Freitag, 30. August 2019

Max Tegmark : "Leben 3.0"

Max Tegmark :
"Leben 3.0" - Mensch sein im Zeitalter künstlicher Intelligenz
original "Life 3.0"
2017, Alfred A. Knopf, New York
Aus dem Amerikanischen von Hubert Mania
2017, Ullstein Buchverlage Berlin
487 Seiten + 5 Seiten Inhaltsverzeichnis + 2 Seiten Dank + 18 Seiten Anmerkungen + 10 Seiten Register
ISBN 978-3-550-08145-3

Der Physiker Max Tegmark erklärt hier in 9 Kapiteln in großteils auch für den konzentrierten und willigen Laien verständlichen Sprache die Geschichte, die Visision, aber auch die Verantwortung, die bei Einsatz von künstlicher Intelligenz eigentlich notwendig sind.

Während sich der Anfang für mich noch einfach zu lesen schien, ging es dann ans Konzentrierte mit den Begriffen und der Komplexität und Vielfachheit der KI. Hochinteressant wird es wenn man sich durchzudenken beginnt, was eine lernende KI einsetzen möchte und ob und welche Büchse der Pandorra hier möglicherweise gestartet wird.

Bei dem Kapitel, in dem Energie aus den Quasaren gewonnen wird, bin ich nicht mehr mitgekommen - offenbar etwas für wirklich eingefleischte Physiker.

Am Schluß geht es um Bewußtsein / Verantwortung die eigentlich vor Beginn des Einsatzes der KI stattfinden sollte, also genau das Gegenteil dessen was aktuell passiert, wo auf Teufel komm raus automatisiert wird, ohne vorher Konsequenzen durch zu denken.

Ich habe fast ein Jahr an dem Buch gelesen und fand es spannend, herausfordernd, kompliziert; und habe bereits ein weiteres Exemplar weitergeschenkt.

Max Erik Tegmark wurde an 5. Mai 1967 in Stockholm geboren. Er studierte Wirtschaft und Physik (in Schweden und Berkely), arbeitete dann in München und Pennsylvania und ist seit 2000 am MIT. Mittlerweile ist er ein anerkannter Kosmologe und Wissenschaftsphilosoph. Er ist Mitgegründer des 2014 gegründeten 'Future for Life Institute'.

Dienstag, 27. August 2019

Andrea Camilleri : "Der zweite Kuss des Judas"

Andrea Camilleri :
"Der zweite Kuss des Judas"
Roman
original "La scomparsa di Patò"
2000, Arnoldo Mondadori Editore spa Milano
Aus dem Italienischen von Christiane von Bechtolsheim
2004, Edition Lübbe / BLT 92.156
238 Seiten
ISBN 3-404-92156-9

Camilleri versetzt uns Leserinnen und Leser wieder in die Stadt Vigata, diesmal um 1890. Bei den beliebten Passionsspielen, die unter Mitwirkung der wichtigen Bürger und vieler Bauern stattfinden, verschwindet der Bankdirektor Patò nach seinem Abtritt als Judas. Der ortsansässige Vertreter der Polizei und der Carabinieri sind sich spinnefeind, werden verpflichtet zusammenzuarbeiten und schreiben am Schluß einen gemeinsamen Bericht, in dem alle losen Fäden sinnvoll zueinander finden. Leider paßt dies einigen einflußreichen Menschen nicht, weshalb ein Plan B für die Öffentlichkeit umgesetzt wird.

Der Autor erzählt die Geschichte in Form von Briefen resp Tagebucheinträge zwischen Polizei, Caribinieri und deren Vorgesetzten, sowie einigen Drahtziehern, und zwei lokalen Presseblättern.

Sprachlich sind die Tagebucheinträge von Polizist und Carabiniere höflich bis einfach, die Antwort der Vorgesetzten von ruppig bis authoritär-unfreundlich, der Onkel des Verschwundenen mit vielen Beziehungen schwrubelt gott-gläubig vor sich hin, einige Kontakte untereinander schaffen es noch sich freundlich ohne Schnörkel und zielbewußt zu formulieren. Die Tageszeitungen sind in manipulierendem Schreibstil verfaßt.

Die Geschichte ist spannend zu lesen. Zuerst wird in vielen Details gekramt, einiges zusammengesetzt und verworfen, bis am Schluß die Details sehr gut zusammenpassen und zwei klassische Motive für das Geschehen entschlüsseln.

