"Nachkommen"
Roman
2014, S. Fischer Verlag GmbH Frankfurt
328 Seiten
ISBN 978-3-10-074445-6
Die junge große gutaussehende Nelia Fehn hat ein Buch geschrieben. Am ersten Tag der Frankfurter Buchmesse wird in Großvater in Österreich begraben, bevor sie nach Frankfurt abfliegt. Bei der Buchmesse gewinnt sie den begehrten Buchpreis leider nicht - sie hätte das Geld für die Operation ihres griechischen Freundes gebraucht. Sie lernt ihren biologischen Vater kennen, wird am Verlagsmarkt präsentiert, absolviert zwei Interviews und merkt wie wenig sie in das Bücherbusiness hineinpaßt. Erschwerend kommt dazu, daß ihre Mutter mit dem Literaturbetrieb gut umgehen konnte, und etabliert war; sie wird immer mit ihrer Mutter, die gestorben war als Nelia 16 war, verglichen.
Der
Roman ist aus Sicht der jungen Frau / der Autorin geschildert. Ihre Handlungen
und Gedanken und Eindrücke werden beschrieben. Bei ihren Gedanken handelt es
sich oft um nicht um ganze Gedankengänge, sondern oft um Gedankenfetzten,
einzelne Worte, Assoziationen. Manches dreht sich im Kreis und droht sich tot
zu laufen, manche Gedankenstränge machen sich quasi selbstständig und es
entstehen teilweise skurrile Ideen und Wortschöpfungen.
Es
geht unter die Haut wenn sie beschreibt, daß sie als spät gekommenes Kind ihrer
Mutter von fast allen ihrer Familie abgelehnt wurde. Nur eine Freundin und
deren Freund in Griechenland schaffen es nach der Mutter Tod eine Art Heimat zu
geben. Nur der Großvater war für sie eine positive Gestalt innerhalb der
Familie, der sie in ihrer offenbar Andersheit akzeptiert hat. (Das anders sein
waren die illegitime Geburt und daß sie ihrem Vater ähnlich sieht).Das Thema Banken und Griechenland wird durch die Bankenhochbauten in Frankfurt – es werden keine Menschen geschildert – und ihren Freund Marios an dessen Existenz die Bankenentscheidungen gehen geschildert.
Skurril
lesen sich Beobachtungen wie über den elektronischen Kartenschlitz im Hotel für
eine Nacht, die senffarbene Wand in der Hotelabsteige für die Folgenächte, die vielen
schwarzen Suvs und das Fehlen roter Autos auf den Straßen.
Die Beschreibungen der Buchmesse von Autorenseite war faszinierend : das Warten auf den Preisverleih, die Machtspiele der Autoren/innen untereinander, wie sich Verlagsvertreter untereinander benehmen, das unterschiedliche Benehmen von Literaturjournalisten/innen. Dazu werden Generationenkonflikt und Genderthematik gemischt, daß es teilweise beim Lesen weh tat.
Liebe ist leider fern. Denn zwischen ihrem Vater aus dem Bildungsbürgertum Frankfurts und ihr, die ihn erst spät und jetzt kennen lernt, sind keine Brücken möglich. Seine aktuelle Freundin ist so junge, wie sie - seine Tochter. Liebe sind nur in den sms-s mit Marios in Griechenland spürbar.
Spannend ist das Ringen der fiktiven Autorin um Qualitätsbegriffe im Buchbetrieb, wenn sie ihr Buch nicht nur Buch, sondern Roman genannt haben möchte. Und daß sie bewußtes Definieren von Literatur und Belletristik wünscht.
Den zerfransten Schreibstil muß man mögen. Mich hat er in den Bann gezogen. Viel Freude beim Lesen !
Marlene Streeruwitz wurde 28. Juni 1950 in Baden (Niederösterreich) geboren. Sie studierte Slawistik und Kunstgeschichte in Wien. 1992 wurde ihr erstes theaterstück aufgeführt. Ihr erster Roman "Verführungen. 3. Folge. Frauenjahre" erschien 1996. Mittlerweile ist sie vielfach ausgezeichnet.