Dienstag, 14. Januar 2014

Alina Bronsky : "Die schärfsten Gerichte der tartarischen Küche"

Alina Bronsky :
"Die schärfsten Gerichte der tartarischen Küche"
Roman
2010, Kiepenheuer &Witsch
310 Seiten
ISBN 978-3-462-04235-1

Das Buch ist kein Kochbuch sondern ein Roman in dem die attraktive Rosalind aus der Ich-Perspektive ihr Leben und das ihrer Lieben am Fuß des Ural im Kommunismus und später in Deutschland gestaltet und dirigiert.

1978 wird ihre (dumme) Tochter Sulfia schwanger. Vater unbekannt. Das Mädchen kommt auf die Welt und gewinnt sofort das Herz der Großmutter. Für Aminat macht Rosalind alles und mischt sich in alles ein - und versteht nicht, daß sie dafür keine Liebe erhält. Als Sulfia mit Aminat, dem jüdischen Ehemann, dem gemeinsamen Kind Lena nach Israel auswandern möchte, ist das der einzige Moment in dem Buch, in dem die starke egoistische Frau zusammenklappt.
Die Zeiten in Rußland werden schlechter und trotz stundenlangem Anstellen gibt es immer weniger Lebensmittel. Rosalind beauftragt ihr Tochter, sich als Krankenschwester einen Deutschen anzulächeln. Sie haben Glück - ein Deutscher taucht auf, dem das Kind Aminat gefällt. Er bringt die drei Generationen Frauen nach Deutschland. Rosalind setzt sich auch dort durch und erarbeitet als Putzfrau Geld, Anerkennung und lernt die Sprache, die sie in der Schule etwas gelernt hatte, perfekt. Am Schluß hat sie wieder einen Partner, aber Aminat lebt ganz woanders und will nichts mehr von ihr wissen.

Die Ich-Sicht von Rosalind ist faszinierend. Wie sie organisiert und dabei rücksichtslos ihren Willen lebt, ohne den von Tochter, Enkelinnen oder Ehemann zu berücksichten zu wollen, hat Energie. Kein Zweifel an Aussehen oder Tun trüben ihre Gedanken.
Sulfia ist anders - weich, lieb, liebevoll, sich um andere kümmernd. Sie stirbt an Krebs, mangels der richtigen Medikamente und weil sie sich um ihren Vater kümmert, der ihre Mutter wegen einer unauffälligen Frau verlassen hat.
Aminat wird als Kind mit tartarischem Aussehen geschildert, was das Herz der Großmutter gewinnt; und hat genauso starken Charakter. Sie wird zwischen den beiden unterschiedlichen Frauen zerrieben, hält aber immer wieder zur Mutter.
Die Männer sind belanglos. Der Ehemann von Rosalind ist ein russischer Gewerkschafter der alles tartarische verleugnet. Die drei Ehemänner von Sulfia keine Stütze für die liebe Frau, eher das Gegenteil.

Der geschichtliche Hintergrund liest sich interessant. Rosalind ist als Kind von Tartaren verwaist und wird in nach dem zweiten Weltkrieg ein Waisenhaus zur Russifizierung gesteckt. Ihr Bruder bringt sich als Erwachsener um. Alles tartarische soll abtrainiert werden - nur manche Gerichte können überleben.
Die Wirtschaftslage für die vielen normalen Menschen in Rußland wo lange mit Geschenken (Schokolade, Nylonstrümpfe) notwendiges plötzlich wieder möglich ist, wird erzählt. Der Absatz als die Lebensmittellage massiv schlechter wird, geht unter die Haut.

Obwohl das Buch kein Kochbuch ist, gibt es einige Absätze über das Kochen und welche Gerichte es gibt. Kochen ist immer wieder wichtig, da sich Rosalind Gerichte für Familienfeste ausdenken muß; Rezepte gibt es aber keine.

Ich habe das Buch in knapp fünf Stunden durchgelesen und mich dabei sehr gut unterhalten. Die Moral bleibt auf der Strecke. Trotzdem ein empfehlenswertes Buch. Viel Spaß !

Alina Bronsky ist ein Pseudonym. Die Autorin kam 1978 in Jekaterinenburg/Swerdlowsk auf die Welt und wuchs nahe des Urals und in Südhessen auf. Die Familie war Anfang der 90-er Jahre nach Deutschland ausgewandert. Sie studierte Medizin und arbeitete als Texterin in Frankfurt. Ihr erster Roman "Scherbengericht" erschien 2008 und war sofort ein Bestseller. Die Autorin lebt mit ihrer eigenen Familie in Berlin.


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