Mittwoch, 29. Juli 2020

Thomas Glavinic : "Der Kameramörder"

Thomas Glavinic :
"Der Kameramörder"
Roman
2001
2017, Fischer Taschenbuch 4. Auflage 2020
151 Seiten
ISBN 978-3-596-29737-5

Ein Paar besucht ein befreundetes Paar zum Osterwochenende in der Steiermark. Sie plaudern, kochen und essen gemeinsam, spielen Spiele und Federball. Durch die Medien erfahren sie von einem besonders sadistischen Mord an zwei Buben, deren ältester Bruder dem Mann, der seine sadistischen Spiele filmte, zu entkommen. Ein deutscher Privatsender sendet die Aufnahmen, wobei nur wenig ausgelassen wird. Bei den vier Erwachsenen ist das Interesse an dieser Story und der Mediengebrauch unterschiedlich - der Gastgeber will auf den Neuesten bleiben und versucht seine informellen Quellen anzuzapfen, die zwei Frauen sind abgestossen und versuchen sich von dem Geschehen abzugrenzen. Die erzählende Ich-Persona schließt sich der Haltung des Gastgebers an. Die Medien berichten wie sich der Kreis um den Täter immer enger schließt, bis zum sehr überraschenden Ende.

Der Schreibstil ist sehr neutral und beobachtend. Es werden wenige schmückende Adjektive eingesetzt.
Es wird nur beobachtet, nichts erklärt oder Beweggründe des Täters erläutert.

Während die Geschichte eher emotionsarm erzählt wird, sind die Medien mit Lautstärke, lautstarken Werte-Diskussionen, Aufdringlichkeit und eher respektlos geschildert.
Lange plätschert die Geschichte dahin, bis es plötzlich sehr eng wird.

Politisch wird eher auf die politischen Entscheidungsträger geschimpft, vor allem Politiker aus dem konservativen und kirchlichen Umfeld werden negativ bewertet.

Wer gewohnt ist, die letzte Seite eines Krimis zu lesen weil dort der Täter schon längst geklärt ist, sollte dies bei diesem Kriminalroman unterlassen.

Mich hat der Roman am Anfang beim Lesen eher abgestossen, dann fasziniert.

Thomas Glavinic wurde am 2. April 1972 in Graz geboren. Er arbeitete als Werbetexter, Interviewer für Meinungsforschungsinstitute, Taxifahrer, Versicherungsvertreter und Journalist für eine steirische  Regionalzeitungen und studierte Germanistik. Er ist seit 1995 als Schriftsteller tätig. 

Samstag, 25. Juli 2020

Oliver Schlick : "Das Crime Zertifikat - Verbrechen mit Qualität"

Oliver Schlick :
"Das Crime Zertifikat - Verbrechen mit Qualität"
2020, Ueberreuter Verlag
288 Seiten + 1 Seite Glossar (mit umgangssprachlichen Wörtern)
ISBN 978-3-8000-9000-6

Pius Nordberg, zwei Meter groß und etwas breit gebaut, ehemaliger Sozialarbeiter arbeitet für ein  inoffizielles Inkassounternehmen, das von einem herzensguten Mann geführt wird. Nach dessen Tod übernimmt sein Sohn und führt mit eine neuen mittleren Ebene Qualitätsmanagement ein. Pius und seine Kollegen werden mit Dokumentations-unwesen überfordert, die Investoren des Sohnes ebenso. Parallel geht Pius mit der Qualitätsmanagerin Lena auf Suche nach dem Mörder des ehemaligen Unternehmers. Einige Leichen später kommt es zu einem überraschenden Ende, bei dem der Mörder erwischt wird, aber auch einige andere Fallen zuschnappen.

Die Geschichte wird humorvoll mit herrlich unterhaltsamen Wortkreationen in Ich-Form erzählt.

Pius sieht von seiner langen Warte vieles mit Humor und weiß sich rein verbal durchzusetzen. Die Figur seiner Mutter, Tabea, eine anarchistische Soziologieprofessorin, die genußvoll eine Seniorenresidenz durcheinander bringt, ist fast die einzige die ihm den Boden unter den Füßen wegziehen kann. Die Dialoge sind für mich zum zerbröseln !

Unterhaltsam ist die quasi-Abrechnung mit ausbordenden und hier wirklich unsinnig gebrachtem Qualitätsmanagement. Wie mit den Floskeln und Schlagworten herumgeworfen wird, und damit einem Unternehmen wirklich geschadet wird, brachte mich zum öfters zum Lachen.

Die Charaktäre sind unterschiedlich in ihren persönlichen Ecken und Kanten oder Lebenslauf. Die Arbeitsbereiche sind privates Inkasso, Drogen, privat als Lockvogel arbeiten. Die Nebenfiguren wie Pius' Nachbarin Anoushka, oder ein lästiger Nachbar sind ebenfalls unterhaltend.
Auch in Liebensdingen gibt es einen vergnüglichen Handlungsstrang.

