Freitag, 29. Dezember 2017

Ross Macdonald : "Unterwegs im Leichenwagen"

Ross Macdonald :
"Unterwegs im Leichenwagen"
Roman
original "The Zebra-Striped Hearse"
1962, Alfred A. Knopf New York
Neuübersetzung aus dem Amerikanischen von Karsten Singelmann
2017, Diogenes Verlag Zürich
402 Seiten + 6 Seiten Nachwort von Donna Leon
ISBN 978-3-527-3052-9

Der Krimi beginnt fast klassisch: reicher Colonel ersucht Privatdetektiv Lew Archer den neuen Freund der Tochter zu hinterfragen weil er vermutet, daß dieser nur hinter dem Familiengeld her ist. Archer besucht den jungen attraktiven Mann, der sich nur seinem Malen widmet. Dann bekommt die Geschichte Tempo, denn nach Familienkrach fährt das junge Paar weg. Archer sucht sie in Mexiko, entdeckte einige Leichen und ältere Morde, redet mit der echten Mutter der jungen reichen Frau, der neuen sympathischen Frau des Colonel, einer ex-freundin des Malers, und weiteren Menschen. Die Geschichte windet sich zwischen mexikanischen Dörfer, armen Spelunken, eleganten Badehäusern und teuren Villen, bis erst auf der vorvorletzen Seite einige alte Morde und ein Selbstmord aufgeklärt werden.

Die Geschichte wird spannend erzählt. Lew Archer erzählt die Handlung und Dialoge aus seiner Ich-sicht und seinen Eindrücken der Menschen, Einrichtungen und Örtlichkeiten aus seiner Sicht.

Die Menschen sind anschaulich geschildert in ihrer Art zu sprechen, sich anzuziehen und zu bewegen. Die Beobachtungen sind eher sachlich und weniger wertend. Sympathie oder anthipathie fließen in die Schilderungen ein. Während der cholerische, tyrannische Colonel fast sofort Anthipathie auslöst, ist seine zweite Frau Isobel die versucht fair und liebevoll zu bleiben als sehr sympathisch spürbar. Tochter Harriet ist leider nur reich, groß und eher ungelenk. Der künstlerisch talentierte Bruce Damian/Campion sieht gut aus, was er manchmal weiß, aber er lebt lieber seine künstlerischen Ambitionen. Das Schicksal der mollig-süßen Dolly die ein Kind geboren hat, aber ermordet wurde und auch der Mord an Ralph Simpson wird geklärt.

Während sofort berechnet wird, daß ein Künstler eine reiche Erbin nur wegen ihres Geldes interessant findet, kommt erst spät auf, daß ein gestandener Mann an kindlichen Frauen Gefallen findet, und hier eine Kette von Ereignissen auslöst.

Der englische Original Titel bezieht sich auf einen mit Streifen angemalten Leichenwagen, in dem junge Surf-wütige Leute den schönen Wellen die Küste entlang fahren und Archer immer wieder begegnen. Ein wichtiges Beweismittel fischen sie aus dem Meer.

Die Beschreibungen sind bildhaft. Die Atmosphäre sowohl im snobistischen Bereich als auch in der armseligen mexikansichen Stadt mit originellen Figuren ist spürbar.

Ich habe diesen Kriminalroman sehr genossen  ! Viel Freude beim Lesen !

Ross Macdold wurde am 13. Dezember 1915 unter dem Namen Kenneth Millar in Los Gatos (Kalifornien) geboren. Er wuchs in Ontario auf, studierte in Michigan, wo er war Dozent war, bevor er mit dem Schreiben von Kriminalromanen begann. 1946 erstand der Privatdetektiv 'Lew Archer' in einer Kurzgeschichte. 1949 erschien der erste Roman. Er starb am 11. Juli 1983 in Kalifornien.

Mittwoch, 27. Dezember 2017

Eskil Engdal, Kjetil Saeter : "Fischmafia"

Eskil Engdal, Kjetil Saeter :
"Fischmafia" - Die Jagd nach den skrupellosen Geschäftemachern auf unseren Weltmeeren
original "Jakten pâ Thunder"
2017, Forlaget Vigmostad & Bjorke AS
Aus dem Norwegischen von Lothar Schneider
2017 Campus Verlag Frankfurt / New York
306 Seiten Text + 16 Seiten bunte Photos mitten im Buch + 3 Seiten Dank + 21 Seiten Anmerkungen
Hardcover und Lesebändchen
ISBN 978-3-593-50671-5

Fast 200 Seiten geht es um die Verfolgung der "Thunder" unter Kapitän Gataldo durch das Schiff der 'Sea Shepherd' durch die "Rob Barker" unter Kapitän Peter Hammerstadt. Hintergrund ist der Verdacht, daß Schiffbesatzungen illegal schwarzer Antarktisdorsch (genannt das "weiße Gold") aus den Tiefen von 600 Meter entlang des Südpoles fischen, konservieren und an einem Hafen meist in Asien oder Afrika illegal an Land bringen. Von dort wird der hochbezahlte fein schmeckende Fisch für hohe Preise weltweit weiterverkauft.
Ziel ist es eines der Schiffe auf frischer Tat zu erwischen und alles zu belegen und damit an die Hintermänner und Drahzieher zu gelangen.

Am 17 Dezember wird die "Thunder" erstmals von der Brücker der "Rob Barker" gesehen. 110 Tage später geht die "Thunder", nachdem Wasser über Lucken hereingelassen wurde, um 12h52 ziemlich spektakulär zwischen nahe San Tome vor Äquatorial-Guinea unter - und sinkt auf 3.800 Meter Tiefe ab. Die Mannschaft wird über Rettungsinsel auf zwei Schiffe der 'Sea Shepherd' gerettet und interviewt, vor Gericht gestellt, verurteilt und dann über Hintertüren heimwärts geschafft.

Auf vielen Seiten wird das Hintereinanderherfahren und Manövrieren der beiden Schiffe inkl. Kommunikation beschrieben.
Während am Schiff der 'Sea Sheperd' lauter Freiwillige und Begeisterte an einem Strang ziehen, ist auf dem berufsmäßigen Fischereischiff eine indonesische Mannschaft für die niedrigen Dienste und Spanier sowie Lateinamerikaner an den entscheidenden Positionen nach Willen der Auftraggeber angestellt.
Emotional faszinierend bleibt für mich als Leser, daß zwei doch kleine Schiffe über diese riesige Wasserfläche einen Wettkampf führen; es wird über brüllende Breitengrade, Zyklone, 20 Meter hohe Wellen und sonst Unwetter berichtet.

Parallel zur "Thunder" hat die 'Sea Shepherd' weitere fünf Schiffe als Jagdziele auserkoren, da auch sie zur illegalen Jagd auf Schwarzen Seehecht im Südpol eingesetzt werden. Im Buch werden immer wieder die "Yongding" sowie "Kunlun" genannt; später auch die "Viking".
Das Schiff "Tiantai" geht nahe dem Eisrand unter - die Mannschaft konnte sich vorher noch auf ein Nachbarschiff retten. (In den Medien war damals mehr von der Suche nach dem vermißten Flugzeug der Malaysia Airlines 2014 zu lesen)
Mühsam zu verfolgen, sind die vielen unterschiedlichen Namen, die Schiffe im Rahmen ihres Schifflebens haben. Nur die IMO-Nummer bleibt, sonst bekommen die Schiffe, die illegal eingesetzt werden, manchmal sehr plötzlich neue Namen, und neue Flaggen unter deren Staaten sie angeblich angemeldet sind.

Weiteres Schiff der Sea Shepard ist die "Sam Simon" unter dem Kapitän Sid Chakravarty.
Faszinierend ist die Besessenheit mit der die Leute der 'Sea Shepherd' unterwegs sind; für einige war 'Greenpeace' nicht extrem genug.

Die Geschichte Nigerias ab den 80-er Jahren mit wechselnden Präsidenten, aber gleichbleibender Brutalität wird erzählt. Ähnlich liest sich die Geschichte Äquatorial-Guineas in und nach den 80-er Jahren als das Meer sogar als Feind angesehen wurde. Auch die Geschichte der Insel San Tome mit möglichem Kakaoanbau und dann fast komplettem Abbau von legaler Arbeitsmöglichkeit liest sich interessant bis erschreckend.

Das Gegenteil ist Ribeira in Departement Galicien (Spanien nahe Portugal / am Atlantik). Hier wohnen einerseits arme arbeitssame Fischer, aber es gibt auch bestens geschützte, bestens ausgestattete Villen für einige Mitglieder einer reich gewordenen Familie. Einige der Beteiligten werden/wurden vor Gericht gestellt, manche verurteilt. Viele der Kapitäne und Maschinisten der illegalen Schiffe haben kaum mehr Chancen eine Heuer zu erhalten.

Die Karten im Buchinnendeckel zeigen zwar die Fahrt der beiden Schiffe zwischen Antarktis und Versenkpunkt der Thunder, aber die vielen Feinheiten auf der Verfolgungsfahrt fehlen.
Karten auf denen z.B. die Banzare-bank eingezeichnet ist fehlen, genauso wie die Breitengrade die gerade mit ihren maritimen Herausforderungen an die Schiffe wichtig ist.

Der Inhalt des Buches in hochinteressant und spannend. Allerdings ist mir die Sprache zu einfach, und erinnert mich stilistisch an die Schulaufsätze eines 15-jährigen, was mir zum Lesen wenig Freude macht.

Auch hat mich irritiert daß das Schiff als böse und illegal Fische jagend oder Hacken auf dem Meer schlagend erzählt wird, als ob das Schiff selbst böse wäre und abstrakt selbstständig einen Weg wählt, statt von Entscheidungen auf der Offiziersbrücke zu schreiben. Warum die "Viking" explodiert, also zerstört werden mußte war mir nicht nachvollziehbar.

In Summe aber ein hochinteressantes Buch über ein wichtiges Thema wenn wir uns unsere Erde ansehen.

Über die Journalisten/Autoren Eskil Engdal und Kjetil Saeter habe ich leider keine autobiographischen Daten im Internet gefunden.
Übersetzer Lothar Schneider wurde 1946 geboren und hat Skandinavistik, Geschichte und Philosophie studiert und besonderes Naheverhältnis zu Norwegen.


Samstag, 16. Dezember 2017

Ernst Solér : "Staub im Paradies"

Ernst Solér :
"Staub im Paradies"
2009, Grafiti Verlag
203 Seiten + 1 Seite Erklärung und Danke + 2 Seiten Glossar (gemischt schweizerische und tamilische Ausdrücke)
ISBN 978-3-89425-357-8

In diesem großartigen Kriminalroman werden in zwei Strängen Morde einmal in der Schweiz, einmal in Sri Lanka erzählt. Der schweizerische Kriminalkommissar Staub besucht mit seiner Familie die Tochter aus einer früheren Beziehung. Mitten in den Bergen wird ein Malariaforscher, ein Kollege der Tochter, erschossen. Währenddessen wird in der Schweiz die übrige Truppe von Staub mit einem ermordeten Tamilen konfrontiert.
Staub holt einige Informationen aus der Schweiz für quasi seinen Mord, und hilft den Mord seiner Gruppe aufzulösen.
Mordursache sind der (Bürger-)Krieg zwischen Tamilen und Singhalesen, der wie ein scharfes Schwert über den Menschen hängt, und Intrigen.

Eine kleine Liebesgeschichte bahnt sich zwischen Gret und einem Lokalbesitzer an. Staubs große Tochter hat sich endlich in einen für den Vater brauchbaren Mann, einen engagierten Arzt, verliebt. Sein Sohn hat sich einen temperamentvolle Schönheit verliebt, und auch Staubs Frau hat Witz und Willen.

Die Orte der Handlung sind in Sri Lanka die Bergwelt bei Pelmadulla, aber auch Stadt und Strandgegenden. In der Schweiz dürfte es um Zürich, mit Ausflüge nach Basel gehen.

Die Absätze über Ansätze die Übertragung der Malaria zu übertragen sind hochinteressant. DDT wird sehr kritisch betrachtet.

Ich habe die Sprache und die Metaphern in diesem Buch genossen. Ich habe in gefühlt jedem zweiten Absatz mindestens eine Formulierung oder Analogie gefunden, die mich zum Schmunzeln brachte : hier einige Beispiele :  Schweizer Mücken als flügellahme Lachnummern, abgasgeplagte Palmen,

Die zwei verwebten Geschichten sind in sehr schöner Sprache geschrieben, die ich sehr genossen habe. Spannend sind die beide Handlungsstränge ebenfalls. Leider gibt es keine gutes Ende mit dem ich mich wohl gefühlt habe (was mich an Donna Leon erinnert hat).

Viel Freude beim Lesen dieses unterhaltsamen und spannenden Kriminalromans !

Ernst Solèr wurde am 7. Juli 1960 in Männedorf (Kanton Zürich) geboren. Einige zeitlang war er Ethnologie-Student, Rock-Gitarrist und Spiele-erfinder. Ab 1987 arbeitete er als beim Schweizer Fernsehen. Ab 1999 widmetet er sich dem Schreiben - als Journalist und Schriftsteller.  2006 erschien der erste der vier Krimis um Hauptmann Fred Staub. Er starb am 16. Juli 2008 an Krebs.

