Sonntag, 14. Juni 2015

Edle Astrup Hubay : "Licht und Schatten"

Edle Astrup Hubay :
"Licht und Schatten" - Autobiographie
original "Medljen har to sider"
1980, H. Aschehoug & Co
aus dem Norwegischen übersetzt von Alexia Gerhardus
Verlag Publication PN Bibliothek der Provinz
Hrsg Richard Pils
233 Seiten inkl. Vorwort, Epilog und Nachwort der Übersetzerin
ISBN 3 85252 534 9

In dieser Autobiographie erzählt eine junge Frau über ihr Leben in der Zwischenkriegszeit in Europa, im Krieg und nach dem Krieg in Ungarn und der Flucht aus dem diktatorischen kommunistischen Ungarn.

Edle, das ist ein norwegischer Vorname, kein deutschsprachiger Titel, erlebt als in Norwegen geborenes Mädchen aus wohlhabenden Verhältnissen die europäische Zwischenkriegszeit in Oslo, London und Paris. Über eine Freundin aus der Schulzeit lernt sie in Ungarn den Maler und Sohn des Komponisten Jenö Hubay Andor Hubay kennen. Sie heiraten und binnen einen Jahres lernt sie ungarisch, das sie braucht um sich mit den Hausangestellten und den Menschen in der Landwirtschaft unterhalten zu können. Sie leben in einen Palais in Budapest, oder zwei Stunden entfernt auf einem Landgut, das auf mittlerweile tschechischen Boden steht; der dritte Wohnsitz ist weiter entfernt, aber sehr charismatisch. Auf den Reisen durch Europa sehen sie das Aufkommen des Nationalsozialismus, der Andor empört. Vor dem Krieg kommt noch ihre Tochter auf die Welt. Dann kommen die Flüchtlingsströme aus der Tschechoslowakei und Polen - alle auf der Flucht vor den Nationalsozialisten und dem Krieg. Erst als die Russen Ungarn überrollen wird es massiv schlechter; Frauen müssen sich in Sicherheit bringen, was oft nicht gelingt, viele schöne oder einfach nur notwendige Hausratssachen werden ruiniert oder mit dem Argumente, daß Krieg ist, gestohlen. Freundschaften werden in dieser Zeit aufgebaut, mit Menschen die sie Jahre später als in Ungarn der Kommunismus eingebrochen ist, in der Ferne auch weiterhalten. Nachdem Krieg helfen zuerst alle zusammen um das Land aufzubauen - Andor geht wieder zu Herend (Porzellanfabrik). Als nach den freien Wahlen die Kommunisten trotz nur 17% Wahlanteil die Macht übernehmen und zu verstaatlichen beginnen, flüchtet die kleine Familie mit Glück zuerst nach Norwegen, wo der Sohn Laszlo auf die Welt kommt. Später reisen sie in das fernste, aber noch europäischste Land : Portugal. Auch hier arbeitet Andor wieder als Chef der Porzellanfabrik, bis die Nelkenrevolution über das Land bricht. Andor wird Lehrer, und die Familie ist trotzdem glücklich. Andor starb am 19. Februar 1971 in Portugal.

Im Nachwort wird erzählt, daß alle Bemühungen der Familie Hubay wenigstens einiges an Grund und Boden von Ungarn zurückzuerhalten, abgeschmettert werden. Immerhin schaffen sie es in Ungarn, daß das Gedenken an den Komponisten und Violinisten Jenö Hubay wieder existent ist. Seine Kompositionen und Violinbearbeitungen werden jetzt wieder gespielt und auf CD eingespielt.

Das Buch ist faszinierend, weil zuerst die Leichtigkeit mit der Kontakte und Menschen der Zwischenkriegszeit beschrieben werden. Als es dann hart auf hart geht, ums Überleben, ums Nahrung auftreiben, Freunde die an Regime verloren gehen, und die Frage ist welche Werte gelten und wie man innerlich durchhält, stark berühren.
Die Abschnitte russischer Übergriffe, Respektlosigkeit und Gewalt gegenüber Frauen und allem was nicht niet- und nagelfest ist, gehen ziemlich unter die Haut.
Die Zeit nach dem Weltkrieg als die früheren Schloßbesitzer als Angestellte für Amerikaner arbeiteten, und das Leben von dieser Seite kennen lernten, war mit Realismus und zartem Humor geschildert.

Die Sprachen die in dem Buch als Selbstverständlichkeit gesehen werden, haben mich beeindruckt. Frau Astrup Hubay dürfte norwegisch, englisch, französisch, deutsch, italienisch (?), ungarisch und dann portugiesisch gesprochen haben. Die Tochter Rozanne lernte ungarisch, hatte ein Schweizer Kindermädchen für deutsch und französisch, dann kamen englisch, portugiesisch dazu.

Das Buch ist chronologisch aufgebaut und beschreibt meist linear die Ereignisse. Die Sprache ist klar und direkt, ohne zu verletzen.

In Summe ein faszinierendes Buch, das ich nicht weglegen konnte, da ich wissen wollte wie es weiter geht, ob die Reisen/Flucht klappen/klappt und wie das Leben ohne Paß aber durch hilfreiche Menschen funktionierte. Für mich ein Stück europäischer Geschichte.

Edle Astrup Hubay starb am 3. Februar 1989 in Portugal.

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