. Dort lernt er die geschiedene Frau eines bekannten Sängers kennen, die ziemlich aufgedreht ist. Gemeinsam verstecken sie einen Ehrenpokal und entstehen einige witzige Szenen. Das Ende ist sehr offen.

Bei 'Cellisten' sind die Protagonisten wieder in Venedig angelangt. Diesmal sind es der junge Cellist Tibor in Venedig, der sich von Eloise am Cello musikalisch herausfordern läßt. Sie hat Gespür für Musik, hat aber selbst aufgehört Cello zu spielen. Am Ende tritt Tibor in Amsterdam auf, aber ob ihm Eloise geholfen hat, bleibt offen.

Die Menschen sind gut vorstellbar geschildert, vor allem ist die Chemie zwischen ihnen für mich spürbar. Obwohl die Menschen hier oft aneinander vorbeireden, sich unsicher sind, innerlich Fragen stellen oder einfach nur traurig und einsam sind, ist Nähe spürbar.

Die Orte der Handlung sind klar skizziert mit Piazza in Venedig, englische Hügel oder einer Küche in einem Hotel.

Ich bin in die liebevollen, verzaubernden und auch melancholischen Geschichten eingetaucht und wünsche Lesern/Leserinnen das gleiche Vergnügen. Viel Freude !

Kazuo Ishiguro wurde am 8. November 1954 in Nagasaki geboren. 1950 übersiedelten die Famile nach London. Er studierte an der universität in Kent Englisch und Philosophie. 1982 erschien sein erster Roman "A Pale View of Hills" ("Damals in Nagasaki" 1984). Sein dritter und berühmtester Roman "Was vom Tage übrig blieb" erschien 1989 auf Englisch "The Remains of the Day". 2017 erhielt er den Nobelpreis für Literatur.