Donnerstag, 14. Dezember 2017

Barbara Meyer : "Teneriffa Tod"

Barbara Meyer :
"Teneriffa Tod"
2016, emons Verlag 
395 Seiten + 2 Seiten Nachwort
ISBN 978-3-7408-007-9

Die junge Gärtnerin Carmen fliegt ihre Eltern auf Teneriffa besuchen. Dort gab es einige Unfälle, die nur sie beunruhigen, ihre durch Immobiliengeschäfte reich gewordenen Eltern jedoch nicht. Als sie später mit ihrer trotz Rollators dynamischen Großmutter weiterfragen eröffnen sich private und berufliche Abgründe. Die heilen Welten der spanischen Patriarchen bröckeln und berufliche amigo-konstrukte haben einigen Schaden an Häusern, wunderbarer Landschaft und innerhalb von Familien angerichtet. Während die Großmutter in ihren Plauderrunden einiges erfährt, ist Carmen in der jungen Generation unterwegs. Es sogar ein positives Ende bei dem zumindest in einer Familie schlechte Geheimnisse bereinigt werden, und eine Romanze glückerfüllend verläuft.

Die Geschichte wird aus Carmens Sicht erzählt. Sie ist Vaters Liebling, und auch der der Großmutter. Obwohl Spanierin spricht selbst schlecht spanisch, in der Geschichte sprechen alle deutsch.
Faszinierend ist die Gestalt der neugierigen temperamentvollen kartenlegenden Großmutter, und auch des karrierebewußten machtgeilen Immobilien-Vaters. Die Mutter wird als schöne geldausgebende Frau geschildert.
Während die Generation der Väter bedenkenlos mit Immobiliengeschäften Geld machte, überlegt deren Kindergeneration wie Immobilienbau, Tourismus und gewisse Nachhaltigkeit mit Erhalt der schönen Regionen der Insel möglich ist. Sie arbeiten meist in den Hotels- oder Baustellen ihrer Väter und sind vom Temperament unterschiedlich gezeichnet.

Carmen fühlt sich zu einem der jungen Männer hingezogen, wobei ihr bewußt ist, daß zwei aus der Clique an ihr interessiert sind.

Im Roman wird auch die Zeitgeschichte um Franco und die Zeit danach versucht aufzuarbeiten. Die unverarbeitete Unterdrückung andersdenkender Menschen belastet zumindest die ältere Generation.

Es wird einiges an Lokalkolorit erzählt : über die niedrigen Häuser, das schöne Orotava-tal, die Wellen die unvorsichtige Schwimmer ins Meer spülen können, aber auch die häßlichen Hotelkomplexe, und daß die Insel quasi nur durch Tourismus überleben kann.

Die Geschichte die zwar im Winter spielt, strahlt die Wärme der Region aus und tut gerade bei Schneetreiben oder grauen Herbst gut.
Sprachlich ist die Geschichte nett erzählt, aber mir manchmal zu wenig unterhaltend (was andere Leser vermutlich anders empfinden werden). Trotzdem viel Spaß beim Lesen !

Barbara Meyer wurde 1948 in Paderborn (Nordrhein - Westfalen) geboren. Sie studierte Mediävistik und Allgemeine Literaturwissenschaften  ebendort. Sie arbeitet als freiberufliche Autorin im Bereich Regional- und Familiengeschichte. Sie hat historische Roman geschrieben - der erste  "Im Schatten des Doms" erschien 2008. Sie lebt abwechselnd in Paderborn oder in Puerto de la Cruz auf Teneriffa.

Sonntag, 10. Dezember 2017

Charlotte Link : "Die Betrogene"

Charlotte Link :
"Die Betrogene"
2015, Blanvalet Verlag, München
636 Seiten
ISBN 978-3-7341-0085-7

Kate Linville wird nach dem Mord an ihrem Vater, einem pensionierten Polizisten, aus Amerika zurückgeholt. Hier entdeckt sie daß ihre Vater während der Krebskrankheit ihrer Mutter eine Freundin gehabt hatte, die im Laufe des Romans ebenfalls ermordet wird. Auch ein ehemaliger Kollege ihres Vater wird ermordet aufgefunden.
Parallel dazu tyrannisiert ein labiler Mann eine Familie mit Adoptivkind und bringt diese in einer ziemlich abgelegenen Gegend in Lebensgefahr.
Am Schluß lösen sich die Morde auf, und lassen sich durch Fahrlässigkeit und daraus schlimme Belastungen für die Opfer der Fahrlässigkeit erklären.

Lange wird der Weg von Kate und dem englischen ex-Kollegen ihres Vater Caleb, und beider Alkoholgenuß begleitet. Immer wieder scheinen innerhalb der Polizei Kollegen auf, bei denen Jane als engagiert positiv erscheint. Daß sie immense Belastungen privat hat, wird erst spät enthüllt als der von ihr zu versorgende Familienangehörige ihr körperlich erwachsener Bruder ist, der nach einem Unfall als geistig Fünfjähriger ohne Entwicklungspotential zurückgeblieben ist.

Die Menschen sind rasch skizziert und gut vorstellbar. Während mir Kate und Caleb mit ihrer Einsamkeit nicht so sehr unter die Haut gingen, war mir Jane Crane, die ihren angeschossenen Mann und das Adoptivkind in der Einsamkeit versorgen muß, in ihren Sorgen um Kind und ums Überleben emotional näher.
Rücksichtslosigkeit, Egoismus und Terror des labilen Mannes verbreitet kostet zwar direkt keine Menschenleben, verletzt aber viele Menschen nachhaltig. Wie er eine noch labilere Frau manipuliert ist allerdings erschreckend.

Ort der Handlung sind Liverpool, die Hochmoore von Yorkshire und London.

Der Roman ist gut geschrieben und flott - trotz seiner hohen Seitenanzahl - lesbar, und gute spannende Unterhaltung. Viel Spaß beim Lesen.

Charlotte Link wurde am 5. Oktober 1963 in Frankfurt am Main geboren. sie studierte einige Semester Jus, und komplett Geschichte und Literaturwissenschaft. 1985 erschien ihr erster Roman. Mittlerweile gilt sie als Bestsellerautorin.

Donnerstag, 7. Dezember 2017

P.B. Ryan: "Still Life with Murder"

P.B. Ryan:
"Still Life with Murder" - Nell Sweeney Mystery Series Book 1
Dateigröße: 1370 KB
Seitenzahl der Print-Ausgabe: 319 Seiten
Verlag: Hawkley Books; Auflage: 2 (5. Juli 2010)
Sprache: Englisch
ASIN: B003UV98MM

Auf deutsch heißt dieser Kriminalroman "Dunkel wie die Spur des Todes"

Nell Sweeney, eine junge Frau aus sehr ärmlichen  und brutalen Verhältnissen, hilft einem Landarzt. Hier lernt sie die Familie Hewitt bei der Geburt eines Mädchens kennen, und sofort als Gouvernante für dieses Kind und ein Leben in Boston engagiert. Ausgehend von dieser Basis wird sie von der Dame des Hauses beauftragt heimlich aufzuklären wieso der tot geglaubte älteste Sohn des Mordes bezichtig wird, was im Hinterhof einer Spelunke mit Huren, Ratten-Terrierspielen und Opium-Konsum geschehen war. Will ist ein eigenwilliger Arzt, der nach dem Amerikanischen Bürgerkrieg untergetaucht war. Er hatte den Mord an seinem Bruder im Gefangenenlager Andersonville gesehen, war auf der Flucht verletzt worden und dann in Opiumsucht abgerutscht auch um die Schmerzen zu vergessen. Der alter Freund Familie, der Anwalt ist, - Jack - wird beauftragt mit Nell gemeinsam zu ermitteln. Das Ende ist überraschend.

Der Kriminalroman spielt in Boston den 60-er Jahren des 19. Jahrhunderts, vor und nach dem amerikanischen Bürgerkrieg.
Die Menschen sind plastisch vorstellbar geschildert. Auf der einen Seite die Schichte derer mit schönen Häusern, schönem Gewand und Schmuck, gutem sattem Leben. Auf der anderen Seite die Menschen die entweder Hure, Soldaten, Matrosen, Spelunken wirte sind. Dazwischen gibt es Hauspersonal und Menschen die versuchen mit einem Handwerk wie Schneiderei zu leben. Als drittes Element ist asiatisches Leben hier in Form von Opiaten geschildert. Opium war für Kriegsversehrte wichtig, da sie sonst die schmerzen nicht ausgehalten hätten; leider war gegen die Sucht dann kein Mittel verfügbar.

Der Weg und die Gedanken von Nell werden geschildert, inklusive ihrer Angst nicht mehr für das kleine Mädchen verantwortlich sein zu dürfen. Brutalitäten aus ihrer Kindheit und als junge Frau vertraut sie nur Will an. Will ist der voreheliche Sohn, der immer ein eheliches Mäntelchen erhalten hatte und gelernt hat sich zu verstecken; durch eine Kriegsverletzung hat er sich an Opium gewöhnt.
Jack ist im Vergleich weniger charismatisch - ihn haben die Erinnerungen an die Gräuel des Krieges auch Jahre später im Griff, was sich auch im Ende zeigt.
Die Kleinigkeiten in der Hierachie im Hause Hewitt sind teilweise befremdlich, teilweise auch amüsant zu lesen.

Es wird viel von den Gräueltaten des Gefangenenlagers Andersonville erzählt - der Mord hat seine Ursache in diesem.

Exkurs : Lager Andersonville ist in Georgia gewesen, wo die Konföderierten (die "Südstaaten") im Amerikanischen Bürgerkrieg zwischen Feb 1964 und April 1865  mehr als die 3-fach zugelassene Menschenanzahl untergebracht hatten. Die Gefangen wurden miserabel verpflegt - Photos von damals zeigen ähnliche elend ausgemergelte Gestalten wie später in den Konzentrationslagern. Einige Offizieren spielte grausame Spiele mit den Gefangenen. Es war nicht erlaubt Wände aus Holz zur Abgrenzung oder als Schutz gegen den kalten Wand aufzubauen. Es grassierten mehrere Epidemien gleichzeitig und kosteten mehr als 13.000 von geschätzten 45.000 Menschen das Leben. Das Amerikanische rote Kreuz fand dort seinen Ursprung.

Das Englisch ist schön und bildhaft. Einige Vokabel mußte ich nachschauen - meist poppte im e-Reader die Zusatzinformation auf, daß das Vokabel bereits älter sei.

In Summe ein guter Kriminalroman der gut unterhält. Viel Freude beim Lesen !

Patricia Burford Ryan wurde am 09. August 1954 in Las Cruces in New Mexiko geboren - genauso wie ihre Zwillingsschwester, die Romanschriftstellerin Pamela Burford. Nach Schulzeit und Studium arbeitete sie für einige Zeit für einige Verlagshäuser in New York und Rochester. Liebesromane (mittlerweile 18) schrieb sie unter 'Patricia Ryan' und Krimis unter 'P.B. Ryan'. Mittlerweile sind sechs Nell Sweeny Krimis erschienen, die auch alle auf deutsch übersetzt wurden. Neben ihrem eigenen Namen benutzte sie auch das Pseudonym 'Louisa Burton'. Seit 2010 lebt sie in Rochester.

Sonntag, 3. Dezember 2017

Margaret Atwood : "The Handmaid's Tale"

Margaret Atwood :
"The Handmaid's Tale"
first published 1986
2010, Penguin Random House / Vintage Fiction
300 Seiten + 15 Seiten 'historical notes'
ISBN 978-0-099-51166-3

Eine weibliche Ich-Person erzählt in Gegenwart und Rückblenden, wie sie als fertile Magd in Zeiten schwindender Geburten für ein elite-Paar ein Kind auf die Welt bringen soll. Zwei Jahre zuvor war sie verheiratet gewesen - mit einem geschiedenen Mann - und hatte eine Tochter. Von keiner der beiden weiß sie nun. Im Jetzt hat eine christliche Sektierergruppe die Macht übernommen, Menschen Aufgaben zugeteilt, und erlaubt nur der sogenannten Elite das Lesen und Schreiben. Altes Leben wie Denken, Zeitschriften sehen, Schminken, bis zu Scheidung, Abtreibung, alt sein und jetzt Auflehnung wird hart bestraft - bis hin zur Todesstrafe. Am Anfang versuchten Menschen noch zu fliehen. Und es gab Demonstrationen. Aktuell gibt es Menschen die im Untergrund gegen die Strukturen arbeiten. Die Ich-Person, die Offred genannt wird, als Teil von Fred ihrem Chef wird immer wieder privat zu Verbotenem eingeladen - wie Scrabble, Zeitschrift lesen und in ein Puff eingeladen. Parallel trifft sie sich auf Anraten der Frau von Fred mit dem Chauffeur um doch endlich ein Kind zu zeugen. Als das Treffen mit Fred auffliegt, wird sie von Wachsoldaten oder doch Untergrundleuten in Uniform abgeholt.
Im Nachspann wird knapp 150 Jahre später im Rahmen eines wissenschaftlichen Meetings über die frühe und mittlere Gilhead Periode gesprochen und dreißig Kassetten die von einer Frau (der Ich-Person) besprochen worden waren. Ihr Leben war die frühe Periode der Umstellung.

Gespräche über das System gingen mir unter die Haut, wenn Commander Fred in einem der geheimen Gespräche mit der Ich-Person über das neue System meint : "we thought we could do better ... better never means better for everyone .. it always means worse, for some."
Außerdem will er ihr anpreisen, daß es doch jetzt besser ist auch für Frauen nicht mehr im Dunkel vergewaltigt zu werden, sondern verheiratet und sonst (zwangsbestimmt) eingeteilt zu werden. Sie meint was ist mit Liebe - die Antwort bleibt er ihr schuldig.

Lange gehen die Beschreibungen des Terrors und die Entmündigungen der Frauen vor sich hin, inkl. Rückblenden und Erinnerungen an die eigene kleine Familie und auch ihre Mutter, bevor die Geschichte Tempo aufnimmt und mit Liebschaft, Schwangerschaft, bis zum Untergrund plötzlich an Spannung gewinnt. Das Ende bleibt offen, weil nicht wirklich klar ist, ob die Ich-Person überlebt; das Ende ihrer kleinen Familie ist ebenso ungeklärt.

