Montag, 17. Juli 2017

Hernán Rivera Letelier : "Der Traumkicker"

Hernán Rivera Letelier :
"Der Traumkicker"
Roman
original "El fantasista"
2006, Chilena de Ediciones, Santiago de Chile
Aus dem Spanischen von Svenja Becker
2013, Insel Verlag
200 Seiten
ISBN 978-3-458-35932-6

Ich hatte von dem Autor das entzückende Buch "Die Filmerzählerin" gelesen, das mich wegen seines Zaubers mitten in Kargheit fasziniert hat.
Bei dem "Kicker" ist kein Zauber zu spüren sondern das knochentrockene Leben der Menschen um den Salpeterabbau vermischt mit viel Essen, viel Trinken, viel Sex und noch mehr über Sex reden und noch mehr Gespräche über Fußball.

In der Rivalität zur Nachbargemeinde wird um Frauen und Fußball rivalisiert, wobei die Karten ungleich verteilt sind, da die Nachbargemeinde mehr Geld für gute Fußballer zur Verfügung hat. Als sich ein Mann der mit einen Fußball Tricks spielt in den Ort verirrt, hoffe alle auf einen legendären Sieg - vor allem da der Siedlung der komplette Abriß wegen Baustellenschließung bevorsteht. Parallel zu den Vorbereitungen auf das letzte Spiel gibt es zwei Liebesgeschichten, viele erotische Ausflüge, und das Begleiten der verschiedenen Charaktere in der Siedlung. Am Ende steht ein spannendes Fußballmatch und die Destruktion der Siedlung.

Die Story zieht sich manchmal etwas, aber die Menschen in dem Roman / in der Siedlung sind ein ziemliches Panoptikum.
Expedito González : der Mann der stehend mit einem Fußball fasziniert - und seine rothaarige grünäugige Freundin die aus dem Unterhaltungsgewerbe stammt.
Cachimoco Farfán : mit Mikrophon, originellen Fußballmatch-Beschreibungen und dem Tick diese mit medizinischem Fachjargon zu ergänzen; Tuny Robledo - der endlich seine Angst vor dem Elfmeter schießen vergißt; Siedlungscasanova Choche Marivilla; bis zu sieben Menschen die unter einem Dach leben und die sieben Todsünden verkörpern
Leider ist kein Verständnis für den Tormann in dem Buch zu lesen - es geht nur um Angriff und Prügeleien.

Ort der Handlung ist eine Siedlung mit Laden, Kino, Gasthaus, vier Elektrikern und einem rachegeifernden Priester in der trockenen Atacamawüste bei den Salpetersiedlungen. Es wird beschrieben wie trocken die Gegend ist, wie sich eine Windhose gemütlich ausbreitet und ein seltener Wolkenbruch.
Zeit dürfte einige nach dem Putsch von Augusto Pinochet 1973 sein, der aber nur kurz gestreift wird. Als fußballgeschichtlicher Hintergrund wird auch ein Flugzeugabsturz in den Anden erzählt, der am 3. April 1961 gewesen sein dürfte und der Fußballclub 'Green Cross' wird bewundernd genannt.

Die Geschichte aus einer Wir- bzw. Ich-Sicht geschrieben, wobei nie ganz klar ist wer der Ich /die wir sind außer Einwohner der Siedlung.

Die Geschichte ist etwas deftig ge- und beschrieben als Sex, Trinken, Essen, und medizinische Einläufe oft und genau geschildert werden. Liebhaber, Seitensprünge, Hodengrößen und Huren werden moralfrei erzählt. Das Buch ist nichts für Feinde von Fußball. Allen anderen viel Zeit und Spaß beim Lesen !

Hernán Rivera Letelier wurde am 11. Juli 1950 in Talca (Anm : Mitte von Chile südlich von Santiago de Chile) geboren. Er lebte als Kind und Jugendlicher im Norden Chiles bei den Salpeterbaustellen, auch nach dem Tod seiner Eltern. Einige Zeit reiste er durch die Nachbarländer bis er bei den Salpeterminen zu arbeiten begann, und nebenbei die Matura nachmachte. 1987 veröffentlichte er die ersten Gedichte, 1990 die ersten Kurzgeschichten und mit "La reina Isabel cantaba rancheras" erschien 1994 der erste Roman. Jetzt lebt er mit seiner Familie in Antofagasta.

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