Freitag, 29. Juni 2012

Stefan Slupetzky : "Der Fall des Lemming"

Stefan Slupetzky :
"Der Fall des Lemming"
2004, Rowohl Verlag GmbH, Reinbeck bei Hamburg
(Die Schreibweise entspricht den Regeln der neuen Rechtschreibung)
247 Seiten
1 Seite Glossar für Nicht-Wiener
ISBN 3-499-23553-6

Nachdem mir einige Bekannte vorgeschwärmt hatten, andere aber abgeraten haben - habe ich den ersten Band von mittlerweile vier 'Lemming'-Büchern gelesen.

Der Krimi ist in Wien, Hauptperson ist Leopold Wallisch. Er war Polizist, wurde durch Mobbing innerhalb der Polizei und v.a. seinen rassistischen Vorgesetzten mit Hang zu extrem derben Kommentaren über seine Mitmenschen, hinausgeekelt und schlägt sich als Detektiv, mit dem Spitznamen "Lemming" - den hat er dem Vorgesetzten zu verdanken - durchs Leben.
Seinen Auftrag einen alten Herrn zu observieren vermasselt er, weil er ihn nur noch als Ermordeten findet. Er ermittelt auf eigene Faust weiter, findet eine alte Brille und einen großen vertrauensvollen Hund.
Der Ermordete war Gymnasiallehrer und für seine beherrschende Art bekannt gewesen. Wallisch befragt einige ehemalige Schüler, und verfolgt weitere Spuren. Leider gibt es weitere Tote, der Mord wird allerdings aufgeklärt.

Parallel zu der in Wien spielenden Geschichte gibt es Kapitel die ein ganz anderes Leben schildern - eines vom Überleben auf einer Insel, Schiffsfahrten und Ankunft in Triest.

Durch die ersten Seiten mußte ich mich mühsam durchkämpfen denn die Aussagen des rassistischen Polizisten waren mehr als nur political non-correct, auch negativ und extrem herabwürdigend.
Als die Geschichte dann zu Laufen begann, war es spannend der Erzählung und den Menschen zu folgen.

Die Menschen werden fast als Panorama geschildert : die Witwe des Lehrers die sich einen Schwips und Operette gönnt, die sympathische Tierärztin, der weiblichere Teil eines Männerpaares, ein Möchte-gern-Künstler mit sogenannter Komposition, ein Polizeiarzt bis zu einem Fahrer einen Liliputbahn im Prater.

Die Umgebungen sind für einen Wiener nachvollziehbar - Villengegend, Prater, kleine altmodische dunkle Wohnungen, Roßauer Kaserne ...

In Summe haben mir die Menschenschilderungen gut gefallen. Das Buch ist Lesern die sich einen Wien-Krimi geben möchten, und denen stellenweise ziemlich rüder Ton nichts ausmacht zu empfehlen. Die feine Klinge hat dieser Krimi nicht.

Dienstag, 26. Juni 2012

Parker Bilal :"Die dunklen Straßen von Kairo"

Parker Bilal :
"Die dunklen Straßen von Kairo"
Kriminalroman
Original "the goldes scales"
2012, Bloomsbury Publishing, New York
übersetzt von Karolina Fell
2012, Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbeck bei Hamburg
434 Seiten
ISBN 978-3-499-25765-0

Der Roman erzählt eine starke Geschichte über Detektiv Makana, der seit sieben Jahren in einem armseligen unsichern Hausboot am Nil bei Kairo wohnt. Er wird hinzugezogen um einen Fußballstar zu finden, der verschwunden ist.
Saad Hanafi ist ein mächtiger Mann - der sich gerade leistet ein Stadion zu bauen und eine sehr gute Fußballmannschaft zu unterhalten. Seine intelligente, wunderschöne Tochter Soraya unterstützt ihn in der Geschäftsführung. In der Vergangenheit hatte er einen brutalen Freund und Helfer, der in Afghanistan und Tschetschenien kämpfte und dort umgekommen sein soll. Beide waren nicht zimperlich im Durchsetzen ihrer Ziele, auch Frauen gegenüber.
Makana trifft auch die Tochter eines Earls, die ihr verschwundenes Mädchen immer wieder sucht. Sie wird ermordet aufgefunden.
Am Ende werden die Stränge entflochten und die Fragen beantwortet