Jezebel's - Club ist ein klassischer alter Männerclub,  bei dem sich die Commander und ihre Gäste mit käuflichen Frauen - ausgemustert als nicht-gebährfähig weil schlechter Charakter (!) aber gute Figur - vergnügen. Die Beschreibungen der Gewandungen der Ich-Figur und der anderen Frauen dort, über ungepflegte einst sexy Outfits wie Hasenkostüme oder Cat-suits liest sich abstoßend.

Auch wenn die Geschichte von einer Frau erzählt wird über das fruchtbarbezogene Leben, und andere eintönige Frauenleben, sind nicht nur die Frauen unglücklich in dem System, sondern erscheinen es die Männer ebenso.

Während die Ich-Person sich ihrem Leben in der Diktatur, allerdings nach mißglückter Flucht, anzupassen scheint, wird in den Rückblenden offen, daß ihre Mutter eine ewige Rebellin war die für Frieden und Frauenrechte demonstrierte, ihre angepaßte Tochter mit konservativem Familienwunsch überhaupt nicht verstand. eine Freundin erzählt spät, daß ihre Mutter wie andere Aufsässige dazu verurteilt war radioaktives Material ohne irgendeinen Schutz wegzuräumen.

Einige Fragen neben dem offene Ende bleiben offen : er teilt die Menschen welchen Aufgaben zu ? welche Aufgaben bleiben Männern ? was passiert mit Menschen die nicht mehr fruchtbar und/oder zu alt sind ?

Der Schreibstil ist dicht und läßt die Menschen vor dem geistigen Auge beschreiben. Auch düstere Stadtbeschreibungen, wenn es heißt das Haus hat einmal nach einem ermordeten Präsidenten geheißen, oder wie heiß es die Frauen die Kinder empfangen und austragen sollen unter ihren roten sackähnlichen Gewändern schwitzen.

Das Englisch ist sehr schön, beschreibt mit vielen schönen Vokabeln Feinheiten und Schattierungen. Mir sind unter anderem diese Wörter aufgefallen : semaphore, grapevine für 'Dschungeltelegraph', luxuriate,  dissipation, swashbuckling, pizzazz. Der Absatz in dem sie einen blühenden sinnlichen Garten in dieser unsinnlichen Gesellschaft ist faszinierend.
Es gibt Wortschöpfungen wie : Computalk, Compuphone. Sogar Latein wird bemüht :  "nolite te bastardes carborundum", das der Commander als Schulbubenlatein abtut, aber eine Warnung unter den Frauen ist.

In Summe ein spannender wenn auch nicht fröhlich stimmender Roman, der sehr gut zu Lesen ist. Viel Freude beim Eintauchen in diese eigenartige Welt.

Margaret Eleanor Atwood, wurde am 18. November 1939 in Ottawa, Kanada geboren. Sie studierte englische Sprache und Literatur in Toronto. Sie arbeitet als Literaturwissenschaftlerin und Schriftstellerin ( Romane, Kurzgeschichten und Lyrik). Ihr erster Roman erschien 1969. Oft setzte sie sich für Rechte der Frauen ein, oder thematisiert Umweltthemen. Sie ist Mitglied der 'Rare Bird Society'.

Dienstag, 28. November 2017

Frank Schirrmacher : "EGO - Das Spiel des Lebens"

Frank Schirrmacher :

"EGO - Das Spiel des Lebens"
2013, Karl Blessing Verlag
9 Seiten Vorwort + 272 Seiten  + 1 Seite Danksagung  + 4 Seiten Appendix 'Entwicklungsgeschichte des künstlichen Agenten an den Börsen' + 32 Seiten Bibliographie + 19 Seiten Anmerkungen (zu den Fußnoten) + 3 Seiten Personenregister
ISBN 978-3-896-67427-2

Gleich vorneweg : das Buch ist anspruchsvoll und hat mich emotional aufgewühlt.
Die Theorie ist, daß uns Menschen unterstellt wird als 'homo öconomicus' als nur auf unsere Vorteile bedachter Mensch zu agieren, und da dies nicht wirklich gelingt, versucht man uns via Medien, soziale Netzwerke etc. dorthin zu gängeln.
Es wäre für Wirtschaftsmenschen und vermutlich auch Politiker viel einfacher wenn wir endlich der leicht lenkbare und vorhersagbare 'Mensch Version 2' wären.

Während früher die Menschen mechanische Puppen entwickelten oder sich Ideen wie Frankenstein entwickelten, wurden nach dem 2. Weltkrieg daran gearbeitet das "Spiel" der Wirtschaft zu optimieren. Oft wird RAND Corporation gebracht, eine amerikanische Denkfabrik, die eigentlich die Streitkräfte beraten hat, aber nach dem streichen des Etats ihre abstrakten Gedanken in andere Metiers einbracht. Es wird zitiert, daß John Nash hoffte, daß sich Menschen gewinnmaximierend verhielten, und enttäuscht war daß soziale Bande sich als wichtiger erwiesen.

Das Thema des Datenhungers und wie einfach Daten frei gegeben werden  - manchmal mit manchmal ohne das Wissen, bzw oft mit Erzwingen von persönlichen Daten, da der Mensch (bewußt kein User) sonst nicht auf Websites weitersuchen darf - wird oft angesprochen.

Während es in Teil 1 um das Spiel an sich geht, geht es im Teil 2 mehr um den Menschen, und wie das Spiel ihn sich gefügig machen will. Hier geht es auch um Brüche mit Werten wenn zwar Loyalität, Treue und Bildung wichtig in der Gesellschaft wären, aber keinen (Mehr)-Wert besitzen, und damit Strukturen im sozialen Verbund zu bröckeln beginnen, und auch Vertrauen ein zerbröselnder Wert wird, und zurück auf die Gesellschaft fallen wird.

Nachdem das Buch vieles in Frage stellt ist der Ausklang leicht versöhnlich wenn der 1984 geborene  Evgeny Morozow zitiert wird, daß wir nur die "Marionette" (des Spiels) zu töten brauchen.

Stilistisch tut das Buch so als wäre es einfach zu lesen, während die Information und Vernetzungen die an Grundwerte gehen langsam im kognitiven Untergrund zu brodeln anfangen.
Ich konnte meist nur 10 bis 15 Seiten lesen und mußte dann das Buch zumachen um das Gelesene setzen zu lassen und/oder ein intelligentes flexibles Gegenüber zu suchen um über das gerade Gelesene reden zu können.

Selbst als halbwegs gebildeter Mensch sind die vielen Verweise aus Politiker, Wissenschaftler, Menschen der Wirtschaft und Schriftsteller nicht immer einfach zu verknüpfen.
Die Art und Weise Angaben zu zitieren ohne dabei an Spannung zu verlieren, wünsche ich schon wegen der Akkuratesse mancher Doktorarbeit.

Leider ist das Buch 2013 erschienen, der Autor 2014 plötzlich verstorben. Wie wäre das Vorwort zu aktuellen Auflage dieses Autors im Herbst 2017 gewesen ? Wie hätte sich jetzt seine Meinung zu dem immer brennenderen Thema geändert oder verschärft ?

In Summe ein grandioses Buch, das aber auch aufwühlen kann. Viel viel Freude beim Lesen und Grübeln !

Frank Schirrmacher wurde am 5. September 1959 in Wiesbaden geboren. Er studierte Germanistik und Anglistik in Deutschland und Literatur und Philosophie in England. Seit 1994 zählte er zu den Herausgebern der "FAZ". Er gehörte zu den einflussreichsten deutschen Journalisten, und erntete als blitzgescheiter Querdenker entweder Fans oder Skeptiker. Er starb am 21. Juni 2014 an einem Herzinfarkt in Frankfurt am Main.

Donnerstag, 23. November 2017

Wendy Guerra : "Alle gehen fort"

Wendy Guerra :
"Alle gehen fort"
Roman
original "Todos se van"
2006 Indent Literary Agency
Aus dem Spanischen von Peter Tremp
2017, Unionsverlag Taschenbuch
197 Seiten + 3 Seiten Worterklärungen (Namen, Schlagworte)
ISBN 978-3-293-2077-5

Nieve schreibt in Tagebüchern über ihr Leben, zuerst als Kind, dann als Jugendliche. Sie lernt früh, daß wichtige Menschen gehen, entweder ins Gefängnis oder weil sie Kuba verlassen (müssen). Ihre Mutter, eine kreative Frau die Puppen bastelt und im Radio Kindersendungen macht, glaubt zwar dem kubanischen Kommunismus, versteht aber die Reglementierungen und die Unmenschlichkeit der Diktatur sowie die Brutalität gegen Kunst nicht. Nieves Vater wird als Alkoholiker mit Wandertheater geschildert, der zwar seine Tochter beherrschen, sie aber nicht versorgen will. (Die Abschnitte über Gewalt und Hunger sind heftig). Fausto, der liebevolle freundliche schwedische Freund der Mutter, wird des Landes verwiesen. Nieve verliert alle Kontakte bei jedem Schulwechsel. Sie lernt sich oft zu verabschieden.
Als Jugendliche ist sie in kreativen Kreisen. Sie lernt Osvaldo, einen berühmten Künstler kennen und lieben. Als er nach Paris eingeladen wird, heißt es lange warten, bis klar wird, daß sie nicht nachreisen kann. Filmemacher Antonio bringt sie darauf das echte Leben zu betrachten, nicht nur durch die Seiten der Tagebücher, die sie schreibt.

Die Geschichte wird aus der Ich-Sicht in Tagebuchform erzählt, in die manchmal Gedichte einfließen. Der einzige Teil der nicht aus Nieves Sicht beschrieben ist, ist ein langer Brief von Antonio.

Ich bin eingetaucht in die Welt und die Beschreibungen des Mädchens und später der jungen Frau. Diese Welt bestand am Anfang aus Liebe der Mutter und ihres Freundes, sowie der Brutalität ihres Vaters. Früh lernt sie Angst und Mund halten kennen, weshalb sie sich nur den Tagebüchern anvertraut (was - wie sie weiß - politischer Wahnsinn ist).
Die Stellen in denen kreativ gearbeitet wird und Menschen einfach Kunst und Musik leben wollen sind stark; ebenso die in denen verbotene Literatur, weil zensuriert, versteckt werden muß.

Es gibt einige deftige erotische Absätze.

Politischer Hintergrund ist die Zeit der Repressionen und Hungerszeit der 70-er auf Kuba, in der viele Menschen gehen wollen. Ich habe einiges nachgelesen in der Geschichte Kubas : über die Zeit als die Menschen in der peruanischen Botschaft Zuflucht suchten, als Ausreisewillige wüst beschimpft wurden und die künstlerisch 'graue' Ära auf der Insel.

Die Namen der Worterklärungen führen zu einigen Künstlern die mir neu waren.

Im Summe ein dichter Roman bei dem sich Menschen und Rundherum gut vorstellen lassen - sowohl das Lebensgefühl, auch auch die Diktatur der Lebensverweigerung. Viel Freude beim Lesen !

Wendy Guerra wurde am 11. Dezember 1970 in Havanna (Kuba) geboren. Mit 17 veröffentlichte sie ihren ersten Lyrikband, dann ging sie auf die Kunsthochschule. Später arbeitete sie als Radio- und Fernsehsprecherin und Schauspielerin und besuchte die Filmhochschule um Regie zu lernen. Nach dem außenpolitischen Erfolg ihrer Gedichte, wurde sie in Kuba negiert, was sie dazubrachte in spanischen Zeitungen zu schreiben. Mittlerweile sind drei Gedichtbände und fünf Romane von ihr erschienen. Sie lebt weiterhin auf Kuba.

Montag, 13. November 2017

Julie Wassmer : "Eine Leiche kommt selten allein"

Julie Wassmer :
"Eine Leiche kommt selten allein" - Küstenkrimi
original "Murder on Sea" (Whitstable Pearl Mystery #2)
2015, Constable
Aus dem Englischen von Sepp Leeb
2017, Ullstein Buchverlage GmbH Berlin
327 Seiten
ISBN 978-3-548-29017-1

Pearl, die ein eigenes Restaurant hat und als Detektivin bekannt ist, hat es diesmal mit bösartigen Weihnachtskarten zu tun, die den Menschen den Spiegel vorhalten. Ihre beste Freundin und Steuerberaterin wird während der Weihnachtstombola in der Kirche vergiftet. Die liebevolle ältere Putzfrau wird auch vergiftet, und als noch eine Leiche entdeckt wird löst Pearl bei einem gemütlichen Weihnachtszusammensein das Rätsel der bösen Weihnachtskarten und die Morde auf.

Nebenbei wird das zarte Knistern, das in Band 1 zwischen Pearl und Inspector Mc Guire, begonnen hat, weitergeführt. Auch andere Lieben sind wichtig, manche gehen gut aus, manche nicht.

Zeitpunkt der Handlung ist die Woche vor Weihnachten mit Vorbereitungen, Treffen, und Beschreibungen von Weihnachtsessen und Traditionen.

Pearl ist als charmante offene tatkräftige Frau geschildert, Mc Guire ist zurückhaltender aber effektiv als Polizist, Pearls Mutter Polly ist farbenkräftig, Nathan - eine guter Freund Pearls - ist stilsicher und hilft ihr oft weiter, Diana eine bodenständige Steuerberaterin mit Prinzipien, Martha die ältere emsige Putzfrau, Bonita (früher straßenköterblond) und Simon sind zwar entspannt nerven Diana jedoch, Giles und Alice sind Arzt und Ehefrau die in einen jüngeren Mann verliebt war was noch zu Komplikationen führt, Cassie ist eine Photographin auf Durchreise, Reverend Pru eine (für manche zu) farbenfrohe Pastorin.