Die Menschen bleiben eher ungreifbar. Erschreckend ist für mich die Kälte mit der die oberen Vorgesetzten ihren kleinen Mitarbeitern trotz Wahrheit Böses androhen. Wie überall ist Wahrheit nicht überall gewünscht.

'scomparsa' heißt Schwund, Untertauchen, abtauchen. Der Originaltitel heißt also "Das Verschwinden von Patò".

Viel Spaß beim Lesen dieses in ungewöhnlichem Stil geschriebenen Kriminalromans

Bio bei 12. Mai 2016 bei Andrea Camilleri : "Die Tage des Zweifels"

Montag, 26. August 2019

Robert de Paca : "In den Straßen von Nizza"

Robert de Paca :
"In den Straßen von Nizza" - Côte d'azur Krimi
2014, emons Verlag
209 Seiten + 3 Seiten Nachwort + 6 Seiten Rezepte
ISBN 978-3-95451-282-9

Nicolas Donnard kümmert sich um reiche, oft russische Kunden an der Côte d'azur als Chauffeur, Reiseorganisator, Fremdenführer, und Wunscherfüller für gesetzlich Erlaubtes. Während ein mysteriöser russischer Klient einige Tage seine Aufmerksamkeit bezahlt, wird die Gemäldesammlung des Gastgebers einer Insel durch einige Tricks und Erpressung gestohlen. Nicolas wird aufgefordert diese zurückzugewinnen, und eine Dame - Nathalie Taran - der Versicherung der Bilder zur Seite gestellt. Beide recherchieren mühsam die Identität der ehemaligen Klienten, um drauf zu kommen, daß diese die Strippenzieher waren. Jetzt kommt Druck auch von der anderen Seite, die Nicolas und Nathalie mit einigen filmreichen Szenen zu einem Ergebnis führen, indem sie beide gesund und mit Geld aussteigen.

Zwischen dieser Geschichte inmitten einiger reicher, selbstherrlicher und unguter Männer sind kocht Nicolas immer wieder hervorragend, und Nicolas und Nathalie bleiben als sich anbahnendes Paar am Ende.

Ort der Handlung sind Nizza, Antibes, einige Boote, einige Autos, ein Motorrad, gehobene Gastronimie, eine Villa mit Garten.
Bei den Personen der Handlung sind Nicolas und Nathalie als durch attraktive Menschen geschildert, die zwar für die Reichen arbeiten, aber den Boden unter den Füßen bewahren.
Die zwei reichen Russen und der französische Villenbesitzer sind mit etwas Bosheit jenseits aller Sympathie als selbstgefällige Machtmenschen geschildert.

Der Kriminalroman ist flüssig und unterhaltsam geschrieben. Die beschriebenen Kochrezepte lassen beim Lesen das Wasser im Mund zusammenlaufen. Viel Spaß beim Lesen !

Robert de Paca lebt seit 1997 an der Côte d'azur und arbeitet in der gehobenen Hotellerie. er liest gerne Kriminalromane und Romane, was ihn motiviert hat den oben genannten ersten Kriminalroman zu schreiben. Der Folgekrimi erschien 2017.

Mittwoch, 21. August 2019

Keigo Higashino : "Heilige Mörderin"

Keigo Higashino :
"Heilige Mörderin"
Kriminalroman
original "Seijo no Kyüsai"
2008, Bungeisdunju Ltd Tokio
Aus dem Japanischen von Ursula Gräfe
2014, J.G. Cotta'sche Buchhandlung
311 Seiten
ISBN 978-3-608-98012-7

Der Firmenchef Yoshitaka Mashiba teilt seiner Frau Ayane mit, daß er die Scheidung möchte, weil sie nicht schwanger wurde. Nach einer Nacht mit seiner Geliebten Hiromi, die die Assistentin seiner Frau ist, wird der tot aufgefunden. Polizeidetektiv Kusanagi ist von der Charme der Witwe fasziniert, seine Kollegin Utsumi mißtrauischer und schaltet den besten Freund des Detektivs, den Physikprofessor Yukawa ein. Im Stil von Inspector Colombo forscht dieser solange, bis der Trick mit dem Giftmord herausbekommt. Im Hintergrund recherchiert die Polizei, daß für Yoshitaka jede Frau die ihm seinen Kinderwunsch nicht erfüllen konnte, wertlos erachtet und gegen eine neue ausgetauscht wurde.

