Dienstag, 20. August 2024

Michael Köhlmeier : "Matou"

Michael Köhlmeier :                                                                                          
"Matou"
2021, Hanser Verlag
947 Seiten + rotes Lesebändchen
ISBN 978-3-446-27079-4 

Matou ist ein hübscher roter Kater mit weißer Schwanzspitze, der bereits in seinem ersten Leben entdeckt, daß er menschliches Sprechen lernen kann. Später lernt er auch Lesen, und liest sich im Laufe des Romans durch die Enzyklopädien, Romane, Philosophischen Traktate der Weltgeschichte des Menschen.
Im ersten Kapitel lebt er zur Zeit der französischen Revolution bei Camille Desmoulins, dessen Frau, Kind und Schwiegermutter und lernt auch die wichtigen Menschen der französischen Revolution kennen. Der Kater lernt Liebe, Romantik, Charme, Machtspiele kennen. Und menschliches Sprechen
Für das zweite Leben sucht er sich das Leben bei E.T.A. Hoffman und seiner Frau aus. Hier lernt er Lesen. Hoffmans Frau ist allerdings sehr mißtrauisch. Später unternimmt er eine Schiffreise, überlebt im Dschungel und perfektioniert sein intrigantes Spiel indem er Menschen gegeneinander aufhetzt.
Im dritten Leben lebt er auf einer Insel mit anderen Katzen, schwingt sich mit einigen Schlägerkatzen um Diktator auf, hält manipulative Reden, erzählt eigenartige Narrative und kommt am Schluß drauf, daß ihn auch das nicht interessiert.
Im vierten Leben ist er in Afrika und lebt als Leopard, erzählt die Übergriffe aus dem belgischen Königreich auf deren Kosten viele Menschenleben gingen und zieht mit einem verstümmelten Mädchen als Albtraumerinnerung durchs Land.
Das fünfte Leben ist in Prag bei einem Ehepaar mit dick gefüllter Bibliothek, deren Enzyklopädie er liest. Paulina Bartok ist eine sensible Künstlerin, die das Wilde sucht. Bei Kriegsausbruch 1914 ist alles vorbei.
Sein sechstes Leben verbringt er in den USA, was für europäische Katzen sehr ungewöhnlich ist. Er hat sich Andy Warhol ausgesucht, weil er sich ein luxuriöses Leben gewünscht hat und eine große Bibliothek, was beides nicht geklappt hat.
Im siebenten Leben ist er in Wien, und wohnt bei einer netten älteren Frau und ihrem etwas faden Neffen, den er bereits als Kind tröstet. Der Neffe studiert Philosophie und der Kater hilft ihm dabei, und versucht ihm die Wichtigkeit von Charme beizubringen.

Zwischen den verschiedenen Leben erzählt der Kater vom Leben im "Weggemachten" mit den anderen Katern und Katzen in der Zeit zwischen den sieben (europäische Katzen) bis neun (amerikanische Katzen) Leben der Katzen.
Eine der Katzen merkt sich wie Matou (wie er sich selbst nennt, auch wenn ihm Menschen anderen Namen geben) die verschiedenen Leben; Fragnichtchen ist eine schöne Katze mit blauen Augen, die Matou vom dritten bis fünften Leben immer wieder trifft.

Die Geschichte ist aus Ich-Sicht des Katers geschrieben, und springt dementsprechend auch in den Erzählebenen, und es gibt jede Menge Hinweise auf andere Leben.

Es gibt lange Abhandlungen über den "Charme", wer ihn hatte oder gehabt haben mag, und wie man Charme lernen kann. Viel ist über Macht und Machtspiele zu lesen. Matou vergräbt sich auch in die Werke der großen Philosophen und versucht damit den Menschen zu entschlüsseln, denn ihm bleibt immer unklar warum manches für Menschen wichtig ist und einiges nicht.

Da ich zugegebenermassen den Stil des Autors sehr mag habe ich mich in die langen Sätze, komplizierten Schachtelungen gerne eingelassen.
Es gibt viele Hinweise und lange Leselisten für weiterführendes Lesen.

Ich habe fast drei Jahre an diesem Buch gelesen, das mich zwar sehr interessiert hat im Sinne von wie geht es weiter, mußte aber meinen Widerwillen gegen diesen obergescheiten arroganten intriganten und eigentlich mir nicht sympathischen "Kater" kämpfen.

In Summe ein wunderbares Buch, das mich viele Stunden gut unterhalten und in den Bann gezogen hat.

Michael Johannes Maria Köhlmeier wurde am 15. Oktober 1949 in Hard (Vorarlberg) geboren. In den 70-er Jahren begann er mit Hörspielen, in den 80-er Jahren wurden die ersten schriftstellerischen Arbeiten veröffentlicht.

Mittwoch, 14. August 2024

Beate Maly : "Tod am Simmering"

Beate Maly :
"Tod am Simmering"
2016, Emons Verlag
262 Seiten + 2 Seiten Nachwort
ISBN 978-3-95451-995-8

Ernestine Kitsch, eine pensionierte Lateinlehrerin, erhält Karten für einen Tango-Kurs in einem illustren Hotel am Simmering, und hat als Begleitung den Apotheker Anton Böck auserkoren. Im Hotel treffen sie auf einen Arzt und seine Schwester, eine Bankierswitwe und Sohn, Industriellen Ehepaar und Industriellen Familie, einen Chemiker, das Tanzpaar und seine Musiker und sehr wenig Personal im Hotel. Bereits am ersten Abend prallen die Temperamente und intolerante arroganten Manieren aufeinander, was Ernestine mit Neugier für Menschen lebhaft stimmt. In der ersten Nacht wird ein besonders unangenehmer Mann ermordet und alle Beteiligten finden sich eingeschneit im Hotel. Ernestine organisiert mit ihrer natürlichen Autorität Untersuchungen und Gespräche, ein zweiter Mord passiert, bis am Schluß die Lösung kommt.

Neu für mich waren die Informationen, daß Ende des ersten Weltkrieges chemischen Waffen in Kombination eingesetzt wurden, das "Buntschießen" genannt wurde und hier viele Soldaten und Zivilisten um eine weitere erbärmliche Art starben; einige wurden mit diesen chemischen Versuchen reich.

In die Kriminalgeschichte ist eingebaut, daß die sozialistische Arbeiterpartei Zulauf erhält damit Kinder überhaupt und bessere Ausbildungen erhalten (können). 

Die Typen und Menschen dieser Geschichte sind schön und detaillreich geschildert, ohne zu ausführlich zu werden. 

