Donnerstag, 30. April 2020

Stefan Zweig : "Schachnovelle"

Stefan Zweig :
"Schachnovelle"
1942, Buenos Aires
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Da ich für eine Schuljugendliche als Sparing-partner für den Deutschunterricht ausgewählt worden war, habe ich diese Novelle nach vielen Jahren, Jahrzehnten wieder einmal gelesen.

Auf einem Schiff in New York nach Buenos Aires trifft der Schachmeister Mirko Czentovics ein. Er ist einseitig interessiert, liebt und lebt nur Schach, und die Anerkennung dadurch. Eine Gruppe schlechter Schachspieler gelingt es ihn durch Geld zum Schachspielen zu gewinnen. Plötzlich schaltet sich ein feiner Mann ein, und es gelingt die Partie auf Remis zu lenken. Dieser feine Mann, Dr. B, erzählt der ich-person-Erzähler sein Leben : er hatte vor dem Einmarsch der Nationalsozialisten in Wien für Klöster die finanzielle Sachen geregelt. Um an dieses Vermögen zu kommen, wird Dr. B in Einzelhaft ohne intellektuellen Reiz gesteckt. Knapp vor dem Zerbrechen, bekommt er ein Buch in die Hand, was sich als Buch über 150 Schach-Meisterpartien  entpuppt. Zuerst enttäuscht beginnt er dem Einsamkeitskoller durch Schachtraining zu entkommen. Er beginnt eigene Partien zu entwickeln und spaltet sich in ichweiß und ichschwarz, was ihn ins Fieber und ins Gefängnisspital bringt. Einem Arzt vor Ort verdankt er das aus dem Gefängnis kommen. Bei der Schachpartie zwischen dem Meister und ihm rutscht Dr.B. wieder ins Fieber.

Mich hat das Buch wie vor vielen Jahren emotional in Besitz genommen. Die Schilderungen der Einzelhaft, die Befragungen nochmals und nochmals durchzudenken, sowie der geistige Rettungsanker durch das Schachbuch gingen mir unter die Haut.
Dr.B.s Bemerkung über 'Legion der Benachteiligten, der Zurückgesetzen, der Gekränkten', die als Wasserträger für den Nationalsozialismus arbeiteten gab mir zu denken.

Die Gegenüberstellung des eher groben Klotzes Czentovics, der wegen des Pfarrers als Kind Schach lernte und es zum Weltmeister brachte, und die des feinsinnigen juristisch denkenden Menschen Dr. B. mit menschlichen Werten, ist für mich faszinierend.
Erschreckend sind noch immer die Eindrücke die Einzelhaft bei geistig aktiven Menschen ausrichten kann, und wie Menschen geistig zugrunde gerichtet wurden (und vermutlich immer noch werden).

Ort der Handlung sind ein Schiff, eine juristische Kanzlei, ein Gefängnis und ein einfaches Dorf.

Die Sprache Stefan Zweigs mit schönen Metaphern, derzeit alten Vokabeln und Fremdworten, und schönen Formulierungen wie beispielsweise 'Famulus', 'banat' (?), peripatetisch (?), Marasmus, Tyrannis des Zufalls bis Schachvergiftung.

Ein wunderbares eindrückliches Buch, das immer wieder gelesen werden muß !

Bio von Stefan Zweig "Brasilien - Ein Land der Zukunft" vom 31. Dezember 2013.

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