"EGO - Das Spiel des Lebens"
2013, Karl Blessing Verlag
9 Seiten Vorwort + 272 Seiten + 1 Seite Danksagung + 4 Seiten Appendix 'Entwicklungsgeschichte des künstlichen Agenten an den Börsen' + 32 Seiten Bibliographie + 19 Seiten Anmerkungen (zu den Fußnoten) + 3 Seiten Personenregister
ISBN 978-3-896-67427-2
Gleich vorneweg : das Buch ist anspruchsvoll und hat mich emotional aufgewühlt.
Die Theorie ist, daß uns Menschen unterstellt wird als 'homo öconomicus' als nur auf unsere Vorteile bedachter Mensch zu agieren, und da dies nicht wirklich gelingt, versucht man uns via Medien, soziale Netzwerke etc. dorthin zu gängeln.
Es wäre für Wirtschaftsmenschen und vermutlich auch Politiker viel einfacher wenn wir endlich der leicht lenkbare und vorhersagbare 'Mensch Version 2' wären.
Während früher die Menschen mechanische Puppen entwickelten oder sich Ideen wie Frankenstein entwickelten, wurden nach dem 2. Weltkrieg daran gearbeitet das "Spiel" der Wirtschaft zu optimieren. Oft wird RAND Corporation gebracht, eine amerikanische Denkfabrik, die eigentlich die Streitkräfte beraten hat, aber nach dem streichen des Etats ihre abstrakten Gedanken in andere Metiers einbracht. Es wird zitiert, daß John Nash hoffte, daß sich Menschen gewinnmaximierend verhielten, und enttäuscht war daß soziale Bande sich als wichtiger erwiesen.
Das Thema des Datenhungers und wie einfach Daten frei gegeben werden - manchmal mit manchmal ohne das Wissen, bzw oft mit Erzwingen von persönlichen Daten, da der Mensch (bewußt kein User) sonst nicht auf Websites weitersuchen darf - wird oft angesprochen.
Während es in Teil 1 um das Spiel an sich geht, geht es im Teil 2 mehr um den Menschen, und wie das Spiel ihn sich gefügig machen will. Hier geht es auch um Brüche mit Werten wenn zwar Loyalität, Treue und Bildung wichtig in der Gesellschaft wären, aber keinen (Mehr)-Wert besitzen, und damit Strukturen im sozialen Verbund zu bröckeln beginnen, und auch Vertrauen ein zerbröselnder Wert wird, und zurück auf die Gesellschaft fallen wird.
Nachdem das Buch vieles in Frage stellt ist der Ausklang leicht versöhnlich wenn der 1984 geborene Evgeny Morozow zitiert wird, daß wir nur die "Marionette" (des Spiels) zu töten brauchen.
Stilistisch tut das Buch so als wäre es einfach zu lesen, während die Information und Vernetzungen die an Grundwerte gehen langsam im kognitiven Untergrund zu brodeln anfangen.
Ich konnte meist nur 10 bis 15 Seiten lesen und mußte dann das Buch zumachen um das Gelesene setzen zu lassen und/oder ein intelligentes flexibles Gegenüber zu suchen um über das gerade Gelesene reden zu können.
Selbst als halbwegs gebildeter Mensch sind die vielen Verweise aus Politiker, Wissenschaftler, Menschen der Wirtschaft und Schriftsteller nicht immer einfach zu verknüpfen.
Die Art und Weise Angaben zu zitieren ohne dabei an Spannung zu verlieren, wünsche ich schon wegen der Akkuratesse mancher Doktorarbeit.
Leider ist das Buch 2013 erschienen, der Autor 2014 plötzlich verstorben. Wie wäre das Vorwort zu aktuellen Auflage dieses Autors im Herbst 2017 gewesen ? Wie hätte sich jetzt seine Meinung zu dem immer brennenderen Thema geändert oder verschärft ?
In Summe ein grandioses Buch, das aber auch aufwühlen kann. Viel viel Freude beim Lesen und Grübeln !
Frank Schirrmacher wurde am 5. September 1959 in Wiesbaden geboren. Er studierte Germanistik und Anglistik in Deutschland und Literatur und Philosophie in England. Seit 1994 zählte er zu den Herausgebern der "FAZ". Er gehörte zu den einflussreichsten deutschen Journalisten, und erntete als blitzgescheiter Querdenker entweder Fans oder Skeptiker. Er starb am 21. Juni 2014 an einem Herzinfarkt in Frankfurt am Main.