Samstag, 29. Oktober 2011

Martin Suter : "Die dunkle Seite des Mondes"

Martin Suter :
"Die dunkle Seite des Mondes"
2000, Diogenes Verlag AG Zürich
Coverbild Ernst Ludwig Kirchner
310 Seiten
ISBN 3-257-06231-1

Nachdem mir drei komplett unterschiedliche Menschen von den Romanen Martin Suters vorgeschwärmt haben, griff ich zu diesem Roman.

Der Wirtschaftsjurist Urs Blank ist einer der Spitzenleute im Fach für Verhandlungen von Fusionen und Teilhaber einer renommierten Kanzlei.
Er verliebt sich in eine junge etwas esoterische Frau und geht mit ihr in einer Gruppe auf einen Pilztrip. Er greift zu einem seltenen kleinen Pilz und erlebt die eigenartigsten Visionen.
Nachher merkt er wie sehr ihn vieles kühl bis kalt läßt und er kaum mehr Gewissen, Verantwortung oder Benehmen hat. Seine Ehe kippt endgültig, er läßt wichtige Gesprächspartner mitten im Gespräch sitzen und geht einfach in den Wald.
Der Wald wird sein Fixpunkt. Er kauft sich Überlebenswerkzeug, liest Überlebensbücher und steigt stundenlang, dann tagelang und letztendlich wochenlang durch den Wald auf der Suche nach genau diesem kleinen Pilz, der ihn damals auf den Trip gebracht hatte.
Leider hat er sich einen mächtigen eigensinnigen Wirtschaftsmann zum Feind gemacht, der ihn aufspürt und ihn eins mit dem Wald werden läßt.

Das Erleben des Waldes und wie Urs Blank in dem Walk überlebt, Fischreussen baut, Kaninchen überwältigt, Brot aus simplen Zutaten macht, sind faszinierend.
Die Gegenwelt bildet die Wirtschaft mit mächtigen Firmen, wichtigen Kanzleien, geheimen Dokumenten, Fallstricken in Klauseln bis zu Entscheidungen wer wofür zur Rechenschaft gezogen wird, und wer überlebt/überleben darf.
Als Bezugspersonen von Urs Blank waren nur seine Frau, seine Freundin und sein langjähriger Freund, der dann Psychiater wichtig. Sie verlieren an Relevanz - am Schluß zählt nur das Finden des kleinen Schwammerls.

Das Buch hat mich in seinen Bann gezogen und ich habe es fast in einem Rutsch durchgelesen. Ich kann es jedem empfehlen der sich gerne in eine Waldwelt hineinziehen lassen möchte.

Mittwoch, 26. Oktober 2011

Liaty Pisani : "Stille Elite"

Liaty Pisani :
"Stille Elite"
- "Der Spion und der Rockstar"
original "La spia e la rockstar (le vele nere)"
2004, Fazi Editori
aus dem Italienischen von Ulrich Hartmann
2004, Diogenes Verlag AG Zürich
368 Seiten
ISBN 3-257-06455-1

Ogden und Stuart werden zu Hilfe gerufen mithilfe ihres (Spionage)-Dienstes die Lanze des Longinus wiederzubeschaffen. Diese Lanze soll mächtige Männer der Weltgeschichte Kraft verliehen haben, und derzeit streiten zwei Seiten einer sich Elite nennenden Gesellschaft um deren Besitz. Beide Seiten dieser machtbesessenen und esoterischen Gemeinschaft haben das gleiche Ziel - Weltherrschaft über diejenigen Menschen, die nicht deren eigenartigen dynastischen Vorstellungen entsprechen, und diese zu versklaven - aber die Mittel sind unterschiedlich, und die Bereitschaft sinnlos viele Menschenleben dabei zu vergießen. Ausgehend von Italien vereitelt Ogden in letzter Minute einen Giftanschlag in den USA.

Parallel wird die Verwicklung eines Rockstars in die Geschichte erzählt: sein Leben ist geschützt, da seine Herkunft offenbar tadellos ist, aber seine Lieder sind es nach Ansicht dieser Elite nicht. Außerdem wird seine Liebe zu den Menschen und sein Einfühlungsvermögen als Schwäche gewertet.

