Samstag, 27. Juli 2013

Carmen Stephan : "Mal Aria"

Carmen Stephan :
"Mal Aria"
2012, S. Fischer Verlage
200 Seiten
ISBN: 978-3-10-075141-6

In diesem dichten, spannenden und eindrücklichen Roman in 13 Kapiteln erzählt ein Mosquito - genauer ein weiblicher Anopheles - wie er die Krankheitserreger überträgt, begleitet seinen letzten Menschen und schildert nebenbei die Medizingeschichte über die Malaria bis zur Entdeckung die Erreger und Transporteure der Krankheit.

Carmen und Carl machen einen Ausflug in den Regenwald. Dort wird Carmen von der Stechmücke gestochen, der sie zuvor begleitet hat und ihr auch weiterhin treu zu Seite steht. Es ist gerade Dengue-epidemie und niemand nimmt sich die Mühe das Blut der jungen Frau zu untersuchen, oder sie abzutasten. In 13 Tagen baut sie ab, ihre Organe zerlegen sich und erst am Schluß dechiffriert ein Arzt die Symptome richtig.

Während Carmen zerfällt erinnert sich ihr Geist an Momente aus ihrem Leben, wie die Großeltern in Bayern, ihren Freund Carl den sie schon früher nach Deutschland zurückgeschickt hatte und daß sie im Regenwald doch keine Riesenfrösche gesehen hat.

Malaria galt lange als "römische Krankheit", da der Körper um die Geißeln loszuwerden sehr hohes Fieber entwickelt. 'Mal Aria' heißt schlechte Luft, weil man dachte daß die schlechte Luft in den Tropen die Menschen erkranken lassen. Die Italiener, dann die Franzosen, dann ein beharrlicher Engländer und am Schluß wieder ein Italiener forschten über zwei Jahrhunderte bis zuerst der Erreger (die Geißeln) und dann der Transporter (die Anopheles .. ) klar war. Alle Methoden die Mücken zu vernichten haben sie stärker, resistenter gemacht.
Bis heute muß die Krankheit rasch erkannt und behandelt werden. In Afrika gilt der Spruch : es ist solange Malaria bis keine andere Krankheit bestätigt ist. Die fiktive junge Frau im Roman in Brasilien hatte nicht das Glück.

Der Roman wird aus der Ich-Sicht des Mosquito erzählt, der sich aus irgendeinen Grund um Carmen sorgt. Er spürt das Blut der jungen Frau, kann die Gedanken mitbekommen und erzählt ihre Gefühle und Gedanken.
Dazwischen springen die Gedanken zur Geschichte der Malaria und wie Menschen einerseits mit Insekten umgehen (Angst, Mosquitonetz, Ekel auch wenn das Tier erschlagen worden war) und Abgrenzungen zwischen Insekt und Mensch (wann von Gott geschaffen, welche Hirnleistung möglich und der Mensch nicht nutzt sondern drücken läßt, was Insekten [viel] und Menschen [wenig] leisten). Diese infragestellenden Absätze sind hochinteressant und schwingen nach dem Lesen noch länger nach.

In Summe ein großartiges Buch, das mich die ganze Lesezeit fasziniert hat. Ich kann es nur wärmstens empfehlen.

Carmen Stephan, geboren am 1. August 1974 in Bayern, wohnt in München. Sie arbeitet einige Zeit als Journalistin für Zeitschriften. Sie lebte als Autorin für mehrere Jahre in Rio de Janeiro. 2005 erschien der Geschichtenband 'Brasília Stories'

Samstag, 13. Juli 2013

Carsten Sebastian Henn : "Die letzte Reifung"

Carsten Sebastian Henn :
"Die letzte Reifung" - ein kulinarischer Krimi
2011, Pendo Verlag / Piper Verlag München
280 Seiten Krimi
12 Seiten Rezepte mit Käse
6 Seiten Grundbegriffe für Käse
ISBN 978-3-86612-252-9

Dieser Krimi machte Spaß zu lesen. Der Professor radelt durch das schöne Burgund, hat seinen Terrier Benno von Saber im Transportkorb und spürt dem Mord an einer genialen Käserin nach. Mithilfe seines Verwandten Jan/Jean und des Hamburger Taxifahrers und Rockers Pit löst der diesen und auch die Folgemorde und erzählt viel über Käseproduktion, Käsehandel und Machtgefüge innerhalb der französischen Käseszene.

Das Buch unterhielt mich gut. Die Personenschilderungen machen Freude und sind durchaus mit Ironie gezeichnet. Daß ausgerechnet ein Deutscher einen Lehrstuhl für Kulinaristik durchgesetzt hat, wird liebevoll auf die Schaufel gehoben. Die Käser sind unterschiedlich gezeichnete, fast schon charikaturhafte Gestalten. Der Dorfpolizist, der Bürgermeister, sein Bruder der Dorfpriester ist ... sie alle sind humorvoll geschildert.
Die gruppendynamischen Prozesse innerhalb des zwölf Personen zählenden Käseadels in Frankreich sowie des Professors Freunde und Rivalen aus Deutschland sind mit einem Hauch an Bösartigkeit geschildert. Auch die jahrhundertealten Konflikte zwischen Frankreich und Korsika finden Platz

Die Geschichte ist vielleicht etwas unlogisch, aber die Summe aus Käseinformation und gelungener Situationskomik machen den Krimi zu einem sehr empfehlenswerten und vergnüglichen (Urlaubs/Entspannungs-)Buch.