Der Autor läßt die Entführung eines vierjährigen Mädchens 1981 zur Zeit der Ermordung von Präsident Anwar as-Sadat spielen. Alles weitere 1998.
Hier folgt die Erzählung dem was Detektiv Makana erlebt - seine Besuche bei den Filmmenschen, einer wunderschönen Schauspielerin, einem charismatischen Fälscher und Schachspieler, einem reichen Russen etc - , manchmal durchbrochen vom chronologischen Erzählen wie sich sein Leben im Sudan verändert hat, wie es immer ungemütlicher wurde bis zur seiner Flucht.

Das Buch ist gut geschrieben und schön zu lesen. Der Erzählstil gibt Zeit sich die Umgebung, die Menschen und ihre Eigenarten vorzustellen. Der Sand, die Baustellen, die löchrigen Straßen, die armseligen Teestuben und bodenständigen Gastronomielokale standen mehr vor meinem Augen, als Reichtum und Luxus, der ebenfalls Ort des Geschehens ist.

Angst machen die Kapitel in denen beschrieben wird, wie in Karthum/Sudan nach der Übernahme der islamistenpartei Religion zur Staatsangelegenheit wird, das private Ausüben der Religion Fragen nach sich zieht, Professoren die den Darwinismus unterrichten ermordet werden und Frauen die in ihrer Arbeit gut sind vergewaltigt und ermordet aufgefunden werden. Dem Vorgesetzte Makanas sind Religion wichtiger als eigenartige Morde, v.a. wenn sie an ehrlosen, weil gebildeten und arbeitsamen Frauen begangen worden waren. Makana wird immer vorgeworfen daß sein Vater Lehrer war und er in London gelebt hatte. Seriöse polizeiliche Recherchen werden unterbunden, bzw. bewaffnete ungebildete Männer ohne Moral bestimmen wer welches Vergehens schuldig sei.

Leider fehlt mir in dem Buch ein Glossar, der typische Gerichte oder Formulierungen oder Anreden in Ägypten, die zwar kursiv gesetzt sind, erklärt.

Dieser Roman hat mir sehr gut gefallen. Die erzeugten Bilder sind stark im Kopf und arbeiten nach. Ich kann das Buch nur weiterempfehlen.

Samstag, 23. Juni 2012

Alicia Giménez - Bartlett : "Samariter ohne Herz"

Alicia Giménez - Bartlett :
"Samariter ohne Herz"
Petra Delicado löst ihren sechsten Fall
"Un barco cargado de arroz"
2004, Editorial Planeta, S.A. Barcelona
Aus dem Spanischen von Sybille Martin
2005, BLT, Verlagsgruppe Lübbe GmbH & co KG, Bergisch Gladbach
404 Seiten
ISBN 978-3-404-92246-8

Nachdem ich vor Jahren den ersten 'Fall' von Petra Delicado gelesen hatte, war ich neugierig wie sich dieser Fall in Barcelona entwickelt.

Petra Delicado, die resche durchsetzungsfähige attraktive Inspectora und ihr rundlicher konservativer Subinspector Fermín Marquéz lösen ziemliche brutale Morde an Obdachlosen und kommen einer betrügerischen karitativen Organisation auf die Spur.
Große Hilfe ist die junge Polizistin Yolanda, die so begeistert von der Inspectora ist, daß sie zur Mordkommission wechselt um weiter mit ihr zusammenzuarbeiten.
Erotische, sinnliche und streitbare Abwechslung für Petra bietet Ricardo, ein blitzgescheiter origineller Psychiater, der sich wünscht mit Petra gemeinsam zu Leben.

