Sonntag, 22. Mai 2016

Ingrid Noll : "Kuckuckskind"

Ingrid Noll :
"Kuckuckskind"
Roman
2008, Diogenes Verlag
334 Seiten
ISBN 978-3-257-24012-2

Anja Reinhold erzählt die Geschichte aus ihrer Sicht. Sie überrascht ihren Mann mit einer anderen Frau, zieht in eine gräßliche Wohnung, läßt sich scheiden, ätzt mit ihrer Freundin Birgit, die auch an einem Gymnasium unterrichtet über ihre Mitmenschen, rafft sich auf, zieht in eine neue Wohnung bei einem Schüler und dessen Vater, beobachtet daß ihre Freundin schwanger ist und weiß daß der Ehemann nicht der Samenspender sein wird, und beginnt Fragen zu stellen. Am Schluß gibt es zwei Tote und eine etwas schräge aber glückliche sowie zusammengebastelte Familie inkl. Baby.

Der Roman ist herrlich lesbar. Die Personen im Lehrerzimmer sind aus dem Fundus aus Lehrenden Menschen gegriffen -  die Kommentare der Freundinnen frei von Freundlichkeit. Birgit die immer lustig und fröhlich herumwirbelt, ist es am Schluß gar nicht mehr. Wie Anja doch ihr Leben umgekrempelt bekommt, ihr Mutter wohlmeinend bis anstrengend eingreift, und wie sich das Leben mit dem Schüler und dessen Vater zum allgemeinen Wohlwollen entwickelt, spult sich schön sichtbar ab.

Die Schüler sind meist freundlich geschildert. Wirklich mühsame Gestalten sind keine dabei. Die Sorgen und Überlegungen so mancher vortragenden Person werden über Anja transportiert, wobei sie  mit Deutsch und Französisch und einer Vorliebe für schöne Sprache und Barock und Lyrik angelegt ist.

Das Thema Schwangerschaft, Nicht-Schwangerschaft, In-vitro-Fertilisation, Vaterschaftstest (auch heimlich) wird genannt inkl. aller seelischer Probleme, und gesellschaftlichem Echo.

Sprachlich macht es Spaß, wenn Anja für die Übersetzung von meterosexuell zehn verschiedene Vokabel aus drei europäischen Jahrhunderten zum besten gibt und in ihrem Wohnzimmer eine Recamiere (elegantes und gemütliches Möbel zum herumlümmeln) stehen hat, für die Besucher drei andere Wörter bereit haben. Oder wenn die Autorin das Sächseln (?) der Kollegenschaft Anjas in Lautschrift nachmacht.

In Summe ein wunderbares Buch nach einem mühsamen Arbeitstag oder um einen Regentag gut zu überstehen. Viel Spaß beim Lesen !

Ingrid Noll wurde am 29. September 1935 in Shanghai geboren und wuchs in Najing bis zu ihrer flucht dort auf. Sie studierte Germanistik und Kunstgeschichte nicht fertig. Sie heißt verheiratet Ingrid Gullatz und hat drei Kinder. Viele ihrer Krimis spielen in Mannheim und Umgebung. 1991 erschien der erste Roman 'Der Hahn ist tot' . Ihre vermutlich bekanntestes Buch 'Die Apothekerin' erschien 1994 und wurde auch mit Katja Riemann in der Hauptrolle glänzend verfilmt.  Ihre Bücher wurden in 27 Sprachen übersetzt.

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