Freitag, 9. September 2016

Prinzessin Stephanie von Belgien / Fürstin von Lonyay : "Ich sollte Kaiserin werden"

Prinzessin Stephanie von Belgien / Fürstin von Lonyay :
"Ich sollte Kaiserin werden"  - Lebenserinnerungen der letzten Kronprinzessin von Österreich-Ungarn
1935 Kohler & Amelang GmbH, Leipzig
2015 Projekt Gutenberg (projectid a32e6e58)

Prinzessin Stephanie von Belgien, verheiratet mit Kronprinz Rudolf von Österreich, Mutter der gemeinsamen Tochter Elisabeth, verwitwet durch die hinlänglich bekannte Geschichte in Mayerling, in zweiter Ehe verheiratet mit dem Fürsten Elemer Lonyay von Nagy-Lonya veröffentlichte erst 1935, also 46 Jahre nach dem Tod des Kronprinzen und 17 Jahre nach dem Zusammenbruch der Donaumonarchie ihre persönlichen Erinnerungen - an ihre Kindheit und ihre erste Ehe. Ihre Tochter verhinderte dieses Buch zwar in Österreich via Gericht, im Ausland wurde es aber übersetzt und viel gelesen.

Die Kindheit liest sich karg und unfreundlich. Zuneigung war nur durch wenige Personen vorhanden. Sie beschreibt wie ihr alles was sie interessierte weggenommen wurde, und durch Aufgaben die sie nicht mochte ersetzt wurde. Ihre Vorliebe für Pflanzen und Pferde stammt jedoch aus dieser Zeit. Durch ihre Mutter, eine Habsburg-Lothringerin aus Ungarn, lernte sie früh etwas ungarisch, dazu französisch, englisch und deutsch.
Die Eingewöhnung in Wien war nicht einfach. Einerseits beschreibt sie die Rückständigkeit in Sachen Badewanne und Körperhygiene; zusätzlich bekam sie von der Kaiserin die Repräsentationsaufgaben übertragen, da ihr diese keine Freude machten. Die 16-jährige wurde durch Überforderung immer wieder krank, weshalb sie und der Kronprinz sich vorübergehend nach Laxenburg zurückzogen. Die Zeit mit ihm in Prag dürfte ihr gefallen haben. Ungarn und später Galicien liebt sie. Über die Reisen schreibt sie positiv - sie schildert die Landschaften, die Pflanzen, die Gewänder der Frauen und wie ihr die Folklore Freude macht. Sie schildert auch begeistert die Besuche in Serbien, in Rumänien, in Bulgarien, und der Türkei. Bad Ischl mochte sie nicht, da es dort düster, und oft naß und kalt - mitten im August - war.
Ihren Mann schildert sie als offenen Menschen, der viel weiß (was sie schätzt). Emotional nahe waren sie sich die beiden nur während ihrer Schwangerschaft. Seine Vorliebe incognito mit Bürgersleuten zusammenzusitzen kann sie nichts abgewinnen; seine Frauengeschichten widern sie an.
In den letzten Ehejahren ist sie oft in Abbazia, aus welcher Zeit viele Briefe gewechselt wurden. Seine Briefe lesen sich fast liebevoll, ganz im Gegensatz zu seinem kalten, fast gehässigen Abschiedsbrief aus Mayerling an sie. Sie dürfte sich Sorgen um ihren Mann gemacht haben, was allerdings ungehört im Kaiserhof untergegangen war.

Mühsam sind die bigotten, gottgläubigen Absätze. Vermutlich war dies damals eine normale Einstellung in konservativ-katholischen Kreisen - heute liest sich dies etwas eigen.

Stilistisch ist das Buch zwar langsam, aber trotzdem recht gut zu lesen. Das Vokabular ist nicht geschraubt oder intellektuell, es sind ab und zu damals übliche Wörter für damals übliche Gegenstände verwendet worden (die Coursschleppe, eine bestimmte Art zu kutschieren etc ...) .

Für Interessenten & -innen der österreichisch-ungarischen Monarchie ist dieser Rückblick auf Einsamkeit und Glanz ein faszinierender Ausschnitt. Viel Freude dabei !

Stephanie Clotilde Louise Hermine Marie Charlotte von Belgien  wurde am 21. Mai 1864 in Laeken bei Brüssel geboren und starb am 23. August 1945 in Benediktinerkloster Pannonhalma, Ungarn (wohin sie sich vor russischen Soldaten geflüchtet hatte). Sie war als Gattin von Kronprinz Rudolf Kronprinzessin von Österreich-Ungarn und damit die einzige Trägerin dieses Titels in der Doppelmonarchie (1867–1918).

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