Beängstigend gut wird in dem Roman mit Verschwörungstheorien gespielt, mit Ideen daß auch die Mächtigen der Welt nur Marionetten sind. Sämtliche Gesetze die dem Schutz der Menschen dienen sollten werden unter dem Schutzmantel der Terrorismusbekämpfung zur Kontrolle derer umgemünzt.
Der Einsatz von tödlichen Mikroorganismen (weil weder Aids noch die Hühnergrippe ihren gewünschten Effekt hatten) wird gedanklich ohne Rücksicht odre Verantwortung durchgespielt.
Lenkbare Menschen werden kompromißlos Hirnwäsche unterzogen, zu multiplen Persönlichkeiten geformt und am Schluß durch einen Mikrochip, der fremd ausgelöst wurde, ferngesteuert.

Das Buch ist gut geschrieben und rasch lesbar. Die Geschichte bleibt spannend, weil jede Menge gewissenloser Menschen dort ihr Spiel treiben, und die Frage bis zum Schluß bleibt ob die Guten oder die Bösen siegen.

Freitag, 21. Oktober 2011

Matti Rönka: "Bruderland"

Matti Rönka :
"Bruderland"
- Kriminalroman
original "hyvä veli, paha veli"
2003 Gummerus Kustannus Oy, Helsinki
aus dem Finnischen von Gabriele Schrey-Vasara
Deutsche Erstausgabe, 2008, Grafit Verlag GmbH, Dortmund
217 Seiten
ISBN 978-3-89425-656-2

Viktor Kärppä lebt in Helsinki und organisiert Arbeiter für Baustellen. Zmindest ist das der offizielle Job. Früher hat er für die russische und die finnische Schimannschaft Dopingmittel und andere Drogen besorgt. Durch seinen Vater kann er russisch, durch die Familie seiner Mutter finnisch. Diese Sprachkenntnisse setzte er bei auch bei Übersetzungen für Arbeitsvermittlungen ein.

Der Polizist Korhonen, der christliche Zitate von sich gibt und leise christliche Lieder vor sich hinsummt, ist auf ihn angesetzt, da neues Heroin bereits einige Menschenleben gefordert hat. Viktor muß die Lieferanten finden, denn es glaubt ihm niemand, daß er nichts mehr mit Drogen zu tun hat.
Viktors Bruder Aleksej, kommt von Rußland nach Finnland und bereitet - da er bereits mit Drogen zu tun hatte - noch mehr Sorgen.
Freundin Marja ist zur Zeit in den USA und e-mails erzählen von gegenseitiger Sehnsucht - was Viktor nicht von Flirts oder mehr abhält.

Die Umgebung sind Baustellen, Lagerhallen, Polizeidienststellen, Fahrt nach Rußland und retour, Wohnungen mit mühsam erworbenen Habseligkeiten. Es gibt einige Machtorganisationen (Polizei, Mafia mit Schmuggel von Drogen, Porno-Dvds bis Baumaterial).

Spannend für mich war das Wort 'Rückwanderer' mit dem die Menschen bezeichnet werden, die Finnen waren, aus Karelien in die Sowjetunion abgezogen worden waren, und nun zurückkommen. Es gibt nicht nur Sprachschwierigkeiten,  Rückwanderer und Menschen deren Eltern aus beiden Kulturen (russisch und finnisch) kommen, bekommen mehr als nur dumme Kommentare ab.

Die Menschen sind eher vierschrötig geschildert, als Menschen die anpacken, aber moralisch-ethische Standpunkte wegen Überlebens beiseite lassen (müssen).
Ein kleines Happy End gibt es da Viktor das Haus in dem er bisher gewohnt hat, erwirbt und viele Freunde ihm bei der Sanierung helfen.

Das Buch ist gut, aber es bleibt etwas kühl in seinen Schilderungen, was vielleicht am Temperament im Norden Europas liegen mag.

Dienstag, 11. Oktober 2011

Anne Cuneo : "Herz aus Eisen"

Anne Cuneo:
"Herz aus Eisen"
- der erste Fall der Marie Machiavelli
original "Ame de bronze"
1998, Bernard Campiche Editeur, Orbe
aus dem Französischen von Peter Sidler
2000, Limmat Verlag, Zürich
231 Seiten
2 Seiten Nachwort
ISBN 3-85791-340-1

In der Detektivgeschichte geht es um Marie Machiavelli, die in Lausanne ihr Büro hat.

