Samstag, 24. Juli 2010

Erich Maria Remarque : "Liebe Deinen Nächsten"


Erich Maria Remarque :
"Liebe Deinen Nächsten"
Roman
1941 in USA unter "Flotsam" erschienen
1953 dt. Erstausgabe Kurt Desch Verlag, München
3. Auflage 2004 Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln
319 Seiten
27 Nachwort von Tilman Westphalen über Remarques Biographie, Zeitgeschichte der Zwischenkriegszeit, Zeitgeschichte von Flucht und Überleben ohne Papiere im Ist-Roman-Vergleich
3 Seiten Anmerkungen aus Fußnoten
ISBN 3-463-02730-1

Es ist ein sehr gut geschriebener Roman, in denen das Leben dreier Menschen in der Zeit vor dem zweiten Weltkrieg schildert, als Menschen aus politischen Gründen nicht nur ihre Existenz sondern auch Identität mangels gültigem Paß verlieren (können).

Die Geschichte hat zwei Teile und schildert als quasi ersten roten Faden wie es Josef Steiner als Kellner, als Falschspieler, als Wiener Praterbelustigung etc. ergeht. Der zweite rote Faden ist Ludwig Kern, den es als Halbarier zuerst in die Tschechoslowakei, dann Österreich, dann wieder die Tschechoslowakei mit Ausweisungen verschlägt, der sich aber verliebt, und dann wieder Mut in der Trostlosigkeit faßt und via Österreich, und dann Schweiz nach Paris schafft. Die Geschichte des Mädchens, Ruth Holland, ist der dritte rote Faden, in dem sie zuerst mit enttäuschter Liebe fertig werden muß, aber es legal, weil sie noch einen Paß hat (im Gegensatz zu den beiden anderen), nach Österreich schafft, in Wien leider nicht mehr weiterstudieren kann, und gemeinsam mit Ludwig in die Schweiz und dann nach Paris schafft. Ihnen beiden ermöglicht Josef Steiner und Glück daß sie nach Mexiko auswandern können.

Am Anfang des Buches wird die Trostlosigkeit, die Mutlosigkeit, die angst geschildert erwischt zu werden und mangels Papieren ausgewiesen zu werden. Der markante Satz “Ein Mensch ohne Paß ist eine Leiche auf Urlaub” schildert die Grundstimmung. Steiner und Kern lernen sich bei ersten Gefangennahme Kerns kennen, und Steiner nutzt die Zeit Kern Kartenspielen und falls notwendig Falschspielen beizubringen. (Auch später wird Gefängniszeit zum Lernen benutzt – in dem Kern bei einem Mitinsassen französisch lernt).
Später wird der Umgang mit keinen Papieren fast zur Selbstverständlichkeit und man lernt mit Hilfe gutorganisierter und wohlmeinender Menschen die Grenzen zu nehmen; immer hoffend daß man nicht von der Polizei geschnappt wird.

Rund um diese drei Hauptprotagonisten gibt es Menschen, die immer wieder den Weg eines der drei oder aller drei kreuzen, wie “der Poulet” oder Moritz Rosenthal, andere die kurzfristig da sind wie Lilo die Steiner in Wien im Prater beherbergt, Dr. Bree in der Schweiz der Ruth Holland im Krankenhaus unterbringen kann etc.
Polizisten und rechtssprechende Personen werden im weiten Spektrum zwischen faktischem neutralen Gesetz anwenden, genüßlicher Machtausübung bis zu das System hinterfragend aber keine Lösung findend (aber mi kleinen Gutes zu tun versuchend) geschildert.
Der Völkerbund, der über die ausweislosen Menschen und deren Leben Bescheid weiß, aber nichts effektives tut, wird nur geschildert (nicht kommentiert).

Die Schilderungen von Personen, Gefühlen und Gedanken sind sehr klar, und produzieren fast ein Filmscript im Kopf. Auch die Gegenden, die Umgebung, die Ort sind klar gezeichnet und fast zu greifen, fast ist die Nase versucht mitzuschildern.