Sehr nett fand ich, daß jede Menge Katzen durch die Handlung spazieren : Mutter Dolly hat Kater Mojo; Putzfrau Martha hat Pilchard und Sprat und Nathan Kater Biggy. Das Katzenvolk schnurrt, schäft oder frißt nach Bedarf oder saust durch die Gegend.

Da Pearl als Restaurantbesitzerin beschrieben wird, gibt es einiges an Eßbarem in dem Krimi. Entgegen der landläufigen Meinung liest sich diese britische Küche sehr g'schmackig, bis auf das mir zu viel Frischkäse verwendet wird.

Den Küstenort Whitstable gibt es wirklich; es ist ein Ort in der Grafschaft Kent im Süden von England, der Nahe Canterbury liegt.
In dem Buch wird einiges über die Stadt selbst und sonst anekdotenhaftes der Region erzählt, was mir manchmal zu lange wurde. Das Auftauchen der Seidenschwänze (kleine Singvögel mit verwegenem Schopf) fand ich allerdings interessant.

Die Geschichte ist unterhaltsam erzählt und gemütlich. Mir wurde es allerdings mit zuviel Lokalkolorit etwas lange, sodaß ich für die Handlung einige Seiten sehr rasch quer gelesen habe.

Wer einen gemütlichen verschneiten Weihnachtskrimi sucht, wird sich hier wohlfühlen inkl. beim Mitraten von whodunnit. Viel Freude beim Lesen !

Julie Wassmer dürfte 1953 auf die Welt gekommen sein. Sie schreibt seit über zwanzig Jahren Drehbücher für die BBC. 201o erschien ihre Autobiographie "More Than Just Coincidence", in der sie beschreibt wie sie ihre mit 17 Jahren weggebene Tochter wiederfindet. "
Pearl Nolan und der tote Fischer" ist der Auftakt zu ihrer Serie um die Privatdetektivin und Köchin Pearl Nolan, bei der mittlerweile Band 4 auf englisch erschienen ist (auf deutsch erst Band 2). Julie Wassmer lebt in Whitstable und engagiert sich für Umweltschutz. 

Freitag, 10. November 2017

Sybille Lewitscharoff : "Killmousky"

Sybille Lewitscharoff :
"Killmousky"
Roman
2015, Suhrkamp Verlag, Berlin
217 Seiten
ISBN 978-3-518-46601-8

Richard Ellwanger, der wegen einer verbalen Bedrohung bei einer Kindesentführung seinen Job als Polizist verloren hatte, wird gebeten in New York als Privatdetektiv den Tod einer jungen reichen Frau aufzuklären. Der Vater der jungen Frau sitzt im Rollstuhl und bietet Geld an, die ältere attraktive Schwester der Toten ihren Charme und Hilfe. Beide verdächtigen den blonden attraktiven angenehm erscheinenden Witwer, da er bei Tod alles kassiert hat. Eine Fährte lockt den Detektiv zurück nach Deutschland, wo der Fall Konturen gewinnt. Zurück in New York überlebt er durch Glück, und der Fall ist gelöst.

In Deutschland war ihm ein schwarzer Kater zugelaufen, der titel- und covergebende "Killmousky" der seinem Namen alle Ehre tut, und zwischendurch auf Schmusekater wechselt.

Ellwanger ist Mitte 50 und eher schlicht in seinem Äußeren beschreiben, seiner Vermieterin eine fröhliche Bayerin die in New York restauriert, der alte Mann im Rollstuhl sowie die ältere Tochter Catherine erinnern mich an "the deep sleep" von Raymond Chandler (ich hatte als Catherine den alten Film mit Lauren Bacall vor mir), der schöne blonde angenehme Mann Larson wird greifbarer als er sich am Ende bei Ellwanger über Frau sowie Schwägerin und Schwiegervater negativ äußert und dabei seine schöne Haltung verliert.

Die Orte in Deutschland sind nachvollziehbar, genauso wie der plötzliche Luxus mit der Ellwanger in New York im Hotel aber auch bei ungewohnten Menschen konfrontiert wird.

Die Metaphern und die Wortkreationen in dem Buch haben mich gut unterhalten: beispielsweise S. 114 gibt es 'Kleingehäuseltes", auf S. 44 kann man "in Vasen chinesische Kaiser verstecken" und auf S. 41 wird die Größe des Bettes beschrieben, daß "zehn Kerle eine Kissenschlacht hätten veranstalten können".

Die Katzenanteile sind etwas zu wenig nach meinem Geschmack, aber immerhin gibt es passend zum Titel und Cover auch eine gut vorstellbare Katze im Buch.

Die Geschichte ist gut geschrieben, und lauft gut vorstellbar ab. Es wären viele Auflösungen des Todes der jungen Frau möglich gewesen, also war es für mich spannend zu schauen welches Ende hier gewählt wurde. Viel Freude beim Lesen.

Sibylle Lewitscharoff wurde am 16. April 1954 in Stuttgart geboren. Sie studierte Religionswissenschaften und las die Klassiker der Kommunistischen Literatur; es folgten Hörspiele und Radiofeatures bis 1994 der erste Roman erschien. Es erschienen seitdem sieben weitere Romane ('Killmousky' als Krimi nicht mitgerechnet). 
In den Medien war sie 2014 als sie Kinder die nicht auf natürliche Weise entstanden waren Halbwesen nannte; diese lieblose Haltung diesen Kindern gegenüber (und Eltern mit Kinderwunsch) brachte sie ziemlich in Kritik.

Mittwoch, 25. Oktober 2017

Jean-Yves Ferri + Didier Conrad: "Asterix in Italien" (Band 37)

Jean-Yves Ferri + Didier Conrad: "Asterix in Italien" (Band 37)
original "Astérix et la Transitalique"
2017, Editions Albert René
aus dem Französischen übersetzt von Klaus Jöken
2017, Egmont Comic Collection
46 Seiten
ISBN 978-3-7704-4037-5

Vivat, der neue Asterix ist da ! Um von den schlechten Straßenzuständen in Italien wird eine Pferde-Wettfahrt in Italien ausgelobt, an der alle Völker aus dem römischen Weltreich teilnehmen dürfen. die Gallier sind dabei, sowie Goten, Briten, zwei Damen aus Afrika, zwei Herren aus Skandinavien, Sizilianer und andere Völker innerhalb Italiens etc. Cäser möchte daß ein Römer gewinnt und mit allerlei Tricks (Bestechung ist in der Sportbranche üblich) sieht es es einige Zeitlang auch für seinen Plan recht gut aus ..

Obelix schwärmt wie gewohnt von Wildschein, genießt Parma-schinken als Ganzes nicht hauchdünn geschnitten, und lernt Pizza allerdings nur als Fladen ohne Belag kennen, visioniert aber über diesen.
Eine der Damen aus Afrika gefällt Idefix; sie flucht übrigens in Bildersprache.
Manche der Wettbewerber sind witzig gezeichnet, aber hier wäre Raum für böse bis unterhaltsame Dialoge und Feinheiten bei den Zeichnungen der Wagen gewesen.

Leider sind meine Erwartungen etwas enttäuscht, da die Story nicht wirklich bei mir zündet und mir zu wenig nette Kleinigkeiten als Begleitung vorkommen. Aber immerhin, es gibt wieder einen Asterix !

Biographien von Autor und Illustrator bei Band 35 (Asterix bei den Pikten).

Donnerstag, 19. Oktober 2017

Antonia Michaelis : "Mr. Widows Katzenverleih"

Antonia Michaelis :
"Mr. Widows Katzenverleih"
Roman
2017, Knaur Verlag
435 Seiten + 2 Seiten über die Katzen im Leben der Autorin
ISBN 978-3-426-65430-9

Mr. Widow findet eine junge Frau mit kleinen Katzen in einer Mülltonne, rettet alle und startet damit ein erfreuliches Leben für die junge Frau. In einer Zeit der Vereinsamung liefert sie Leih-Katzen aus : fürs Vorlesen, fürs Inspirieren, fürs Getragen werden etc. Grundbedingung : eine der 40 Katzen sucht sich den Menschen aus - nicht umgekehrt.
Das alte Leben der jungen Frau kommt in Form eines charismatischen Ganoven der mit Charme und Aussehen junge Frauen als Lockvögel für Betrug, und leider auch einen Mord einsetzt. Die Enkelin von Mr. Widow ist auch nicht gut auf Nancy - wie sie sich nennt - zu sprechen. Nach einigen dramatischen, witzigen Verrenkungen wie Cat-napping und eine verhinderte Hochzeit sind der Katzenverleiher, Nancy und v.a. die Katzen wieder in Sicherheit.

Die Geschichte spielt in einer fiktiven Stadt mit Glashäusern, Liften, Baustellen aber auch einem gemütlichen Haus und einem ziemlich farbenfrohen Atelier. - und es ist eine Geschichte in einer Geschichte verknüpft.

Mr. Widow ist als anglophiler Mensch mit Vorliebe zu Tee und offenbar staubtrockenen Cones (Das sind Biskuitkekse) und bunten Westen, und Liebe und Mensch & Katze geschildert. Nancy dürfte eine hübsche Frau mit Rauschgiftvergangenheit sein, die aus dem alten Leben herauswill und die die Katzen Großteil sofort akzeptiert haben (Kaffeekatze kuschelt sofort). Die Enkelin ist ein klassisch besserwisserisches liebloses Gör um die 20, so wie jetzt viele herumlaufen. Kai, der Schmalspurganove, ist gutaussehend, charmant und kalt. Jan ist Künstler und schwärmt für fliegende Nilpferde, v.a. in lila. Seine Mutter, eine reiche Dame, beginnt Katzen zu malen.

Das Katzensammelsurium liest sich sehr vergnüglich : alle Fellfarben, alle Augenfarben, alle Charaktäre sind vertreten. Die Namen unterhalten z.T. sehr : z.B: Banane, Gurke, Königin von Saba, Kaffeekatze (oder Latte), Blaubeertörtchen, Timothy (blind), Fellmütze (er agiert als solche), etc ...
Ich mußte bei den vielen liebevollen wunderbaren Details der Katzenschilderungen auflachen oder schmunzeln.
Einen temperamentvollen Hund namens Misty gibt es auch.

Die Geschichte ist ein Gemisch aus modernem Märchen, Liebeserklärung an Katzen und Kater, Aufruf zur Eigenständigkeit und etwas Liebe im Herzen zu bewahren (statt zu erkalten); auch wenn immer wieder aufpoppt, daß auch ein Mord passiert ist.

Der Roman ist ideal für Katzenfans geeignet und für Menschen die eine liebevolle Geschichte, die unterhaltsam geschrieben ist, genießen wollen. Viel Freude beim Lesen !

Antonia Michaelis wurde 1979 in Kiel geboren. Sie schreibt Kinder- und Jugendromane, Theaterstücke und Belletristik.

Samstag, 14. Oktober 2017

Fjodor Dostojewski : "Der Spieler"

Fjodor Dostojewski :
"Der Spieler"
1867 erstmals erschienen bei Verleger Stellowski
Aus Gesammelte Werke in zwanzig Bänden - Band "Der Spieler" und "Späte Prosa"
Herausgegeben von Gerhard Dudek und Michael Wegner
Deutsch von Werner Creutziger
1990, Aufbau-Verlag Berlin und Weimar
184 Seiten (von 348 bis 530) + passenden Anmerkungen (hier meist Übersetzungen aus dem französischen) im Anhang
ISBN 3-351-01509-7

In einem deutschen Kurort haben sich eine verarmte russische Familie, der in die Stieftochter verliebte Hauslehrer, ein reicher französischer Adeliger, ein verliebter Engländer, eine schöne junge etwas frivol wirkende Frau mit Mutter eingefunden. Der Chef der Familie ist Witwer, braucht das Geld der Erbtante um die schöne junge Frau heiraten zu können. Inzwischen lebt mittels Schuldscheinen bei dem französischen eitlen unangenehmen Mann, der nebenbei Tochter Polina zu einem Verhältnis erpresst. Die Erbtante erscheint mit großem Auftritt, und verspielt in drei Tagen den großteils ihres Geldes und damit die Zukunft des Generals, seiner Stieftochter Polina und legt den Grundstein zur Spielsucht des Hauslehrers. Polina ist hin- und her gerissen zwischen gehobener Tochter-Dünkel, Liebe zu dem Hauslehrer und keinem Vertrauen zu ihm. Der Hauslehrer lebt einige Zeit mit der schönen Frau von seinem Geld in Paris, verheiratet sie mit dem General und bleibt selbst spielend in Deutschland hängen.

Der Hauslehrer Alexej Iwanowitsch erzählt aus seiner Ich-Sicht, wie er den Franzosen provozieren will, wie er Enkelin/Stieftochter Polina helfen will oder auch nicht, wie er die schöne Blanche beobachtet und eigentlich Angst vor ihr hat und wie ihn das Spiel, das ihn am Anfang nicht interessiert hat, am Schluß dirigiert. Nicht einmal die klaren Worte des Engländers können ihn aus der Sucht reißen.

Dostojewski springt mit dem ersten Satz in die Handlung als ob jede Leser alles über die Personen bereits wüßte. Aber erst langsam entschlüsseln sich trotz Schreianfällen die Absichten und Gefühle der handelnden oder reagierenden Personen.
Wie die Hauptperson Alexej die Lethargie aller Liebe und dem Leben gegenüber erfaßt, und dafür die Spielsucht ihn in die Krallen bekommt, ist dicht und faszinierend beschrieben.

Die Geschichte ist fast in Dialogen geschrieben. Es wird wenig beschrieben, außer Luxus der russischen Familie im fiktiven Ort Roulettenburg oder später in Paris.