Einerseits geht es um einen arroganten Engländer, der sie beauftragt Geld einzutreiben - was sie erledigt.
Dann geht es um eine Politkergattin, die ein gestohlenes Paket wieder haben möchte - was nicht gelingt.
Große Sorgen bereiten ihr, daß ihre beste Freundin vergewaltigt worden war.
Nebenbei versucht sie ihr Gewissen rein zu halten und recherchiert wiederholt bei der Geldeintreibesache des arroganten Engländers nach. Als dieser in Bern ermordet aufgefunden wird, kommt bei Recherchen heraus wie unbeliebt er gewesen war, da er sich den Kick im Leben durch erpresserische Spielchen geholt hat (Geld hatte er genug).
Am Schluß führen fast alle Handlungsstränge zu diesem unsympathischen ermordeten Zeitgenossen, und auch die Vergewaltigung wird hoffentlich leichter verarbeitbar. Ob er ein Herz aus Eisen (deutsche Übersetzung) oder Bronze (französisches Original) hatte, ist nur noch Geschmackssache.

Das Buch ist nett geschrieben, die Menschen skizziert, sodaß mir manchmal die Tiefe fehlt, aber die Spannung hält. Auch wenn viele verschiedene Fäden verkreuzt sind, sind mir die Linien doch klar geblieben. Irritierend war für mich der Umgang mit Zeit, da mir hier einiges im Ablauf nicht wirklich klar war.

Die Hauptfigur gefällt mir gut mit ihrem Spiel mit dem berühmten Namen, den sie wirklich von dem berühmten Mann hat, und dem Eingehen auf zweisprachiges Aufwachsen und die Schwierigkeiten in zwei Sprachen (italienisch und französisch) zu denken, das autobiographisch ist.

Die Nebenfiguren sind zahlreich aber signifikant geschildert : der gut kochende Journalisten-Freund, der Anwalt der auch Schauspieler ist, der englische Detektiv im Rollstuhl, die Freundin und Lehrerkollegin der Freundin, der schweizerische hartnäckige Polizist, die Onkels des Engländers bis zur geschiedenen zarten Ex-Frau des Engländers und ihrer Großmutter.

Das Buch kann ich empfehlen - ob ich die Folgebücher (es gibt 2) lesen möchte, oder doch lieber etwas ganz anderes,  muß ich netterweise nicht gleich entscheiden.

Donnerstag, 6. Oktober 2011

Doris Gercke : "Die Frau vom Meer"

Doris Gercke :
"Die Frau vom Meer"
- Ein Bella Block Roman
2000, Hoffmann und Campe
Umschlagbild: von Gabriele Münter (1917)
248 Seiten
1 Seite Quellenangaben der Gedichte und der Vineta-Sage
ISBN 3-455-02295-2

Bella Block kommt nach 3 Jahren in Rußland - Odessa - Sibirien wieder heim nach Hamburg, und wird ersucht eine angeklagte Frau, die eisern schweigt, zu beobachten um herauszubekommen ob sie ihre drei Kinder ermordet hat oder nicht. Ein ehemaliger Freund in der Polizei ersucht sie darum.
Die Richterin, die Staatsanwältin und der Verteidiger arbeiten sich durch Indizien, befragen den Exmann (nicht die neue junge reiche Freundin), den Kurzzeit-liebhaber und sprechen am Schluß Lara G. frei.

Das Buch begleitet Bella Blocks Weg durch die Stadt, das Gericht, ihre Beobachtungen der Menschen, ihre Besuche in eleganten Lokalen und dürftigen Beisln.
Neutral wird der Geifer des Publikums, böser die Stimmungsmache der Medien durch die Journalisten betrachtet und kommentiert. (dabei spielt das Buch 1999-2000; wie würde der Text 10 Jahre später im Internetzeitalter aussehen?)
Parallel liest sie ein Buch mit Lyrik, das der Angeklagten gehört.

Gedankenfetzten, die kursiv gesetzt sind, beschreiben die Sage um Vineta (offenbar ein anderes nordisches Atlantis ?) und eine Stadt der Frauen, die um zu überleben und die Kinder zu ernähren entweder der Prostitution nachgehen oder LKW fahrer ausrauben.

Das Buch hat mich berührt - ich möchte es gerne nochmals lesen, und kann es Lesern die sich auch auf langsameres Tempo einstellen wollen nur empfehlen.