Das Buch ist “gefährlich”, weil es mit seiner menschlichen Unmenschlichkeit unter die Haut geht und berührt. Situationsbedingte Lösungen werden nicht gezeigt. Das was Mut gibt ist, daß Menschen Menschen helfen können.

Donnerstag, 8. Juli 2010

Rafael Arozarena : "Mararía"


Rafael Arozarena :
"Mararía"
1973, unter Mararía
Verlag Noguer, Barcelona
aus dem Spanischen von Gerta Neuroth übersetzt
1998, Gustav Lübbe Verlag GmbH
232 Seiten
1 Seite Glossar
4 Seiten Nachwort der Übersetzerin
ISBN 3-7857-1503-X

Es ist ein sprödes Buch bei dem man so langsam weiterkommt wie man durch den Sand waten kann, oder bei Hitze einen kargen Berg erklettert. Es ist die Geschichte einer wunderschönen Frau auf einer Insel in einer Männergesellschaft, die zwar Erwartungen für das Schöne entzündet aber keiner damit glücklich wird.

Ort des Romanes ist die Insel Lanzerote, die als Skelett eines Kamels beschrieben wird, der Kampf ums Überleben in einem Dorf mit Gasthaus, Landwirtschaft, aber von dem die Männer weggehen um als Matrosen zu arbeiten.
Sprunghaft wird durch Erzählungen von ausschließlich Männern die Geschichte einer wunderschönen jungen Frau erzählt, die im Alter nur noch abends außer Haus geht und den Ruf als Hexe hat.
Sie hatte eine Kind von einem Mann, wollte einen anderen heiraten der am Tag der Hochzeit von betrunkenen Männern ihres Dorfes spaßhalber erschlagen wurde, verlor ihren Sohn an das Meer das ihn nicht mehr hergab, und bewahrte ihre Würde und ihre kerzengerade Haltung aber auch das Feuer in ihren Augen bis ins hohe Alter.
Männer wollten sie heiraten, sie besitzen, mit ihr angeben, verloren durch sie Berechnung oder Ziele aus den Augen, oder beteten sie einfach nur an.

Die Erzähler sind der Gasthausbesitzer, der Bucklige, der Pfarrer, ein Landbesitzer, ein Matrose der mittellos heimkehrt, ein Arzt am Strand etc. Andere Frauen haben keine Chance und hier auch keine Stimme zur Äußerung.

Die Geschichte fasziniert, aber sie ist trocken und spröde wie die baumlosen Berge, die herumliegende Gerippe der Tiere, und erst langsam baut sich auf warum die kerzengerade Gestalt, vor der sich die Hunde fürchten, so ein Faszinosum birgt.

Das Buch ist jedem zu empfehlen der sich die Zeit und Lust nimmt, langsam eine Landschaft und auch Art des Lebens auf sich einwirken zu lassen und dabei die Personenschilderungen zu genießen.

Samstag, 3. Juli 2010

Juan Madrid : "Der Schein trügt nicht"

Juan Madrid :
"Der Schein trügt nicht"
Originaltitel "Las apariencias no enganan"
1981, Ediciones Jucar, Madrid
aus dem Spanischen übersetzt von Hans-Joachim Hartstein
1993, Piper Gmbh München
184 Seiten
2 Seiten Anmerkungen des Übersetzers (Übersetzungen, Anmerkungen zu den Abkürzungen oder Informationen über typische nicht übersetzbare Vokabel oder Worte)
ISBN 3-492-15606-1

Ein Kriminalroman der desillusioniert über Macht (und Ohnmacht) von Polizisten, Wirtschaft, bis kleinen Ladenbesitzern und jeder Menge Leichen erzählt.

