Freitag, 26. März 2010

Connie Palmen : "Luzifer"


Connie Palmen :
Luzifer
'Lucifer' 2007 bei Prometheus, Amsterdam
aus dem Niederländischen von Hanny Ehlers
Diogenes Verlag Zürich, 2008
414 Seiten
1 Seite Nachwort
ISBN 978-3-257-06642-5

Ein großartiges Buch, das Menschen wie mich die Musik lieben, inkl. der verrückten und starken Menschen in den Bann zieht.

Das Buch handelt von der Beziehung 2 "wahrer" Menschen - da ich aber keinen Bezug zu den "Vorbildern" habe, habe ich beschlossen das Buch einfach als das zu sehen was es ist: als einem faszinierenden Roman der von ziemlichen Egozentrikern handelt.

Ein Komponist ist mit seiner Lebensgefährtin und dem gemeinsamn Sohn auf Urlaub in Griechenland. Sie stürzt beschwipst über eine Mauer in die Tiefe und stirbt.
Gerüchte wollen wissen ob dieser Fall ein Unfall ist oder doch Absicht ?
Lösung wird keine angeboten, aber jede Menge von faszinierenden aber verstörend egoistischen Menschen in der Künstlerszene, die sich entweder in Szene setzen oder die Szene beobachtend geschildert werden.

Der Komponist bekennt sich nach dem Unfall zu seiner Homosexualität, schreibt seine Oper (in der Tschaikowski gezwungen worden sei das verseuchte Wasser zu trinken, da er sonst bloßgestellt worden wird) und entwickelt eine "Klanguhr" mit deren Hilfe er Harmonie in der Komposition schaffen möchte.
Kommentar eines seiner Beobachter: er redet vom Leben, aber bringt vielen seiner jungen Partner (in Zeiten von Aids) den Tod.

Einer der Freunde des Komponisten ist Journalist/Schriftsteller und schreibt in seiner Beobachtung wunderbare Portaits. Er nennt seines über den Komponisten "Luzifer" und ein anderes über Claude Villier "Schwarzer Engel" - "Luzifer" wird allerdings nie veröffentlicht.

Das Buch ist stark wie es in Dichtung und auch Musik des 20. Jahrhunderts inkl. Auseinandersetzung mit Arnold Schönberg, aber auch Boulez und Stockhausen herumspringt.
Die Menschen in der Niederlande, die hier beschrieben werden sind starke Charaktäre, stark in Beobachtung, stark in Emotion, stark auch in Beobachtung und Zerlegen der Psyche des anderen.

Das Buch will genossen werden, und ist nicht einfach zu lesen - Hut ab vor der Übersetzterin !

Ich kann den Roman wärmstens Lesern empfehlen, die Musikfreaks sind und sich gedanklich auf verrückte, charismatische und auch entsetzliche egoistische Menschen einlassen wollen.

Donnerstag, 18. März 2010

Eva Demski : "Das siamesische Dorf"

Eva Demski
"Das siamesische Dorf"
2006, Suhrkamp Verlag Frankfurt
382 Seiten
ISBN 3-518-41740-1

Ein bißchen wirres Buch mit vielen parallelen Handlungssträngen, unterschiedlichen Menschen, das was sich europäische Touristen unter Urlaub in den Tropen und Exotik vorstellen, etwas Machenschaften und ein Hauch von Buddhismus, das aber die Spannung gehalten hat und neugierig macht auf die Auflösung.

Die Hauptpersonen sind die Journalistin Kecki und der Photograph Max die losgeschickt werden mit netten Reisephotos und nettem Reisebericht nach Deutschland zurückzukommen. Organisator vor Ort ist Herr Ost (eigentlich Horst, aber der Name ist nichts für asiatische Zungen) mit seinem Helferlein Mow.
Mit von der Partie sind andere Urlaubssuchende wie eine kleine Kanadierin mit Rückenproblemen, ein Hoteliersehepaar aus Deutschland, ein Arzt mit Ehefrau etc ...
auf der anderen Seite stehen die Hausdame des Feriendorfes mit einem Mädchen, viele helfende Hände, 2 Klöster (eines mit heiliger Schlange, das andere mit überdimensionalem Hendl), und ab und zu Leichenteile die sich in Windeseile auflösen (scheinen).

Im letzten Viertel kommt heraus, daß Investoren in das Paradies eingreifen wollen, massiv ins die Wälder und die Dörfer der Umgebung eingreifen / planieren wollen, diverse wirtschaftgruppen um Einfluß kämpfen, versuchen den Richtigen zu bestechen zu erreichen, nebenbei wird der deutsche Hoteliersmann entführt, bis dann doch die spirituellen Kräfte siegen dürften und das Ferienparadies genau das bleibt.
Herr Horst bleibt der Organisator, sein Helfer Mow hatte sich auf die Seite der neuen Investorengruppe geschlagen und auch einen Mord begangen, weshalb auf ihn nicht der erstrebte Aufstiegt wartet.