Eine Liebesgeschichte bahnt sich auch, und auch die zarten Bande zwischen Ernestine und Anton werden stärker.

Meist ist das österreichische Deutsch gewahrt, allerdings geht man in Österreich nicht die Treppe 'hoch', sondern die Stiegen 'hinauf'; leider ist hier das deutsche Lektorat zu hart vorgegangen, denn 'hoch gehen' heißt in Österreich wütend werden.

In Summe ist der Kriminalroman sehr gut geschrieben, er unterhält und informiert. Viel Freude beim Lesen !

Mittwoch, 31. Juli 2024

Max Aub : "Die Stunde des Verrats"

Max Aub
"Die Stunde des Verrats" - Das Magische Labyrinth IV
Roman
original "Campo del Moro"
1963
Aus dem Spanischen von Albrecht Buschmann und Stefanie Gerhold
Herausgegeben und kommentiert von Mercedes Figueras
2001/2003, Piper Verlag GmbH München
300 Seiten + 1 Seite Inhaltsverzeichnis + 43 Seiten Anhang Anmerkungen von Mercedes Figueras + 5 Seiten Nachwort
ISBN 3-492-21791-0

Auf sieben Kapiteln von 5. bis 13. März 1939 wird in einem Gemisch aus Geschichte und deren realen Personen und manchen fiktiven Menschen wie Politiker verschiedener Parteien und Gruppen versuchen die Menschen in Spanien, hier konzentriert eher Madrid, gegen die Truppen Francos zu schützen bzw die Übergabe für die Menschen erträglich zu machen.
Dieser Roman konzentriert sich auf die Menschen die vor Ort leben und Politiker der sozialistischen und kommunistischen Parteien. Die Seite Francos wird nicht erzählt - es ist nur klar, daß es kein Erbarmen bei der Übernahme der Städte für die  Bevölkerung und Gegner geben wird.

Die 43 Seiten mit Anmerkungen zu den Figuren sind für mich essentiell gewesen, da es hier genaue Informationen über echte und fiktive Personen gibt, was bei den vielen unterschiedlichen Charakteren wichtig ist.

Am Anfang des Buches gibt es manchmal noch Hoffnung, einzelne Menschen kämpfen für ihre Ideale und Spanien. Hunger wird auch beschrieben : eine Brotkante wird zum Luxusessen.
Am Schluß gibt es nur Flucht, Hektik, zerbrochene Hoffnungen und Werte.

Spannend ist die gescheiterte Politik, in der sich die sozialistische Partei und kommunistische Partei auch nicht einmal zugunsten der Menschen auf gemeinsames Handeln zusammen finden, und selbst fliehen.

Mehr geht mir das Schicksal einzelner (fiktiver) Personen unter die Haut, die sich in die Esoterik oder Liebe retten, wobei die Liebe meist schlecht ausgeht. Es bleibt viel Traurigkeit, Zerstörung und tote Menschen übrig.

Der Roman ist intensiv geschrieben und ließ mich nicht kalt, auch wenn ich das Buch mindestens nocheinmal lesen muß in der Hoffnung die Handlungsstränge besser zu verstehen.

Max Aub, auch Max Aub Mohrenwitz, wurde am 2. Juni 1903 in Paris geboren und war ein spanischer Schriftsteller französischer Herkunft mit deutschen Vorfahren. Er schrieb spanisch, und organisierte Theater in Spanien. Juli 1936 wurde Honorarkonsul im Frankreich und erteilte den Auftrag zu "Guernica" an Pablo Picasso. 1940 wurde er in Spanien denunziert, verhaftet und konnte 1942 nach Mexico ausreisen. Lange wurde ihm ein Besuch in Spanien verwehr, erst 1969 durfte er wieder kurz zu Besuch kommen. Er starb am 22. Juli 1972 in Mexiko Stadt.
'Das magische Labyrinth
' („El laberinto mágico“) schrieb er zwischen 1943 und 1968, und besteht aus sechs Bänden zum spanischen Bürgerkrieg.

Montag, 15. Juli 2024

Pedro Almodóvar : "Der letzte Traum"

Pedro Almodóvar :
"Der letzte Traum" - Zwölf Erzählungen
original " El último dueno"
2023, Penguin Random House Gruop Editorial, Barcelon
Aus dem Spanischen von Angelica Ammar
2024, S. Fischer Verlag
214 Seiten inkl Vorwort + 1 Seite Inhaltsverzeichnis + Lesebändchen
ISBN 978-3-10-397569-7

In den Buch sind zwölf sehr unterschiedliche Erzählungen über längeren Zeitraum zu sehr verschiedenen Themen zusammengestellt. Im Vorwort erklärt der bekannte Regisseur, daß er nie eine Autobiographie schreiben wollte und diese Erzählungen als Teil eines Tagebuch sieht, daß er Ideen für seine Filme vorgreift oder sie auf diese Art anders abschließt.

Der Besuch - eine attraktive und sehr hergerichtete junge Frau geht in einem ländlichen Dorf in die Kirche mit angeschlossenem Internat und verwickelt den ehemaliger Pater jetzt Direktor in ein Gespräch. Sie zeigt ihm Texte des Bruders, indem er über die sexuellen Übergriffe der Patres aus seiner Kindheit und seine Verwirrung daraus zählt.  Die letzte Wendung der Geschichte überrascht, oder eigentlich bei Almodovar nicht.

Zu viele Geschlechtsumwandlungen - es geht um Leon, Schauspieler und Geliebter und Partner, und vielen Varianten von Endstation Sehnsucht (zumindest ist es das, was mir am stärksten in Erinnerung blieb)

Die Spiegelzeremonie - Graf Dracula und der Abt eines strengen Klosters finden zu eine eigenartigen Symbiose.

Johanna, das Wahnröschen - Johanna, spanische Köngistochter, fällt nach dem Stich einer Nadel in riefen Schlaf, ihre Eltern organisieren den Niederländischen Prinzen sie wach zu küssen, leider stirbt ihr Ehemann und sie meint daß er nur schläft und wird von ihrem Vater in einem Schloß eingesperrt. Jahre später holen sie Revolutionäre und sie ist Königin. Die Vermischung der spanischen Geschichte um Johanna die Wahnsinnige gemischt mit Dornröschen ist faszinierend.

Der letzte Traum (2002) - über seine Mutter, die ihm den Unterschied zwischen Wirklichkeit und Fiktion beibrachte, und daß Fiktion das Leben erträglich macht(e).

Leben und Tod von Miguel - Miguel erlebt sein Leben vom Tod rückwärts, er wurde erschossen, schrieb Literatur, wollte mit einer Frau ins Ausland gehen, und alles läuft zurück bis er wieder im Schoß seiner Mutter ist und sich niemand mehr an ihn erinnert. Faszinierend erzählt !