Carsten Sebastian Henn wurde 1973 in Köln geboren. Er lebt heute mit seiner Familie und 3 Katzen im Rheinland. Er schreibt kulinarische Krimis : entweder mit Meisterdetektiv Julius Eichendorff, oder mit dem Professor für Kulinaristik Herrn Adalbert Bietigheim sowie Hundekrimis mit Giacomo und Niccolo im Piemont. Wein ist nicht nur Krimi- sondern auch Lebensthema, weshalb der Autor auch ein Buch über Wein geschrieben hat, Mitglied bei Gault Millau WeinGuide Deutschland ist und selber Spitzenwein keltert.

Nachtrag : ich habe das Buch weitergeborgt und habe immer wieder vergnügtes lautes Auflachen vernommen :-)

Mittwoch, 10. Juli 2013

Rupert Schöttle : "Täter im Frack"

Rupert Schöttle :
"Täter im Frack" - Das Rätsel um Hofmanns Erzählungen. Ein kriminalistischer Opernführer in fünf Akten
2003, Bibliophile Edition, Wien
163 Seiten
ISBN 3-9500956-3-2

Auf dem rabenschwarzen Bucheinband lächelt versonnen der gezeichnete Jacques Offenbach mit Cello im Arm am Leser knapp vorbei. Der Krimi spielt in Wien und bietet für Opernenthusiasten nette Unterhaltung.

Ein Mann stürzt vor die Wiener U-Bahn. Unfall oder Mord ? Die Inspektoren Vogel und Walz ermitteln und stossen bald auf die Geschichten die sich um das Entstehen von "Hoffmanns Erzählungen" in Paris und später auch in Wien ranken. Viele Menschen nahmen Einfluß auf das Werk, Offenbach mußte einiges ändern und starb mittendrin. Einige Schüler brachten dann Opernende zustande, aber keines paßt wirklich. Ein Genuß für Musikwissenschaftler und auch Operndirektoren, die gerne Sensationen aufführen möchten. Der cholerische Direktor (alles ist Fantasie) in der Wiener Staatsoper hatte verkündet, daß er die endgültige Fassung spielen lassen wird. Der zu Tode Gestürzte war ein wichtiger Weg zu den seltenen Unterlagen gewesen. Letztendlich werden weder die Frage ob Suizid oder Unfall oder Mord , noch die Fragen nach den Unterlagen der Oper gelöst.

Der Kriminalroman ist bestens für Opernfans geeignet, auch wenn die Entstehungsgeschichte einige Male erzählt wird. Böse werden der cholerische Opernchef geschildert und Witze über seine Couch, ohne die eine Dame nicht an seinem Haus singen könne. Sympathie hat hier keinen Platz.
Sympathisch werden die Privatleben der beiden Polizeiinspektoren geschildert - der eine in einer eher unguten Ehe, der andere der eine Liebschaft mit einer Zeugin hat, die durchaus attraktiv und gepflegt ist.

Die Personenschilderungen gefallen mir sehr gut - der ältliche Connaisseur und Sammler von Noten in schönen Hietzing im kläffendem apricotfarbenen Pudel, die Kantinenwirtin in der Staatsoper, die arme Sekretärin des mehr als temperamentvollen Operndirektors und der treu an der Oper arbeitende Kapellmeister und Musikwissenschaftler etc.

In Summe in angenehmes Buch, das für mich leider etwas an Spannung fehlen läßt, aber nett unterhält.

Rupert Schöttle wurde 1957 in Mannheim geboren, bezog seine Cellisten-Ausbildung in Salzburg und Wien und spielt beim Wiener Staatsopernorchester/Wiener Philharmonikern.

Montag, 8. Juli 2013

Moritz Matthies (Pseud) : "Voll Speed"

Moritz Matthies (Pseud) :
"Voll Speed"
2013, Fischer Verlag GmbH, Frankfurt
294 Seiten
ISBN 978-3-651-0054-41


Dieser Roman ist der Folgeband von "Ausgefressen", in dem der Erdmännchenclan einiges in seinem Zoo erlebt hat und mich fast auf jeder Seite zum Lachen oder doch zum Kichern gebracht hatte.

Diesmal finden Ray und Rufus in einem Superboot, als sie durch die Kanalisation sausen eine Männerleiche. Detektiv Phil, der wieder von der Partie ist, erkennt in ihm seinen ehemaligen Detektivpartner. Die Polizei nimmt die Ermittlungen auf. Ray der mit Besorgnis sieht, daß seine jüngeren Brüder nicht nur von Traubenzucker high sind, sieht auch daß sich seine Clanmitglieder und andere Bewohner des Zoos mit irgendeiner Droge überfordern. Seinen Bruder rettet nur der Biß einer Schlange. Am Schluß findet die Polizei den Grund für Mord und die Drogen.

Leider ist das Buch diesmal nicht so lustig wie der erste Band. Ray benimmt sich mehr wie ein frecher, pubertierender, hormongesteuerter Jüngling aber ohne den Charme des ersten Buches. Auch Rufus hat sich geändert - er ist kein Bücher-Erdmann mehr, sondern ein technisch raffinierter Erdmann der sich bei Schiffsbau, Überwachnungskameras etc. bestens auskennt. Rocky, der erstgeborene und kampforientierte Clanführer, hat mittlerweile gelernt, seine jüngeren Brüder nicht mehr zu schlagen, wenn sie anderer Meinung sind. Auch Elsa, die angeschwärmte Chinchilladame, gibt es noch - für Ray.

Die Geschichte ist etwas verrückt. Die Aktion in der Kanalisation und die Kämpfe gegen die Ratten sind witzig.

In Summe ein unterhaltsames Buch, mit Humor, aber leider nach dem ersten Band etwas enttäuschend und mir etwas zu sex-fixiert.