Barbara Frischmuth :
"Woher wir kommen"
2013, Aufbau Verlag GbmH & Co KG
Berlin
362 Seiten
ISBN 978-3-351-3508-2
In diesem beeindruckenden Buch beschreibt die Literatin und Orientkennerin mit wunderschöner Sprache das Leben dreier Generationen in zumindest zwei verschiedenen Welten.
Ada, Martha und Lilofee sind die drei Frauen deren Leben beschrieben wird. Ada wird 30 und steht knapp vor ihrem künstlerischen Durchbruch. Martha, ihre Mutter, hat sie und ihren Zwillingsbruder nach dem Bergtod ihres Mannes Robin am Ararat zurück zu ihrer Mutter ins Auseerland gebracht. Martha ist Nichte von Lilofee - die Tochter ihrer Schwester Pia die mit ihrem Ehemann bei einem Unfall ums Leben gekommen war. Lilofee ist/war die ältere gescheitere Tochter eines angesehenen Kunstprofessors, die in der Kriegszeit einem entflohenen Häftling geholfen hatte - was Probleme für die beiden nach sich gezogen hatte.
Orte des Geschehens sind das Salzkammergut mit den Bergen, den kleinlichen Strukturen des Dorfes, und den Seen. Hier taucht Adas Jugendliebe Jonas wieder auf - als Vater von drei Kindern.
Der städtische Gegenpol ist Istanbul. Hier hat Martha mit Ehemann und Zwillingen gelebt und das Leben in ihrem Viertel mit Läden, verschiedenen genossen. Zeitlich ist das die Jahrzehnt der 80-er Jahre. Martha hat noch eine gute Freundin aus der Zeit, deren Mann gemeinsam mit ihrem Mann auf dem Berg geblieben war. Da beide Journalisten in einer bewegten Zeit gewesen waren, sind die Gerüchte um politischen Tod nie ganz verstummt.
Die drei Frauen sind stark und gestalten ihr Leben. Lilofee arbeitet durch ihre Englischkenntnisse bei einem Anwalt und macht später in der ehemals elterlichen Villa eine Schank auf. Martha baut das Haus um und macht ein beliebtes Gasthaus daraus. Auch Ada geht ihren Weg.
Besonders gut haben mit die Schilderungen von Kunst und Kunstschaffen gefallen. Wie Ada ihre Kunstwerke entwickelt, überarbeitet, hinterfragt und überdenkt fand ich faszinierend. Ihr Zwillingsbruder lebt seine künstlerische Ader als Galerist aus.
Photographien von Blossfeldt haben die junge Frau als Kind inspiriert. Umgekehrt zeigt Martha ihrer Tante Lilofee als sie das einzige Mal nach Istanbul kommt Werke des mutmaßlichen Künstlers Mehmed Siyah Qualem (so geschrieben wie er im Buch steht; es dürfte viele Schreibweisen geben). Von seiner Vita ist wenig bis nichts bekannt, nur seine Werke faszinieren noch immer.
Geschichtlich wird die Nazizeit, Nachkriegszeit und die Jetztzeit in Österreich beschrieben. Sie läßt in Fragen Platz warum manches aufgearbeitet wurde, über manches rechtzeitig gesprochen wurde und es bei manchem zu spät ist darüber zu sprechen, weil manche die man noch hätte fragen können nicht mehr da sind, und dafür die Gerüchteküche blüht.
In Istanbul wird die Zeit der 80-er Jahre reflektiert - das Aufkommen der Kurdenthematik, der Zuzug in die Hauptstadt aus dem Land, der Verfall und die Enge einzelner beliebter Stadtviertel zugunsten von Reihenhäusern außerhalb der Stadt und die Unsicherheit durch Bomben und Terrormöglichkeit.
Zwei Phrasen haben mich irritiert, denn 'nach draußen gehen' und 'hoch gehen' sind für mich keine österreichischen Formulierungen, sondern eher deutsch. Ich laße mich aber gerne anders belehren.
Ich habe das Buch sehr genossen und sehr konzentriert die schöne Sprache, die Formulierungen und Gedankenwelten verfolgt. Dieses Vergnügen wünsche ich allen Leserinnen & Lesern !
Barbara Frischmuth wurde am 5 Juli 1941 in Altausee (Steiermark) geboren. Sie studierte Türkisch, Ungarisch und Orientalistik und ist jetzt freie Schriftstellerin. sie arbeitete einige Zeit als Übersetzerin. 1968 erschien ihr erstes Buch "Die Klosterschule". Sie schrieb Romane, Kinderbücher, Theaterstücke, Hörspiele und Filmdrehbücher und hat viele wichtige Preise erhalten.
Dienstag, 4. März 2014
Barbara Frischmuth : "Woher wir kommen"
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