Dienstag, 26. Mai 2020

Jan Seghers : "Ein allzu schönes Mädchen"

Jan Seghers :
"Ein allzu schönes Mädchen"
Kriminalroman
2004, Rowohlt Taschenbuch Verlag
728 Seiten + 3 Seiten Epilog
ISBN 978-3-499-33278-4

Das titelgebende 'allzu schöne Mädchen' wird als wunderschöne junge Frau geschildert, die schöne rote Haare hat, ein bezauberndes Gesicht, schöne Figur und viel Ausstrahlung. Leider macht diese Kombination nur Probleme - vorallem bei und mit Männern.
Kommissar Robert Marthaler in Frankfurt ist auf der Suche nach einem Mörder, einigen verschwundenen Männern und reist auch ins Elsaß um Licht in einen alten Unfall und eine bigotte Familie zu bringen.
Ein junger ermordeter Mann wird gefunden, später ein weiterer, dann ein Mann in einem Hotel, was keine Klarheit bringt. Auch ein Szuzid bringen die Polizei auf der Recherche nicht weiter. Erst spät wird die junge schöne Frau gefunden, die sich nicht artikuliert; durch Gesten werden mißbräuchliche Übergriffe klar.

Die Menschen sind nachvollziehbar geschildert. Marthaler der seiner verstorbenen idealen Ehefrau nachtrauert, und dann doch die Tür zu einer neuen Frau aufmacht. Er kämpft sich auf dem Fahrrad durch den Hochsommer in Frankfurt, alte Daten, weite Strecken und gegen seine Furcht sein Interesse an einer Frau zu zeigen. Letztendlich gelingt doch alles.
  
Im Team um Marthaler sind die energische Assistentin Elvira, ein junger Mitarbeiter Manfred Petersen, Laborleiter Carlos Sabato (Katzenfan), Kerstin Henschel, eine junge engagierte Polizistin. Einige zusätzliche Polizisten sind sympathisch, manche nicht gut für den Ruf der Polizei.

Der Roman erzählt einerseits was die schöne Frau, Manon, macht, begleitet andererseits die Gedanken Zweifel und Überlegungen des Kommissars. Manon merkt nicht welchen Aufruhr sie bei Männern verursacht und erschrickt über zu viel plötzliche Nähe. Auch Marthaller schätzt die geistige und körperliche Distanz zu Menschen.

Der Roman zieht manchmal in den Bann, manchmal ist mir die Geschichte zu langatmig und ich wünschte mehr Inhalt. Die Szenen in Park zwischen Polizei und Presse sind beängstigend, weil der Wunsch eine Situation zu deeskalieren und Druck der Presse nach Information hier nicht zu vereinen sind.

Der Großdruck ist angenehm mit den großen Buchstaben, die gemütlich auch bei nicht idealem Licht zu lesen sind !

In Summe ein nicht uninteressanter Roman, der durchaus zu empfehlen ist.

Matthias Altenburg wurden 1958 in Fulda geboren. Er studierte Kunstgeschichte und Literaturwissenschaft, war Lektor und entwickelte sich als Schriftsteller, der auch unter seinem eigenen Namen veröffentlicht.
Unter dem Pseudonym Jan Seghers schreibt er Kriminalromane mit Kommissar Rober Marthaler als Hauptperson. 2007 erschien der erste Roman mit dem Titel "Die Braut im Schnee".

Freitag, 22. Mai 2020

Albert Sánchez Pinol : "Der Untergang Barcelonas"

Albert Sánchez Pinol :
"Der Untergang Barcelonas"
Roman
original "VICTUS. Barcelona 1714"
2012, Edicions La Campana, Barcelona
Aus dem Spanischen von Susanne Lange
2016, Fischer Verlag Frankfurt - Taschbuchausgabe
695 Seiten + 2 Seiten Vorbemerkung + 4 Seiten Chronologie des spanischen Erbfolgekrieges + 11 Seiten Verzeichnis der Personen
ISBN 978-3-596-19773-6

Der Autor führt uns anhand der halbfiktiven Gestalt des Martí Zuviria durch die zweite Hälfte des spanischen Erbfolgekrieges Anfang des 18. Jahrhunderts, und auch die Unverträglichkeit zwischen Katalanen und Kastillanen. Martí Zuviria, kurz Zuvi genannt, wird in Frankreich von einem der Großen der Baumeister der Stadtmauern, Sebastian Vauban, in die Ingenieurskunst eingeführt. Nach dessen Tod beteiligt sich Zuvi zuerst auf der Seite der Franzosen und Spanier, dann auf Seite der Österreicher und Katalanen, und am Schluß an der Verteidigung Barcelonas gegen alle. Der Autor nutzt eine fiktive Gefangennahme um das Geschehen der Franzosen-Spanier beschreiben zu können, bis Barcelona fällt.

