Samstag, 29. September 2018

Goncalo M. Taveres : "Joseph Walsers Maschine"

Goncalo M. Taveres :
"Joseph Walsers Maschine"
Roman
original "A máquina de Joseph Walser"
2004, Editorial Caminho, SA
Aus dem Portugiesischen von Marianne Gareis
2014, Deutsche Verlags Anstalt München
164 Seiten
ISBN 978-3-421-04627-7

Joseph Walser arbeitet in einer Fabrik an einer Maschine. Diktatur oder Krieg baut sich rings um ihn auf. Seine Frau betrügt ihn mit Klober, dem intellektuellen Vorarbeiter. Walser verliert einen Finger beim Hantieren mit der Maschine und wird einer anderen Arbeit zugeteilt. Walser hat eine Affaire mit der Witwe eines guten Freundes, den er verraten hatte. Nach dem Krieg lädt ihn Klober in eine Falle ein. Das Ende bleibt offen.

Das Buch ist in drei Teil aufgeteilt, die wiederum meist kurze Kapitel umfassen.
Der Schreibstil ist konzentriert und sachlich. Empathie kommt wenig auf - nur wenn Walser sich seiner Metallstücke-sammlung widmet ist etwas wie emotionale Bindung und Leidenschaft zu merken. Eine Art Emotionalität ist beschrieben, wenn Walser fast im gleichen Tempo zu atmen und sich bewegen scheint wie die Maschine.

Die Quasi-Monologe die Klober über Werte, Individualität contra Allgemeinheit, Verhalten mit und ohne abgeschnittenem Finger hält, lesen sich zwar anstrengend, sind aber in ihrer Stringenz durchaus reizvoll.

Das Geschehen wirkt wie im flachen schwarz-weiß-Film ohne Tiefenwirkung. Die Menschen sind alle nicht attraktiv, und bis auf Klober ziemlich schweigsam. Walser selbst sagt wenig, agiert aber möglichst unauffällig.

Der Roman liest sich spröde und nicht einfach. Die Betrachtungen über Krieg, das Verhalten der Menschen in diesem abstrakten Krieg etc arbeiten nach. Gutes Auseinandersetzen mit diesem Buch !

Gonçalo Manuel Tavares wurde im August 1970 in Luandam Angola geboren. Er zog mit 18 Jahren nach Lissabon. Er studierte sport, Kunst und ist rofessor für Erkenntnistheorie an der Technischen Universität Lissabon. 2001 erschien sein erster Gedichtband - seitdem ist er als Schriftsteller tätig.

Samstag, 22. September 2018

Wilhelm Genazino : "Bei Regen im Saal"

Wilhelm Genazino :
"Bei Regen im Saal"
Roman
2014, Carl Hanser Verlag München
154 Seiten
ISBN 978-3-446-24596-9

Ein 43-jähriger eher erfolgloser Mann plaudert über seine Zuneigung zu Sonja, ihre Körperlichkeit, seinen unbezahlten Job als "Überwinder", dann einem Redakteursjob und seinen Betrachtungen über das gewöhnliche Leben. Beim "Überwinder" handelt es sich um Gespräche mit Menschen, die über Probleme reden wollen und diese überwinden wollen; er möchte das für sein Leben nicht machen.

Nicht uninteressant sind Wortschöpfungen wie Nicht-Ereignisse. 'Inneres Verschrobensein' beschreibt er seinen Zustand, der sehr gut das Chaos und die Unentschlossenheit der Hauptperson umfaßt.

Etwas nervig sind seine erotischen Phantasien, die Schilderungen von fad-gemütlichem Sex, und seiner Fixierung auf den offenbar großen Busen seiner Freundin, der offenbar genauso groß wie der seiner oft bedachten verstorbenen Mutter ist. Auch auf die Gegend zwischen den Beinen von Sonja scheint er fixiert zu sein.

Auf dem Cover ist ein liebevolles Päarchen im Stil der 50-er Jahre vor einer Berglandschaft abgebildet. Nichts davon ist in dem Buch zu spüren - kein Päarchen, keine Berge, kein Miteinander.

Leider passiert in den zwölf Kapiteln wenig Merkbares.
Die Beschreibungen von dünnen Socken, dünner Unterwäsche, viel Ungepflegtheit, und viel Armseligkeit durch Faulheit nerven ziemlich. Unterhaltsam wird die Figu,, dann wenn sie sich der aktuellen Digitalisierung komplett entzieht, indem maximal nur ein altes Radio in der Wohnung ist, sowie eine alte Tasten-Schreibmaschine.

Das Buch ist mühsam zu lesen, und die Hauptfigur hat für mich leider nicht an Reiz gewonnen. Das Ringen um Liebe, das auf der Rückseite des Covers versprochen wird, ist für mich nicht spürbar. Vielleicht macht anderen Leserinnen & Lesern dieser Roman mehr Freunde als mir.

Wilhelm Genazino wurde am 22. Jänner 1943 in Mannheim geboren. Er arbeitete als Voluntär bei einer Zeitung, bevor er Germanistik, Philosophie und Soziologie studierte. Dann arbeitete wieder als Journalist und Redakteur bis nur noch freier Schriftsteller wurde. Sein erster Roman erschien 1965. Jetzt lebt er in Frankfurt am Main.