Den Gegensätzen von Urlaubsfeeling mit Sand, Meer das zum Schwimmen einlädt, Freß-buffets, Cocktails in (un)-Mengen, eine Unmenge von entzückend anzusehenden Helfern und Köchen, Thai-massage und der anderen Welt mit tropischen Wäldern deren Bäume die unbewohnten Häuserflächen zurückerobern, Geisterhäusern, einem kleinen blauen Elephanten als Anhänger, und vielen Fragen was die Menschen hier fühlen und denken wird schön Raum gegeben, ohne auf die Nerven zu gehen.

Das Thema Pädophilie wird angesprochen allerdings wird die Zweischneidigkeit von heimlichem Genießen wollen, Kinderdörfer zu gründen und dem finanziellen Erhalt von Familien durch das verborgen von Kindern gehalten.

Nebengeschichte ist übrigens einem Hund gewidmet, den Kecki Katuschuk nennt, und den sie am Ende des Buches auch wirklich mitnimmt.

Gut lesbares Buch, das mir innere Wärme bei dem winterlichen Außentemperaturen gab und gut unterhielt; die spirituellen Welten und Symbole bleiben fremd, aber es ist nicht der Sinn eines Romans eine komplexe Religion mit ihrer Mystik zu transportieren.

Freitag, 12. März 2010

Reinhardt Badegruber : "Die erste Geige spielt der Tod"

Reinhardt Badegruber :
"Die erste Geige spielt der Tod"
Echomedia Verlags GmbH, Wien
259 Seiten
ISBN 978-3-902672-12-4

Der Titel ließ mich als Musikfan zu dem Krimi greifen - und es dreht sich sogar um Musik, leider ist es eher eine Abrechnung mit der Musikerszene, mit den Menschen die aus welchen Gründen auch immer Instrumente lernen und /oder spielen und mündet in Musikinstrumentegeschäften bzw. Wiederzurückbringung ehemals russischer Geigen.

Es ist ein Kriminalroman der in Wien (und Umgebung) spielt, hier einiges an Lokalkolorit in Beschreibungen und viel davon in Sprache / Dialogen der Protagonisten einfängt und damit durchaus zu unterhalten weiß (wenn man Sprachspielchen mag).

Richard Beerenleitner ist Journalist einer großaufgelegten Tageszeitung und soll den den Tod des ehemals bekannten Geigers Prof. Mayr, der als Lehrer im Konservatorium endete, untersuchen.
Bei der Suche werden die unterschiedlichstens Wiener Milieus geschildert von bodenständigsten Beisln (mit Liebe) bis zu Villengegend (mit Verachtung - also nichts Neues), bestechliche aber wissende Polizisten, die abgehalfterte Musikerszene, Schleimer im Zeitungsinnenleben, und mir einiges zu viel an Alkohol.

Mit Genuß werden Menschen beschrieben wie der eigensinnige abstoßende neue Journalist Kleiner, der dickliche unsympathische Violinschüler Stefan Müller dessen Eltern sich das Geld für den Violinunterricht vom Munde absparen, die Hausmeisterin Sedlacek mit Violinspielender Vergangenheit, die noble Professorenwitwe Mayr, den verfressenenen diktatorischen Herausgeber Feuchtinger bis zum Polizisten bei der Mordkommission und ehemaligen Klassenkollegen Karl.

Störend finde ich, daß in dem ganzen Buch nur bösartig, abstossend, überheblich miteinander umgegegangen wird. Ob überhaupt ein Satz nicht lieblos über Menschen hier zu finden ist ? Da der Autor Journalist ist, kann er vermutlich in ein wunderbares Panoptikum aus den verschiedensartigsten Menschen greifen und diese schildern, aber ich kann (oder will) mir nicht vorstellen, daß er ausschließlich mit solcher Menschenverachtung zu tun hat/te.

Schön finde ich das kurze Anreißen von Schriftstellern, wie z.B. Manes Sperber, Elias Canetti etc.

Teilweise hat mich das Lesen des Buches gut unterhalten, indem entweder ur-wienerisch oder tiefer Slang oder derzeit aktuelle Worte bis zur deren Überfremdung fast in jedem Satz (oder doch jedem zweiten) eingesetzt werden, auf der anderen Seite wird es irgendwann anstrengend, bzw. ist die Spannung nicht leicht zu halten.

