Samstag, 30. April 2011

Sabine M. Gruber : „Kurzparkzone“

Sabine M. Gruber :
„Kurzparkzone“
Erzählungen
2010, Picus Verlag
208 Seiten
ISBN 978-3-85452-666-7

12 Erzählungen über 12 Frauen in Wien, die an einem Tag in der Zeit in denen ein Kurzparkschein läuft oder auch nicht die unterschiedlichsten Begegnungen oder auch Nicht-Begegnungen haben.

Gleichbleibend sind daß es heiß ist und daß die Frauen alle irgendwo ein Auto stehen haben, mit kurzem Gratisparkschein, oder Parkschein der gültig oder bereits abgelaufen ist. Ein grantiger Trafikant erhält in einer der Geschichten seine Beachtung.

Die 12 Frauen sind unterschiedlichen Alters, haben unterschiedlichen Hintergrund, unterschiedliche Erwartungen an die Zeit und haben die unterschiedlichsten Zusammenkünfte. Manche Zusammentreffen machen Freude, manche Spaß, manche Erzählungen stimmen traurig.

Besonders gut gefiel mir die Geschichte der Schriftstellerin, unter die Haut gingen mir die Geschichten als Mutter und Tochter die verweste Leichte des Sohnes/Bruders auffanden und die Geschichte der Pensionistin deren ‚blinde date’ sie versetzt hatte und schön fand ich die letzte Geschichte in der eigentlich das Ende einer Beziehung geplant war, dann ein bezaubernder Abend geschildert wird und die beiden doch zusammen bleiben.

Die Szenerien sind leicht skizziert und mühelos setzt sich das Bühnenbild vor dem geistigen Auge zusammen. Die Frauen sind liebevoll, aber genau fast mit Aquarellpinsel gezeichnet, und gut vorstellbar wie sie sich im Café, im Park, am Bahnhof, im Lokal, in einer Wohnung, in einem Büro, etc. bewegen. Die anderen Menschen bleiben für mich eher im Hintergrund und ungenauer beschrieben.

Alle 12 Geschichten sind lesenswert. Ein gutes Buch um es im Caféhaus, oder im Park oder z.B. am Strand lesend zu genießen.

Sonntag, 24. April 2011

M.K.Wren : "Medusa Pool"

M.K.Wren :
"Medusa Pool"
1999, St. Martin's Press, New York
original "Neely Jones : The Medusa Pool"
aus dem Englischen von Annette Blum
2001, Unionsverlag Zürich
283 Seiten
ISBN 3-293-20211-X

Eine spannende Geschichte aus dem Unionsverlag, dessen Bücher mich immer wieder in den Bann ziehen.

Neely Jones, wird als erste schwarze Frau überraschend zum Sheriff gewählt - und das in Oregon. Ihr Freund, ein Meeresbiologe und Japaner, kurz darauf später in einem Pool aus Medusa Quallen tot schwimmend gefunden. Parallel taucht ein Agent auf, der sie informiert, daß ein Drogenboß unter falschem Namen im Ort ist und er versucht ihn endlich in flagranti zu erwischen. Und sie findet ein dickes Kuvert mit Geld unter einer der Laden ihres Vorgängers.
Am Ende finden alle diese Stränge in einem Showdown im Regen zueinander, einige Säulen der Gesellschaft werden der Ungesetzlichkeiten überführt, die Drogenleute endlich erwischt und zumindest bei einigen Menschen hat sich Sheriff Jones behauptet.
Rassismus ist das permanente Thema - egal ob innerhalb der Polizei oder in der Gesellschaft mit Skinheads.

Die Personen sind klar geschildert, auch wenn alles aus der Warte von Sherrif Jones beschrieben wird. Die Szenerien sind nicht so klar erkennbar, der Focus liegt auf den Menschen und deren (nicht) miteinander. Die Sprache führt rasch und manchmal mit pointierten coolen Vergleichen durch die Handlungs- und Seitendtränge. Tröstlich die Nähe des Meeres und dessen Ruhe.

Die Geschichte ist spannend, und an einem verregnete Sonn- oder Feiertag schön auslesbar. Viel Vergnügen

Samstag, 23. April 2011

Alexander Trocchi : "Wasserläufe"

Alexander Trocchi :
"Wasserläufe"
1954 erster Entwurf
mehrere Fassungen - 1957 "Young Adam"
Nachwort 1996 John Pringle
aus dem Englischen übersetzt von Ulrike Beck und Marie Rahn
1997, Ullstein Verlag Berlin
164 Seiten
9 Seiten Nachwort
ISBN 3-548-24226-X

Ein starke Geschiche mit einer eigenartigen Eindringlichkeit.
Fischer finden eine Frauenleiche in einem Fluß, die Polizei kommt und Mord wird vermutet. Die Fischer sind Leslie und sein Helfer Joe, der die Geschichte in Ich-Form erzählt. Joe beginnt eine Affäre mit der Frau von Leslie, als Leslie dahinterkommt verläßt er das Boot. Ein Installateur wird des Mordes an der Frau - Cathy - verdächtigt, Joe beobachtet den Prozess.

Mitte des Buches kippt die Geschichte und Joe erzählt wie die Frau bei einem Unfall ums Leben gekommen war. Ab hier ist das Geschehen auf Joe, sein Leben und seine Sichtweise konzentriert. Seine Wahrnehmung der Frauen wird geschildert, das Sehen, das Berühren, die Affäre mit Leslies Frau Ella, der Versuch mit deren Schwester und Rückblenden auf die Zeit mit Cathy.

In langen Passagen wird das Leben dreier Menschen auf einem Boot erzählt, das tägliche Leben, die Einöde beim Betrachten des Lebens neben dem Fluß und erfüllte und unerfüllte Sexualität.