Bekenntnisse eines Sex-Symbols (1979) - Patty Diphusa, eine grandiose Porno-Darstellerin, erzählt über das Leben mit Männer, Drogen, Schmuck und Machtspiele. 

Bittere Weihnachten - eine erfolgreiche Regisseurin kämpft mit Hilfe ihres Freundes gegen gräßliche Schmerzen und vergißt diese erst als sie bei einer guten Freundin und deren Tochter ist, und Musik von Chavela Vargas La Lorrona spielt.

Adieu, Vulkan - ist eine Liebeserklärung an das Leben der mexikanischen Diva Chavela Vargas La Lorrona.

Die Erlösung - eine Variante von Jesus ist auf der Erde, spricht zu den Menschen und lernt hier im Gefängnis Barbaras kennen. Auch hier wird Barbaras freigesprochen, das Ende ist aber nicht das was in der Bibel steht sondern ein Bekenntnis zu Freundschaft zwischen sehr verschiedenen Menschen die sich einander angeglichen haben.

Erinnerung an einen leeren Tag - es ist Gründonnerstag und er schreibt über Andy Warhols Tagebücher, über Slimani die sich in die Dugan in Venedig einschließen läßt um kreativ zu sein, und daß das für ihn gar nicht geht, denn er braucht die Menschen um sich, auch wenn er es verabsäumt hat Freundschaften zu pflegen.

Ein schlechter Roman (2022) - ist ein Diskurs ob jemand der keinen Roman schreiben kann, nicht Drehbuchautor sein kein (nein), und endet dabei das Drehbücher und Roman ganz unterschiedliche Stärken haben und Drehbuchautor nahe dem Geschehen sein muß, während sich der Schriftsteller vergraben kann. 

Ich war fasziniert von den vielen Büchern und Autoren, die Almodovar hier zitiert und werde mir das Buch nochmals durchlesen und die Bücher für mich herausschreiben (in der Hoffnung sie zu lesen).

Nachdem ich zwischen Erzählungen immer wieder Pausen mache, habe ich über das Leben von Chavela Vargas nachgelesen und mir einige Canciones in ihrer sehr markanten intensiven Stimme angehört. Die Stimme macht bei mir Gänsehaut.

In Summe eine Sammlung für mich intensiven, starken Erzählungen, die ich gerne weiterempfehle. Viel Freude beim Lesen !

Samstag, 22. Juni 2024

Ahmet Ümit : "Das Derwischtor"

Ahmet Ümit :
"Das Derwischtor"
Kriminalroman
original "Bab-i-Esrar"
2012, Verlag Everest Yarinlari, Istanbul
Aus dem Türkischen von Sabine Adetepe
2020, btb verlag bei Verlagsgruppe Random House GmbH
499 Seiten + 2 Seiten Anmerkungen der Übersetzerin (betreffend Aussprache, Anrede und Begrifflichkeiten; Schreibweisen) + 1 Seite Danksagung + 3 Seiten Quellen
ISBN 97-3-442-71765-1

Karen Kimya Greenwood wird wegen einer Versicherungssache und weil sie Türkisch kann, nach Konya geschickt. Dort hat sie mehrere mystische Begegnungen mit einem geheimnisvollen charismatischen Mann und arbeitet das Verschwinden ihres Vaters auf.
Bei dem charismatischen Mann geht es um mystische Erlebnisse mit Shams-e Tabrizzi und den Sufi-Meister und Poeten Rumi, deren Freundschaft und wie diese anderen Menschen irritierte.
Ihr Vater hatte die Familie verlassen, weil der Ruf des Sufi-Ordens wieder stärker für ihn geworden war, wie ihr in Koya langsam vermittelt wird.
Parallel muß sich Karen Kimya entscheiden, ob sie ihre Schwangerschaft leben möchte oder nicht.

Konya ist faszinierend geschildert. In dem Roman ist geschildert wie schöne alte Häuser mit Innenhöfen neuen Hotel-bauten ohne Ausstrahlung weichen müssen; aber der Zauber der alten Häuser ist spürbar.
Für Touristen ist diese Stadt durch die "drehenden Derwische" bekannt.

Die Menschen sind für mich leider wenig spürbar, bis auf Karen Kimya selbst (mit den Problemen und Entscheidungen, die anstehen) und ihre flippige Mutter. 

Rumi und Sufi-Orden sind verzaubernd. Die Kapitel, in denen nach Spiritualität gesucht wird, finde ich gut geschrieben.

In Summe ein angenehmer Urlaubs-Roman mit etwas Krimi, bei dem ich mich gut entspannen konnte. Gutes Lesen !                                       

 Ahmet Ümit  wurde 1960 in Gaziantep (Südanatolien) geboren. Er studierte Verwaltungswissenschaften und begann zu schreiben. Seine erste Erzählung entstand 1983. Er veröffentlichte mehrere Kriminalromane, von denen einige auch ins Deutsche übersetzt wurden, außerdem Gedichte, zahlreiche Kurzgeschichten und ein Märchen. Außerdem schreibt er Drehbücher.   

Mittwoch, 12. Juni 2024

Martin Suter : "Lila, Lila"

Martin Suter :
"Lila, Lila"
2004, Diogenes Verlag
341 Seiten
ISBN 978-3-257-23469-5

David, der als Kellner arbeitet, findet in einer alten Kommode ein Manuskript mit einer unglücklichen endenden Liebesgeschichte aus den 50-er Jahren. Verliebt in die schöne Marie erzählt er ihr, daß das sein Werk ist. Sie sucht einen Verlag, und der Roman wird veröffentlicht mit leichter Abänderung des Frauennamens. Er muß durch kleine Orte tingeln und in halbleeren Buchhandlungen vorlesen, was er mehr schlecht als recht macht, bis plötzlich eine grandiose Kritik erscheint und der Roman die Bestsellerlisten stürmt und die Buchmessen. Bei einer der Buchlesungen wird er von einem charistmatischen Mann namens Jacky mit vielen humorvollen Geschichten angesprochen, der sich als Autor der Liebesgeschichte vorstellt, und seinen Anteil des Erfolgs unter der Hand möchte. David verschweigt Marie, warum Jacky ihn immer mehr begleitet. Am Höhepunkt streiten sich die Verlage um sein nächstes Werk, es gibt zwei Agenten. Am Schluß hat sich Marie einen anderen Weg gesucht, und David versucht einen Liebesroman zu schreiben.