Ich habe mich beim Lesen sehr gut unterhalten. Viel Spaß beim Lesen !

Oliver Schlick wurde 1964 in Neuwied/Rhein geboren. Nach Abitur und Zivildienst studierte er Sozialarbeit in Düsseldorf. Er arbeitet zuerst in der stationären Jugendhilfe, dann in  der Flüchtlingsarbeit, aber auch als Schlagzeuger, Schaufenstergestalter, Marktforscher. 2014 erschien sein erstes Jugend-Kinder-Buch "Salamandersommer".

Donnerstag, 16. Juli 2020

Deon Mayer : "Dreizehn Stunden"

Deon Mayer :
"Dreizehn Stunden"
original "13Uur"
2009,
Aus dem Afrikaans von Stefanie Schäfer
2011, Aufbau Taschenbuch
457 Seiten + 2 Seiten Danksagung + 2 Seiten Glossar von afrikaanssprachigen Wörtern + Leseprobe
ISBN 978-3-7466-2737-3

Bernie Griessel muß als Mentor zwei parallel laufende Morduntersuchungen in Kapstadt begleiten und leiten. Ein junge Amerikanerin und ein Plattenproduzent sind ermordet worden. Die Amerikanerin hat eine Freundin, die auf der Flucht vor Männern ist, beim Produzenten deutet alles auf seine immer betrunkene Ehefrau, eine ehemals berühmte Sängerin hin. Die Medien und internationale Probleme erleichtern nicht die Arbeit, genausowenig wie polizeiinterne Machtprobleme, Rassismus innerhalb der Polizei, Sexismus in den eigenen Reihen und am Schluß auch polizeiinterne Korruption. Der Verdacht auf Drogenhandel hält lange an, bis der Schwenk zu Organhandel auf höchstem Niveau offenbart wird. Am Schluß werden die Morde überraschend zusammen gelöst und ein weiterer verhindert.

Die Kapitelüberschriften sind Uhrzeiten, die von der Früh bis in den frühen Abend an einem Tag führen. Innerhalb dieser wird in Absätzen sprunghaft beschrieben was die junge Frau auf der Flucht macht und denkt, wie Inspector Griessel seine Alkoholsucht, seine Untreue, seine Überlegungen zu den Fällen, wie er seine Kollegen durch die Fälle choacht, wie er Probleme zu Vorgesetzten und zu Mitarbeitern versucht flach zu halten. Andere Polizisten und Polizistinnen vermischen ebenso private wie berufliche Probleme und zeigen oft keinerlei Bereitschaft zusammen zu arbeiten; dazu sitzt das Rassismusproblem in Südafrika zu tief.

Interessant ist was über den Musikmarkt geschrieben ist. Die Musikströmungen sagen mir zwar persönlich nichts, die Art wie über Musikpropuktion geschrieben wird hat mich fasziniert. Die Figur des ermordeten Musikproduzenten ist hier charismatisch, und für die Musikschaffenden überraschend positiv geschildert.

Der Roman ist spannend geschrieben. Leider hatte ich Schwierigkeiten mir die vielen Namen und Menschen zu merken und habe die "Figuren" öfters durcheinander gebracht, was das Lesen nicht einfach machte. Als Gegenpol zu dem rothaarischen, irisch-stämmigen Griesel, der als Mentor Ruhe bewahren muß, ist eine dicke unsympathische feministische taktlose schwarze Kaleni Mbali gezeichnet.

Im Glossar sind Afrikaans Wörter genannt, mir wären auch weitere Wörter aus dem geographischen Bereich in Kaptstadt, Hinweise auf Xhosa, etc. wichtig gewesen.

Samstag, 11. Juli 2020

Ann Cleves : "Was niemand sieht"

Ann Cleves :
"Was niemand sieht" - Ein Shetland-Krimi
original "Wild Fire"
2018, Verlag Macmillan London
Aus dem Englischen von Stefanie Kremer
2020, Rowohlt Taschenbuch Hamburg
420 Seiten
ISBN  978-3-499-00309-7

Jimmy Perez und seine Stieftochter bekommen Besuch : Helena Fleming, die erfolgreiche Designerin, die sich um ihren entfremdeten Ehemann, den autistischen Teenagersohn und die quirlige Tochter sorgt. Der Sohn findet das ermordete Kindermädchen Emma einer befreundeten Familie im Stall auf familiären Grund. Jimmy Perez und seine Vorgesetzte Willow Reves versuchen zu erkennen was für ein Mensch das Kindermädchen gewesen war, da sie durchaus hübsch gewesen ist. Ein junger Mann mit sehr dominanter Mutter hatte Interesse an ihr gehabt, Helens Ehemann Daniel in seiner Midlife Crises ebenfalls. Es bleibt lange unklar was für ein Mensch Emma gewesen war, da viele sie nur als Funktion wahrgenommen haben. Jimmy recherchiert im Geburtsort von Emma über die Brutalität, die sie als Kind erlebt hat, und wie sie die jüngeren Brüder aufziehen mußte. Im Showdown werden Mörder und Ursache erzählt.