Bösartig entwickelt sich der Strang, daß es einige schwarze Schafe unter den karitativen Organisationen gibt, die nur für sich selber Geld sammeln - der offizielle Hilfszweck wird nicht annäherungsweise erfüllt. Früher nahm man Blinden das Geld aus dem Hut, heute sanieren sich Unternehmen mit solchen Konstrukten. Daß hier eine alte Waffe und emotionslos brutale Jungs aus dem Schlägermilieu zur Wahrung der Konstruktion eingesetzt werden, ist hoffentlich nur Fiktion.

Der Originaltitel 'eine Schiffsladung voll Reis' zieht sich durch das Buch: Anselmo, einer der ermordeten Obdachlosen träumt davon und später wird diese Formulierung als Sinnbild für den Wunschtraum des Lebens verwendet. Bei einem ist es Familie, bei anderen so leben zu dürfen wie man möchte etc.

In diesem Roman ist mehr Platz für das Privatleben von Inspectora und Subinspector, bei denen Veränderungen anklopfen, geprüft und verworfen werden. Die beiden sind ein wunderbar eingespieltes Team und ihre Wortgeplänkel um Emanzipation und Traditionalismus sind meist ziemlich amüsant. Ebenso wie sie mit ihrem Chef Herrn Canares umgehen.

Ich habe den Krimi sehr genossen, und beschlossen möglichst bald nach Barcelona zu reisen um mir etwas von dem Stadtgefühl mit seinem guten Essen zu gemüte zu führen.



Mittwoch, 20. Juni 2012

Dieter Bührig : "Schattenmenagerie"

Dieter Bührig :
"Schattenmenagerie"
Ein Eutin-Lübeck-Krimi
Ein musikalischer Kriminalroman nach Motiven von Carl Maria von Weber und Modest Mussorgskij
2012, Gmeiner Verlag Gmbh, Meßkirch
314 Seiten
ISBN 978-3-8392-1241-7

Der Roman beginnt gemütlich mit dem Urlaub von Inspektor Kroll und seiner Nichte Micha auf Mallorca. Dort stolpert er über eine Leiche - die sich als Landadeliger aus seinem deutschen Arbeitsfeld entpuppt. Vorbei ist der Urlaub und Inspektor Kroll begibt sich mit seiner Nichte und dem musiksinnigen Inspektor vor Ort auf die Suche nach möglichen Verdächtigen.
In Eutin war Carl Maria von Weber auf die Welt gekommen, wo er zwar nicht die Anerkennung erhielt, aber posthum doch viel gespielt wird. Es gibt auch einen Stiftungsrat, indem der ermordete Baron der Vorsitzende gewesen war.
Micha freundet sich während ihr Onkel recherchiert mit einigen Jugendlichen in ihrem Alter an - eine ist die erblindete Viviane, die wunderbar Klavier spielt. Midi-files sei Dank kann sie Musik auswendig lernen und sich dann beim Spielen darin vertiefen. Sie darf auf der Orgel im Schloß des Barons spielen, währenddessen der Geist C.M.von Webers erscheint und ihr eine Jugendsonate zum spielen und vollenden überläßt. Die blinde junge Frau auch auch bei einem späteren Konzert Visionen, in den sie sehen kann und ein stummen Mädchen in der Umgebung ganz normal spricht - die Visionen und gewissen Eigenmächtigkeiten der Jugendlichen ermöglichen dem Inspektor das Lösen des Falls, wobei noch zwei Morde dazugekommen waren.

