Freitag, 28. Dezember 2018

Nona Fernándenz : "Die Toten im trüben Wasser des Mapocho"

Nona Fernándenz :
"Die Toten im trüben Wasser des Mapocho"
Roman
original "Mapocho"
2003
Aus dem chilenischen Spanisch von Anna Gentz
2012, Septime Verlag Wien
254 Seiten + 2 Seiten Anmerkungen der Übersetzerin
ISBN 978-3-902711-09-0

Rucia sucht nach dem Unfalltod ihrer Mutter in Europa zurück in Santiago de Chile nach ihrem Bruder Indio. Der Vater war vor vielen Jahren festgenommen worden - er lebt als Schriftsteller für die Regierung und schreibt die Geschichte um bzw betont manche gewünschte Aspekte mehr und andere dafür weniger. Mutter und Kinder waren nach des Vaters Abholung durch das Militär aus dem Land verschwunden; sie weiß im Gegensatz zu ihren Kindern daß der Vater lebt und Schecks für das Überleben schickt.
Bei ihren Wanderungen durch ihr ehemals bekannte Viertel Santiagos schieben sich ihre Gegenwart, ihre Erinnerungen und Erinnerungen (und Schmerzen) des Viertel übereinander. Dazu kommen Erinnerungen an die - verbotene sexuelle - Annäherung zwischen ihrem Bruder und ihr, die die Mutter zu verhindern suchte. Die Selbstverstümmelung des Bruders an Händen und Augen hindern ihn nicht daran weiterhin zu malen, und auch zu sehen.
Am Schluß fällt viel wie ein Kartenhaus zusammen.

Der Roman hat vier Teile, es für mich emotional nicht logischer wird, aber einige Puzzleteile verzahnen sich etwas.

Der Roman ist faszinierend in dem Liebe, Familie, Gesellschaft, Brutalität, Flucht, Aggression, Selbstaggression, Schmerz, Vernichtung, chilenische Geschichte der Indigenios, namenloses Militär, Besuch des Teufels in Chile, durcheinander gemischt werden.

Unter die Haut gehen die Liebe von Indio zu Rucia, bzw ihrem Bauchnabel. Die vorhandenen Erotikschilderungen sind sinnlich-saftig.
Unter die Haut gehen auch die Stellen mit Grausamkeiten des Militärs an den Menschen die in einem Stadion eingeschlossen sind, das später - mit den Menschen - in Flammen aufgeht.

Die zwei kreativen Gestalten im Buch scheitern : Der Vater - Fausto - der als Instrument der Diktatur die Landesgeschichte fälscht, und nicht mehr zu seinen eigenen Geschichten für Kinder oder seinem Roman kommt. Indio der offenbar grandios malt und darstellt, aber weder in Europa, noch zurück in Chile anerkannt wird, und dessen Werk komplett zerbröselt.
Rucia versucht zu kitten und scheitert ebenso.

In Summe ein sehr faszinierender Roman, für den ich auf Grund seiner Dichte länger gebracht habe, um ihn zu lesen. Viel Freude bei diesen gedanklichen Ausflügen !

Nona Fernándenz wurde 1971 in Santiago de Chile geboren. Sie ist Schauspielerin, Drehbuchautorin und freischaffende Schriftstellerin.

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