Samstag, 22. Juni 2019

Pascal Mercier : "Nachtzug nach Lissabon"

Pascal Mercier :
"Nachtzug nach Lissabon"
Roman
2006, Btb Taschenbuch
484 Seiten
ISBN 978-3-422-73436-8

Raimund Gregorius, Lehrer für Griechisch und Latein wird durch den versuchten Selbstmord einer Portugiesin mit einem Buch auf portugiesisch aus seinem Lebenstrott gerissen. Er reißt mit dem Zug nach Portugal und lernt dabei den Geschäftsmann Silviero kennen. In Lissabon lernt er eine Augenärztin kennen, deren Verwandt Erca, dessen Hände zerbrochen worden waren, und andere Menschen des Autors des Buches Amadeu Prado. Dieser war ein hochintelligenter Mensch gewesen, der schon in der Schulzeit über die Grenzen gedacht hatte, und proviziert hatte. Hier begann die lebenslange Freundschaft mit dem Apotheker O'kelly, und mit seiner Seelenfreundin Maria. Er studierte Medizin, rettete seiner Schwester das Leben, rettet einem der brutalsten Menschen der Militärdiktatur das Leben, und rettet auch eine junge attraktive Frau mit phänomenalem Gedächtnis die alles über den Widerstand wußte.
Gregorius besucht die Menschen und Orte an denen Prado gelebt und gedacht hat, und spricht mit vielen Menschen über den charistmatischen, leidenschaftlichen, suchenden aber auch enorm egoistischen Menschen.

Der Roman besteht aus vier Kapiteln, die 'Der Aufbruch', 'Die Begegnung', 'Der Versuch' und 'Die Rückkehr' heißen.
Die Gedanken die Amadeu Prado zu Papier gebracht hatte, sind in kursiv abgedruckt und ziehen sich bruchstückhaft durch den Roman.

Die vielen Menschen in dem Buch sind stark, faszinierend, eigenwillig, stur, eindrücklich, und prägen sich beim Lesen ein. Dies obwohl sehr viele Menschen geschildert und miterlebt werden.
Amadeu selber wird als eigenwillig, hochintelligent, engangiert, geschildert, aber auch als jemand der Menschen die nicht ihm kognitiv oder menschlich das Wasser reichen konnte, liegen ließ. Mich hat negativ berührt, daß ihm der seiner Frau Kinder verwehrte Jahre später meinte Anspruch an eine Frau zu haben seine Ergänzung nach seinem Wunsch zu werden.
Der Erzähler Raimund Gregorius ist zurückhaltend, in seine alten Sprachen hinter seinen Brillengläsern versunken, der erst lernen muß wieder mit Menschen umzugehen und sich auf sie einzulassen.
Die Unterschiedlichkeit der beiden Schwestern von Amadeu ist schillernd, die drei Frauen im Leben Amadues ebenso wobei seine Frau Fatima die er um ihren Kinderwunsch betrügt mein größtes Mitgefühl hat, die beiden anderen Frau bewahren ihre Mitte und Abstand. Der alte Widerstandskämpfer im Altersheim ist berührend in seiner inneren Kraft und Überlebenswillen.

Orte der Handlung sind Bern, die Züge nach Portugal, Lissabon, Coimbra, Finisterre und Salamanca. Alles ist gut vorstellbar und mit den Stimmungen vor Ort geschildert.

Der Beginn des Buches hat sich für mich gezogen, die ersten Texte von Amadeu habe ich nur überflogen, da ich wissen wollte wie der Roman weitergeht. Die Geschichte zog mich immer mehr in den Bann.
Beim Hintergrundlesen über die PIDE und die Militärdiktatur unter Salazar fiel auf wie wenig im Internet nachzulesen war.

Die Sprache in dem Roman hat mich sehr angesprochen. Formulierungen wie 'Goldschmied der Worte' finde ich wunderschön.

In Summe ein wunderschöner beeindruckender Roman. Viel viel Freude beim Lesen !

Peter Bieri wurde am 23. Juni 1944 in Bern geboren. Er ist Philosoph und Schriftsteller, wobei er unter dem Namen Pascal Mercier - nach einem Sprachmix aus Blaise Pascal und Louis-Sebastien Mercier - publiziert. Sein erster Roman "Perlmanns Schweigen" erschien 1995.

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