Dienstag, 25. August 2015

Lucía Puenzo : 'Wakolda"

Lucía Puenzo :
'Wakolda"
original " Wakolda"
2011, Emecé, Buenos Aires
aus dem argentinischen Spanisch von Rike Bolte
2012 Verlag Klaus Wagenbach, Berlin
200 Seiten
ISBN 978 3 8031 2715 0

In diesem dichten Roman wird die Geschichte eines jungen Mädchens erzählt, das etwas klein geraten ist, und in der argentinischen Pampa einem Arzt begegnet, der ihr Wachstum verspricht, und der geflohene Dr. Mengele ist.

Lilith und ihre Familie fahren ins argentinische Patagonien, um dort die Pension von Liliths Großmutter wiederzueröffnen. Auf einem Parkplatz kommt das Mädchen mit einem Mann ins Gespräch, der sich ihnen anschließt. Dieser Mann ist der erste Gast der Pension, und erwirbt das Vertrauen von Lilith und der Familie. Er investiert in das Puppenhobby von Enzo und interessiert sich für die Zwillingsschwangerschaft von Eva. Dank seines Tuns kommen die Zwillinge gut auf die Welt, und auch Eva überlebt. Er hilft mit Präparaten daß Lilith wächst und beide Zwillinge überleben. Die Präparate sind in den Konzentrationslagern zu Versuchen an Menschen entwickelt worden. Der israelische Geheimdienst ist den alten Hauptverbrechern aus den Konzentrationslagern - auch ihm - auf der Spur, und der Gast verschwindet im Schnee.

Die Figuren der jungen charmanten aufgeweckten aber kleinwüchsigen Lilith und der kühle besessene gewissensfreie Arzt sind eindrücklich geschildert. Lilith fragt direkt, schnüffelt im Zimmer des Arztes und entdeckt dort alte Nazi-Insignien, hält aber den Mund, weil sie der für sie charismatische Arzt fasziniert. Jose/Joseph reizt der Stammbaum der Familie mit schönen und unschönen Menschen und der Zwillingsbauch der Mutter; er hatte sich immer für Zwillingsgeburten und das Machbare bei den Frühgeburten interessiert. Auch mit Wachstum hat er experimentiert. Die Tragbarkeit der Folgen waren für ihn kein Thema, nur die Machbarkeit. Mitgefühl hat er keines; so wie diese Figur wenig Gefühle hat und nur auf Touren kommt wenn es um Versuche am Menschen geht. Die Flucht über Italien nach Argentinien, und daß sein Sohn ihn "Onkel Fritz" nennt, wird auch erzählt.

Vater Enzo hatte Lilith eine Puppe - Herlitzka -, mit weißer Porzellanhaut und sehr fein gemacht; diese tauscht sie als sie bei eine Nacht wegen Wolkenbruchs bei den Mapuche verbringen gegen eine hölzern und stofflich gemachte Puppe -Walkolda - ein. Die Puppen die Jose/Joseph herstellen läßt sind blonde blau-äugige weißhäutige Figuren, die für Exil-Nazis von Bedeutung sind.

Kurz wird das Nebenthema der Mapuche und Tehuelce in Argentinien angesprochen. Auch hier hatte es Konzentrationslager gegeben und Ausrottung von Kulturen. Einige wenige haben überlebt.
Eine weitere Nebenfigur ist Nora, die eines der Versuchskinder im Konzentrationslager gewesen war, und nur auf der Suche nach Menschen ist, die ihr das angetan haben. Sie bleibt im Schnee zurück.

Ort des Geschehens ist die Fahrt nach Bariloche, das Leben dort und der See Nahuel Huapi. Eine deutsche Schule hat es dort bereits vor dem zweiten Weltkrieg gegeben, weshalb dann die deutsch sprechenden Menschen, die nach dem zweiten Weltkrieg kamen nicht weiter auffielen.

Der Roman ist dicht, gut vorstellbar und faszinierend geschrieben/übersetzt. Die Figur der Lilith die dem Arzt alles glaubt, manches in Frage stellt, aber für einiges akzeptiert geht unter die Haut. Die Stellen in denen die neugeborenen Zwillinge unterschiedlich behandelt werden, machen mir Schauder.

In Summe in grandioses Buch, das jedem/r zu empfehlen ist der/die einen guten Roman lesen möchte, auch für Menschen die sich nicht für die Nachbetrachtung der Nazi-zeit interessieren mögen.

Lucía Puenzo wurde am 28. November 1976 in Buenos Aires geboren. Ihr Vater ist Filmdirektor Luis Puenzo - sie ist Autorin und Regisseurin. Ihr Debüt als Drehbuchautorin gab sie 2001 mit dem Dokumentarfilm (H) Historias cotidianas. Anschließend war sie vor allem für das Fernsehen tätig und verfasste Drehbücher für verschiedene Fernsehserien, wie etwa Final Minute. 2004 erschien ihr erster Roman "El niño pez", das erst 2009 auf deutsch "Das Fischkinder" schien. Im Jahre 2007 gab sie ihr Debüt als Regisseurin mit dem Filmdrama "XXY" , in dem es um Intersexualität geht. Für diesen wurde sie unter anderem 2008 mit dem  'Goya' in der Kategorie Bester ausländischer Film in spanischer Sprache ausgezeichnet. Sowohl "Das Fischkind" als auch "Wakolda" wurde verfilmt.

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