Antonio Carpintero, als Boxer unter dem Namen Toni Romano bekannt, war jahrelang Polizist und arbeitet als Rausschmeißer einer Diskothek. An einem Abend in einem heruntergekommenen Laden eines Freundes startet eine Schießerei an einem Tisch, bei der Toni in Notwehr einen der Schützen trifft.
Damit beginnt für ihn eine Suche nach den Hintermännern, da er sowohl von Polizei, Ex-Chef, Ex-Kollegen, Männern mit Einfluß in verschiedene Richtungen gedrängt wird.
Es sind eine Menge Alkohol, Pistolenkugeln, die unterschiedlichsten Faustfeuerwaffen, einige Frauen und jede Menge Leichen im Spiel, bis am Schluß klar wird, daß die Schießerei am Beginn simple Erpressung wegen Seitensprung gewesen war, die allerdings ziemlich schief ging.

Niemand steigt bei diesem Kriminalroman gut aus - v.a. die negative bis desillusionierte Stimmung bis Bestechung/Lenkung der Polizei wird genau geschildert. Ob das ein Abbild der Polizei in Spanien Anfang der 80-er Jahre des letzten Jahrhundert ist, ist möglich.

Das Buch ist gut lesbar, die Personen sind zwar manchmal stereotyp, aber doch ziemlich anschaulich geschildert. Die Szenerien sind in ihrer Trostlosigkeit spürbar. Ob die Schußwechsel und Trinkszenen so sein mögen, muß der Leser selber entscheiden.

Christiane Martini : "Venezianischer Mord"

Christiane Martini :
"Venezianischer Mord" - "Carusos zweiter Fall"
2006 Piper München Zürich
161 Seiten Krimi + 3 Seiten Personenregister + 3 Seiten italienisch + deutsches Glossar + 1 Seite Rezeptverzeichnis + 2 Seiten Stadtplan Venedig
ISBN 978-3-492-24468-8

Nett und rasch lesbarer Krimi, der ideal für Schokolade- und Katzenfans ist. Caruso, der rote Kater, hilft mithilfe seiner Katzengang den Mord wegen eines alten Kampfes um ein altes Buch mit Schokoladepralinenrezepten zu lösen (Geheimrezept mit Schokolade, Zimt, Anis, Harrisa und bisserl Giftpilz). Auch Gnocci, eine kleine dicke Ratte, der es nebenbei schafft seinen Spitznamen, als Kartoffelfresser, zu überwinden und ab nun Dispedanzo, der Schlaue, genannt wird, schafft es mit dem gefährlichen schwarzen Katerbrüderpaar Neri eine Kooperation herzustellen und auch die Rattengang zur Hilfe zu überzeugen.
Inspettore Castello, der Mensch für Camilla, die Carusos Gefährtin ist, kann den Fall durch aktive Mithilfe von Katz & Ratz lösen (Hilfe durch Hervorzaubern von Beweismaterial bis Stoppen des Verdächtigen indem die vielen vorhandenen Vierbeiner sich in besagtes Individuum verknabbern). Leider ist seinem Chef die vierpfötige Hilfe weniger willkommen.
In den Katzenkrimi sind Rezepte von Rosenlimonade, über kandierte Blumen bis Pistazienpralinen etc. eingebaut - manche reizen zum nachbasteln.
Stars des Buches sind die Tiere, sie sind genau und schön vorstellbar gezeichnet sind. Auch der schokobraune Kater Burma, dessen Mensch sich leider als sein Mörder zeigt.
Die Menschen bleiben bis auf den Inspettore schemenhaft und reduziert auf Schuhe, Mantel und Geruch.
Für Venedigfans ist schön genau geschildert auf welchen Wegen sich die Katzen (und Ratten) bewegen, und immerwieder wird kurz innegehalten, um 2 Zeilen über das schneetreiben und damit Zauber der Stadt in den Schneeflocken (der auch Spaß für Katzen sein kann) zu schildern. arrivederci cioccolata !