Von Anfang an begleitet man David mit seinen Unsicherheiten und Zweifeln über seinen Selbstwert, seine Kreativität, seine Liebe zur schönen Marie. Allerdings wurde mir dieser inaktive Mann im Laufe des Lesens immer unsympathischer.
Marie ist eine schöne junge Frau die eine Ausbildung parallel zur Arbeit macht, mit der sich hofft mehr Freude zu haben. Sie findet leicht Anklang bei Menschen, auch wenn ihre Beziehungen und Kurzzeit-beziehungen sie meist doch nicht glücklich machen. Sie merkt, daß David ihr was vorspielt und hat sofort Mißtrauen gegenüber Jacky.

Die Orte der Handlung sind gut vorstellbar. Es ist unterhaltsam zu lesen wie David durch die ersten Buchhandlungen in kleinen Ortschaften tingeln muß und sich durch die Lesungen durchstottert. Ebenso unterhaltsam ist die große Frankfurter Buchmesse mit allem was Rang und Namen hat, und wie dort genetzwerkt wird.

In Summe ein Buch das mich einerseits gut unterhalten hat, andererseits ist mir die Hauptperson sehr auf die Nerven gegangen. Trotzdem viel Freude beim Lesen. 

Freitag, 31. Mai 2024

Fernando Aramburo : "Patria"

Fernando Aramburo :
"Patria"
Roman
original "Patria"
2016, Tusquets Editores, Barcelona
Aus dem Spanischen von Willi Zurbrüggen
2018, Rowohlt Taschenbuch / 3. Auflage Oktober 2020
750 Seiten + 5 Seiten Glossar der baskischen Wörter und Redewendungen + 4 Seiten Inhaltsverzeichnis
ISBN 978-3-499-27361-2

Zwei Familien im Baskenland zur Zeit der Attentate der ETA und danach - bei einer ist ein Sohn aktiv bei der ETA und später inhaftiert, der anderen Familie fällt der Vater durch ein ETA-Attentat zum Opfer. In vielen zeitlichen Sprüngen wird die Zeit vor, während und nach den Attentaten für die Generation der Eltern und Kinder beschrieben, und auch die Frage gestellt was für jeden Baske sein bedeutet.

Bittori, die erkrankt ist und wissen möchte wer ihren Mann und Unternehmer Taxto letztendlich umgebracht hat, und ist mit ihrer Anwesenheit im Dorf 20 Jahre nach dem Ereignis eine stumme unangenehme Erinnerung an die Ermordung. Deren Sohn Xavier ist Arzt geworden; die Tochter Nerea hat Jus studiert, und hat nach einigen Beziehungen einen sehr gut aussehenden Mann (nicht Basken) geheiratet.

Die andere Familie besteht aus Mirren mit ihrem Mann Joxian und deren drei Kinder. Der älteste Sohn Joxe Mari hat sich bald der ETA angehängt, war in Frankreich im Exil und bei einigen Attentaten im Baskenland beteiligt; letztendlich ist er im Gefängnis. Tochter Arantxa hat auch einen Spanier (Nicht-Basken) geheiratet und zwei Kinder mit ihm; sie hatte im Urlaub einen massiven Schlaganfall, der ihren wachen und eigenwilligen Geist in einen maroden Körper sperren will; der jüngste Sohn Gorka geht bald in die Literatur und veröffentlicht Werke auf Euskara, arbeitet später in einem baskischen Radiosender, schließt sich aber von Gewaltausübung aus.

Es geht auch um die Frage der Amnestie für aggressive ETA-Mitglieder, die aus den Gefängnissen entlassen werden sollen. Während die Familien dieser darauf hoffen, protestieren die Familien der Getöteten dagegen, auch weil diese in der Gemeinschaft gemobbt wurden und werden. Die Rolle der nicht immer christlich liebenden und vermittelnden Kirche, sondern  - hier gegen die Familie des Getöteten - auch mobbenden Priester wird skizziert.

Freundschaften zerbrechen innerhalb kurzer Momente und finden eigentlich nicht mehr zusammen.

In den Kapiteln werden die verschiedenen Sichtweisen der fünf und vier Familienmitglieder beschrieben. Manche die sich einfach nur klein machen wollen  andere die einen Weg suchen, manche streiten, andere versuchen zu handeln, manche wollen einfach nur ihre normale Arbeit machen ohne dafür verurteilt oder getötet zu werden.

Die Menschen sind gut geschildert und deren Temperamente, Launen und Charakteristika entstanden wie ein Film vor meinen Augen. Auch die verschiedenen Lebensräume wie Kleinstadt, Stadt, fremde Orte zum Verstecken, Studienstadt sind gut beschrieben.

Unter die Haut gingen mir die Einsamkeit der Witwe, und die Kälte wie mit ihr umgegangen ist.

Ich habe länger an dem Buch gelesen, und durchaus Zeit gebraucht bis ich mich bei den Personen der Handlung und den Zeitsprüngen ausgekannt habe.

In Summe ein starker und sehr eindrücklicher Roman bei dem klar wird, welche Verletzungen politische Geschehen für Familien und Gesellschaft haben. 

Fernando Aramburu Irigoyen wurde am 4. Jänner 1959 in San Sebastián geboren. Der Autor studierte in Saragossa panische Philologie, lebt seit 1984 in Hannover  und arbeitete zunächst als Spanischlehrer. Seit 2009 verfasst er ausschließlich Bücher sowie Beiträge für spanische Zeitungen. Er ist verheiratet und hat zwei Töchter.Er spricht fließend deutsch. Sein erster war 'Roman Fuegos con limón' (1996) (Limonenfeuer)(2009).  

"Patria" wurde mittlerweile  in 20 Sprachen übersetzt, und ist als Serie in Spanien verfilmt worden.

Montag, 13. Mai 2024

Gerald Durrell : "Die aberwitzige Reise eines betrunkenen Elefanten" *

Gerald Durrell :
"Die aberwitzige Reise eines betrunkenen Elefanten" * - eine fast wahre Geschichte
original "Rosy is My Relative"
1968, Collins London
Aus dem Englischen von Sabine Schilasky
2021, Ullstein Taschenbuch
   Seiten
ISBN 978-3-548-06417-8

Adrian Rockwhistle ist ein vorsichtiger Mensch mit einem langweiligen Job. Sein Onkel vererbt ihm eine Elephantendame, Rosy - früher ein Zirkusattraktion, und leider dem Alkohol zugetan. Adrian versucht mit ihr quer durch die Insel zu reisen, um sie bei einem Zirkus unterzubringen. Die Reise bringt vor allem Adrian an seine Grenzen, denn zuerst wird eine Jagdgesellschaft durcheinander gewürfelt, dann eine Geburtstagsparty zum Desaster, später bricht sich Adrian den Arm und verliebt sich - der Gastgeber meint in einem seiner früheren Leben mehrer Elephanten gehabt zu haben, eine entzückende Hexe namens Nell hilft ihnen immer wieder weiter, beim Zirkus gibt es Problem, später einen Gerichtsprozess, dank dessen humorvollem Richter dann alles doch gut ausgeht.

