Dienstag, 19. April 2011

Elfriede Jelinek : „Winterreise“


Elfriede Jelinek :
„Winterreise“
Untertitel auf der Innenseite ‚Ein Theaterstück’
2011, Rowohlt Verlag
127 Seiten
ISBN 978-3-498-03236-4

Der Gusto nach Jahren wieder einmal den Einsatz von Sprache von Elfriede Jelinek zu erleben bzw. darin zu versinken ließ mich nach dem Buch greifen. Vorneweg : ich wurde nicht enttäuscht, sondern habe das Buch (das ich nicht als Theaterstück, sondern als Prosa gelesen habe) sehr genossen.

In acht Kapiteln, die unterschiedlich lang sind, nimmt die Autorin und Sprachspielerin Themen auf, die uns alle – manche mehr in Österreich – manche auch im sonstigen Europa bewegen.

Die nach außen hin griffigen Themen sind die Art und Weise wie die Öffentlichkeit mit dem Menschen Natascha Kampusch umgeht, weiters eine zynische Abrechnung über die Machenschaften der Hypo Adria, und einige Betrachtungen zum (Un-)Wesen Vernetzung bis zu sozialen Netzwerken die keine Informationslöschung mehr zulassen und in denen der Wunsch nach Liebe zugrunde gemacht wird. In dem für mich stärksten Kapitel versucht sie sich in die Welt eines geistig abbauenden Menschen zu versetzen und annahmeweise (denn ob es von innen so ist wissen wir nicht) den Verlust von Merken und damit den Verlust von Menschen und Zuwendung schildert.
Daß autobiographische Teile wie die dominierende und vermutlich übergroße Liebe der Mutter aber auch die Alzheimer Krankheit des Vaters eingebaut sind, ist für mich legitim.

Sonst geht es viel um Zeit – Zeit als etwas das Vorbei ist, Zeit in der Öffentlichkeit in der immer kurzweiligere Informationen gebracht werden soll(t)en, Zeit in Netzwerken bzw. Zeitlosigkeit (weil sich Daten nicht mehr löschen lassen), der laut dröhnende Tourismus der Zeitwahrnehmung bremst, Zeit die das Jetzt sein möchte und sich kürzestfristig als sich auflösende Träne manifestiert.

Wieso Winterreise ? weil Frau Jelinek, offenbar Schubartfan, in dem Kapitel über den Merkverlust das verstärkte nicht-mehr-merken von (Ver)Weiser(n) anmerkt, und die „Verweiser“ aus Schuberts/Müllers „Winterreise“ zitiert. Auch andere Zeilen aus der „Winterreise“ werden behutsam in die Texte gestreut.

Ich habe die Texte und die Art und Weise wie die österreichische Nobelpreisträgerin für Literatur mit Sprache oder Sprachbildern umgeht mit Konzentration, aber doch sehr genossen. Viel Vergnügen beim Hineintauchen in diese Sprachwelt.

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