Samstag, 15. September 2018

Erling Sandmo : "Ungeheuerlich - Seemonster in Karten und Literatur 1491-1895"

 Erling Sandmo :
"Ungeheuerlich - Seemonster in Karten und Literatur 1491-1895"
original "Uhyrlig"
2017, Olso
aus dem Norwegischen übersetzt von Sylvia Kall
2018, Nagel & Kimche
91 Seiten - dickes ausgeschnittenes Cover durch das ein Fischmonster-Auge lugt + 2 Seiten Quellen
ISBN : 978-3-312-01094-3

Phantasievolle Tiere der Wasserwelt die auf Karten die sich in Norwegens Büchereien befinden sind hier liebevoll beschrieben und erläutert. Kapitelweise wird auf zwei Seiten das ausgewählte mehr oder minder gefährliche Wassermonster beschrieben und auf den folgenden zwei Seiten ist die schöne Abbildung dazu.

Bischof Erik Pontoppidan und Olaus Magnus sind die Grundlagen für das meiste Getier. In die Beschreibungen geht einerseits katholische Bewertung von gar fürchterlichen Verbrechen wie Sinnlichkeit einher; andererseits wird auch auf Übersetzungsfehler eingegangen die dann zu ziemlich schrägen Umsetzungen führten. Andere Übersetzer von Grundlagentexten sind weniger klerikal unterwegs.

Es werden Superriesenkraken beschrieben, phantasievoll zusammengesetzte Fabelwesen, singende Wesen die wir aus der Odyssee kennen aber in den Norden reklamiert werden, verschiedene Walarten die Jonas beherbergt hatten, etc.

Das schmale Buch mit gutem hartem Einband ist entzückend und macht es macht Spaß einerseits den Angstphantasien der Menschen auf dem Meer zu folgen, aber mir noch mehr die faszinierenden Zeichnungen zu betrachten. Viel Freunde dabei !

Erling Sverdrup Sandmo wurde am 6. November 1963 geboren. Er ist Historiker, Musikkritiker und hat eine Radiosendung. Außerdem ist der Professor für Geschichte und Archäologie an der Universität Oslo.

Dienstag, 11. September 2018

Antonio Tabucchi : "Erklärt Pereira"

Antonio Tabucchi :
"Erklärt Pereira" - eine Zeugenaussage
original "sostiene Pereira"
1994, Feltrinelli Mailand
Aus dem Italienischen von Karin Fleischhanderl
1995, Carl Hanser Verlag
201 Seiten
ISBN 3-446-18298-5

Pereira, ein rundlicher Kulturjournalist in Portugal mit Faible für französische Autoren des 19. Jahrhunderts wird mit einem jungen Mann, den er als Praktikenten beschäftigt, bekannt. Dieser engagiert sich für die Republikaner im benachbarten Spanien, und das 1938 in der Zeit des Guernica-Angriffs. Während der Journalist versucht in seiner Welt zu bleiben, indem er französische Autoren übersetzt und Nachrufe plant, Omelette verspeist und Limonade trinkt, was auf 190 Seiten geschieht, bricht in den letzten Seiten die Brutalität der Realität in seine Wohnung ein, der junge Mann wird gefoltert und stirbt, worauf Pereira eine List für den Nachruf über den jungen Mann anwendet und sein Verschwinden plant.

Als Kunstgriff ist immer wieder "erklärt Pereira" in den Erzählstrom eingefügt, als ob er das Geschehen jemandem erzählte oder etwas beweisen muß.

Pereira ist Witwer, und unterhält sich mit dem Photo seiner Frau. Offen sprechen kann er mit einem lange bekannten Priester und später einem Arzt in einem Erholungsspital; sonst hält er sich mit dem Sprechen zurück, und versinkt lieber im Übersetzen. Der Roman liest sich gemütlich, Literatur und Philosophie und die Überlegungen über das 'hegemonische Ich' werden gepflegt.
Die Welt des Praktikanten und seiner Freundin, die sich beide für die Nationalisten und gegen Franco entschieden haben, sind ihm fremd. Erst als sich die spanische Kirche auf die Seite Francos schlägt, das Dorf Guernica zerstört wird und der vertrauensselige Praktikant in seiner Wohnung getötet wird, gewinnt der Roman an Geschwindigkeit und Wendigkeit.

Personen der Handlung sind Pereira, der Herausgeber der Zeitung, die Hausmeisterin (und wahrscheinlich Polizeispitzel der Salazar-Diktatur), Praktikant Rossi und seine Freundin Martha. Orte sind Lissabon, und Gegenden am Land oder am Meer.

Es fallen viele Namen von Autoren und Philosophen die mir nicht immer etwas gesagt haben. Beispielsweise sind genannt : Francois Mauriac (französischer Schriftsteller; 1885 - 1970), Filippo Marinetti (italienischer Schrifsteller, Futurist 1876 - 1944), Georges Bernanos (französischer Schriftsteller, 1888 - 1948), Gabriele D'Annunzio (italienischer Schrifsteller, Symbolist; 1863 - 1938), Alphonse Daudet (französischer Schriftsteller; 1840 - 1897).

Das Buch war nicht einfach zu Lesen. Die Welt des dicken einsamen Mannes bietet nicht viel Abwechslung. Faszinierend wie er den Krieg im Nachbarland komplett ausklammert.

Das Buch wurde 1995 mit Marcello Mastroianni in der Rolle des Dr. Pereira verfilmt.

Antonio Tabucchi wurde am 24. September 1943 in Pisa geboren. Er lernte portugiesisch, als er an der Universität in Genua studierte. er war Schriftsteller, Literaturwissenschaftler und Übersetzer. Sein erstes Buch erschien 1975 in Italien (" Piazza d'Italia"). Er starb am 25. März 2012 in Lissabon.