Samstag, 30. März 2019

Reinhard Kaiser-Mühlecker : "Enteignung"

Reinhard Kaiser-Mühlecker :
"Enteignung"
Roman
2019, S. Fischer Verlag
218 Seiten
ISBN 978-3-10-397408-9

Ein Journalist mittleren Alters der viel Erfolg gehabt hatte, lebt im Haus der verstorbenen Tante, schreibt kleine Artikel und Glossen in einem Ortsblatt und fliegt zu Entspannung mit kleinen Flugzeugen. Weil ihm langweilig ist, rutscht er in eine erotische Beziehung mit der Lehrerin Ines. Durch einen Zeitungsartikel kommt er wieder mit einem Schulkollegen Flor in Kontakt und beginnt auf dessen Schweinebauernhof als Hilfskraft mitzuarbeiten. Die Frau des Bauern, Hemma, beginnt ihn zu faszinieren was zu geheimen Treffen führt, und er bemerkt, daß Flor ebenfalls eine geheime Beziehung mit Ines hat. Der Gemeindebedienstete Benam macht Flor Probleme, und Parker der Chefredakteur rutscht ins Burn out. Am Schluß gibt es zwei Tote, und der Ich-Journalist und Parker verlassen den Ort.

Die Geschichte wird aus Ich-sicht erzählt. Jan / Walter gleitet als Beobachter ohne emotionale Beteiligung oder Ziel durch das Leben. Ihn überrascht, daß er eifersüchtig bei Ines wird, und auch daß ihm die Zeit mit Hemma wichtig wird. Einzig der Kater und das kümmern um ihn, sowie das Grab der Tante sind ihm wichtig. Am Ende steht wieder Unbeteiligung und Beobachtung.

Das politisch-ökologische Drama bei dem Flors Wald enteignet wurde, um einem Windpark in einer windlosen Gegend zu bauen, läßt ihn kalt; auch daß Benam eine Baugenehmigung an Flor wegen persönlicher Rache nicht weitergibt, ebenfalls.

Ort der Handlung ist eine Stadt in der österrechischen Provinz, von der wenig spürbar ist. Es wird nur der Supermarkt genannt, und das lokale Zeitungsblatt.
Die Zeitspanne ist von heißem Hochsommer, über Winter, bis es wieder warm ist.
Die Landschaft ist oft von oben aus dem Flugzeug beschrieben und zeigt die Größe von Wald und Landwirtschaft.

Die Sprache und die Beschreibungen haben mich in den Bann gezogen. Die Szenerien sind wie mit einem Aquarellpinsel gezeichnet.
Umso mehr haben mich die nicht-österreichischen Formulierung wie "hoch sehen", "sich auf einen Stuhl setzen" und "schöner Wein" gestört. Hier sollte ein Lektorat die österreichische Sprache nicht für den deutschen Markt zurecht korrigieren, da sie bei dem Autor nicht stimmig ist.

Angenehmerweise ist von vielen erotischen Treffen in dem Roman nur eines eindeutig geschildert, bei den anderen gibt es nur ein kurz davor und kurz danach, und bleibt damit im dem Leser/der Leserin vorstellbaren oder streichbaren Raum.

Auf dem Cover ist die Zeichnung einer schlafenden Katze eines niederländischen Zeichners. Es ist nett, daß eine Katzenabbildung auf dem Cover mit einer Katze im Roman korreliert.

In Summe hat mich dieser Roman fasziniert, seine unbeteiligte Hauptfigur, die Schilderungen der Ausflüge im Flugzeug und der Landschaften. Viel Freude beim Lesen und Genießen !

Reinhard Kaiser-Mühlecker wurden am 10. Dezember 1982 in Kirchdorf an der Krems  geboren und wuchs in Eberstalzell (Traunviertel / Oberösterreich) auf. Er studierte Landwirtschaft, Geschichte und internationale Entwicklung in Wien. 2008 erschien sein erster Roman "Der lange Gang über die Stationen". Der siebente Roman - ein Dorfroman - "Fremde Seele, dunkler Wald" gelangte auf die Shortlist 2016 des deutschen Buchpreises. "Enteignung" ist sein achter Roman.

