Donnerstag, 5. April 2012

Jaromír Dlouhý : "Der Losverkäufer und andere Los-G'schichten"

Jaromír Dlouhý :
"Der Losverkäufer und andere Los-G'schichten"
2004, Erstausgabe Editio Moravia Brno/Brünn
"Povídky s losem, Loosem a jiné loskominy"
aus dem Tschechischen vom Autor übersetzt
150 Seiten
ISBN 978-3-8334-7005-9

In diesem Band sind zwölf Geschichten erzählt, die sich entweder direkt mit dem Wort 'Los' auseinandersetzen oder der zweiten Bedeutung Schicksal. Manche Geschichten sprechen mich sehr an, andere gar nicht.

'Ein Gespräch über den nicht anwesenden Herrn Loos' ging mir sehr unter die Haut, da es die hoffentlich fiktive Geschichte erzählt, daß das Ehepaar Loos vor dem zweiten Weltkrieg aus der Tschechoslowakei fliehen mußten. Auf der letzten deutschen Bahnstation meint Herr Loos die letzten Mark die er noch hat ausgeben zu müssen und wird beim Zurückgehen zum Zug - da die Reisepapiere dort und nicht bei ihm sind - verhaftet und ward nie mehr gesehen. Jahrzehnte später beschließt Frau Loos nicht um die Rückerstattung des Vermögens zu klagen, es bringt ihr den Mann nicht zurück.

'Caprice Viennoise' erzählt die Geschichte eines begabten tschechoslowakischen Violinstudenten dem eine wunderbare Geige anvertraut wird, als er in Wien als Gaststudent sein darf. Der junge Mann verliebt sich aber, und zwar in ein Mädchen des ältesten Gewerbes. Als er Geld braucht versetzt er die Geige. Sie borgt ihm das Geld um sie zurückzukaufen und wird - weil sie sie das Geld gestohlen hatte - verhaftet. Das bekommt der junge Mann nicht mehr mit. Erst viele Jahre später kommt er wieder nach Wien und geht zu der alten Adresse - dort ist wieder ein Mädchen des ältesten Gewerbes.

In 'Los Angeles' träumt ein Mädchen vom Auswandern nach Los Angeles. Auswandern vom Unfalltod des Vaters, der immer plärrenden kleinen Schwester, der Verzweiflung über die Armut der Mutter. Als die Mutter dann einen netten Mann heiratet und vieles besser wird, wird das Auswandern verschoben - aber nicht auf immer.

'Losos iz Kumysom' und 'Die Erzählung mit dem "Losos" und so weiter und so fort' sind Teil eins und Teil zwei der Geschichte eines Korrepetitors in der Oper, der bei einer verbotenen Liebes- und Eifersuchtsgeschichte hilfreich ist und dafür in Jatusk, in Sibirien erstmals eine Oper dirigieren darf. Mit ihm reist eine junge Sängerin, in die der junge Mann schon lange verliebt ist. Nach Beschreibungen der Weißen Nächte und kurzer Geschichte der Wolgadeutschen, gibt es ein glückliches (Familien)ende. Kumys ist übrigens Stutenmilch die in Sibirien getrunken wird, und mit Lachs und Gewürzen ein herrliches Gericht ergibt.
'Abends in Laos' ist quasi Teil 3, denn hier sind die Sorgen der musikgebenden Eltern um ihre Tochter, die ins Lokal Laos geht und denen die Eltern einen jungen sympathischen Tenor zuerst als Detektiv nachschicken.
'Regisseur Loskot, der Opernerneuerer, mein Herzkollaps und die Derniere' ist Teil 4 in der Familiengeschichte. Und - es ist auch eine Auseinadersetzung mit dem hier eher sinnlosen Regietheater, das Operninhalte brutal und gegen die Musik modernisiert. Die Hoffnung daß eine Geschichte auf der Bühne so erzählt werden darf wie sie geplant und komponiert war lebt allerdings weiter.

In 'Unterwegs nach Losiny' ist ein Wort-zerklaubernder Reisegenosse im Zugabteil. Dieser sogenannte Wissenschaftler erklärt Worte auf genau zwei Methoden (eine dritte gibt es per Defitionen nicht). Die Worte sind Prag, Ahoi, der Name Kubik und anderes - ziemlich verrückte aber unterhaltsame Ansätze zwischen Ethymologie und Geschichte werden hier präsentiert.

Schön ist für mich daß Musik als Thema immer wieder wichtig ist.
Als an europäischer Geschichte interessierter Mensch ist es für mich spannend, daß die Geschichten tw. zur Zeit des 'eisernen Vorhangs' spielen und hier mit Hinweisen wohin Reisen möglich ist und wohin nicht (auch innerhalb des Ostblocks eigenartig) ein interessantes Licht auf die Zeit werfen.

Die Erzählungen sind unterschiedlich, genauso wie die Menschen für mich manchmal greifbar sind (oder nicht). Ich kann das schmale Büchlein jedem Leser empfehlen, der entweder mit Musik etwas anfangen kann und will, der sich für europäische Geschichte im 20. Jahrhundert interessiert oder einfach mit Wortspielereien unterhalten werden möchte.

Erzählungen in ihrer Reihenfolge:
Faust und Klärchen
Ein Gespräch über den nicht anwesenden Herrn Loos
Die Losung, oder Elch auf der Waldlichtung
Caprice Viennoise
Losos iz Kumysom
Los Angeles
Die Erzählung mit dem "Losos" und so weiter und so fort
Abends in Laos
Unterwegs nach Losiny
Regisseur Loskot, der Opernerneuerer, mein Herzkollaps und die Derniere
Freiherr Heinrich Otto von Los
Über die letzten Dinge des Menschen

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