In den Roman sind einige Erlebnisstränge parallel geführt und manchmal auch verwoben.
Die Mordaufklärung ist die Hauptlinie.
Parallel ist die Schiene der 14-jährigen Micha mit Handy, Freundinnen und den ersten Jungs in der Umgebung.
Die Snobs in Eutin sind ein Herzogpaar mit Sohn und eine Baronin; bis der Jungherzog und die Baronin endlich zusammenkommen dauert es etwas.
Herr Rasumowsky, mit wirklich russischer Abstammung, möchte gerne Nachfolger des Zars aus einer illegitimen Linie sein. Er ist Anhänger des Satanismus.
Coaba ist Ziehkind eines Försterpaares, die als Kleinstkind bei einem Asylantenbrand ihren Vater verloren hat und mittlerweile eine wunderschöne aber stumme junge Frau geworden ist. Sie hat Gefühl für die Natur und Wald, und deren Geister dort.
Parallelwelten, wie sie Viviane erlebt, ziehen in andere Ebenen, da sie stark in der Natur spielen und atmosphärisch sehr dicht beschrieben sind.
Der Titel 'Schattenmenagerie' wird im Laufe der Mordlösung aufgeklärt.

Es gibt auch Abrisse über die Geschichte von Eutin, dem Schloß und der späteren Zarin Katharina der II und ihren unglücklichen Ehemann Zar Peter. Diese Absätze habe ich nur überflogen, da ich rasch zum Krimistrang wollte.

Spaß machte mir die Figur des Inspektor Kroll, der in Mini Cooper, zerknautschem Trench und laut Led-Zeppelin hörend sehr sympathisch wirkt. Die Kommunikation Onkel - Nichte sind unterhaltend, und liebevoll. Hofverwalter Diabelli ist unguter Zeitgenosse - die Schilderungen wie er Licht ausweicht haben mich an ein Drehbuch erinnert. Tw. sind die Menschen sehr genau geschildert, wenn sich der Autor Zeit nimmt und einen Absatz lang das Gesicht seines Gegenübers mit Sprache zeichnet.
Da ich Musikfan bin und selber etwas Klavier klimpere habe ich mit den vielen Musikbezügen zu "Freischütz", Klaviersonaten und Mussorskis "Bilder einer Ausstellung" viel anfangen können - ich frage mich aber wie das Buch auf nicht-Klassikfans wirkt.

In Summe hat mir das Buch gut gefallen, ich habe es an einem Tag gemütlich ausgelesen gehabt - trotzdem ich immer wieder zugemacht habe um mir v.a. die Teile in den Parallelwelten nocheinmal durchzudenken oder nachzufühlen. Ich kann das Buch gerne weiterempfehlen.


Montag, 18. Juni 2012

Erri de Luca : "Das Gewicht des Schmetterlings"

Erri de Luca :
"Das Gewicht des Schmetterlings"
2009, Giangiacomo Feltrinelli Editore, Mailand
original "Il peso della farfalla"
2012, Graf Verlag München - Ullstein Buchverlage, Berlin
aus dem italienischen übersetzt von Helmut Moysich
Nachwort von Helmut Moysich
Laudatio zum Petrarca-Preis von Peter Kammerer
101 Seiten
ISBN 978-386220-007-8

In dem Buch sind zwei grandiose Erzählungen von Herrn Erri de Luca, die sich in der Natur abspielen, abgedruckt, ein langes Nachwort und eine Laudatio zu einem sehr renommierten Preis.

'Das Gewicht des Schmetterlings'
ist eine 67-seitige faszinierende Geschichte über einen wunderschönen einsamen alternden Gamsbock und einen alternden Wilderer. Beiden ist bewußt, daß ihre Zeit abgelaufen ist.
Der Gamsbock ist sein Leben einsam gewesen, seit ein Wilderer vor seine Augen seine Mutter erschossen hatte. Er weiß mit seiner Einsamkeit umzugehen, und weiß sich Löcher zu graben und Baumwipfel zu fressen (was eher unüblich ist).
Der Wilderer mied immer Menschen, trug sich mühsam das Lebensnotwendige zur Hütte in den Bergen und beginnt erst jetzt über eine zähe Journalistin nachzudenken.
Ab und zu zuckelt ein weißer Schmetterling durch die Geschichte, setzt sich auf den Flintenlauf des Wilderers und am Schluß auch auf das Horn des Gamsbocks.
Gewinner im Kampf Mensch gegen Tier gibt es in dieser Geschichte nicht wirklich (außer den Leser).