Im Text sind immer wieder französische Phrasen oder Wörter eingebaut, die im Anhang übersetzt werden. Nicht übersetzt ist der Begriff "Outchitel", der ein französischer Begriff für einen russischen Lehrer ist, und den v.a. die Babuschka und später Blanche an Alexej verwendet.

Eine berühmte Geschichte zur Entstehungsgeschichte ist, daß die Stenographin und spätere zweite Gattin Anna Snitkina auf den Einfall kam, das Manuskript bei einem Notar zu hinterlegen, um dem Autor die rechtzeitige Abgabe des Manuskripts zu bestätigen, da der Verleger hinterlistigerweise die Stadt verlassen hatte.

In Summe ein dichter spannender Roman, der packt. Viel Freude beim Lesen !

Fjodor Michailowitsch Dostojewski wurde am 11. November 1821 in Moskau geboren. Er studierte Ingenieurtechnik, wollte dann aber Schriftsteller werden. 1849 wurde er verhaftet und verlor nach einer Scheinhinrichtung alles Vermögen, und für fünf Jahre ins Arbeitslager gesteckt. 1866 erschien "Schuld und Sühne" in einer Monatszeitschrift über einige Monate. 1866 erschien auch "Der Spieler".1869 war der Roman "Der Idiot" fertig.1872 schloß er "Die Dämonen" ab. 1875 war "Der Jüngling" fertig. 1880 schloß er "Die Brüder Karamasow" ab. Er starb am 9. Februar 1881 in Sankt Petersburg.

Dienstag, 10. Oktober 2017

Donna Leon : "Stille Wasser"

Donna Leon :
"Stille Wasser" - Commissario Brunettis 26. Fall
Roman
original "Earthly Remains"
2017, Atlantic Monthly Press
aus dem Amerikanischen von Werner Schmitz
2017, Diogenes Verlag
334  Seiten + Innencover Grundriß von Venedig - Mestre - Laguna Nord
ISBN 978-3-257-06988-4

Commissario Brunetti nimmt sich nach einem Vorfall mit einem Prominenten der Stadt Auszeit und lebt einige Zeit auf einer der Insel in der Lagune vor Venedig. Dort rudert er mit einem alten Mann der ihm die Lagune mit den Gezeiten und die Bienen auf den Inseln zeigt. Auch hier sterben Bienen und der alte Mann forscht nach, was ihm nicht gut tut. Brunetti kommt hier einer Umweltverschmutzung von vor dreißig Jahren auf die Spur, wobei wenigstens zwei ältere Herren sich einen Lebensstandard sichern konnten.

Der Krimi hat diesmal keinen rasanten Drive sondern mäandert gemütlich wie das Wasser in der Lagune vor sich hin. Faszinierend sind die Stellen in denen einfach nur gerudert wird und das Gefühl des Bootes - einem puparìn geschildert wird.
An Menschen gibt es wie gewohnt Ehefrau und Ruhepol Paola, Computergenie Elletra, geschickten Vianello, bildschöne hochintelligente Polizistin Griffoni, Pathologen Rizzardi und Patta (der sich nur um einen anlassigen junge Mädchen schädigenden Promi sorgt), sowie den alten Fischer Davide Casati, seine liebevolle Tochter und bodenständigen fischenden Ehemann, eine engagierte aber zurückgepfiffene Bodenbiologin. Den alten Fischer interessieren nur noch das Andenken an seine Frau und die Sorge um die Bienen; erst spät wird seine Arbeit bei einer Abfallfirma erzählt. Seine ehemaligen Arbeitskollegen Bianchi und Pozzi sind eine eher ungute Mischung aus Überleben wollen und harter Selbstgefälligkeit.

Ort der Handlung sind nicht wie gewohnt die Calli Venedigs, sondern die Kanäle in der Lagune mit ihrem Schilf, Vögeln im Takt der Gezeiten. Geruhsamkeit ist hier merkbar, beim Rudern sowie in der Bar beim Espresso. Es gibt viele italienische Ausdrücke die mit dem Rudern zusammenhängen wie 'puparìn', 'fòrcola', 'sanpierota'

Der Exkurs der Bodenbiologin über den verschwindenden See und die Folgend daraus in Usbekistan macht schaudern.

In Summe ein guter Kriminalroman, der mich in den Bann gezogen hat, obwohl hier wie gewohnt keiner der Schuldigen auch nur irgendwie zur Rechenschaft gezogen wird. Trotzdem : viel Freude beim Lesen !

Biographie bei "Endlich mein" - Commissario Brunettis vierundzwanzigster Fall / 25. Mai 2016.

Samstag, 7. Oktober 2017

Longlist 2017

Longlist 2017
2017, Österreichischer Buchpreis
1 Seite Vorwort + 2 Seiten Inhaltsverzeichnis + 92 Seiten Gedichte/Textausschnitte/ je 1 Seite mit Photo und Vita des/r Autoren/in + 2 Seiten Jury

Oswald Egger: Val Di Non (Suhrkamp)
 - Sprachspielereien und Gedichte; dazwischen schöne kleine Zeichnungen
Brigitta Falkner: Strategien der Wirtsfindung (Matthes & Seitz Berlin)
 - Sprachspiele um Insekten und 2 schöne große Zeichnungen in weiß-schwarz
Olga Flor: Klartraum (Jung und Jung)
 - Romanausschnitt mit zerfetzt-anspruchsvollen Text über eine Beziehung
Paulus Hochgatterer: Der Tag, an dem mein Großvater ein Held war (Deuticke)
 - Romanausschnitt mit Kindern im Frühjahr 1945 in Niederösterreich
Doris Knecht: Alles über Beziehungen (Rowohlt Berlin)
 - Romanausschnitt über Victor, Intendant, Ex-Freund und verlobt
Eva Menasse: Tiere für Fortgeschrittene (Kiepenheuer & Witsch)
 - Romanausschnitt über Enten / eine Familie die in Urlaub fährt
Robert Menasse: Die Hauptstadt (Suhrkamp Verlag)
 - Romanausschnitt bei dem ein Schwein durch Brüssel galoppiert
Karin Peschka: Autolyse Wien (Otto Müller Verlag)
 - Romanausschnitt durch ein zerstörtes Wien, in dem einzelne Menschen alleine mühsam überleben
Doron Rabinovici: Die Außerirdischen (Suhrkamp)
 - Romanausschnitt mit Vorbereitungen und Ankunft der Außerirdischen
Franz Schuh: Fortuna. Aus dem Magazin des Glücks (Zsolnay)
 - Gedichte und Absätze  mit einer unterhaltsamen Wortschöpfung  - dem Dummdödel - und einer Abhandlung zwischen Thomas Mann und Bürgerlichkeit

Die Titel der Shortlist Debüt:
Mascha Dabić: Reibungsverluste (Edition Atelier)
- Romanausschnitt : Übersetzerin von Texten Gefolterter und bei Interviews; die Problematik wie man sich bei den Geschichten abgrenzen soll, aber auch wie übersetzt man zwischen wortgenau und sinngemäß richtig.
Irene Diwiak: Liebwies (Deuticke)
 - Romanausschnitt in dem ein versehrter Musiklehrer nach dem ersten Weltkrieg wieder Fuß fassen will.
Nava Ebrahimi: Sechzehn Wörter (btb Verlag)
 - Romanausschnitt über eine Frau die zwar in Deutschland lebt aber gerade ihre Großmutter in Persien besucht.

Mich hat der Ausschnitt von Karin Peschka am meisten angesprochen. Ich bin neugierig welche Bücher es auf die Shortlist schaffen werden.

Oswald Egger: * 1963 in Lana (Südtirol)
Brigitta Falkner: * 1959 in Wien
Olga Flor: * 1968 in Wien
Paulus Hochgatterer: * 1961 in Amstetten (NÖ)
Doris Knecht: * 1966 in Rankweil (Vorarlberg)
Eva Menasse: * 1970 in Wien
Robert Menasse: * 1954 in Wien
Karin Peschka: * 1967 in Eferding (ÖO)
Doron Rabinovici: * 1961 In Tel Aviv
Franz Schuh: * 1947 in Wien
Mascha Dabić: * 1981 in Sarejevo
Irene Diwiak: * 1991 in Graz
Nava Ebrahimi: * 1978 in Teheran

Samstag, 30. September 2017

Mercè Rodoreda : "Der Garten über dem Meer"

Mercè Rodoreda  :
"Der Garten über dem Meer"
Roman
original "Jardt vora el mar"
1967, Club Editor Barcelona
Aus dem Katalanischen von Karsten Brand
Herausgegeben und mit einem Nachwort von Roger Willemsen
2016, Berlin Verlag Taschenbuch
216 Seiten + 13 Seiten Nachwort
ISBN 978-3-8333-1054-6

Der Garten zu dem Meer gehört zu einer Villa einige Kilometer von Barcelona entfernt. Der reiche Senyoret Francesc wohnt, feiert, liebt, und lebt mit seiner Frau Senyorita Rosamaria und anderen Freunden in den wärmeren bis warmen Monaten hier. Er liebt seine Frau mehr als umgekehrt. Senyorita Eulália ist mit dem meist abwesenden Senyoret Sebastià verheiratet; wenn Sebastiá doch hier ist ist es sehr lustig da er einmal mit einem Löwen und einem Affen kommt und sonst jede Menge an Schabernack ausheckt. Nach seinem Tod nähern sich Senyorita Eulália und der Maler Felíu an, wobei ihre Malereien sogar in USA Erfolg haben.
Nachbar ist der in Kuba reich gewordenen Senyoret Bellem, der auf seine Tochter Maribel und Schwiegersohn Eugeni wartet. Dieser Eugeni entpuppt sich die Jugend- und große Liebe von Senyorita Rosamaria - er kommt beim Schwimmen ums Leben.
Selbst das Liebesleben einiger Mädchen im Haushalt von Senyoret Francesc wird erzählt.

Das Buch ist aus Sicht des Gärtners erzählt der das Leben der Villa-Besitzer und des Nachbarn entweder durch seine Gartenarbeit mitbekommt, oder weil es die Mädchen aus dem Haus erzählen oder er plaudernden Besuch in seinem Häuschen erhält. Er hält die Liebe zu seiner mittlerweile verstorbenen Frau Cecília aufrecht. Er behält sich Respekt für die anderen Menschen deren Garten er versorgt und läßt dem Leben der anderen seinen Lauf ohne gleich zu richten und zu bewerten.

Eugeni der nie seine Liebe zu Rosamaria überwunden hatte, ist in seinem Unglück spürbar, während Rosamaria lange unbeteiligt erscheint, und Francesc seine Liebe zu Rosamaria ausdrückt.

Die Sprache ist langsam; alles wird langsam beschrieben. Es werden viele Pflanzen im Garten genannt, die Gartenfreaks erfreuen werden.
Die Stimmung ist wie bei einem impressionistischen Bild, auf dem die Pastell- und Blumenfarbe schimmern und leuchten.

Zeit der Handlung dürften die 20-ger, 30-er Jahre sein. Daß einige Jahre später der Bürgerkrieg toben wird ist nicht spürbar. Auch wenn man bißchen an Great Gatsby denken kann, ist dieses Buch ruhiger, weniger hektisch, und auch die Geschäfte sind nicht undurchsichtig.
Berührend sind die Szenen in denen die einfach bodenständigen Eltern von Eugeni dem Gärtner von der Jugendliebe der zwei jungen Menschen erzählen.

Das Buch ist nicht einfach zu lesen, weil sich unüblich wenig tut. Ich wünsche viel Freude beim bewußten Lesen dieses Buches !

Mercè Rodoreda i Gurgui wurde am 10. Oktober 1908 in Barcelona geboren. 1928 heiratete sie ihren Onkel, der 14 Jahre älter war und bekam 1929 ihren Sohn Jordi; von beiden entzweite sie sich. 1938 erschien ihr Roman "Aloma". Sie ging ins Exil nach Frankreich und später in die Schweiz. Erst 1958 veröffentlichte sie wieder den Erzählband "Vint-i-dos Contes". Ihr Roman "La plaça del Diamant" (1962) wurde in mehr als 20 Sprachen übersetzt. 1974 erschien ihr Roman 'Mirall trencat' und sie kehrte in 70-er nach Spanien zurück. Sie starb am 13. April 1983 in Girona.

Dienstag, 26. September 2017

Theodora Bauer : "Das Fell der Tante Meri"

Theodora Bauer :
"Das Fell der Tante Meri"
Roman
2014, erstmals im Picus Verlag
2016, Aufbau Verlag GmbH & Co KG, Berlin
201 Seiten
ISBN 978-3-7466-3144-8

Hauptperson Ferdl (Ferdinand) lebt mit seiner Mutter und einer Art Tante in Dorf. Er denkt sich zwar manches, spricht aber nicht viel. Nach dem Tod seiner Mutter und später der Tante, beerbt er die Tante.
Anni verliebt sich während des 2. Weltkrieges in einen feschen SS-Offizier und wird schwanger. Nachdem das Kind auf der Welt ist verfrachtet er die beiden aus Wien hinaus aufs Land, wo seine Frau alles organisiert hat.
Falscher Name Karl Müller / richtig Werner Seytel flieht über die Rattenroute nach dem Zusammenbruch des tausendjährigen Reichs nach Chile. Dort entdeckt er zuerst daß sein Deutschtum nicht überall gewünscht ist, bis er im Süden Chiles doch wieder auf altes Gedankengut trifft und dort sogar Erfolg hat.
Der echte Karl Müller bleibt Nebenfigur.
In allen drei Blickwinkeln ist eine Frau präsent : Maria, genannt Tante Meri, die mit Geld und Einfluß ihrem Mann ihr Leben lang beisteht, dann Anni und Ferdinand.
Der Schluß ist eigen, denn Besuch aus Chile klärt vieles auf, aber es fühlte sich beim Lesen ungut an.