Die Landschaften sind englisch, sanft hügelig und nicht immer einfach eine Elephantendame mit Temperament zu verstecken.

Die Personen sind sehr unterhaltsam geschildert. Es gibt den eingebildeten Jagd-adeligen, den humorvollen Adeligen, die Schreckschraube an Gattin, eine bezaubernde Hexe, einen Mann mit vielen Leben, eine schöne kluge medizinisch erfahrene junge Frau, Menschen die alles besser wissen, einen gescheiten Anwalt, den nervösen aber liebenswerten Adrian, und seinen Freund den Schmied.

Rosy ist eine zirkustrainierte freundliche Elephantendame. Wenn ihr Obst oder Gemüse gefällt ist sie es einfach, Bier bis Rum und Schnaps sind auch immer willkommen. Sie ist auch hilfsbereit wenn es darum geht mit dem Rüssel Wasser zu verteilen.

Das Buch ist sehr humorvoll geschrieben. Ich habe viel in den Straßenbahnen gelesen und mußte öfters laut lachen.

Viel Freude beim Lesen und gutes Lachen  !

Gerald ('Gerry') Malcolm Durrell wurde am 7. Jänner 1925 in Jamshadpur, Indien geboren und starb am 30. Jän ner 1995 auf Jersey. Er war ein britischer autodidaktischer Zoologe, Autor, Tierpfleger, filmte Tiere für die BBC und war zuletzt auch Tiergartendirektor.

Dienstag, 7. Mai 2024

Hisashi Kashowai : "The Kamogawa Food Detectives"

Hisashi Kashowai :
"The Kamogawa Food Detectives"
original "Kamogawashokudo "
2013, Shogakukan
translated from Japanese by Jesse Kirkwood
2023, Mantle, imprint of Pan Mamillan
201 Seiten + 1 Seite Inhaltsverzeichnis
ISBN 978-1-035009589

auf deutsch : "Das Restaurant der verlorenen Rezepte"

Vater Kamagowa, ein ehemaliger Polizist, und seine Tochter führen ein kleines, geheimes Restaurant in einer Seitengasse Kyotos. Werbung gibt es nur mit einer einzigen Zeile, die wenige Menschen finden. Sie werben damit, daß sie Rezepte finden, die lange vergessen sind. Die Suchenden erhalten meist an Anfang viele kleine Teller mit grandiosen kleinen Häppchen (von denen ich zwar leider nur die Hälfte verstanden habe, die aber köstlich beschrieben sind). 

Die Geschichten sind ähnlich aufgebaut : jemand sucht ein Gericht, Vater und Tochter recherchieren und kochen und lösen dabei das Rätsel, das für die suchenden Personen mit dem Gericht verbunden ist.

1) Nabeyaki-Udon - Suppe mit dicken Nudeln, Shrips, Karottenscheiben, Spinat, Fisch-kuchen, Zwiebeln, Hendl-stücken. Diese Suppe ist einem Herren in Erinnerung, da seine Frau sie immer so gut gemacht hatte, aber seine jetzige Liebe sie leider nicht kann. Die Gastgeber triksen etwas um der jetztigen Frau zu helfen.

2) Beef Stew - Rind stew mit Brokoli und Shitake-pilzen. Eine ältere Dame trauert einem Rendezvous vor 55 Jahren nach, bei dem ihre Familie einem weitere Treffen verboten hatten und den arrangierten Ehemann präsentierten. Der jungen Mann damals konnte sie auch nicht vergessen, lebt aber nicht mehr.

3) Meckerel sushi. Ein wichtiger Funktionär taucht in seine Kindheit, bei der ihm dieses Gericht angerichtet worden war.

4) Tonkatsu - paniertes Schnitzel, in Streifen geschnitten auf Kohl serviert mit Tonkatsu oder Soja-sauce serviert. Ein Frau sucht dieses Gericht in Erinnerung an ihren Mann, deren Ehe wegen Stolz geschieden worden war, und die im Alter vielleicht wieder hätten gemeinsam sein können.

5) Napolitan Spaghetti - Spaghetti mit Frankfurter Würstel in Scheiben, Zwiebel, Paprika. Eine Enkelin sucht die Essenserinnerung in ihren Großvater, aber damit auch seine Liebe zu ihr und sein Vertrauen, daß sie eine großartige junge Frau ist. (warum Frankfurter Würstel aber neapolitanisch seien, entschloß sich mir nicht)

6) Nikujaga - Fleisch und Kartoffel-Eintopf mit Zwiebeln und Soja-sauce. Ein junger erfolgreicher Unternehmer erinnert sich an dieses Gericht, das seine Mutter immer gekocht hatte, aber bei seiner Stiefmutter nie so gut gewesen war. Es stellt sich heraus, daß die kranke Mutter der Stiefmutter das Lieblingsrezept gegegeben hatte.

Eine rote Tigerkatze ist am Cover der englischen Übersetzung. Ein Tigerkatze geht manchmal am Anfang oder Ende der Episode in oder aus dem Restaurant; mehr gibt es nicht über die Katze, was ich nach dem Cover sehr schade fand.

Ich hätte mir eine Zusammenfassung der Rezepte gewünscht und mehr Information über die Produkte, da nicht jedem/r japanisches Essen außerhalb der üblichen Sushi-produkte geläufig ist.

Die Geschichten sind schön zu lesen, sollten m.a.n aher langsam gelesen werden, damit sie wirken. Leider sind für mich Traurigkeit und Einsamkeit zu dominierend in dem Buch. Lesenswert sind die Geschicheten trotzdem.

Hisashi Kashiwai wurde 1952 in Kyoto geboren und wuchs dort auf. Seine Zahnarztausbildung war in Osaka. Zurück in Kyoto arbeitete er als Zahnarzt, schrieb über 'seine' Stadt und hat bei Fernsehberichten über Kyoto mitgearbeitet.