'Der Besuch des Baumes'
ist eine neun Seiten kurze Geschichte, bei der ein Bergsteiger wiederholte einen Baum in den Südtiroler Dolomiten besucht. Der Baum ist eine Zirbe (Anm : Zirbelkiefer (Pinus cembra)) - einer der widerstandsfähigsten und zähesten Bäume oben auf den Bergen.

Das Leben in den Bergen ist faszinierend beschrieben, wie sich in 'Besuch' die Spannung vor den Blitzen aufbaut elektrisiert fast beim Lesen. Die Sympathie des Autors scheint beim Gamsbock zu sein.
Das Tempo des Buches hat mich an geruhsames und bewußtes Bergsteigen erinnert - in der Vita des Autors war dann nachzulesen, daß er begeisterter Bergsteiger ist.

Selbst beim Lesen in der tosenden lauten Umgebung in der Großstadt zieht es in die Berge, rollen die Felsen fast am Leser vorbei. Mich haben die beiden Geschichten sehr fasziniert und ich wünsche dem Leser das gleiche Vergnügen.

PS: beim Lesen des Nachworts und der Laudatio habe ich jeweils in der Mitte aufgehört zu lesen. Mir war das Geschreibe zu akademisch v.a. nach den starken unmittelbaren Naturbeschreibungen.

Mittwoch, 13. Juni 2012

Gordon Reece : "Mucksmäuschentot"

Gordon Reece :
"Mucksmäuschentot"
Thriller
Originaltitel "Mice"
2010, Allen & Unwin, Australien
Aus dem Englischen von Susanna Goga-Klinkenberg
2012, S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt
336 Seiten
ISBN 978-3-8414-2133-3

Das Buch erzählt eine gut geschriebene, schön rasch lesbare spannende Geschichte, in der zwei Frauen die gewohnt sind sich wie kleine unterdrückte Mäuse (daher der Originaltitel) zu verhalten und sich alles gefallen zu lassen, bei Einbruch in ihr geliebtes einsames Haus am Land, doch zur Wehr setzen.

Shelley, ein fünfzehnjähriges Pummelchen, wird in der Schule von ihren ehemals besten Freundinnen immer böser gemobbt und grauslichen Übergriffen ausgesetzt. Da sie hofft, daß diese (Prügel-)Attacken aufhören, wehrt sie sich nicht. Ihr Vater verliebt sich in eine andere Frau, und Shelleys Mutter akzeptiert fast alle Scheidungsbedingungen. Ein Haus in der Einsamkeit und Privatlehrer sollen Shelley helfen, daß die Brandattacken an ihrem Körper heilen können.
In der Nacht zu Shelleys sechzehnten Geburtstag bricht ein betrunkener junger Mann in das Haus ein. Diesmal lassen sich zuerst Shelley, dann auch ihre Mutter nicht mehr alles gefallen. Ein Rosenbeet wird zweckentfremdet, ein Auto auf einem öffentlichen Platz zurückgelassen und auch ein Erpresser wird abserviert. Nichts mehr mit Maus !

Das Buch ist in Ich-Form aus Sicht der Tochter Shelley geschildert. Ihre Gefühle und Ängste, ihr nicht sich etwas ge- und zutraun ist deutlich; ebenso die Fragen die bei und nach einer Scheidung der Eltern übrig bleiben.
Mutter und Tochter sind schön geschildert. Es bringt zum Schmunzeln zu lesen wie Shelleys Mutter dem anlassigen, schlecht zahlenden, launischen Chef langsam beginnt Paroli zu bieten.
Die Umgebung mit Garten, Bäumen, Häuschen und vorher Stadt und Schulgemeinschaft ist klar, aber nicht übergenau geschildert.

