Mittwoch, 30. August 2017

Dörte Hansen : "Altes Land"

Dörte Hansen :
"Altes Land"
Roman
2015, Albrecht Kraus Verlag
5. Auflage 2017
281 Seiten
ISBN 978-3-328-10012-6

In diesem eindrücklichen Roman werden mehrere Frauengeschichten der Nachkriegszeits - Deutschlands bis heute geschildert. Chronologisch wären dies Ida Eckhof mit Sohn  Karl, Hildegard von Kamcke mit Tochter Vera Eckhoff später Marlene, und deren Tochter Anna mit Sohn Leon. Ort der Handlung ist hauptsächlich ein altes Fachwerkhaus im Norden Deutschlands, das die Frauen von lebenslang bis möglichst kurz beherbergt.

Hauptfigur ist Vera die als Flüchtlingskind in das Haus kommt, dort als Stiefkind von Karl lebt und ihn als Kriegsinvaliden umsorgt nachdem sich ihre Mutter mit einem anderen Mann abgesetzt hat. Ihre Nichte Anna kommt als Hilfesuchende zu ihr (gemeinsam mit dem Sohn) und gemeinsam beginnen die beiden das Haus wieder zu umsorgen. Dazwischen muß sie sich behaupten und kämpfen, wird von den meisten im Dorf abgelehnt, überlebt aber als anerkannte Zahnärztin.
Ihre Mutter Hildegard war als Flüchtling mit Vera gestrandet, hat niemals Stolz oder Ziele vergessen, heiratete zuerst Karl, zog mit einem anderen nebulos bleibenden Mann weg, brachte Marlene und Thomas auf die Welt und blieb fern. Sie wird stolz, aber singend beschrieben.
Ida in deren Haus die 2 Flüchtlinge kamen war eine eher mitleidlose Frau, die sich von den Folgen des Krieges nicht erholte.
Marlene die zweite Tochter von Hildegard wird als überbetuliche Mutter geschildert die zuerst musikalische Wunderkind Anna fördert, dann fallen läßt zugunsten des wirklichen musikalischen Wunderkindes Thomas. Spät beginnt sie das Leben ihrer Mutter Hildegard nachzuforschen, aus dem sie immer ausgeklammert gewesen war.
Anna muß sich nach dem Scheitern als Wunderkind behaupten, lernt tischlern, zieht in die Stadt bekommt ein Kind, wird vom Vater des Kindes einem Romanzenschriftsteller verlassen und baut sich bei ihrer Tante am Land wieder ein Leben auf.

Unter die Haut gehen die kurzen Sequenzen in denen Sterben nach dem Krieg beschrieben wird: einmal die Menschen die sich erhängen oder die Babys die im Kinderwagen erfrieren und einfach stehen gelassen werden.

Nebenelemente ist Dirk vom Felde, ein bodenständiger Bauer mit fröhlicher Frau, Kindern, Hunden, und Traktoren. Als Gegenelement ist Burkhard Weißwerth geschildert : ein Städter den es ins so idyllische Landleben verschlägt, hier einen Bestseller über das Landleben schreibt, aber letztendlich doch merkt, daß was er unter Landleben versteht mit dem wirklichen Landleben wenig zu tun hat und wenig Idylle birgt.

Auch das Kindergartenleben in der Stadt ist anders als am Land wie Leon und seine Mutter merken (müssen) - und auch die Kindergartenleiterin.

Die Schilderungen von Menschen gingen mir unter die Haut. Vor allem Vera mit ihrer Sprödigkeit und Geradlinigkeit hat mich fasziniert; selbst daß sie nur im Sitzen schlafen kann weil sie Angst vor dem Haus hat ist spürbar. Die Menschen machen im Sinnen von bewegen einiges - diese Bewegungen waren gut vorstellbar. Das Buch schildert mehr die Frauen , aber auch der Nachbar von Vera wird mit seinen Veränderungen und seinem Leben - alle drei Söhne gehen vom Bauernhof weg - erzählt.

Hintergrund sind die Nachkriegszeit und dann ist Wiederaufbau spürbar; auch die aktuelle Suche nach Ruhe und sogenannter Idylle ist vorhanden, inkl. Scheitern.

In Summe ein großartiges Buch, das ich genossen habe zu Lesen. Viel Freude auch anderen Leserinnen und Lesern !

Dörte Hansen wurde in Husum (Kreisstadt des in Nordfriesland in Schleswig-Holstein) geboren . Daheim lernte sie zuerst Plattdeutsch, ehe sie in der Schule Schriftdeutsch lernte. Sie ist eine deutsche Linguistin (Linguistik, Anglistik, Romanistik und Frisistik an der Universität Kiel), Journalistin  (NDR, WDR, etc) und Autorin. Sie lebte in Steinkirchen (Niedersachsen) und jetzt wieder in Husum.

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