Freitag, 3. Mai 2024

Karina Sainz Borgo : "Nacht in Caracas"

Karina Sainz Borgo :
"Nacht in Caracas"
original "La hija de la espanola"
2019, Lumen Penguin Random House
Aus dem Spanischen von Susanne Lange
2019, S.Fischer Verlag
195 Seiten + 1 Seite Danksagungen
ISBN 978-3-596-70797-2

Adelaida ist Mitte dreißig; sie begräbt ihre Mutter, deren Krebsbehandlung sie wegen der Wirtschaftskrise und dem Terror ringsum nicht behandeln lassen konnte. Ihre Wohnung wird von einer Gruppe kampftrainierter Frauen, die mit Lebensmitteln zu Wucherpreisen handeln, okkupiert - sie verliert damit auch ihre Bücher, und ihren Computer um ihre Arbeit als Übersetzerin zu machen.
Rückblickend erzählt sie von ihrer Mutter, die die erste Akademikerin der Familie war, allerdings schwanger sitzen gelassen wurde. Mutter und Tochter leb(t)en in Caracas, während die Schwestern der Mutter in Ocumare geblieben sind.
Es tut sie eine Möglichkeit für sie zu leben und überleben auf, und sie entwickelt sich in eine andere Person (siehe Titel auf spanisch).

Die Geschichte ist in Ich-form aus der Sicht von Adelaida erzählt. Als Leser/in folgt man ihren Gedanken, Erinnerungen, Ängsten, Handlungen und Planungen. Hier erfährt man über die Liebe zu dem Photographen Francesco, der zwei Tage vor der Hochzeit getötet wurde, weil er ein Photo von einem Mafiamann gemacht hatte.

In dem Buch ist viel über Brutalität zu lesen, bei der es um Mann gegen Frau, Gruppen von Männern gegen Gruppen von Frauen, Gruppendynamik gegen einzelne wehrlose Menschen geht.
Anhand des Bruders einer Freundin wird dargestellt wie Folter, Terror, Erpressung idealistische Menschen dazu bringt für das eigene Überleben alles zu tun.
Hintergrund ist der Wirtschaftskollaps eines Landes, bei dem Grundnahrungsmittel nur noch extrem überteuert wenn überhaupt zu haben sind. Auch Menschenleben sind nichts (mehr) wert.

Der spanische Titel übersetzt 'Tochter der Spanierin' ist die Lösung. Als Personen sind die Mutter, die aus Spanien kam und in Venezuela zuerst mit spanischen dann mit lokalen Köstlichkeiten im Lokal die Leute verwöhnte, glücklich gezeichnet; die Tochter war mit dem Lokal unglücklich.
Der deutschsprachige Titel ist der letzte Satz im Buch.

Der Roman ist dicht geschrieben und gab viel zu Denken.

Karina Sainz Borgo wurde 1982 in Caracas geboren und wandert mit 12 Jahren nach Spanien aus, wo sie bis heute lebt, ihre Verwandten sind in Venezuela geblieben. Borgo ist in Madrid als Journalistin tätig und schreibt für verschiedene Zeitungen und auch Blogs in Spanien und Lateinamerika. 2019 erschien ihr erster Roman »Nacht in Caracas«, der weltweit gefeiert und in 26 Sprachen übersetzt wurde. »Das dritte Land« ist ihr zweiter Roman, er wurde mit dem Prix Jan Michalski ausgezeichnet.

Samstag, 27. April 2024

Nick Bradley : " The Cat and the City"

Nick Bradley :
"The Cat and the City"
2020, Atlantik Books Ldt / Paperback 2021
287 Seiten + 1 Seite Inhaltsverzeichnis + 2 Seiten Gedicht "blue Cat" von Hagiwara Sakutaro inkl englische Übersetzung + 3 Seiten Danksagungen
Paperback ISBN: 978-1-78649-991-2

In fünfzehn Erzählungen geht es um Menschen, und meist um eine kleine zarte dreifarbige Katze, die den Weg kreuzt.
Ein bekannte Tattoo-künstler zeichnet die Skyline von Tokyo auf den Rücken einer zarten Frau, und eine kleine Katze ist dabei.
Ein obdachloser Geschichtenerzähler mit Katze besucht andere Obdachlose, und wird am Schluß von der Polizei erwischt; die Polizei bereinigt die Straßen vor den Olympischen Spielen von Obdachlosen und interniert sie.
Drei Angestellte müssen zum verpflichtenden Firmen Karaoke Abend, und sprechen über Videospiele.
Ein Taxi fahrer denkt über sein einsames Leben nach.
Ein Privatdetektiv hat meist mit Untreuefällen zu tun, und freut sich wenn er mit Vermisstenfällen betraut wird.
Flo aus Oregon ist in Japan als Übersetzerin geblieben; sie liebt das Land und die Varianten der Sprache mit ihren chinesischen Wurzeln und träumt davon eine bestimmte Erzählung zu übersetzen und veröffentlichen. Am Nachbartisch streitet sich ein Paar laut.
Eine japanische Karrierefrau zahlt das Leben ihres Freundes, eines Amerikaners weil diese derzeit als originell gelten. Bei einem Ausflug wird klar, daß sie heiraten möchte und er nicht, worauf die Beziehung zerbricht.
Ein Techniker will eine künstliche Katze anhand einer natürlichen dreifarbigen nachmachen, denn sein Kind ist allergisch auf Katzenhaare. Es gelingt ihm die mechanische Katze fast echt zu gestalten - auch das Kind ist glücklich; die natürliche Katze ist allerdings irritiert. Am Schluß ist die mechanische Katze kaputt, und die natürliche Katze fühlt sich merkwürdig allein.
Zwei Angestellte geben sich einen Abend mit viel Alkohol und Essen.
Eine junge Frau mit dominanter Mutter ist in einen jungen Mann verliebt, der andere Frauen liebt, und wird vom Postmann angehimmelt (sie kennt die japanische Karrierefrau).
Ein Automechaniker träumt von Sex (russische Prostituierte wie im Klischee) und Ameisen.
Ein einsamer Knabe hilft einer Katze was seine Eltern nicht wollen, und freundet sich mit einem einsamen Agoraphobiker an, und hilft ihm wieder ein normaleres Leben, indem er ihm ein Manga widmet.
Ein junge Frau kommt aus den USA zurück nach Japan (ihr Mann liest ein Buch in dem Flo die Geschichte des Technikers mit der Katze übersetzt hat) und trifft ihren Vater (den Taxifahrer) wieder und ihren Onkel (den Geschichtenerzähler); sie denkt an die dreifarbige Katze ihrer Kindheit.

Ich hatte mir das Buch gekauft in der Hoffnung auf einen poetisch freundlichen Roman oder Geschichten. Leider waren die meisten Geschichten traurig, weil die Menschen einsam waren, sie sich in den Beziehungen unglücklich machten und viel Einsamkeit zu merken war.