Die Sprache ist wie umgangssprachlich gesprochen. Am Anfang irritiert es daß fast jeder Satz mit 'der Ferdl ...' und 'dem Ferdl ...' beginnt. Sprachliche Feinheiten bleiben leider aus. Die Gedanken des flüchtigen ex-Offiziers sind etwas schöner formuliert; allerdings bleibt dieser Mensch (mir) mit seiner Gedankenwelt und Selbstüberschätzung unangenehm.

Die Menschen bewegen sich um Maria/Meri herum. Für den Ehemann ist sie die wichtigste Frau in seinem Leben - egal wie er sich verhält. Im Dorf ist sie eine charismatische Autorität. Sie trägt Pelz und auftoupierte Turmfrisur, ohne lächerlich zu wirken. Für den Buben ist sie bis zu ihrem Tod die gefürchtete Tante. Wenig sagt sie direkt, und dieses wenige ist Gedankengut des tausendjährigen Reichs.

Die drei Handlungsstränge sind klar von einander abgegrenzt und machen wenig Verwirrung. Verwirrend ist daß die Menschen im Dorf, v.a. die Figur Ferdl wenig mit Menschen redet und somit Fragen über Fragen bleiben.
Unverständlich bleibt mir allerdings wie Werner Seytel zwar den Namen übernimmt, aber wenig über den Menschen, über den ihn einiges bekannt war, einzusetzen wußte und damit vieles falsch macht.

Für mich war das Buch mühsam zu Lesen, da mir die Sprache nicht gefallen hat. Die Verknüpfung der drei Hauptpersonen entschlüsselt sich nach und nach logisch. Ob ich das Buch empfehlen kann, bleibt offen.

Theodora Bauer wurde am 14. Juli 1990 in Wien geboren. Sie studierte Publizistik und Philosophie. 2014 erschien ihr erster Roman 'Das Fell der Tante Meri', 2017 'Chikago'.

Freitag, 22. September 2017

Gil Ribeiro : "Lost in Fuseta"

Gil Ribeiro :
"Lost in Fuseta" - ein Portugal-Krimi
2017, Kiepenheuer & Witsch Köln
374 Seiten + 2 Seiten Danksagung + 2 Seiten 'Über den Roman'
ISBN 978-3-462-04887-2

In diesem unterhaltsamen und durchaus fröhlichen Krimi werden das Ermittlerpaar bildhübsche, temperamentvolle Graciana Rosado und verfressene Carlos Esteves durch innereuropäischen Polizeiaustausch der deutsche Leander Lost zusammen auf Verbrecherjagd geschickt. Ein Toter einem Schiff bei einer Insel, eine frühere Tote bei einem Verkehrsunfall, zwei komplett ausgebrannte Behausungen, noch eine Leiche fordern die drei Menschen. Eine trickreiche Firma, die Wasser entnimmt und teuer verkaufen möchte, sowie Umweltaktivisten sind der Hintergrund für die Geschichte.

Zusätzlich hat Leander Lost das Asperger-Syndrom, eine Form von Autismus, die die Kommunikation seiner Umgebung ziemlich fordert da er nicht lügen kann; sein grandioses photographisches Gedächtnis und seine absolute Logik helfen nach Anfangsproblemen den Fall zu lösen.

Liebevolles rundherum ist die Familie von Graciana die sowohl Leander als auch eine Jugendliche liebevoll umsorgen. Der Eintopf mit Herzmuscheln klingt so gut, daß ich ihn gerne dem Buch entnommen hätte.

Die Orte der Handlung sind gut vorstellbar; vor allem wenn man in Portugal gewesen war, spielt sich vieles wie ein Film vor den Augen ab.
Die Menschen sind großteils als sympathische, freundliche, aufgeschlossene Mitmenschen geschildert. Das freundliche miteinander Umgehen und der liebevolle Humor sind schön zu lesen.

Es gibt keine Sex-Szenen, schon gar keine mühsamen und unnotwendigen. Nur eine Romanze liegt in der Luft, was fein zu Lesen ist .

Leider gibt es keine Seite Glossar über portugal-typische Wörter und Erläuterungen wie "Bica" (der portugiesische Espresso), Sagres (eine der typischen Bier-marken in Portugal) und paar Süßigkeiten, die sich zwar sehr süß aber sehr gut lesen.

In den Coverinnenseiten vorne und hinten sind Detailkarten von Portugal und der beschriebenen Gegend abgedruckt, die helfen sich in der Geographie zurecht zu finden.

In Summe in gemütliches Buch mit schöner Geschichte und sympathischen Menschen das gut zu lesen ist, und für einen verregneten Tag ideal geeignet ist. Viel Freude beim Lesen !

Gil Ribeiro, echter Name Holger Karsten Schmidt, wurde 1965 in Hamburg geboren. Er verliebte sich in das Land Portugal während seiner Interrailreisen und er reist noch heute gerne dorthin. Beruflich ist er Drehbuchautor. Derzeit lebt er in Baden-Württemberg, und in der Freizeit in Fuseta.

Dienstag, 12. September 2017

Fouad Laroui : "Die alte Dame in Marrakesch"

Fouad Laroui :
"Die alte Dame in Marrakesch"
Roman
original "La vieille dame du ruad"
2011, Editions Juillard Paris
Deutsch von Christine Kayer
2015, Merlin Verlag
166 Seiten  + 5 Seiten für Glossar, Liedtexte und Textpassagen
ISBN 978-3-87536-314-2

Als Rahmenhandlung sind Cécile und Francois, ein gut situiertes Paar aus Paris, in Marrakesch unterwegs um einen Wunsch von Francois nach einem Riad (in Marokko ist das ein traditionelles Haus mit einem Innenhof) zu erwerben, was zuerst auch gelingt. Dann finden die beiden eine alte Dame in einem Zimmer, die wie ein Geist wirkt.
Im zweiten langen Kapitel wird anhand von Hadj Fatmi, seiner Berberfrau (der zweiten), deren Sohn Tayeb, die Geschichte Marokkos aus der Sicht der Berber Anfang bis Mitte des 20. Jahrhunderts erzählt. Es gibt Bürgerkrieg, Gemetzel, Intrigen, Militärs aus Spanien und Frankreich, Waffen aus England und Deutschland, Wertewandel, Überlegungen wer sich wem wie anpassen soll, IS entsteht, Tayeb meldet sich für die französische Armee im zweiten Weltkrieg und geht verloren.
Im Abschlußkapitel wird der Riad mit all den Unterlagen die das französische Paar mittlerweile über die Berber gesammelt hat eine Art Museum.

Während im ersten Kapitel ein eingespieltes humorvolles Ehepaar miteinander lebt, und zwar ohne wirkliche Probleme, ist das zweite lange Kapitel mit den Kampf- und Kriegswirren sehr spannend geschrieben / spannend übersetzt (was ich nicht entscheiden kann da mein französisch dafür zu schlecht ist).

Die Sichtweise der marokkanischen Geschichte aus dem Blickwinkel der Berber bzw. eines Stammes des Berber, ihre Benachteiligung gegenüber arabisch sprechenden Menschen, der Versuch ihre Kultur auszumerzen, Diskussionen im fernen französischen Paris sind gut vorstellbar beschrieben. Erste islamische Organisationen (es steht im Roman : IS) gegen - hier fremde - Machthaber strukturieren sich.

Die Dialoge des französischen Paares sind sehr unterhaltsam, wobei er als Träumer dargestellt wird. Sie hat mehr Boden unter den Füßen. ist aber doch feinfühliger. Auch die Unterhaltungen der beiden inkl. Gedanken in Marokko mit den dort lebenden Menschen und deren Gepflogenheiten sind humorvoll geschildert.
Die Menschen um Tayeb sind entweder kämpferisch, oder in ihr Schicksal ergeben. Eine eigene Rolle hat die Bedienstete / Sklavin Massouda, die die Gabe hat in die Zukunft zu sehen und eine treue liebevolle Seele ist.

Das Glossar ist wichtig, allerdings mußte ich weitere Wörter nachsehen, die im französischen - islamischen - maghrebinischen Kontext sind. Hier wäre weitere Wörter für das Glossar hinzuzufügen.

In Summe ein spannendes gut geschriebenes Buch mit viel Information über einen geschichtlichen Blick auf die Berber. Viel Freude beim Lesen !

Fouad Laroui  wurde am 12. August 1958 in Oujda (Marokko) geboren.  Er studierte zuerst in Casablanca und später in Paris Ingenieurswissenschaften. Dann arbeitete er in Khouriba (Marokko), dann in Cambridge und York. Hier studierte er Wirtschaft. Später ging er nach Amsterdam um zu unterrichten (was er bis jetzt tut). Nebenbei schreibt er für ein Wochenmagazin und Romane. Sein erster Roman "Les Dents du topographe" erschien 1996.

Samstag, 2. September 2017

Michail Gorbatschow : "Das neue Russland: Der Umbruch und das System Putin"

Michail Gorbatschow
"Das neue Russland: Der Umbruch und das System Putin"
original "Posle Kremlja"
2015, Bastei Lübbe (Quadriga)
Übersetzer : Boris Reitschuster
514 Seiten + 5 Seiten Inhaltsverzeichnis + 9 Seiten 'Gedanken über mich' + 6 Seiten Anhang + 7 Seiten Personenregister + 9 Seiten Anmerkungen (Fußnoten)
ISBN 978-3-869950822

In diesem dicken gescheiten Buch mit vielen herausfordernden Überlegungen erzählt einer der wichtigsten Politiker des 20. Jahrhunderts über 25 Jahre Rußland. Er geht etwas auf die verkrusteten Strukturen ein bevor es ihm gelang Rußland zu öffnen, und erzählt dann im 1. Kapitel die Zeit der 90-er Jahre mit dem Elend der Bevölkerung und den Fehlern Präsident Boris Jelzins, im 2. Kapitel die Nuller-Jahre des 21. Jahrhunderts inkl. Wirtschaftskrise und dann im 3. Kapitel die Chancen, die Gefahren und die Fehler in Rußland und der Welt und räsoniert über Punkte die ihm in der Welt wichtig sind.

Am Anfang beschreibt er wie man innenpolitisch mit ihm nach dem Präsidentenwechsle 1991 umgegangen ist, wie grob wie abweisend plötzlich viele Menschen und Organisationen waren - er konnte sich nur seine Position als Meinung halten weil er und seine Organisationen zu bekannt waren.
Er blickt auf die Jahre der Perestroika zurück und auf viele Gespräche mit anderen hochkarätigen Politikern in USA, Deutschland und anderen großen Staaten der Welt.

Wie er über Wladimir Wladimirowitsch Putin schreibt ist faszinierend zu lesen. Er bemüht sich um Sachlichkeit und versucht das Positive und Negative abzuwägen. Im dritten Abschnitt findet er nichts mehr Positives zu schreiben. Die Schwachheit von Präsident Boris Nikolajewitsch Jelzin nennt er allerdings klar.

Viele Themen und Fragestellungen werden angesprochen - u.a. :
Frage ob zuerst Reformen laufen sollen und erst dann die Meinungsfreiheit forciert gehört , weil gleichzeitiges die Menschen überfordert ?
was ist für ihn Sozialismus ?
wie wichtig ist Demokratie (vorneweg : es geht nicht ohne)
Gefahren und Chancen der Globalisierung
Seine Sorgen um die Ukraine (ein Elternteil waren Raissa Maximowna Gorbatschowa war aus der Ukraine)
Syrien ist 2015 bei Drucklegung bereits Thema aber noch nicht mit der derzeitigen politischen und menschlichen Tragweite.

Seine Definition von Nationalismus - er meinte aber hier den russischen - ist sehr eigen.
Irritierend ist, daß für ihn Rußland zu Europa gehört, und daß es für ihn erschreckend ist, daß dies Europäer anders sehen.
Wie er China einschätzt ist vollkommen anders als man gewohnt ist zu Lesen.

Das Buch ist nicht einfach zu lesen, weil es viel zitiert wird aus Gesprächen, aus Veröffentlichungen und diese mit anderen Fonts, Absätzen gekennzeichnet sind, was das einfache Lesen herausfordert.

Ich habe mit vielen Unterbrechungen von anderen Büchern fast eineinhalb Jahre an dem Buch gelesen und es hat mich immer fasziniert. Meine Umgebung hat es meist abgekommen wenn ich wieder 10 oder 15 Seiten gelesen hatte und darüber erzählen mußte, weil es hochinteressant - aber kompakt - ist.

In Summe ein faszinierendes Buch über Politik, Demokratie, Meinungsfreiheit das nicht so leicht losläßt und öfters gelesen werden sollte !

Michail Sergejewitsch Gorbatschow wurde am 2. März 1931 in Priwolnoje / Region Stawropol / UdSSR geboren.  Er war von März 1985 bis August 1991 Generalsekretär der KPdSU und von März 1990 bis Dezember 1991 Präsident der Sowjetunion. Er leitete 'Glasnost' (steht für Öffnung und Kommunikation mit den Menschen) und 'Perestroika' (steht für Umbau des politischen, wirtschaftlichen Systems) ein, und beendete den Kalten Krieg mit den USA.
Boris Reitschuster wurde a. 12. Mai 1971 in Augsburg geboren. Er war als Journalisten lange in Rußland tätig und ist auch Sachbuchautor.