Sonntag, 24. März 2019

Leonie Swann : "Gray"

Leonie Swann :
"Gray"
Kriminalroman
2017, Hardcover
2019, Goldmann Taschenbuchausgabe
404 Seiten + 3 Seiten Glossar
ISBN 978-3-442-48831-5

Mit Daumenkino ohne Zeichner-Angabe - im rechten unteren Eck der rechten Seite
(Daumenkino: ein Papagei, der an eine Erdnuß in Schale geht oder hinter Grünzeug versteckt - entzückend !)

Ein gescheiter, aristokratischer, gut aussehender Student wird als Opfer des Dachkletterns tot am Uni Campus in Cambridge gefunden. Während alles dies als Unfall abtun, geht Dozent Augustus Huff, den der Graupapagei Gray des Toten als neuen Träger und Versorger erwählt, seinen "Gedankenpfaden" um diesen rationalen, arroganten jungen Mann nach. Seine Mutter, eine bildschöne und beeindruckende Frau und Viscountess, unterstützt ihn; am meisten aber der Papagei der mit seiner Sprachbegabung nicht nur konfuse, sondern auch weiterbringende Dialoge initiiert. Am Schluß ist der Tod des jungen Mannes erklärt, und auch einige andere Situation für "Huff".

Ort der Handlung ist Cambridge mit seinen verschiedenen Colleges und alten Gebäuden, auf denen offenbar traditionell heimlich geklettert wurde. 

Die Menschenansammlung ist sehr interessant : Dozent Augustus Huff plagt sich mit Handwaschzwang und guten sowie bösen Ziffern herum, ist aber ein logischer Mensch, der gut für den Papagei sorgt. Gray ist ein sprachbegabter und auch intuitiver Graupapagei. Der tote Student Elliot war Fassadenkletterer, intellektuell, arrogant, attraktiv, verliebt und charismatisch. Prof. Frederick im Rollstuhl ist ein guter Freund von Huff, Sybil eine wunderschöne Dozentin, sowie einige Studenten und Studentinnen die weiterhelfen. Faszinierend ist die Mutter des Abgestürzten geschildert.

Köstlich unterhaltend sind immer wieder Gespräche bei denen der Papagei von der Schulter aus mehr oder minder passende Kommentare schiebt, und die diversen Stimmen seiner "Trainer" treffendst nach zu machen versteht. Erst langsam erschließt sich aus diesen Kommentaren inkl. Stimmen der Schlüssel zum Abrutschen von Elliot.

Die Geschichte ist aus Sicht von Huff erzählt. Manchmal sind kursiv Kapitel des Mörders zu lesen.

Ich mußte beim Lesen jedenfalls öfters laut auflachen, und oft bei situationskomischem Geschehen schmunzeln.

Viel Spaß beim Lesen !

Leonie Swann ist ein Pseudonym. Die Autorin wurde 1975 in Dachau bei München geboren. Sie studierte Philosophoe, Psychologie und englische Literaturwissenschaft in München. Ihr erster Roman "Glennkill" erschien 2005. 2010 erschien der Nachfolger der kriminalistischen Schafe mit "Garou". 

Montag, 18. März 2019

Gudrun Lerchbaum : "Wo Rauch ist"

Gudrun Lerchbaum :
"Wo Rauch ist"
2018, Argument Verlag, Ariadne 1233
276  Seiten + 2 Seiten Anmerkungen und Dank
ISBN 978-3-86754-233-3

Olga, die an Multiple Sklerose erkrankt ist, versucht mithilfe des Trauerredners Adrian und der etwas verrückten Kiki, die nach einem Mord aus dem Gefängnis entlassen wurde, den Tod ihres Exmannes Can zu erklären. Can war ein charismatischer und investigativer Journalist gewesen, der sein Heimatland Türkei zwar geliebt hat, aber keine extremen und diktatorischen oder gar freiheitseinschränkenden Ideologien unterstützte, im Gegenteil diese medial anprangerte. Die Suche nach Unterlagen führt zum Laptop und einem charismatischen Friseur, unangenehmen Besuch durch einen kampferprobten Mann, Kontakt mit der Wiener Polizei und Cans Familie. Am Schluß wird Cans Tod durch die tatkräftige Unterstützung von Cans Familie aufgeklärt.