In Summe ein schön lesbares Buch, das ich in meinem Leseanfall bei schlechtem Wetter in zwei Stunden gemütlich gelesen habe. Dieses Vergnügen kann ich gerne weiterempfehlen.

Freitag, 8. Juni 2012

Francisco González Ledesma : "Die Rache der Träumerin"

Francisco González Ledesma :
"Die Rache der Träumerin"
Kriminalroman
1986, original "La Dama de Cachamira"
Aus dem Spanischen von Sabine Giersberg
2012, Lübbe Ehrenwirth, Bastei Lübbe GmbH & Co KG
293 Seiten
ISBN 978-3-431-03850-7

Der Kriminalroman ist ein starker, dichter, eigentlich tieftrauriger Roman in dem Inspector Méndez durch die eher armseligen Viertel in Barcelona streift und den von der Presse sogenannten "Rollstuhlmörder" findet.

Paquito wird ermordet gefunden. Ein Rubinring, der nicht mehr abstreifbar war, führt zu seinem Freund Abel. Die Witwe Esther lebt in einem geordneten, aber armseligen Umfeld. Sie wird von einer Freundin besucht, die ihr von den Reisen spendiert von ihrem reichen aber unsichtbaren Liebhaber erzählt.
In einem alten charismatischen Haus mit Marmorkamin und Spiegel, das kurz vor dem Abriß steht, weil Spekulanten auf dem Terrain neues bauen wollen, gibt es noch Rest einer Familie. Die alten Besitzer haben längst den Bescheid zum wegsiedeln erhalten, versuchen aber so lange wie möglich zu bleiben. Die noch lebende Tochter Elvira der ehemaligen Schneiderin Ros wird Schikanen ausgesetzt, damit die Baulöwen um Ricardo rascher starten können.
Inspektor Méndez, hat ziemliche Fußschmerzen und in seinem Kommissariat wird gewünscht, daß er endlich seinen Dienst aufgibt. Er tingelt weiter durch die Lokale, trinkt mehr schlechten als guten Cognac, manchmal Anis und hört sich die kleinen und kleineren Probleme der Prostituierten, Freier, Wirtsleute und Kleinkriminellen an. Er stoßt hier auf den Namen einer Frau namens Tere.
Nach mehreren falschen Ideen findet den Rollstuhlfahrer, der die Morde begangen hatte, - es macht ihn aber nicht glücklich.

Das Buch hat eine kraftvolle Traurigkeit, die abgelebten Häuser, Lokale, Pensionen, Puffs, Wirtschaften, Wohnungen, Wohnhöhlen mit Wäschestricks mit ausrangierter löchriger Kleidung, Untergewand aus besseren Zeiten und andere Versatzstücke aus etwas besserem Leben.
Die Welt der Menschen die durch neue Immobilien reicher werden möchte und die deren Welt zehn Jahr nach Francos Tod noch mehr ins Elend abrutschen triftet noch mehr auseinander.

Deftige Sinnlichkeit ist ein weiteres starkes Element in dem Buch. Etwas skurril finde ich die Unterhaltung von zwei Polizisten über die Hinterfront von Kollegen. Homosexualität wird erst ein Thema - und ist zu dieser Zeit noch ein Grund, daß beide Männer festgenommen werden. Frauen werden oft sehr körperlich beschrieben - wobei gerade der Po oft sehr detailliert geschildert wird. Daß brutale Sexualität einer der Schlüssel zu den Morden ist, ist ein Detail. Das Leben der Prostituierten mit zahlenden / nicht zahlenden, freundlichen /brutalen Freiern wird immer wieder skizziert.

Ich empfand das Buch als dicht und stark geschrieben, die Menschen und Umgebung sind zwar düster aber vorstellbar geschildert. Leider gibt es kein positives Ende im Sinne von 'happy end'. Das Buch hat mich in den Sog hineingezogen, ich kann diesen spannenden Kriminalroman nur weiterempfehlen.