Die Geschichte springt zwischen den Personen der Handlung dem Inspektor, seiner Kollegin, der Witwe, der Geliebten, und dem Professor hin und her. Es geht ausschließlich um den Mord, es gibt leider keinen Nebenstrang in diesem Roman.

Polizeidetektiv Kusanagi ist der Ermordete mit seinem absoluten Wunsch und Verwendung von Frau als Gebärmaschine zutiefst unsympathisch, und sensibler als andere zu diesem Thema.
Yoshitaka Mashiba wird als gutaussehend und unterhaltend beschrieben, Witwe Ayane als schöne Frau mit Charisma, die Geliebte Hiromi blieb in ihren Beschreibungen nicht begreifbar.

Die Gespräche mit den Verdächtigen sind immer sehr höflich. 
Interessant ist die Beschreibung der Patchwork Kunst, die Ayane herstellt.

Der Roman ist spannend geschrieben. Gute Unterhaltung an einem Regentag !

Keigo Higashino wurde am 4. Februar 1958 geboren. Er begann bereits in der Schulzeit Kriminalromane zu schreiben. Später studierte er Elektrotechnik und begann 1981 als Ingenieur zu arbeiten. 1985 wurde ein Roman von ihm bei einem Preis ausgezeichnet , und seine Schriftstellerkarriere begann. Mittlerweile sind seine Kriminalromane Bestseller, einige wurden auch verfilmt.

Dienstag, 13. August 2019

Doris Gercke : "Beringers Auftrag"

Doris Gercke :
"Beringers Auftrag" - Ein Milena - Proháska - Krimi
Original 2003 Ullstein Verlag München
2016, Haymon Verlag Innsbruck
333 Seiten
ISBN 978-3-7099-7855-9

Der ehemalige Kommissar Beringer beschließt sich von der schönen Rechtsanwältin Milena Prohaska beruflich und privat zu trennen, und nimmt daher den Auftrag aus Hamburg zu verschwinden und Kaliningrad einem dubiosen Auftrag nachzugehen, an. Im Hintergrund ziehen der mächtige, undurchsichtige Politiker Waller und ein dubioser reicher mächtiger Geschäftsmann Alik/Usbeck die Fäden. Im Hamburg läßt sich Milena auf eine Affäre mit Waller ein, in Kaliningrad zeigt der Milizsoldat Wadim, daß es auch ehrliche Polizisten und Soldaten in Kaliningrad gibt. In beiden Städten werden aus Machtgründen Menschen, die als kleine Rädchen gesehen werden, rücksichtslos umgebracht und deren Familien bedroht. Am Schluß sind zwar einige böse Ränkeschmiede auch tot, Zufriedenheit stellt sich allerdings nicht ein.

Orte der Handlung sind Hamburg, und Kaliningrad. Das Kaliningrad hier ist trostlos, mit trostlosen Bauten und Menschen ohne Hoffnung; das Hotel für Beringer ist ordentlich, aber auch hier ist die Hoffnungslosigkeit greifbar.

Während Milena versucht Unterlagen zurückzubekommen und mit den Mächtigen und Bösen mitzuspielen, allerdings Waller falsch einschätzt, begleitet Beringer Wadim im zur Witwe eines ermordeten Soldaten, zu einer Abtreibungsklinik, und Wami rettet ihn später aus Verhandlungen in einem U-boot.

Die Stimmung ist dicht und grau. Auch wenn Milena kraftvoll auftritt und aktiver Sexualität offen gegenüber ist, ist spürbar wie ihr die Kraft ausgeht.

Das Ende habe ich mit sehr gemischten Gefühlen gelesen. Der Kriminalroman ist trotz der Traurigkeit, die wie eine Wolke über der Geschichte liegt, sehr gut erzählt und zieht in den Bann. Gutes hineinfallen in den Roman !

Biographie der Autorin ist 11. September 2015 (Bella Block ermittelt in "Giorgia").

