Montag, 24. März 2014

Susanne Scholl : "Emma schweigt"

Susanne Scholl :
"Emma schweigt"
2014, Residenz Verlag
171 Seiten
ISBN 978-3-7017-1623-4

In diesem Roman wird in abwechselnden Kapiteln das unterschiedliche Leben zweier Frauen geschildert.

Die in Wien lebende Emma, geschieden weil der Mann eine jüngere Herausforderung wollte, in Pension geschickt, weil sie zu alt für denn Herrn Notar war, und sich Sorgen um ihren Sohn Hans machend. Das Leben läuft sicher und geregelt ab; sie weiß nicht was in der Welt herum um sie passiert.
Die andere ist Sarema. Sie ist in Tschetschenien auf die Welt gekommen. ihre Brüder wollten ihr eine Heirat arrangieren, dann kam Magomed, dessen Familie sie zu minder war, der sie aber liebte. Sie hat den Frieden zwischen zwei Kriegen erlebt, im zweiten ihren Mann verloren, den älteren Sohn, die zu früh geborene Tochter, ihre geliebte Schwester und deren idealistischen Ehemann. Sie bleibt ruhig, stark und organisiert damit sie und ihr Sohn Schamil überleben und durch Hilfe illegal aus- und in Österreich einwandern können.
Als Emma sich ein Bein bricht und Hilfe braucht sind die unbekannte Frau und der höfliche Bub zufällig zur Stellen, und Sohn Hans ersucht die beiden gegen Kost sich um seine Mutter zu kümmern. Schamil blüht auf und Emma lernt mit ihm. Die beiden Frauen verstehen die Welt der anderen nicht. Die eine weil sie die Welt über Schweinsbraten-Knödel-Sauerkraut nicht kennt, die andere weil ihr die Erinnerung und Trauer aus Krieg, Gewalt und Verlust in den Knochen sitzt. Miteinander reden können die beiden Frauen leider nicht, denn Schamil müßte hier übersetzten.
Die beiden werden abgeschoben, doch Sarema findet Geld mit dem sie wieder gehen kann. Hier bleibt Hoffnung.

Ich habe das Buch in einem Rutsch durchgelesen, sosehr hat es mich fasziniert. Ob ein anderes Ende drin gewesen wäre, wenn Emma früher ins Lager gegangen wäre ?

Ort der Handlung sind Wien (nicht genau festgelegt) mit U-Bahn, Bim, Markt, Supermarkt, Friseur ums Eck etc.; Groszny und Moskau, sind die bekannten Ort im fernen Tschetschenien und Rußland.

Die Menschen sind gut vorstellbar geschildert. Ehefrau Nummer zwei des Sohnes mit ihrem gesunden essen ist genauso gut vorstellbar, wie die junge Frau in die sich Hans nach ihr verliebt : eine temperamentvolle Architektin deren Eltern aus der Türkei nach Wien gekommen waren. Die türkische Großfamilie mit ihrer Herzlichkeit aber anderen Angewohnheiten und für Emma nicht schmeckenden Gerichten sind schön vorstellbar geschildert. Die junge Architektin sieht die Flüchtlingsfrau genauso skeptisch an wie umgekehrt. Die Sympathie zwischen den beiden Frauen kommt erst mit der Geburt des Kindes.

Die Frauen finde ich am stärksten geschildert : in Wien Emma, Enkelin Luzie, die türkischstämmige eben leider nicht Schwiegertocher; in Tschetschenien Sarema, die Schwester Lisa, Tante Sulima, Kräuterfrau Zalichan. Die Männer in Wien sind schwach gezeichnet - Exmann nach Schlaganfall, Hans der als Arzt im Labor seinen Dienst schiebt; Magomed und Lisas Mann werden in Tschetschenien als Männer mit Idealen und Einsatz geschildert - und im System brutal verrieben.

Ein dichtes, starkes Buch über das Leben von Frauen, und wie sie mit ihrem Leben tw. kraftvoll umgehen (lernen).

Susanne Scholl wurde am 19. September 1949 in Wien geboren. Sie studierte Slawistik in Rom und Rußland und arbeitet zuerst bei "le Monde" in Frankreich. Ab 1991 war sie für den Österreichischen Rundfunk in Rußland als Korrespondentin. Lt. Internetrecherche war sie kurzfristig von den russischen Behörden wegen ihrer Art der Berichterstattung über Tschetschenien festgenommen worden. Sie hat einige Bücher über Rußland geschrieben - realistisches und fiktives.

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