Ich habe das Buch in 2 Tagen ausgelesen, weil mich die Spannung in der Geschichte gehalten hat.

Dienstag, 19. April 2011

Elfriede Jelinek : „Winterreise“


Elfriede Jelinek :
„Winterreise“
Untertitel auf der Innenseite ‚Ein Theaterstück’
2011, Rowohlt Verlag
127 Seiten
ISBN 978-3-498-03236-4

Der Gusto nach Jahren wieder einmal den Einsatz von Sprache von Elfriede Jelinek zu erleben bzw. darin zu versinken ließ mich nach dem Buch greifen. Vorneweg : ich wurde nicht enttäuscht, sondern habe das Buch (das ich nicht als Theaterstück, sondern als Prosa gelesen habe) sehr genossen.

In acht Kapiteln, die unterschiedlich lang sind, nimmt die Autorin und Sprachspielerin Themen auf, die uns alle – manche mehr in Österreich – manche auch im sonstigen Europa bewegen.

Die nach außen hin griffigen Themen sind die Art und Weise wie die Öffentlichkeit mit dem Menschen Natascha Kampusch umgeht, weiters eine zynische Abrechnung über die Machenschaften der Hypo Adria, und einige Betrachtungen zum (Un-)Wesen Vernetzung bis zu sozialen Netzwerken die keine Informationslöschung mehr zulassen und in denen der Wunsch nach Liebe zugrunde gemacht wird. In dem für mich stärksten Kapitel versucht sie sich in die Welt eines geistig abbauenden Menschen zu versetzen und annahmeweise (denn ob es von innen so ist wissen wir nicht) den Verlust von Merken und damit den Verlust von Menschen und Zuwendung schildert.
Daß autobiographische Teile wie die dominierende und vermutlich übergroße Liebe der Mutter aber auch die Alzheimer Krankheit des Vaters eingebaut sind, ist für mich legitim.

Sonst geht es viel um Zeit – Zeit als etwas das Vorbei ist, Zeit in der Öffentlichkeit in der immer kurzweiligere Informationen gebracht werden soll(t)en, Zeit in Netzwerken bzw. Zeitlosigkeit (weil sich Daten nicht mehr löschen lassen), der laut dröhnende Tourismus der Zeitwahrnehmung bremst, Zeit die das Jetzt sein möchte und sich kürzestfristig als sich auflösende Träne manifestiert.

Wieso Winterreise ? weil Frau Jelinek, offenbar Schubartfan, in dem Kapitel über den Merkverlust das verstärkte nicht-mehr-merken von (Ver)Weiser(n) anmerkt, und die „Verweiser“ aus Schuberts/Müllers „Winterreise“ zitiert. Auch andere Zeilen aus der „Winterreise“ werden behutsam in die Texte gestreut.

Ich habe die Texte und die Art und Weise wie die österreichische Nobelpreisträgerin für Literatur mit Sprache oder Sprachbildern umgeht mit Konzentration, aber doch sehr genossen. Viel Vergnügen beim Hineintauchen in diese Sprachwelt.

Mittwoch, 6. April 2011

Ian Ranking : "Verborgene Muster"

Ian Ranking :
"Verborgene Muster"
Ein Inspector-Rebus-Roman
original "Knots and Crosses"
1987, The Bodley Head, London
aus dem Englischen von Ellen Schlootz
2005 neuveröffentlicht bei Goldmann Verlag
224 Seiten
ISBN 3-442-05523-7

Inspector John Rebus, ehemaliger SAS Soldat, und jetzt Inspector in Edinburgh, das durch mehrere grausam ermordete Mädchen am Rande der Panik ist, erhält eigenartige Briefe, und löst am Ende durch die Hypnosehilfe seines Bruders die Serienmorde.

Erdrosselte Mädchenleichen werden in Edinburgh gefunden. Es gibt keine Zusammenhänge. John Rebus, unbeliebt bei der Polizei, weil er nach dem Militär zur Polizei ging, der zuviel trinkt, eine geschiedene Ehe und damit nur Besuchszeiten für die gemeinsame Tochter hat, wird in einer Gruppe auf die Serienmorde angesetzt.
Daß die eigenartigen Briefe, die ihm unter die Wohnungstüre durchgeschoben werden, etwas mit den Morden zu tun haben könnten, entdeckt erst die Polizeipressechefin, mit der den Inspector aufkommende Gefühle verbindet.
Als dann der Geliebte seiner Ex-Frau ermordet wird und seine Tochter entführt wird, wird es spannend.

Edinburgh wird als schmuddelige Stadt, mit Gasserln, Beisln, Alkoholikern, zahnlosen abgestumpften Gestalten geschildert; man sucht vergeblich etwas Liebevolles oder Nettes im Umgang miteinander - außer den aufkeimenden Gefühlen zwischen Inspector und Pressechefin.
Die Polizeiarbeit wird als Administration, Einöde und Durchführung der internen Hackordnung ohne Zusammenhalt beschrieben.
Fast als Gegengewicht wird Jim Stevens, ein nikotinsüchtiger Journalist beschrieben, für den Hierarchien nicht existieren, der nur seiner journalistischen Nase vertraut.

Erschreckend intensiv ist das Kapitel in dem John mittels Hypnose in seine Militär-Trainings-Vergangenheit geführt wird. Mitleidslos wird beschrieben wie Menschen die Würde, die Integrität, die Persönlichkeit abtrainiert werden um im Ernstfall niemanden zu verraten. Leise wird hier der Sinn dieser Trainingsnotwendigkeit hinterfragt.

Das Buch, der Roman, der Krimi sind gut geschrieben. Die triste Geschichte, die graue Umgebung, die tw. freudlosen Menschen lassen nicht los und das Buch möchte rasch ausgelesen werden. Viel Lesenvergnügen !