Vilma Fuentes :
"Strassen der Wunder"
Roman
original : "El Autobús"
1995, Editorial Mortiz, Mexico, Actes Sud
Deutsch von Michael Hofmann
1996, Frankfurter Verlagsanstalt
300 Seiten mit 16 Kapiteln
ISBN 3-627-00047-1
In 16 Kapiteln erzählt die Autorin verschiedene Stationen ihrer Kindheit in der Stadt Mexico, wie sie die Welt als Kind erlebt hat und die Umwelt wahrgenommen hat. Die großen Menschen, großen Busse und Straßen und v.a. die Phantasiewelt im Kopf sind Bestandteile der Kindheit.
Sie ist Pingo, muß Lesen und Schreiben lernen - das erstere schafft sie mühelos, das zweite fällt ihr noch jahrelang schwer. Aber endlich kann sie Bücher lesen - Bücher die sie dem bewunderten Nachbarsbuben und ihrer kleinen Schwester vorliest oder erzählt (weil sie da spannender macht als wenn sie nur vorliest).
Sie erzählt vom Busfahrer, der alle Mädchen die er fahrt mehr oder minder liebevoll auf die Schaufel nimmt, die Lehrerin im Bus die auf Benehmen achten soll; von verschiedenen Nonnen als Lehrerinnen und von Mitschülerinnen. Die Freundinnen wechseln - sie lernt mit den Freundinnen auch die Eltern kennen, die manchmal ganz anderes als ihre Eltern in einer kleinen Wohnung sondern in einem großen Haus mit schönem Garten wohnen.
Die Welt der Straßen aus dem Bus gesehen beflügeln ihre Phantasie. Sie gewähren Einblick in andere Stadtviertel, andere Häuser, andere Höfe und Gärten.
Der rasante Wohnungsboom mit alten Häusern die rasch geschliffen und zu neuen Gebäuden hochgezogen werden, zieht vor ihren Augen ab. Durch mehrmaliges Übersiedeln erzählt sie von den unterschiedlichen "Vecindades".
Von zwei Hochzeiten erzählt sie - in einer wird eine 16-jährige mit einem unattraktiven älteren Mann verheiratet und hat plötzlich ein ausdrucksloses altersloses Gesicht, bei der anderen wird tuschelnd vom Selbstmord der Braut einige Zeit nach der Hochzeitsreise erzählt.
In den Erzählungen wird die Welt eines (heranwachsenden) Kindes geschildert. Wie aufregend, und wie sehr aktuell und teilweise riesig die Welt sein kann. Wie klein und manchmal schäbig sie sein kann wird nur kurz angerissen. Sie bewertet nicht, wenn sie die Welt und Werte aus der Nonnenschule beschreibt. Schön ist wenn sie den jetzt großen Straßen der Stadt Mexico beschreibt, auch wenn diese nunmehr die großen Durchzugsstraßen ohne den Charme dieser Kinderjahre sind.
Die Personen sind gut vorstellbar geschildert : die Tante die im Büro arbeitet und raucht, die Freundinnen, der Buschauffeur, der Nachbarsbub der seinen Analphabetismus stolz verbirgt etc.
Das Buch ist in angenehm großen Lettern gedruckt, die kein Augenweh machen.
In Summe ein schön lesbares Buch, das ein bißchen in die Zeiten der Kindheit als vieles noch geheimnisvoll schien führt.
Vilma Fuentes wurde am 22. August 1949 in Mexiko geboren. Sie ist seit 1969 Mitglied im 'Centre Mexicain d'Écrivains '. Seit 1975 lebt sie in Paris und arbeitet als Journalistin, Übersetzerin und Literaturkritikerin, inkl. für die mexikanische Wochenzeitschrift 'La Jornada'. Als Schriftstellerin hat sie 1995 'L'autobus de Mexico', 2001 'King Lopitos', 2008 'Des Châteaux en enfer' 2009, 'Gloria (Minos)' und 'La Castaneda (Minos)', 2011 'Les Greffiers du diable' und 2012 'Calzada de Los Misterios (Letras Mexicanas)' veröffentlicht.
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