Das Buch ist in drei große Kapitel unterteilt.
In "Veni" ist Zuvi der unbeherrschte versoffene Jugendliche, der nur Unsinn und Frauen im Kopf hat, der aber Schloß Bazoches das Beobachten, das Denken, und Planen lernt.
In "Vedi" zieht er mit den Heeren durch Spanien, lernt Herzog Beswick, Don Antonio Villaroel, Rafael Casanova, Miliquet Ballester und andere großherzige und letztklassige Menschen auf dem Schachbrett des aktuellen Krieges kennen. Auch die privat für ihn wichtigen Menschen treffen in diesem Kapitel zusammen. Allerdings bleibt er unbeherrscht und versoffen.
In "Victus" geht es um die letzten 14 Monate bis Barcelona fällt, in der die Verzweiflung, die Sturheit der Menschen aber auch die arrogante Dummheit der regierenden Oberschicht mit viel Leidenschaft beschrieben wird.

Der Roman ist dicht, emotional, und packend geschrieben. Obwohl ich Kriegsbeschreibungen nicht mag, haben mich die Schilderungen der Kriegs-Ingenieurskunst, die verschiedenen Ansätze des Schlachten führens, und die Probleme zwischen Militär und Fehleinschätzungen von Politik, fasziniert.
Die Sympathie liegt bei den Katalanen, die damals bereits 200 Jahre von den Kastillern ungerecht behandelt wurden; es gibt zu große Unterschiede zwischen den Werten, der Art des Lebens um hier ein schönes Zusammen zu finden. Der Fall Barcelonas am 11. September 1714 hat weitere Ungerechtigkeiten als Folge. Mir war nicht klar gewesen, daß die aktuelle Unabhängigkeitsbewegung der Katalanen (2019/2020) eigentlich jahrhundertealte Wurzeln hat.

Es gibt deftige, erotische Beschreibungen, auch die Kriegswirren und Kollaterralschäden herum sind handfest beschrieben.

Die Menschen in dem Roman werden mit starken Beschreibungen entweder sympathisch - unsympathisch, fähig - unfähig, charismatisch - uninteressant, loyal - illoyal - situationselastisch oder mit starken Vorlieben und Vorurteilen beschrieben.
Die Liebe, Frauen, eine wichtige Frau (Amelis), Kindersatz in Form eines verwahrlosten Buben (Anfan) und eines Zwerges (Nan) bilden die emotionale Familie die Zuvi eine Art von Rückhalt gibt.

Humor blitzt auf wenn besonders einfältige Adelige beschrieben werden, unfähige Oberste oder die fiktive Gestalt, der das Buch diktiert wird.

Als roter Faden zieht sich die Suche Zuvi-s nach dem sogenannten "Mystere" durch das Buch. Es geht bei diesem Geheimnis um eine zugrundeliegenden Wert der Kriegs-Ingenieurskunst, von dem Zuvis Lehrer immer wieder sprechen, und das Zuvi erst ganz am Schluß entschlüsselt.
Spannend ist die Anerkennung und Rivalität der Kriegsingenieure untereinander. Tätowierungen zeigen den Rang an, der Anerkennung erzeugt, aber auch Neid.

In dem Buch sind auch Abbildungen von Barcelona und dem Kriegsgeschehen untergebracht, die helfen das Geschehen zu verstehen.

In Summe ein starkes, großartiges Buch, das ist gerne weiterempfehle !

Albert Sánchez Piñol wurde am 11 Juli 1965 in Barcelona geboren. Er begann Jus zu studierte, beendet dann aber sein Studium der Anthropologie. Er schreibt meist auf katalanisch, das oben genannte Buch ist bis jetzt das einzige, das er auf spanisch geschrieben hat. 2000 erschien sein erstes Buch 'Compagnie difficili'. Mit 'La pell freda', auf dt. "Rausch der Stille" kam 2002 sein Druchbruch (ich habe das Buch am 31. Mai 2012 in den Blogg gehängt).