Montag, 31. Mai 2021

Marjane Satrapi : "Persepolis"

Marjane Satrapi :
"Persepolis"
2001 / 7. Auflage 2021 Edition Moderne, Zürich
Übersetzung : Stephan Pörtner
342 Seiten
ISBN 978-3-03731-210-0

Endlich habe ich mich in diese Graphic Novel begeben.
In dieser Ausgabe werden die Jugend von Marjane in Teheran zur Zeit des Schahs, die Änderungen unter dem Regime danach, ihr Leben als 14 bis 18-jährige in Wien mit französischer Schule und dann weitere vier Jahre in Teheran an der Kunstuniversität und mit ihrer (ersten) Ehe gezeichnet, erzählt, beschrieben, nachvollziehbar gemacht.

Sie beschreibt sich als denkende eher links-liberale einzige Tochter, für die der Glauben durchaus wichtig ist, auch ohne Kopftuch. Sie geht mit ihrer Mutter gegen die Einschränkungen demonstrieren. Sie widerspricht den engstirnigen doktrinären Lehrerinnen im islamischen Staat, weil nur Respekt gefordert, aber keiner gezollt wird.

In Wien hilft ihr die Freundin der Mutter leider nicht weiter, schiebt sie zu Nonnen ab, und in der französischen Schule muß sie sich erst Freunde/Freundinnen suchen. Sie lebt vier Jahre in Wien, lernt hier aber nur genug Deutsch um im Supermarkt einkaufen zu gehen. Hier hat sie immerhin ihre erste Liebe, der diese aber nicht zu schätzen weiß. 

Zurück in Teheran schreibt / zeichnet sie eine Doppelgesellschaft : einerseits verschleiert und brav als Frau zu sein, andererseits wilde Partys mit allem was verboten ist. 

Diese Graphic Novel erzählte mir fast wie in einem Buch die Geschichte der Halbwüchsigen, die Sorge der Eltern um diese, viele Menschen die nicht da sind, viele Cliquen, und viel Entwicklung.

Die Graphiken sind klare eher dicke Linien, die mich an Linolschnitte erinnern. Manchmal wird das schwarz-weiß umgedreht, das mir sehr gut gefallen hat.

In Summe ein faszinierendes Buch, das ich weiterborgen werde. Viel Freude beim Ansehen und Lesen !

Marjane  Statrapi wurde am 22. November 1969 in Rascht, im jetzigen Iran geboren. Sie lebt jetzt in Paris und ist Comiczeichnerin.

Samstag, 22. Mai 2021

Jaume Cabré : "Eine bessere Zeit"

Jaume Cabré :
"Eine bessere Zeit" (Der Schatten des Eunuchen)
Roman
original "L'ombra de l'eunuc"
1996, Edicions Proa, Barcelona
Aus dem Katalanischen von Kirsten Brandt und Petra Zickmann
2019, Insel Verlag
547  Seiten + 1 Seite Inhaltsverzeichnis (am Ende des Buches)
ISBN 978-3-458-36416-0

Miquel Gensana II ist ein Industriellensohn in Katalonien, der einen anderen Weg sucht.  Er studiert, schließt sich einer aggressiven kommunistischen Gruppe an und geht in den Untergrund, verliebt sich fast immer unglücklich, scheitert in seiner Ehe, verliert seine große Liebe, enttäuscht seine Mutter und seinen Vater, und erzählt dies in einem Abendessen seiner Journalistenkollegin Julia.
In parallelen Kapiteln erzählt sein Großonkel Maurici Sicart sein Leben als geliebter Sohn dessen Eltern zu früh starben, wie er im Haus mit Michel II lebt und diesem die Liebe zu Musik beibringt, bei der Familie als Versager gilt da er homosexuell ist, und sich in seine eigene Welt zurückzieht.

Der Roman spielt in Katalonien, in der Zeit von Franco, und geht bis in die 80-er Jahre. 

Miquel und sein bester Freund Bolos, der in die Politik ging, haben aus der Zeit des Widerstands einen Tarnnamen. Der dritte Freund Rovira im Bundes hat keinen politischen Weg hinter sich, sondern scheiterte im priesterlichen Weg und jagt seinem Bild der idealen Frau nach.

Obwohl Miquel der zweite in seinem Leben nichts weiter bekommt, und auch verweigert dem Vater in der Fabrik zu helfen, helfen ihm Mutter und Onkel so gut es geht.
Die Frauen in dieser Familie sind meist sehr zurückhaltend, selten hält das Leben Liebe für sie bereit - oder aber es ist die große Liebe.

Miquel gibt sich in diesem Roman viele Beinamen die der aktuellen Situation entsprechen - von Versager bis großem Liebenden sind alle Abstufungen genannt. Manche triefen vor Selbstmitleid, andere sind humorvoll und brachten beim Lesen zum Lachen.

Sprachlich ist der Roman bzw seine Übersetzung faszinierend, als Miquel manchmal von sich in der Ich-form erzählt und öfter mitten im Satz zur beobachtenden dritten Person wechselt. Onkel Maurici erzählt konsequent in ich-Form aus seinem Leben und wie er die Familie wahrnahm.

Es gibt vier Familienstammbäume, in denen es von Menschen gleichen Namens wimmelt, und das Buch beim Lesen nicht immer leicht machen. 

In dem Buch ist viel von Musik zu lesen. Onkel Maurici spielt selbst Klavier; es ist von bekannten Komponisten wie Chopin, weniger bekannten wie Satie und für mich einen neuen Kompinisten namens Mompou (Katalane, lebte im 20. Jahrhundert) zu lesen. Miquel spielt nicht Klavier, geht aber gerne in den Palau in Barcelona und schwärmt von Schubert, Debussy bis Schostakowitsch und ist imstande die Probleme einer Violinistin bei Alban Bergs Violinkonzert zu verstehen.

Ich habe länger an diesem Familienroman gelesen, und empfehle auch anderen Lesern & Leserinnen sich Zeit zu nehmen.

In Summe ist der Roman faszinierend mit seinen geschichtlichen und familiären Verstrebungen, Wahrheiten und Träumereien, Musik und Politik. Der Stil ist sehr dicht, und lädt zum Versinken ein. Viel Freude beim Lesen !