Interessant ist wie manche Menschen in einer Geschichte als Hauptpersonen sind, und dann irgendwo als Nebenperson auftauchen.

Manche Menschen bleiben stark mir in Erinnerung wie die Karrierefrau die ein Blättertagebuch führt (jeden Tag ein schönes Baum ? Blüten ? Blatt), der Geschichtenerzähler und auch der Detektiv. Andere Menschen bleiben blaß für mich.

Es gibt Beschreibungen von gewünschtem Sex der mir beim Lesen wenig Freude macht.

In Summe ein interessantes Buch mit einigen schönen Stellen und selten humorvoller Situationskomik, aber mir blieb vieles doch fremd.

Nick Bradley wurde in Deutschland 1982 geboren, und wuchs in Bath auf. Aus einem geplanten Aufenthalt in Japan für ein Jahr nach seinem Studium Englischer Literatur wurden zehn Jahre Leben und Lernen in Japan. Er spricht fließend Japanisch und hat sich während des Studiums in Japan auf die Figur der Katze in der Japanischen Literatur fokusiert. "The cat and the city" ist sein erstes Buch.
Im Nachwort bedankt er sich bei seinen zwei Katzen für deren Unterstützung.

Donnerstag, 18. April 2024

Thomas Bernhard : "Alte Meister"

Thomas Bernhard :
"Alte Meister"
Komödie
1988, Suhrkamp Taschenbuch 1553
304 Seiten
ISBN 3-518-38053-2

Die ich-person, Herr Atzbacher, wird von einem alten Freund ins Wiener Kunsthistorische Museum in den Bardenone saal vor Tizians "Mann mit dem weißen Bart" verabredet. Atzbacher kommt bereits eine Stunde früher, beobachtet diesen Freund Herrn Reger und einen langjährigen Aufpasser im Museum Herrn Irrsegler und räisoniert über alte Meister, schlechte Komponisten, russischen touristengruppen mit ukrainischen Reiseführerinnen, und viele andere was schlecht ist wie die Mode, die Politiker, und alte Meister, wenn man sie sich zu lange ansieht oder zu lange mit deren Werken beschäftigt.
Seitenweise wird räsoniert; am Schluß geht es dann kurz darum, daß eine zweite Opernkarte zu haben ist, für eine - wie zu erwarten - schlechte Vorstellung.

Die drei wichtigen Figuren in dem Roman sind : die Ich-Person Atzbacher die es sich leisten kann sowohl Philosoph als auch Schriftsteller zu sein ohne publizieren zu müssen.
Herr Reger wird breiter Platz gegeben - er hat Vermögen, publiziert über Kunst eine Kolumne in der New York Times und hatte das Glück eine Frau zu finden, die ähnlich wie er dachte und lebte. Herr Reger hat sehr bestimmte, meist ablehnende Meinungen über Tizian, Goethe, Gustav Mahler, v.a. Stifter. Interessant ist der Ansatz, daß alles auch wenn es genial sein mag, nach längerer Beschäftigung Fehler offenbart und nur wenige geniale Künstler dieser Auseinandersetzung stand halten.
Herr Irrsigler, der die Meinungen von Herrn Reger angenommen hat, und eine Familie im Burgenland hat, mit der Herr Reger möglichst nichts zu tun haben möchte.

Da ich den Stil von Thomas Bernhard mag, habe ich das Buch sehr genossen, auch wenn es mir mit der Vernichtung von Meistern manchmal zu negativ war. In Summe aber, halte ich dieses Buch für sehr gelungen und empfehlenswert. Viel Freude beim Sprache genießen !

Donnerstag, 7. März 2024

Britta Habekost : "Stadt der Mörder"

Britta Habekost :
"Stadt der Mörder"
Kriminalroman
2021, Penguin Verlag
450  Seiten mit Lesebändchen + 6 Seiten Nachwort + 3 Seiten Dank
ISBN 978-3-328-60195-1

Lieutenant Julien Vioric wird beauftragt besonders grauenerregende Morde in Paris aufzuklären. Eine Gouvernante wurde ermordet, deren Schützling ein adeliger Jüngling ebenso
Lysanne Magloire kommt vom Land nach Paris um ihre Schwester zu suchen; die sie spät aber doch durch Hilfe der Surrealisten findet, allerdings an eine Krankheit verliert. Sie arbeitet ihre Jugendliebe auf, die trifft den ehemaligen Ortsarzt wieder, und läßt sich vom Charme Paris einfangen.
Lysanne trifft inzwischen eine Künstlertruppe, wobei ihre die Phantasie von Luis Aragon am meisten zusagt. Die anderen der Surrealisten, wie Breton, irritieren sie mehr , wobei Bretons Frau ihre wichtige Ideen gibt.
Juliens Bruder Edouard, der kein Kriegstrauma hat, erklimmt die Karriereleiter bei der Polizei, ist mittlerwweile Polizeipräfekt, pflegt Kontakte zu den besseren Kreisen und traktiert seinen Bruder sooft er kann.
Eine farbefrohe, fröhliche neugierige Frau arbeitet als Journalistin und geht der Polizei mit Fragen auf die Nerven. Sie hilft Lyssanne weiter.
Das Ende ist überraschend.

Die Menschen sind gut beschrieben - mit Mitgefühl Lysanne die den Dorf-Mief abschüttelt bzw abschütteln muß und Julien, der das Traum aus dem ersten Weltkrieg und den Verlust seiner großen Liebe aus Südfrankreich, zu verarbeiten hat. Der Krimi ist mit 1924 datiert - und hier wird beschreiben, wie manche Menschen die Kriegsgreuel nicht verarbeiten, während manche gut mit der Vergangenheit leben.

Ort ist Paris bevor Passagen und dunkle Winkel vor den Olympischen Spielen 1924 abgerissen werden. Viele billige Wohnungen gehen durch diese Maßnahmen verloren.

Die Szenerie der Surrealisten ist unterhaltsam geschildert, v.a. wenn die kleinen Ankündigungen ein Großaufgebot der Polizei verursachen.

In Summe ein unterhaltsamer Kriminalroman.

