Maurizio de Giovanni :
"Die Klagen der Toten" - ein Fall für Commissario Ricciardo
original "In fondo al tuo cuore"
2014, Einaudi Turin
übersetzt von Judith Schwaab
2015, Goldmann
467 Seiten
ISBN 978-3-442-31407-2
Im Hochsommer wird in Neapel der 30-er Jahre ein Frauenarzt in den Tod geworfen. Seine letzten Gedanken sind bei seiner schönen Geliebten - was der Commissario mit seiner Gabe mitbekommt. Luigi Ricciardo, schlank, schwarze Haartolle und smaragdgrüne Augen, in Begleitung seines bulligen Sergante Maiello besuchen Witwe und Sohn, das Arbeitsumfeld, die Geliebte, einen Goldschmied der für die Damen des Arztes zwei Schmuckstücke zauberte, und befördern zutage, daß der bekannte Arzt nicht so liebevoll wie sein Ruf war. Als der Mord aufgeklärt wird, wird die Kaltblütigkeit dieses Mannes aufgeblättert.
Parallel dazu geht es um Liebe. Während Maiello in seiner Familie glücklich ist, falls ihn nicht seine Eifersucht plagt, schaffte es Ricciardo nicht mit seiner Nachbarin, die sich für ihn genauso wie umgekehrt interessiert, einige Worte zu wechseln. Hier scheint es daß die beiden Menschen - auch inmitten vorsichtiger Gesellschaftsformen - zu beider Schmerz nicht zusammenkommen dürften.
Politisch spielt die Geschichte daß bereits Musolini und seinen Denkart an der Macht sind. Geheimpolizei und Spitzelei hat bereits begonnen; eigenständig denkende Menschen, die kritisch denken, werden bereits engmaschiger kontrolliert.
Es gibt viel Liebe in dem Buch, die aber oft nicht ausgelebt werden darf. Livia ist in Ricciardi verliebt, der die Opernsängerin zwar schätzt aber nicht liebt. Die Geliebte des Arztes ist in einen Leierkastenmann verliebt, der sie wiederrum nur benutzt. Der Mafiaboss, der seiner geborenen Tochter nicht verzeihen kann, daß seine Frau - seine Jugendliebe - bei ihrer Geburt starb. Der Goldschmied denkt nur an seine Jugendliebe, kann sie aber nie ausleben.
Eine andere Liebe lebt Ricciardis Kinderfrau und Haushälterin Rosa, die in ihrer Sorge um ihn eine Nichte anlernt, wie er umsorgt werden muß.
Stilistisch war das Buch für mich leider etwas mühsam zu lesen. Es dauerte bei mir bis sich der Lesefluß einstellte. Mir wurde zu viel in den Zeiten und Sichtweisen der Personen gesprungen, und es dauerte leider zu lange mich im neuen Absatz zurecht zu finden.
Etwas auf die Nerven ging mir das oftmalige eingehen auf die Augen des Commissarios. Daß sie grün sind war klar. Interessanter finde ich die eigenartige Begabung den letzten Gedanken eines Sterbenden zu "hören".
Aus diesem stammt der italienische Originaltitel, denn "In fondo al tuo cuore", denkt einer der Toten in dem Kriminalroman als Letztes.
Warum eine Katze auf diesem Romancover ist, konnte ich nicht entschlüsseln, auch wenn diese aus einem Ölgemälde stammen dürfte.
In Summe ein nicht uninteresanter Kriminalroman, dessen Langsamkeit vermutlich der Hochsommerhitze und der Reminiszenz an die 30-er Jahre geschuldet ist. Mitraten nach dem Mörder ist möglich. Interessiertes Lesen !
Biographie des Autors : siehe "Frost in Neapel" vom 18. Mai 2019
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