Nagib Machfus :
"Miramar"
Roman
original "Miramar"
1967
Aus dem Arabischen von Wiebke Walther
1989/2012, Unionsverlag
225 Seiten + 6 Seiten Worterklärungen
ISBN 978-3-293-20591-8
Die Geschichte findet in Alexandria statt, und wird aus mehreren Perspektiven erzählt, wobei in die Historie Ägyptens bis vor den Machtwechsel der Wafd-Partei gegriffen wird. In der Pension der griechisch-gebürtigen Madame Mariana wohnen mehrere Männer unterschiedlichen Alters, die die junge Fellachin Zuchra unterschiedlich betrachten und behandeln. Zuchra ist aus einem Dorf ausgerissen und versucht sich in der Stadt ein selbstbestimmtes Leben aufzubauen, was in den 60-ern des 20. Jahrhunderts trotz angeblicher Gleichheit nicht einfach ist, da das Benehmen der Männer von respektvoll bis sehr respektlos ist. Am Ende steht ein toter Männerkörper, und daß Zuchra sich eine neue Arbeit suchen muß.
Die Geschichte der fünf Männer, die im Hotel Miramar wohnen, wird aus deren unterschiedlichen Sichtweisen und persönlichen Geschichten erzählt. Keiner der zwei Frauen wird eine Erzählung gewidmet.
Ausgangspunkte und auch Epilog bietet der alte Journalist Amir Wagdi , der gütig und verständnisvoll die Positionen der Menschen ansieht und auf Revolution(en) und viele Regierungen, und viel Menschliches zurückblickt. Ruhe bieten ihm nur verschiedene Suren.
Etwas jünger ist der arrogante Tolba Marzuq, der lange Ministerposten und viel Einfluß hatte, und dessen Vermögen nach dem Regierungswandel zerstreut wurde. Er darf keinen eigenen Blickwinkel anbieten.
Jeder der drei jungen Männer erzählt aus seiner Sicht:
Husni Allam der sein Geld verjubelt, Frauen ohne Bedenken genießt und in Zuchra zumindest eine Geliebte sieht. Sein Geld möchte er in ein Bordell investieren. Der Stil seiner Sichtweise ist locker und schnell geschrieben. genauso wie er schnell Auto fährt.
Mansur Bahi, dessen Bruder beim Geheimdienst ist, weshalb er aus Kairo und einer kommunistischen Gruppe gerettet wurde, aber seine Liebe nicht vergessen kann. Leider kann er weder zur seiner Liebe Durrejja stehen, noch politisch etwas weiterbringen. Dafür ist er der einzige der das Wissen um Worte und Geschichte des alten Journalisten zu schätzten weiß, da er beim Radio arbeitet. Er ist grüblerisch, introvertiert, traut sich nichts zu, denkt zuviel nach und explodiert unvermutet.
Sarhan al-Buheri läßt sich von der Professionellen Sarejja aushalten, verguckt sich in die Zuchra und versucht alles um von ihr erhört zu werden, und flirtet dann mit ihrer Lehrerin. Am Schluß zerfällt alles für ihn : seine Versuche am Schwarzmarkt zu handeln und seine Ideen von Ehe und Geliebter.
Zuchra, die als attraktives Mädchen von dem Land geschildert wird, erzählt selber nicht, aber es wird klar, daß sie in Sarhan verliebt ist/war. Sie bleibt aber geradlinig bei ihrem Ziel lesen und schreiben zu lernen, und mehr zu arbeiten als nur als Ehefrau, Bäuerin oder Hausmädchen, weil sie nicht dumm bleiben will. Einzig Amir sieht dies wohlwollend, und versucht sie bei ihrem Liebeskummer freundlich zu trösten. Selbst die Hotelbesitzerin Mariana hilft ihr am Schluß nicht mehr.
In den Kapiteln sind immer wieder Absätze eingestreut die Dialoge aus der Vergangenheit der jeweiligen Männer quasi einblenden. Diese sind manchmal einfach zu verstehen, manche aber bleiben wegen der ägyptischen (Innen)Politik für mich unverständlich.
In dem Roman wird viel aus der Geschichte Ägypten zur Zeit der Wafd-Partei erzählt, auch daß manche nur einen aktuellen Ausweg entweder bei den Kommunisten oder religiösen Bruderschaften sehen; Amerika bietet keine politische oder lebenswerte Alternative. Auch von einer Revolution 1919 ist zu lesen.
Die Sprache des Autors oder die Übersetzung ist langsam und mit Bildern durchsetzt. Bespiel: "Die Himmelskuppe war von einer Aureole aus gekrempelter Baumwolle umrankt .."(S. 175).
Die Personen sind gut vorstellbar mit ihren Gesichtsbeschreibungen, Stil den sie tragen, die Art wie sich bewegen und temperamentvoll bis introvertiert sind. Die Ort der Handlung (in Alexandria) sind das Hotel in Miramar, die Corniche, verschiedene traditionelle Cafés; gesprochen wird über das Rif (Land) und Feddan (ein Flächenmaß) Land das manche noch haben, anderen aber weggenommen worden war.
In Summe ein schöner Roman, der nicht ganz einfach zu Lesen ist, aber durch seine Personen berührt. Viel Freude beim Lesen.
Nagib Mahfuz (auch Nagib Machfus, Nadschib Mahfus, Naguib Mahfouz, Nadjib Mahfus;) wurde am 11. Dezember 1991 in Kairo geboren. Er studiert Philosophie; ab den 1930er Jahren arbeitete er als Beamter im ägyptischen Bildungsministerium. Er begann daneben Romane zuerst über die Pharaonenzeit zu schreiben, ab den 40-er Jahren dann in zeitgenössischem Ambiente. Mit der 'Kairoer Trilogie" hatte er seinen Durchbruch. 1959 gab es nach 'Die Kinder unseres Viertels' Proteste aus religiösen Gruppen. 1994 griff ihn ein Messerattentäter an, was er überlebte. Er starb am 30. August 2006.
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