Mittwoch, 30. August 2017

Dörte Hansen : "Altes Land"

Dörte Hansen :
"Altes Land"
Roman
2015, Albrecht Kraus Verlag
5. Auflage 2017
281 Seiten
ISBN 978-3-328-10012-6

In diesem eindrücklichen Roman werden mehrere Frauengeschichten der Nachkriegszeits - Deutschlands bis heute geschildert. Chronologisch wären dies Ida Eckhof mit Sohn  Karl, Hildegard von Kamcke mit Tochter Vera Eckhoff später Marlene, und deren Tochter Anna mit Sohn Leon. Ort der Handlung ist hauptsächlich ein altes Fachwerkhaus im Norden Deutschlands, das die Frauen von lebenslang bis möglichst kurz beherbergt.

Hauptfigur ist Vera die als Flüchtlingskind in das Haus kommt, dort als Stiefkind von Karl lebt und ihn als Kriegsinvaliden umsorgt nachdem sich ihre Mutter mit einem anderen Mann abgesetzt hat. Ihre Nichte Anna kommt als Hilfesuchende zu ihr (gemeinsam mit dem Sohn) und gemeinsam beginnen die beiden das Haus wieder zu umsorgen. Dazwischen muß sie sich behaupten und kämpfen, wird von den meisten im Dorf abgelehnt, überlebt aber als anerkannte Zahnärztin.
Ihre Mutter Hildegard war als Flüchtling mit Vera gestrandet, hat niemals Stolz oder Ziele vergessen, heiratete zuerst Karl, zog mit einem anderen nebulos bleibenden Mann weg, brachte Marlene und Thomas auf die Welt und blieb fern. Sie wird stolz, aber singend beschrieben.
Ida in deren Haus die 2 Flüchtlinge kamen war eine eher mitleidlose Frau, die sich von den Folgen des Krieges nicht erholte.
Marlene die zweite Tochter von Hildegard wird als überbetuliche Mutter geschildert die zuerst musikalische Wunderkind Anna fördert, dann fallen läßt zugunsten des wirklichen musikalischen Wunderkindes Thomas. Spät beginnt sie das Leben ihrer Mutter Hildegard nachzuforschen, aus dem sie immer ausgeklammert gewesen war.
Anna muß sich nach dem Scheitern als Wunderkind behaupten, lernt tischlern, zieht in die Stadt bekommt ein Kind, wird vom Vater des Kindes einem Romanzenschriftsteller verlassen und baut sich bei ihrer Tante am Land wieder ein Leben auf.

Unter die Haut gehen die kurzen Sequenzen in denen Sterben nach dem Krieg beschrieben wird: einmal die Menschen die sich erhängen oder die Babys die im Kinderwagen erfrieren und einfach stehen gelassen werden.

Nebenelemente ist Dirk vom Felde, ein bodenständiger Bauer mit fröhlicher Frau, Kindern, Hunden, und Traktoren. Als Gegenelement ist Burkhard Weißwerth geschildert : ein Städter den es ins so idyllische Landleben verschlägt, hier einen Bestseller über das Landleben schreibt, aber letztendlich doch merkt, daß was er unter Landleben versteht mit dem wirklichen Landleben wenig zu tun hat und wenig Idylle birgt.

Auch das Kindergartenleben in der Stadt ist anders als am Land wie Leon und seine Mutter merken (müssen) - und auch die Kindergartenleiterin.

Die Schilderungen von Menschen gingen mir unter die Haut. Vor allem Vera mit ihrer Sprödigkeit und Geradlinigkeit hat mich fasziniert; selbst daß sie nur im Sitzen schlafen kann weil sie Angst vor dem Haus hat ist spürbar. Die Menschen machen im Sinnen von bewegen einiges - diese Bewegungen waren gut vorstellbar. Das Buch schildert mehr die Frauen , aber auch der Nachbar von Vera wird mit seinen Veränderungen und seinem Leben - alle drei Söhne gehen vom Bauernhof weg - erzählt.

Hintergrund sind die Nachkriegszeit und dann ist Wiederaufbau spürbar; auch die aktuelle Suche nach Ruhe und sogenannter Idylle ist vorhanden, inkl. Scheitern.

In Summe ein großartiges Buch, das ich genossen habe zu Lesen. Viel Freude auch anderen Leserinnen und Lesern !

Dörte Hansen wurde in Husum (Kreisstadt des in Nordfriesland in Schleswig-Holstein) geboren . Daheim lernte sie zuerst Plattdeutsch, ehe sie in der Schule Schriftdeutsch lernte. Sie ist eine deutsche Linguistin (Linguistik, Anglistik, Romanistik und Frisistik an der Universität Kiel), Journalistin  (NDR, WDR, etc) und Autorin. Sie lebte in Steinkirchen (Niedersachsen) und jetzt wieder in Husum.

Freitag, 25. August 2017

Jeff Lindsay : "Dearly devoted Dexter"

Jeff Lindsay :
"Dearly devoted Dexter"
2005, Orion Books / 2006, paperpack edition
296 Seiten
ISBN 978-0-7528-7788-4

Dexter Morgan, Blutspezialist bei der Polizei in Miami, hat eine nette Freundin mit Kindern und einen 'dunklen Passagier', der gerne Menschen tötet. Dexters Adoptivvater hat ihm beigebracht daß er erst sicher sein muß, daß ein Mensch bewiesenermaßen Böses getan hat und durch die Lücken der Gesellschaft keine Strafe erwartet oder erwischt wird bevor er zuschlagen darf. Ein Kinderschänder ist hier genau das richtige um die dunkle Stimme in ihm zu beruhigen. Mitten in den Vorbereitungen wird er genauso wie seine Schwester und das andere Polizeiteam zu einem Tatort gerufen, bei dem ein menschliches verstümmeltes Wrack gefunden wird. Externe Hilfe trifft ein und wir den Leuten vor Ort vor die Nase gesetzt. Es werden noch einige Menschen verstümmelt, eine Falle aufgestellt die leider nicht wie geplant funktioniert bis ab Schluß der Verstümmelnde getötet wird und Dexter - und der 'dunklen Passagier' endlich den Kinderschänder seiner Strafe zuführen darf.

Parallelgeschichte ist daß sich Dexters Schwester Debra in den externen Polizisten verliebt. Und Dexter sich irrtümlich mit Rita verlobt, was in einer ziemlich alkohol-lastigen Party gefeiert wird.

Das ist Buch 2 aus der Dexter Serie, das auf deutsch mit dem Titel "Dunkler Dämon" übersetzt wurde. Da ich Dexter, die Serie zwar nur teilweise gesehen habe, interessiert mich die Vorlage. Eingeweihten zufolge ist diese Geschichte nicht eins-zu-eins in einer Serie gelandet.
Das wirkliche Problem ist für das auseinanderklaffen der Figur von Debra, die im Buch eher üppig beschrieben wird, in der Serie aber eine dünne Frau ist. Netterweise ist die mich ziemlich nervende Rita im Buch weniger präsent.

Ich habe mich köstlich beim Lesen amüsiert. Der böse schwarze Humor, das Spiel zwischen echter Emotionslosigkeit, bemühen um freundliche Fassade als emotionaler Mensch aber professionellem Interesse an der Technik des Verstümmelnden sind zynisch unterhaltend beschrieben. Zynisch unterhaltsam sind auch Kommentare über eine Pädophilenvereinigung, von der Dexter gar nichts hält.

Das Englisch ist unterhaltsam v.a. wenn der Autor mit Aussagen wie "Dexter the Avenger" oder "Dutiful Dexter" spielt. Gewisse Vokabel wie 'dismemberment' mußte ich nachblättern.

In Summe ein herrlich rabenschwarzes Buch. Viel Freude beim Lesen !

Jeffry P. Freundlich,  Pseudonym Jeff Lindsay, wurde am 14. Juli 1952 in Florida geboren. 
Sein erster Roman 'Tropical Depression: A Novel of Suspense' wurde 1994 veröffentlicht. In den 1990er-Jahren folgten noch drei Werke, jedoch erst 2004 feierte Lindsay mit Darkly Dreaming Dexter den Durchbruch und seinen ersten großen Erfolg. Mittlerweile gibt es acht Bücher mit Dexter Morgan.

Samstag, 19. August 2017

Bernhard Aichner : "Nur Blau"

Bernhard Aichner :
"Nur Blau"
Roman
2012, Haymon Innsbruck
222 Seiten
ISBN 978-3-85218-903-1

In diesem dichten großartigen Roman geht es um das Blau und dem Maler Yves Klein. Mehrere Fäden werden erzählt, die sich lose miteinander verbinden :

Der eine ist Jo, ein ungestümer junger Mann der so lange mit blau probiert, bis der das Yves Klein blau hat und Kopieren herstellen kann. Mosca ist sein Freund, Literaturagent, gepflegt, elegant und belesen. Ben ist Taxifahrer in Frankfurt und hat grausliche Alpträume durch Tabletten. Oliver ist Mistmann, findet ein Bild von Yves Klein in einer Mülltonne und verliebt sich in Herta die von einem eigenen Restaurant träumt. Anna war mit Ludwig einem Radiosprecher zusammen, der sich quälte - jetzt zeichnet sie mit Bleistift und arbeitet in einem Restaurant; nebenbei hatte sie was mit Ben laufen. Mirella ist aus Italien, lebt in einem Wohnwagen und kannte Yves Klein als sie jung war und er in einer Galerie in Mailand ausstellte. Onnie ist Däne, dünn und hat ein Harnproblem und schnupft Rauschgift; als Mosca ihm helfen will wird das von Ming, einer ehrgeizigen Asiatin, vereitelt. Am Schluß ist ein Fenster offen.

Mich hat der Roman fasziniert und ich mußte weiter- und durchlesen bis ich auf der letzten Seite war. Die Menschen und ihren 2-er oder auch 3-er Beziehungen sind gut spürbar, aber auch die Suche nach wie-will-ich-leben bei denen die Haupt- und Nebenplaneten ist nachvollziehbar.

Die Beziehung zwischen Mosca und Jo ist haptisch und in ihrer Sinnlichkeit schön vorstellbar. Auch die Beziehung zwischen Anna und Ludwig, die Ludwig durch Verletzungen ruiniert, ist in ihrer Körperlichkeit nachvollziehbar.
Als Gegenpole sind Jo der dem abstrakten Klein-Blau nachjagt und Anna die viele Bleistiftzeichnungen ihres eigenen verletzten Körpers zeichnet aufgebaut.

Im Gegensatz zu einem Kriminalroman des Autors bei dem mir die Eigenschaftswörter fehlten, gibt es hier genug vorstellbares und ich konnte in die spannenden Erzählfäden eintauchen.

In Summe : ein grandioses Buch, das ich gerne weiterempfehle !

Yves Klein lebte von 28. April 1928 in Nizza bis 6. Juni 1962 in Paris (Herzinfarkt).

Sonntag, 13. August 2017

Maurice Leblanc : "Die grünäugige Frau"

Maurice Leblanc :
"Die grünäugige Frau"
original "La Demoiselle aux yeux verts",
1927, Éditions Pierre Lafitte
Dateigröße: 402 KB
Seitenzahl der Print-Ausgabe: 222 Seiten
Verlag: idb (5. Januar 2017)

Verkauf durch: Amazon Media EU S.à r.l.
Sprache: Deutsch - leider ist kein/e Übersetzer/in angegeben
ASIN: B01N1ZPHD2

Ein Mann sieht eine schöne Frau in Paris und folgt ihr - mit blauen Augen und Temperament. Im Cafehaus sieht er eine andere schöne Frau - mit grüne Augen. Im Zug wird die blauäugige Frau ermordet. Später taucht die grünäugige junge Frau (Aurelie) wieder auf - wie sie Verbrechern Schmiere steht, wie sie Menschen im Zug überfällt, aber immer ist sie unschuldig weil ein böser Stiefvater und noch paar Spießgesellen an einem alten Rezept hinter ihr her sind. Einzig ein Mann der sich als Raoul nennt, aber Arsene Lupin ist, hilft ihr entweder romantisch oder heldenhaft.
 - ich habe nicht bis zum Ende durchgehalten, bei 49 % gelesen war 'definitiv Stop'.

Das e-book ist in der Serie "historische Kriminalromane" herausgegeben, weshalb ich neugierig geworden war.

Leider hat mich der Stil überhaupt nicht fasziniert, was eigen ist, da ich sonst gerne den langsamen Stil der Zwischenkriegszeit lese. Ich mußte mich zwingen die Geschichte weiterzulesen, da mich einerseits die flachen Menschentypen nicht interessierten, und auch das pseudo-heldenhafte Benehmen und dann wieder James -Bond -mäßigen-Machoaktionen zwischen Raoul/Arsene Lupin und seinem Gegenspieler Marescal abstieß.
Vielleicht funktioniert die Geschichte wenn man sie in einem Fortsetzungsroman jede Woche ein Kapitel liest, als Roman war mir die Geschichte aber zu mühsam.

Die schöne Frau mit den grünen Augen soll 18 jahre jung sein, war im Kloster, tut auf unschuldig, macht aber bei Überfällen mit und ist sonst auch nicht zimperlich - paßt für mich nicht zusammen. Die blau-äugige Frau, die sich mit Temperament und guten Beobachtungen zu wehren weiß, wirkt weniger zusammengesetzt.

Da ich leider keinen Übersetzer gefunden habe weiß ich nicht ob es eine aktuelle oder eine ältere ist.
Der Titel ist auch in anderen Übersetzungen zu finden wie "Die Frau mit den grünen Augen" oder "die Frau mit den jadegrünen Augen". Ob der Stil dem original entspricht oder der Übersetzung zu verdanken ist, ist mir nicht klar.

Ich hoffe anderen Lesern & Leserinnen gefällt der Roman besser als mir.