Donnerstag, 8. August 2019

Diana Fiammetta Lama : "Die toten Mädchen vom Cilento"

Diana Fiammetta Lama :
"Die toten Mädchen vom Cilento" - Maresciallo Santomauro jagt ein Phantom
original "Il Circo delle Maraviglie"
2012,
Aus dem Italienischen von Esther Hansen und Julia Gehring
2012, Aufbau Verlag
418 Seiten
ISBN 978-3-7466-2833-2

Maresciallo Santomauro und sein Team sind diesmal auf der Suche nach dem Mörder von jungen Mädchen. Da die ersten Mädchen aus dem gerade anwesenden Zirkus sind, ist der Vorgesetzte des Maresciallo großem Einsatz abgeneigt. Erst als auch ein einheimisches verwahrlostes Mädchen tot aufgefunden wird, arbeiten Santomauro, Pietro Gnarra und Manfredi Toto, sowie der arrogante Pathologie noch aktiver zusammen. Nachdem ein Mädchen aus ansässiger wohlhabender Familie ermordet aufgefunden wird, verhindert die Polizei mühsam Lynchjustiz an einem Unschuldigen; es gibt aber doch noch einige Tote bis die Polizei die Hintergründe und den Mörder stellen kann.

Die Geschichte ist großteils Santomauro mit seinen Aktionen und Gedanken begleitend geschrieben. Einige Kapitel sind dem teuflisch gutaussenden Jesuitenpater Lillo und dessen Probleme mit dem Schweigegelübde gewidmet, zwei anderen jungen Menschen aus der Gemeinde, oder anderen einsamen Menschen. Kursiv sind die Gefühle über den Angreifer der Mädchen gedruckt.

Maresciallo Santomauro lebt lieber getrennt von den anderen Polizisten am Strand und in der Einsamkeit. Die Beschreibungen des Lebens der anderen Polizisten, die gemeinsam mit den Familien in der Kaserne wohnen, wo der Klatsch blüht, sind unterhaltsam.

Die Menschen sind vielfältig. Maresciallo Santomauro ist ein sensibler Glatzkopf, dem bewußt ist daß die Recherchen nach einem Schuldigen viel lieber geheim gebliebenes bei Unschuldigen zutage befördert. Pietro Gnarra ist attraktiv und durchtrainiert, und bei den Damen sehr beliebt. Manfredi Toto ist mit einer schönen lebhaften Frau verheiratet, hat Kinder und ist sehr eifersüchtig.
Der Pathologe der Polizei ist als großer, grottenarroganter Mensch geschildert der hohe Privathonorare schreibt, dafür gratis den Dienst für die Gemeinde absolviert; dieser Charakter ist sehr brüchig geschildert.
Ebenso wie der neu hinzu gekommene gescheite attraktive Jesuitenpater, dem allerdings alle Schulung nicht aus seinem Problem heraushelfen können.
Im Dorf ist die Familie des Don Carmelo Morace sehr anerkannt. Don Carmelo ist ein Familientyrann, seine Tochter zurückhaltenst bis eisig, ihre Tochter ein temperamentvolles Mädchen, der Sohn des Hauses attraktiv, kreuzunglücklich und will abhauen.
Neben dieser Familie lebt die Famile Folchi, bei denen der Vater ruhig und liebevoll agiert, Tochter Carolina sich um ihre Eltern kümmert statt fertig studiert, die Mutter mit Augenkrankheit die sich im Krankenhaus wohler als draußen fühlt.
Zusätzlich sind ein Kinderpsychiater vor Ort, der seine Ehefrau betrogen hat und auf Abstand gehen muß, und die Zirkusleute, von denen der Chef Mustafa Parsi verantwortungsvoll und beschützend für seine Truppe agiert.

Ort der Handlung sind Badeorte im Cilento, das südlich von Neapel liegt und ein Naturschutzgebiet hat.
Die Namen und das Essen der Gegend sind mir neu. Der Vornamen Sbangiulieddu war mir bis dato ungekannt.

Der Roman ist zuerst eher ruhig. Es werden eher trocken die verschiedenen Handlungstränge und Unglücklichkeiten der Menschen des Dorfers geschildert. Am Schluß wird es sehr spannend.
Mitraten nach dem Mörder ist möglich, mir ist ist es allerdings nicht gelungen.

Die Stimmung ist dicht. Die seelischen Probleme, oft Einsamkeiten, der Menschen sind nachfühlbar geschildert. Mich haben die verschiedenen Menschen mit ihren Schicksalen in diesem Roman sehr angesprochen.

Viel Freude beim Lesen !

Diana Fiammetta Lama wurd am 15. Juli 1960 in Neapel geboren. Sie studiert Medizin und spezialisierte sich auf Herzchirurgie. Später ging sie wieder auf die Universität und studierte Literatur. 1995 erschien der erste Roman gemeinsam mit Vincenzo de Falco. Seit 2003 schreibt sie eigene Romane, von denen über dreißig erschienen sind. Ihre Romane sind in viele Sprachen übersetzt worden.