Donnerstag, 27. Oktober 2016

Edmund de Waal : "Der Hase mit den Bernsteinaugen"

Edmund de Waal :
"Der Hase mit den Bernsteinaugen" - Das verborgene Erbe der Familie Ephrussi
original "The Hare with the Amber Eyes. A Hidden Inheritance"
2010, Chatto & Windus, London
Aus dem Englischen von Brigitte Hilzensauer
2011, Paul Zsolnay Verlag
340 Seiten inkl. Vorwort + 2 Seiten Dank
ISBN 978-3-352-05556-8

Ausgehend von einem Geschenk seines Großonkels, 264 Netsuke (kleine japanische Schnitzereien aus Holz oder Elfenbein, die gemütlich in einer geschlossenen Hand Platz haben und ursprünglich am Kimono getragen wurden) erzählt der Autor die Geschichte seiner Familie : der Efrussi /Ephrussi, indem er hauptsächlich der Geschichte dieser 264 Stück Handwerkskunst in seiner Familie folgt.
Das erste Kapitel ist Paris und seinem Groß-Groß-Onkel Charles gewidmet, das zweite Kapitel Wien und seinen Urgroßeltern Victor und Emmy, dann folgen gemischt verschiedene Stationen z.B. seine Großmutter über Niederlande-Frankreich-Schweiz nach England, andere Familienmitglieder nach USA, und Japan, bis er an die Wurzeln seiner Familie zurück nach Odessa fährt.

Spannend und haptisch wird erzählt wie Geld ermöglicht mit Gefühl und Freude zu sammeln und zu leben. Viel Platz ist Beschreibungen von Wohnungen, und Häusern und dem Landgut gewidmet, viel Platz den Einrichtungen, den Kleinigkeiten, den Bildern, der Farben in den Zimmern, und sonstige Kleinigkeiten wie Uhren um das berührbare Leben vorstellbar zu machen.
Der Bruch der nach dem Anschluß in Wien vollzogen wurde, läßt den Schluß zu, daß niemand innerhalb seiner Familie mit diesen brutalen Aktionen gerechnet hatte, denn sie wurden monetär und seelisch überrumpelt, und waren froh ihr Leben zu retten.
Seine Großmutter, die nach dem ersten Weltkriegt als eine der ersten Frauen studiert hatte, fuhr nach dem zweiten Krieg nach Wien, und bekam von der alten Kleiderfrau ausgehändigt, was sie retten konnte; es ist berührend, daß der Autor erst als der beim Schreiben des Buches nach ihr nachforschen wollte, von niemandem mehr den Familiennamen dieser Frau erfahren konnte.

Ausgehend von den Netsuke, und daß sein Groß-onkel in Japan lebte und starb - und damit die Netsuke einige Zeit wieder 'nach Hause kommeb', wird einiges über Japan erzählt. Auch Japan gehörte nach dem zweiten Weltkrieg zu den besiegten Nationen, und Ausverkauf alten Kulturgutes fand statt. Der Großonkel lernt viel über Japan und seine Kunst (hier gibt es viele neue Vokabel kennen zu lernen wie z.B. 'kakemoto' sind Rollbilder), und gab einiges an den Autor (und Keramik-Künstler) weiter.
Die 264 Kunstwerke kamen Mitte 19. Jahrhunderts über Charles Ephrussi in Paris in den Familie. Dieser hochgebildete kunstsinnige Mann wurde auch der "benediktinische Dandy aus der Rue Monceau" (Zitat Jules Laforgues) genannt. Wunderschön sind hier die Schilderungen des schöngeistigen Paris dieser Zeit, aus dem Charles hier Jahrzehnte lang sammelte. Heftig ist die Reflexion über die jahrelangen Dreyfuss-Intrigen.

Die Menschen sind gut vorstellbar geschrieben. Die Urgroßmutter Emmy ist gut fühlbar, auch Groß groß Onkel Charles, dafür Urgroßvater viktor eigentümlich wenig.

Das Buch ist spannend und sehr gut zu lesen. Die Übersetzung ist sehr sehr gut.
Viel Freude bei diesem Bericht über Kunst und Geschichte von Europa und Japan.

Edmund Arthur Lowndes de Waal wurde am 10. September 1964 in Nottingham, England geboren. Er lernte bereits in der Schule das Töpferhandwerk, studierte dies in Cambridge weiter und arbeitet als ein britischer Keramiker und jetzt auch Professor an der Uni Westminster. Er ist verheiratet und hat drei Kinder.  

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