Die Geschichte wird aus drei Blickwinkeln und Persönlichkeiten geschildert : Olga, Kiki und Adrian.
Olga muß neben ihrem Mißtrauen gegenüber vielen Menschen und etablierten Strukturen, auch mit ihrem Körper der immer weniger da macht was sie will, auseinander setzten; ihren Verstand betrifft die Krankheit nicht, allerdings ist sie nicht bereit weniger bissig mit ihrem Umfeld umzugehen.
Adrian, der als Grabredner die richtigen Sätze drechselt und Verwandte mit Mitgefühl begleiten kann, läßt sich wiederwillig in die Recherchearbeiten ziehen und entdeckt, daß ihm die üppige ermittelnde Polizistin gefällt.
Kiki wird als Assistenz von Olga engagiert, und macht bei ihren Versuchen zu helfen, ziemliche Fehler und Selbstüberschätzungen. Mich persönlich hat die Figur ziemlich genervt.

Die türkischen politischen Hintergründe und Seilschaften sind frei erfunden, bleiben aber trotzdem ungut in Erinnerung. Die Konstruktionen von militärischen Organisationen mit kampflustigen Gesellen, sowie engstirnige Frauengemeinschaften und der unfreundliche Auftritt der Staatsgewalt machen beim Lesen Angst.

Die Menschen sind unterschiedlich engagiert, charmant, intelligent, organisationstreu oder flexibel im Denken geschildert. Es kommt viele wirklich gut weg, da jeder meint daß nur seine Gesinnung und Toleranz-Intoleranz richtig sei. Einzig Adrian versucht einen Weg zu gehen, um Menschen nicht nur vor den Kopf zu stossen oder anderen seine Ansichten aufzudrücken.

Beim Lesen bekam ich wieder einmal Respekt vor der Arbeit als Assistenz für körperlich behinderte Menschen. Wie diese einerseits nur Hände oder Füße sein sollen, ohne zu denken, andererseits aber die körperlichen Probleme bereits vorweg denken sollen, imponiert mir.

In Summe ein spannender Kriminalroman.

Gudrun Lerchbaum wurde als Gudrun Hepperle am 13. April 1965 in wien geboren. Sie lebte als Kind in Wien, Paris und Düsseldorf. In Wien studierte sie an der Technischen Universität Architektur und konzepierte Textilkunst. 2015 erschien ihr erster Roman "Die Venezianerin und der Baumeister".

Sonntag, 10. März 2019

Werner Baumüller : "Veltliner-Rausch"

Werner Baumüller :
"Veltliner-Rausch"
Kriminalroman
2018, emons verlag GmbH
217 Seiten
ISBN 978-3-7408-9

Pfarrersschwester und Hobby-kriminologin Hemma ist zwei verschiedenen Tätern auf der Spur. Vier Viehbauernhöfe gehen in Flammen auf, einer davon wird verdächtigt, während parallel ältere Frauen plötzlich obszön reden und vier Wochen später sterben. Der Pfarrer ist keine Hilfe in diesem sympathischen Weindorf, nur der Langzeitverehrer und Polizist Huber. Am Schluß gibt es ziemlich unerwartete Lösungen der beiden Fällen, die nochdazu verquiqut sind.

Hemma ist ein wunderbare Köchin, Organistin und an Mitmenschen interessierte Persönlichkeit. Ihr Bruder Pepperl ist da abgehobener, liebt die lateinische Messe und feilt an Predigten; ab und zu blitzt Humor auf. Hubert ist ein freundlicher Polizist der etwas länger braucht um in Fahrt zu kommen; er und Hemma treffen sich einmal pro Woche gemütlich zum Essen. Gerlinde ist eine gute Freundin von Hemma. Die "narrische Nani" ist als gottesfürchtige Frau bekannt, die sich liebevoll um kranke Menschen kümmert. Es gibt den älteren Gemeindearzt, und einen jüngeren der im Nachbarort im Krankenhaus arbeitet.