Maurice Leblanc wurde am 11. November 1864 in Rouen geboren. Er war Journalist und Romancier, und schrieb Abenteuer- und Kriminalgeschichten, Theaterstücke und Kurzgeschichten. 1905 erschien die erste Geschichte mit 'Arsène Lupin' als Fortsetzungsroman.  Zwischen 1907 und 1935 erschienen 20 Romane, 2 Theaterstücke und etliche Kurzgeschichten rund um 'Arsène Lupin'.
Er starb am 6. November 1941 in Perpignan. 

Sonntag, 30. Juli 2017

Lluís Llach : "Die Frauen von La Principal"

Lluís Llach :
"Die Frauen von La Principal"
Roman
original "Les dones de la Principal"
2014, Editorial Empúries, Barcelona
Aus dem Katalanischen von Petra Zickmann
2016, Insel Verlag Berlin
310 Seiten
ISBN 978-3-45-17672-5

La Principal ist ein Weingut / Gutsitz in den Bergen Kataloniens. 1893, 1940 und 2001 sind drei Jahre um die sich die Lebensgeschichten von drei entscheidungstüchtigen Frauen der Familie Roderich ranken. 1893 ist es die einzige Tochter Maria, die in der Zeit der Reblaus mit dem Gut und dem heruntergehenden Weingut übrig bleibt. Als sie Dank der Voraussicht ihres Vaters, der eine Rebe, die die Reblaus nicht schädigt, ansetzt, gut überlebt entsteht lebenslange Feindschaft zu den Brüdern, die der Vater besser im nahen Barcelona abgesichert hatte. Mit ihrem künstlerischen Mann Narcís entsteht Tochter Maria, die mit einer Kriminalgeschichte gestürzt werden soll, was erstens mißlingt und ihre zweitens ihr die Liebe des Mannes llorenc sichert. Ihre Tochter - auch Maria - übernimmt 2001.

Durchgehend ist Úrsula am Hof, die den "Senyora"s immer beisteht und dem Inspektor im Jahr 1940 Fragen wegen einer Leiche mit zerstörten Genitalien beantwortet. Sie ist Amme, Kammerfrau, Vertraute, Haushälterin, zwischendurch Geliebte, aber immer loyal zur Familie und den Frauen.

Die Menschen sind interessant geschildert und gut vorstellbar.
Die Maria um 1893 wird als hart geschildert - wohl durch das Verhalten ihrer vier Brüder, hat den Spitznamen 'die Alte' erarbeitet und kippt nach dem Tod ihres freidenkenden, intellektuellen, belesenen und klavierspielenden Ehemanns Narcis ins Gegenteil zu extremen reaktionärem Katholizismus.
Die Maria um 1940 ist zur Zeit des Krieges um Ausland, arrangiert sich irgendwie mit dem Franco-Regime und trifft mutige Entscheidungen betreffend Weinbau und auch in der Liebe.
Inspektor Lluís Recader liebt Krimis von Agatha Christie und hofft die Geschichte der Leiche in ihrem Stil lösen zu können. Ihm imponiert die starke schöne Gutsherrin. Leider kommen ihm das Gemisch aus Homoerotik, auch unter Priestern, und Machtstrukturen zwischen katholischer Kirche und Franco-Politik für eine saubere Lösung des Falles dazwischen..
Llorenc ist der Sohn einer Angestellten des Hofes, und ältester Vertrauter dieser Maria. Er ist erotisch offen in beide Richtungen unterwegs was zu dieser Zeit gefährlich ist, hat aber das Glück von einer schlauen Frau geliebt zu werden.
Die dritte Maria hat die 68-er des 20. Jahrhunderts mitgemacht, und macht sich auf das Weingut wieder in Hochform zu bringen.

Der Familienroman gemischt mit einer Kriminalgeschichte vor dem Hintergrund des wirtschaftlichen Ruins durch die Reblaus (1893) und dem Schatten des Bürgerkrieges und der Franco-Herrschaft (1940) wird sprunghaft erzählt. Manchmal ist es ein Erzähler, einiges was Úrsula dem Inspektor erzählt oder auch ein Märchen (beides in kursiv).

Die Düsterkeit der Koalition zwischen dem schwulen Priester, der andere für sein Verhaltung über die Klinge springen läßt, und Politik mit damals verantwortungsloser Gewalt ist beängstigend.

Ich habe das Buch an einem Wochenende begonnen und genossen es auch fertig zu lesen. Die Dichtheit der Figuren hat mich beeindruckt. Viel Freude beim Lesen !

Lluís Llach, geboren am 7. Mai 1948 in Girona / Katalonien geboren. Lluís Llach studierte unter anderem am Konservatorium Musik. Er ging gegen Franco ins Exil und erlangte als Sänger der Nova cançó große Berühmtheit. Sein Song "L’estaca / Der Pfahl" (1968) gilt als die Hymne der katalanischen Unabhängigkeitsbewegung. Llach lebt auf seinem Weingut im katalanischen Dorf Porrera und engagiert sich aktuell für die katalanische Unabhängigkeit.

Freitag, 28. Juli 2017

Bielefeld & Hartlieb : "Auf der Strecke"

Claus-Ulrich Bielefeld & Petra Hartlieb :
"Auf der Strecke - Ein Fall für Berlin und Wien"
Roman
2011 Diogenes
353 Seiten
ISBN 978-3-257-24068-9

Auf der Zugstrecke zwischen Wien und Berlin wird der aufstrebende Stern am Literaturhimmel ermordet. In Wien ermittelt Anna Haberl, die in Berlin Kommissar Thomas Bernhardt kontaktiert. Der Literaturagent in Berlin wird ebenfalls ermordet, die Berliner Freundin des Schriftstellers springt in den Tod und die Wiener Freundin versucht Selbstmord zu begehen; die ursprüngliche Wiener Verlegerin kommt zu Wort, ein guter Freund des Schriftstellers der ebenfalls Schriftsteller ist aber weniger Erfolg hat und in Berlin ein zwielichtiger Geschäftsmann im Bereich Ex-DDR, Vermögen, Immobilien und aktuelle Politikverknüpfung. Bei einer Abendveranstaltung um die Frankfurter Buchmesse kommt es zum show-down.

Der ermordete Schriftsteller wird als arroganter Schnösl geschildert. Nur das teuerste wäre ihm gut genug. Die Idee den Roman mehrfach zu verschlüsseln und parallel an Verlage zu senden um sich abzusichern finde ich durchaus gut.
Die Frauen in dem Buch sind großteils attraktiv geschildert, die Männer netterweise meist interessant.

Die Hintergrundgeschichte mit DDR - Immobilien - Vermögen - Ausläufer in KPÖ sind spannend. Die Infos über die KPÖ interessant. Der Zynismus zwischen Trotzkisten und Maoisten ist heftig.

Nette Hinweise auf Bücher, Buchregale sind vorhanden, was bei Autoren die aus der Buchbranche stammen vermutlich kein Wunder ist.

Der Krimi ist gut und rasch zu lesen. Ein ideales Buch für Regentage und zum Entspannen. Viel Spaß beim Lesen.

Die Kooperation im Buch von Wien und Berlin ist auch bei den Autoren dieses Buches, wobei Petra Hartlieb in Wien ist und Claus-Ulrich Bielefeld in Berlin. Beide sind in der Buch-Zunft als Kritiker, Ex-Kritikerin und Buchhändlerin verwurzelt.

Freitag, 21. Juli 2017

Bernhard Aichner : "Interview mit einem Mörder"

Bernhard Aichner :
"Interview mit einem Mörder" - ein Max Broll Krimi
2016, Haymon Verlag Innsbruck-Wien
201 Seiten
ISBN 978-3-7099-7133-8

In dem vierten Max Broll - Krimi ist Max auf der Jagd nach Attentäter auf seinen besten Freund Johann Baroni. In die Medien gelangt die Geschichte da Baroni ein ehemaliger exzellenter Fußballer gewesen war, der mit einer neuen Marketingidee mit Würstchen wieder Fuß fassen will. Broll meint den unauffälligen Attentäter gesehen zu haben und fährt mit diesem im Zug und dann auf einem Kreuzfahrtschiff im Mittelmeer. Die Liebe schlägt zu in Form der Journalistin Anna Fröhlich. Am Schluß steht ein langes Interview in dem vieles erklärt wird.

Die Geschichte wird in kurzen Kapiteln erzählt; entweder wird auf wenigen Seiten weiteres Geschehen abgewickelt oder es entspinnt sich ein Dialog. Das letzte Gespräch ist spannend.

Max Broll ist Totengräber, ehemals Journalist, trauert seiner ehemaligen Liebe nach, wird von seiner Stiefmutter versorgt, pflegt die Freundschaft mit dem Ex-Fußballer Baroni und lernt wieder Gras mit dem neuen Priester der Gemeinde, der aus Afrika zu ihnen kam, zu genießen. Der Attentäter hat eine eigene Geschichte von Verlust und Gewalt hinter sich.

Die Menschen sind bildhaft wenig geschildert, und bleiben der eigenen Vorstellung überlassen. klarer sind die Orte wie Dorf, Zug, Kreuzfahrtsschiff. Beschreibende Adjektive fehlen mir, obwohl der Roman spannend ist und ich wissen wollte wie die Geschichte ausgeht.

Bernhard Aichner wurde 1972 in Innsbruck geboren. Er studierte Germanistik und machte eine Ausbildung zum Photographen. Seine Photographien erschienen u.a. im "Kurier"; 2000 machte er sein eigenes Photoatelier auf. Der erste Roman "Das Nötigste über das Glück" erschien 2004; der erste Krimi mit Max Broll "Die Schöne und der Tod" erschien 2010.

Montag, 17. Juli 2017

Hernán Rivera Letelier : "Der Traumkicker"

Hernán Rivera Letelier :
"Der Traumkicker"
Roman
original "El fantasista"
2006, Chilena de Ediciones, Santiago de Chile
Aus dem Spanischen von Svenja Becker
2013, Insel Verlag
200 Seiten
ISBN 978-3-458-35932-6

Ich hatte von dem Autor das entzückende Buch "Die Filmerzählerin" gelesen, das mich wegen seines Zaubers mitten in Kargheit fasziniert hat.
Bei dem "Kicker" ist kein Zauber zu spüren sondern das knochentrockene Leben der Menschen um den Salpeterabbau vermischt mit viel Essen, viel Trinken, viel Sex und noch mehr über Sex reden und noch mehr Gespräche über Fußball.

In der Rivalität zur Nachbargemeinde wird um Frauen und Fußball rivalisiert, wobei die Karten ungleich verteilt sind, da die Nachbargemeinde mehr Geld für gute Fußballer zur Verfügung hat. Als sich ein Mann der mit einen Fußball Tricks spielt in den Ort verirrt, hoffe alle auf einen legendären Sieg - vor allem da der Siedlung der komplette Abriß wegen Baustellenschließung bevorsteht. Parallel zu den Vorbereitungen auf das letzte Spiel gibt es zwei Liebesgeschichten, viele erotische Ausflüge, und das Begleiten der verschiedenen Charaktere in der Siedlung. Am Ende steht ein spannendes Fußballmatch und die Destruktion der Siedlung.

Die Story zieht sich manchmal etwas, aber die Menschen in dem Roman / in der Siedlung sind ein ziemliches Panoptikum.
Expedito González : der Mann der stehend mit einem Fußball fasziniert - und seine rothaarige grünäugige Freundin die aus dem Unterhaltungsgewerbe stammt.
Cachimoco Farfán : mit Mikrophon, originellen Fußballmatch-Beschreibungen und dem Tick diese mit medizinischem Fachjargon zu ergänzen; Tuny Robledo - der endlich seine Angst vor dem Elfmeter schießen vergißt; Siedlungscasanova Choche Marivilla; bis zu sieben Menschen die unter einem Dach leben und die sieben Todsünden verkörpern
Leider ist kein Verständnis für den Tormann in dem Buch zu lesen - es geht nur um Angriff und Prügeleien.

Ort der Handlung ist eine Siedlung mit Laden, Kino, Gasthaus, vier Elektrikern und einem rachegeifernden Priester in der trockenen Atacamawüste bei den Salpetersiedlungen. Es wird beschrieben wie trocken die Gegend ist, wie sich eine Windhose gemütlich ausbreitet und ein seltener Wolkenbruch.
Zeit dürfte einige nach dem Putsch von Augusto Pinochet 1973 sein, der aber nur kurz gestreift wird. Als fußballgeschichtlicher Hintergrund wird auch ein Flugzeugabsturz in den Anden erzählt, der am 3. April 1961 gewesen sein dürfte und der Fußballclub 'Green Cross' wird bewundernd genannt.

Die Geschichte aus einer Wir- bzw. Ich-Sicht geschrieben, wobei nie ganz klar ist wer der Ich /die wir sind außer Einwohner der Siedlung.

Die Geschichte ist etwas deftig ge- und beschrieben als Sex, Trinken, Essen, und medizinische Einläufe oft und genau geschildert werden. Liebhaber, Seitensprünge, Hodengrößen und Huren werden moralfrei erzählt. Das Buch ist nichts für Feinde von Fußball. Allen anderen viel Zeit und Spaß beim Lesen !

Hernán Rivera Letelier wurde am 11. Juli 1950 in Talca (Anm : Mitte von Chile südlich von Santiago de Chile) geboren. Er lebte als Kind und Jugendlicher im Norden Chiles bei den Salpeterbaustellen, auch nach dem Tod seiner Eltern. Einige Zeit reiste er durch die Nachbarländer bis er bei den Salpeterminen zu arbeiten begann, und nebenbei die Matura nachmachte. 1987 veröffentlichte er die ersten Gedichte, 1990 die ersten Kurzgeschichten und mit "La reina Isabel cantaba rancheras" erschien 1994 der erste Roman. Jetzt lebt er mit seiner Familie in Antofagasta.