Dienstag, 6. Februar 2024

Miriam Elia, Ezra Elia : "Das Tagebuch von Edward dem Hamster 1990-1990"

Miriam Elia, Ezra Elia :
"Das Tagebuch von Edward dem Hamster 1990-1990"
original "The Diary of Edward the Hamster 1990-1990"
2012, Boxtree, Imprint von Pan Macmillan
Aus dem Englischen von Sibylle Meyer
2013, Fischer Taschenbuch / 8. Auflage: Dezember 2021
82  Seiten + 2 Seiten Vorwort + 1 Seite Autoren
ISBN 978-3-596-51310-9

Das Büchlein beginnt mit einem Vorwort, in dem das Tagebuch des philosophischen Hamsters Edward gefunden wird.
Edward langweilt sich alleine in seinem Käfig, weil er keine Ansprache hat. Auch die Katze will nicht mit ihm diskutieren. Als er endlich einen Gefährten bekommt, entpuppt sich dieser als verfressener und eher dümmlicher Zeitgenosse. Dank einer Sabotage am Rad erledigt sich das Problem.
Dann kommt Camilla - eine bezaubernde intelligente Hamsterdame. Eine kurze intensive glückliche Phase kommt für Edward, bis Camilla einem Unfall zum Opfer fällt.

In dem Büchlein sind in kurzen und langen Absätzen Edwards Überlungen und Tagebucheinträge notiert. Abgewechselt werden die Texte von kleinen quadratischen Zeichnungen, in denen weiß auf schwarz das Hamsterleben illustriert ist. Der Hamster sieht meiner Ansicht nach aber nie glücklich aus - offenbar kein Grund für ihn das zu tun.

Manches bringt zum Lachen, bei anderen Beschreibungen kommt eher Rührung auf.

Samstag, 20. Januar 2024

Shelby van Pelt : "Das Glück hat acht Arme"

Shelby van Pelt :
"Das Glück hat acht Arme"
Roman
original "Remarkably Bright Creatures"
2022, Ecco/Harper Collings New York
Aus dem amerikanischen Englisch von Andrea Fischer
2022, S. Fischer Verlag gmbH
453 Seiten + 3 Seiten Danksagung
ISBN 978-3-596-70700-3

Marcellus, ein pazifischer Riesenkrake, lebt in einem großen Aquarium. Er ist blitzgescheit und kann sich durch die schmalsten Ritzen durchbewegen, auch in benachbarte Fisch- und Muschelbereiche. Er weiß, daß er nur vier Jahre alt wird.
Mit ihm reden Schulkinder, aber auch die ältere einsame Tova, die in der Nacht putzt und über ihren verschwundenen Sohn spricht. Sie lebt alleine in einem schönen großen Haus, das ihr eigentlich zu groß ist.
Cameron ist ein junger Mann, der nichts auf die Reihe bekommt, allerdings sich vieles merkt was man ihm erzählt, wie den Namen einer Clematis, Einzelheiten über Kraken. Seine Tante Jeanne ist die einzige  verbliebene Familie, mit der er in einem Wohnpark lebt. Er macht sich auf die Suche nach seinem Vater und arbeitet zwischendurch als Putzkraft in dem Aquarium bei Marcellus.
Am Schluß haben sich alle drei Fäden miteinander verbunden,

Die Kapitel von Marcellus sind auch Ich-sicht geschrieben; sie sind unterhaltsam und haben mich sehr berührt.
Die Kapitel aus der Sicht von Tova und Cameron sind aus Beobachterebene erzählt.

Der Roman ist ein gut geschriebener Roman mit meist freundlichen Personen und für einen grauen Abend genau das richtige Buch mit Wohlfühl-faktor. Viel Genuß beim Lesen !

Samstag, 6. Januar 2024

Anjali Deshpande : "Mord"

Anjali Deshpande :
"Mord"
original "Hatya"
2019,
Aus dem Hindi übersetzt von Almuth Degner
2023, Draupadi Verlag, Heidelberg
202 Seiten
ISBN 978-3-945191-80-4

Adhirath ist suspendierter Polizist in Chhatarpur, da er einem anderen Polizisten zur Seite stand. Er lebt in einem kleinen Haus mit seiner Ehefrau Puschpa, die aus einer niedrigen Kaste als er kommt aber als Polizistin auf der Karriereleiter ist, deren beider Sohn Varun, und seinen Eltern, die immer an seiner Frau kritisieren.
Als er in der erzwungenen Freizeit einen Kollegen begleitet kommen sie zu der Leiche einer vorerst unbekannten schönen Frau. Adhirath ist der einzige der sich auf die Suche nach dem/den Mörder(n) macht und stößt auf eine Wand von Schweigen aus der eigenen Familie (dort hatte sie Schande gebracht), und im Dorf (keiner wollte offiziell mit dieser Frau mit verschiedenen Namen zu tun haben). Basanti oder Suryabala, hatte ihre Schönheit und Erotik zum Aufstieg in ein besseres Leben nutzen wollen, und war am Schluß unter anderem die Geliebte eines reichen einflußreichen Mannes gewesen.
Adhirath fragt den Ortsvorsitzenden, einen reichen Mann, dessen Frau, deren Verwalter der auch Chauffeur war, bis er wirklich den Mörder herausgefunden hat. Ob dieser wirklich eine Strafe erhalten wird, ist allerdings fraglich.

Die Orte der Handlung sind faszinierend beschrieben. Adhirath und seine Familie leben in einem unfertigen Haus neben einer Baustelle, und in einer lauten Straße. Das Dorf und das Landgut auf dem die Leiche gefunden wurde, sind abgelegen; auf dem Landgut wird viel angebaut an Gemüse und schönen Bäumen. Ganz anders ist die Villa des reichen Ehepaares, die mit viel Platz und schönen Dingen ausgestattet ist.

Die Menschen sind facettenreich geschildert. Die Ermordete wird als sehr schöne Frau geschildert, die nicht wie ihre Familie zufrieden war daß sie aus einer unteren Kaste entstammte. Auch die Frau des Polizisten ist aus einer unteren Kaste, die die ganze Zeit arbeitet und kocht, und zu ihrem Mann hält, allerdings von dessen Eltern nur gehässige Kommentare erhält. Eine weitere starke Frau ist die Ehefrau des reichen Mannes, die großartige Kleidung trägt, freundlich zu Adhirath ist und ihrem Mann und seinem Gehabe eiserne Maske bewahrt.
Adhirath ist beim Auflösen des Mordes konzentriert, sonst hat er aber den Boden unter den Füßen durch die Suspendierung und die drohende Kündigung verloren.

Daß Ärzte für Obduktionen bestochen werden müssen, war ein eigene Szenerie für mich.

Ich hatte einige Probleme beim Merken der Namen und bis ich mich ausgekannt habe, wer wer ist.

In Summe für mich ein starker Kriminalroman, der einiges an Konzentration gefordert hat. Viel Freude beim Lesen !

Leider habe ich keine Biographie der Autorin im Internet gefunden.