Ort des Krimis ist ein Weinort mit Kirche, und Polizei und vielen Bauernhöfen. Es gibt auch einen Versicherungsmakler, und einen reisenden Makler. Feste werden zur Taufe, zum ersten Mai, und zu Pfingsten gefeiert.

Die Geschichte ist humorvoll erzählt und folgt Hemmas Taten und Gedanken.

Mitraten wer der oder die Täter ist oder sind, ist möglich, aber nicht ganz einfach. Spannender ist es Hemmas Windungen und Temperament zu folgen. Viel Spaß beim Lesen !

Werner Baumüller wurde am 20. Dezember 1956 in Kollerschlag / Oberösterreich geboren. Er arbeitete als Werbetexter in Wien und Düsseldorf. 1985 gründete er mit seinen Brüdern die Werkstatt Kollerschlag als Basis für Kunstprojekte. ist Kunstmanager und Buchautor. 2005 erschien "Die Essigmutter", und 2017 "Veltiner-Leich".

Donnerstag, 7. März 2019

Ash (Austrian Superheroes) : #1 "Wiener Blut"

Ash (Austrian Superheroes) :
#1 "Wiener Blut" - "Erster Einsatz für Captain Austria Jr, Lady Heumarkt, Donauweibchen und Der Bürokrat" + Lady Heumarkt "Schatten der Vergangenheit"
2016, Contentkaufmann Verlag, 2. Auflage
32 Seiten
ISBN 978-3-950402735

Frauen, die am Handy telephonieren, werden in Wien attackiert: ein wunderschöner Basilisk ist als Attentäter gezeichnet. Vier Menschen mit Superkäften : 'Captain Austria jr'  - eigentlich Student Kurt Koller, 'Donauweibchen' - eigentlich Diana, 'Lady Heumarkt' - eigentlich Irene - und 'Der Bürokrat' - eigentlich ein Hofrat und Professor - machen sich daran den Basilisken zu jagen und merken, daß ihre Kräfte zu klein sind.
Im "Schatten der Vergangenheit" wird erzählt, daß die jetztige "Lady Heumarkt" ein normales, etwas schüchternes Mädchen gewesen war, das Erdbeeren nach aus der Kontrolle geratene Genversuchen gegessen hatte, worauf sich Kraft und Aussehen änderten.

Erst in #4 wird übrigens der Fall gelöst, als das Leben des Basilisks mit Hilfe des Wiener Rathausmannes, der extra für diesen Fall vom Rathaus hupft, aufgelöst wird.

In dem Comic werden nette feine Kleinigkeiten gezeichnet und im Text gesetzt. Der Hinweis auf den Wolpertinger bringt zum Auflachen, und der EKH-fluch des Basilisken amüsiert.

Ort ist eindeutig Wien, was spaß macht sich die Details der Zeichnungen anzusehen. Manche Touristen werden auf die Schaufel genommen. Bei der Polizei wird auch Humor eingesetzt.

Zeichnerisch gefällt mir der Basilisk am besten. Auch das Donauweibchen finde sehr schön und humorvoll gezeichnet.

Mittlerweile gibt es #17 mit den Austrian Superheroes.
Viel Spaß beim Lesen, beim Zeichnungen genießen !

Creative Direktor : Thomas Aigelsreiter * 1972, Absolvent der Meisterklasse Graphik-Design
Chef-Illustrator : Andi Paar * 1986, Kolleg Graphik Design
Autor : Harald Havas *1964, journalist, Autor, Übersetzer
Illustration "Wiener Blut" : Frans Stummer * 1966, Absolvent der Akademie des graphischen Gewerbes
Illustration "Lady Heumarkt" : Lenny Grosskopf, Comic-Klasse Kunstschule Wien
Illustration "Lady Heumarkt" : Verena Loisel * 1993, Comic-Klasse Kunstschule Wien