Zusammenfassend kann ich den Krimi Lesern empfehlen die sich gerne in Wienerische Sprache und Milieustudien hineinlegen und unterhalten lassen. Das "gewohnte und echte" Wien ist am Stadtplan nachvollziehbar :-)

Montag, 8. März 2010

Anna Blundy : "Wodka Pur"

Anna Blundy:
"Wodka Pur"
- ein Moskau Krimi
original "Neat Wodka" bei Sphere 2006
aus dem Englischen von Sybille Klose
Marion von Schröder / Ullstein Buchverlage GmbH 2007
333 Seiten
ISBN 978-547-71126-4

Ziemlich verrücktes, aber gut lesbares Buch über eine Reporterin, die nach fast zwei Jahrzehnten wieder nach Rußland reist und dort von ihrer Vergangenheit eingeholt wird.

Faith Zanetti (russisch Wera) wird von ihrer Zeitung (einem Revolverblatt) nach Rußland versetzt, nachdem sie den Irakkrieg miterlebt hat, dort psychisch gekippt ist und auch ihre Mutter plötzlich gestorben ist.
Mit in Rußland - genauer in Moskau - ist Mr. Eden Jones, genauso wie sie Journalist, mit dem Faith in einer Art Beziehung lebt. Am ersten Morgen wird sie verhaftet : sie wird verhört weil sie vor 17 Jahren 2 Menschen in der Wohnung neben ihrer ermordet haben soll.
Hier rollen sie sich dann 2 Ebenen auf, die Faith bewußt reflektiert - das Moskau / Rußland zur Zeit Gorbatschows als sie mit Dmitri (einen Schwarzmarkthändler) verheiratet war, vieles nur mit Protektion möglich war und das "Jetzige" Rußland/Moskau in dem einerseits vieles modernisiert und bunt ist, auf der anderen Seite aber die bitterarmen Gegenden noch ärmer wurden und die Menschen nur noch besoffen geschildert werden.

Faith sucht ihren Mann der in der psychiatrischen Anstalt steckt auf, und entdeckt, daß dies ein ehemaliger Verehrer ist, der gegen finanzielle Absicherung seiner Familie die Rolle ihres Ehemannes übernommen hat. Warum er sie allerdings beschuldigt die Nachbarn ermordet zu haben, bleibt ein Rätsel. Er hinterläßt nach seinem „Selbstmord“ einen kleinen Hinweis wen zu fragen um die Morde zu klären.

In der Geschichte sucht Faith ihre ehemalige Schwiegermutter auf, und trifft dort auch eine muntere bunte Teenagerin, die sich als Tochter von Dmitri entpuppt.
Faith findet auch den damaligen / derzeitigen Schläger von Dmitri, der auf Auftrag einen anderen Verehrer von ihr tüchtig verprügelt hatte.
Schließlich taucht Dmitri selber auf, der mit seinen Geschäften im Untergrund lebt, sich ein Luxusleben erarbeitet hat, und in Faith immer noch seine Traumfrau sieht (Riesenwohnung, Ring mit Riesenklunker, Pelzmantel etc.).

Tina, der Teenager, ist seine Tochter aus der Ehe mit der Frau, die die ermordete Nachbarin in Moskau war. Sie stammt aus Wortuka, einer Gegend, die lt. dem Buch Stalin für seine Abschiebungen und Arbeitslager verwendete.
In dem Show-down beim Gans schießen in der Wortuka entrollt sich die krankhafte Eifersucht und das Besitzdenken von Dmitri, der damals seine Exfrau ermordete weil er ihren Bruder für ihren Liebhaber gehalten hatte, und der kurz vor dem ermorden von Eden nur durch einen Gewehrschuß von Faith zu stoppen ist. Die Tundra wird diese Tat überdecken.

Nebenstory ist, daß Faith draufkommt, daß ihrer wie auch immer Beziehung mit Eden ein Kind entstanden ist und sie ihre Flucht vor Kriegserlebnissen in Alkohol mit erwachseneren Methoden in Griff nehmen wird.

Was mich als leider Rußland nicht kennenden Menschen fasziniert sind die Beschreibungen von Rußland-damals und Rußland-jetzt, wobei fraglich bleibt ob das recherchierte Tatsachen sind, oder schriftstellerische Freiheit (die Autorin ist Journalistin). Stark sind für mich die Elemente wenn sie aus dem Leben von Faith zur Zeit ihrer Ehe mit Schwarzmarkt, Unterwelt, beginnender Toleranz, Kirchenöffnung etc. schreibt - und wie sie die Gegenden dem jetzt gegenüberstellt.

Gut lesbares Buch, das ich v.a. als Erleichterung empfinde wenn ich parallel gerade schwerere literarische Kost zu mir nehme.