Das ist der achte Roman mit Jimmy Perez und ist von der Autorin als letzter dieser Serie geplant.

Jimmy Perez und Willow Reves biegen hoffentlich in ein gemeinsames Leben ein. Ein junger Mann und eine unterdrückte ältere Frau dürfen endlich ihr eigenes Leben entwickeln. Während eine Familie trachtet wieder als Familie zusammenzusetzen, geht es einer anderen Familie weniger gut.

Die Menschen sind gut vorstellbar beschrieben, die Spannung zwischen Jimmy und Willow ist spürbar, genauso wie die Unsicherheit von Helena und Daniel für ihre Familie, und die Angst des autistischen Jugendlichen. Die Familie des Arztes dessen Vorfahren schon lange auf der Insel leben, seine übertriebene Frau und die vier Kinder ist charakterlich sehr unterschiedlich. Auch die bösen Intrigen einer enttäuschten Frau gegenüber Sohn und Schwester werden erzählt.

Ort der Handlung ist die Shetlandinsel Northmavine, kleine Orte, Meer in unterschiedlichen Lichtstimmungen, und viel unbewohnte Landschaft.

Zwischen den Handlungen grübelt Jimmy über sein Stiefkind, und seine große Liebe nach, und ob er sich eine Beziehung überhaupt zutraut.

Spannend ist wie beschrieben wird, wie lange erlebte Gewalt als Kind weiterwirkt, und wie wenig das Umfeld davon mitbekommt.

Der Roman ist spannend geschrieben. Mitraten des Who-Dunnit ist möglich. Viel Spaß beim Lesen !

Ann Cleeves wurde 1954 in der Grafschaft Herefordshire / Region West Midlands geboren. Sie arbeitet als Erzieherin, in einem Frauenhaus, und als Köchin auf einer Vogelwarte.
Bei ihrer ersten Romanserie geht es um den Naturforscher 'George Palmer-Jones' zwischen 1986 und 1996, die noch nicht auf Deutsch erschienen ist. "Inspector Ramsey" war zwischen 1990 und 1997 die Hauptperson dieser Serie, die ebenfalls noch nicht auf Deutsch erhältlich ist. "Vera Stanhope" ist die Hauptperson von Romanen zwischen 1999 und 2020, die es auf Deutsch gibt und es zu Fernsehehren geschafft hat. Die "Shetland Island"s sind mit Jimmy Perez in zweimal vier Kriminalromanen erschienen und auf Deutsch erhältlich.

Samstag, 4. Juli 2020

Anthony Coles : "Ein Gentlemen in Arles - mörderische Machenschaften"

Anthony Coles :
"Ein Gentlemen in Arles - mörderische Machenschaften" - ein Provence-Krimi
Peter-Smith-Reihe-1
original "A Retirement Disturbed"
2016, CreateSpace Independent Publishing Platform
Aus dem Englischen von Michael Windgasse
2019, Piper Verlag Gmbh
355 Seiten
ISBN 978-3-23206-7

Peter Smith hat sich mit seinem Windspiel Arthur in die Provence zurückgezogen und möchte seine Pension genießen. Durch Zufall wird er in einen Mord hineingezogen, und plötzlich interessieren sich die unterschiedlichsten Menschen für ihn und sein Wissen. Auf der einen Seite ist es die wunderschöne, reiche, charmante Witwe des Toten, auf der anderen Seite ziemlich gewaltbereite obskure Gestalten. Während ihm die Witwe die Geschichte der Camargue näher bringt, und ihm Treffen mit ihr wohl tun, eröffnen ihm die anderen Menschen die Sichtweise zu anderen lokalen Mafia-ähnlichen Gruppierungen, wobei die Familie der Witwe ebensoviel Macht in der Camargue hat.
Der Ermordete war ein glänzender Geschäftsmann gewesen, der geschickt EU-Förderungen gelenkt hat, aber vorallem eine unsittliche Neigungen hatte.
Am Schluß ist werden die Mörder zwar nicht erwischt, aber es bleibt das wohltuende Gefühl, daß die Welt ein paar böse Menschen weniger hat.

Peter Smith und eine alter Freund von ihm, der geheimdienstmäßig informiert ist, werden als typische Engländer mittleren Alters geschildert, denen es zuhause einfach zu kalt ist.
Die Witwe ist eine schöne gescheite reiche Frau, die ihn fast immer bezaubert.

Der Roman ist gut lesbar, die Zeit fliegt beim Lesen dahin. Ort, Menschen und Essen in diesem Roman sind gut vorstellbar.

Viel Spaß beim Lesen !