Sonntag, 30. Juli 2017

Lluís Llach : "Die Frauen von La Principal"

Lluís Llach :
"Die Frauen von La Principal"
Roman
original "Les dones de la Principal"
2014, Editorial Empúries, Barcelona
Aus dem Katalanischen von Petra Zickmann
2016, Insel Verlag Berlin
310 Seiten
ISBN 978-3-45-17672-5

La Principal ist ein Weingut / Gutsitz in den Bergen Kataloniens. 1893, 1940 und 2001 sind drei Jahre um die sich die Lebensgeschichten von drei entscheidungstüchtigen Frauen der Familie Roderich ranken. 1893 ist es die einzige Tochter Maria, die in der Zeit der Reblaus mit dem Gut und dem heruntergehenden Weingut übrig bleibt. Als sie Dank der Voraussicht ihres Vaters, der eine Rebe, die die Reblaus nicht schädigt, ansetzt, gut überlebt entsteht lebenslange Feindschaft zu den Brüdern, die der Vater besser im nahen Barcelona abgesichert hatte. Mit ihrem künstlerischen Mann Narcís entsteht Tochter Maria, die mit einer Kriminalgeschichte gestürzt werden soll, was erstens mißlingt und ihre zweitens ihr die Liebe des Mannes llorenc sichert. Ihre Tochter - auch Maria - übernimmt 2001.

Durchgehend ist Úrsula am Hof, die den "Senyora"s immer beisteht und dem Inspektor im Jahr 1940 Fragen wegen einer Leiche mit zerstörten Genitalien beantwortet. Sie ist Amme, Kammerfrau, Vertraute, Haushälterin, zwischendurch Geliebte, aber immer loyal zur Familie und den Frauen.

Die Menschen sind interessant geschildert und gut vorstellbar.
Die Maria um 1893 wird als hart geschildert - wohl durch das Verhalten ihrer vier Brüder, hat den Spitznamen 'die Alte' erarbeitet und kippt nach dem Tod ihres freidenkenden, intellektuellen, belesenen und klavierspielenden Ehemanns Narcis ins Gegenteil zu extremen reaktionärem Katholizismus.
Die Maria um 1940 ist zur Zeit des Krieges um Ausland, arrangiert sich irgendwie mit dem Franco-Regime und trifft mutige Entscheidungen betreffend Weinbau und auch in der Liebe.
Inspektor Lluís Recader liebt Krimis von Agatha Christie und hofft die Geschichte der Leiche in ihrem Stil lösen zu können. Ihm imponiert die starke schöne Gutsherrin. Leider kommen ihm das Gemisch aus Homoerotik, auch unter Priestern, und Machtstrukturen zwischen katholischer Kirche und Franco-Politik für eine saubere Lösung des Falles dazwischen..
Llorenc ist der Sohn einer Angestellten des Hofes, und ältester Vertrauter dieser Maria. Er ist erotisch offen in beide Richtungen unterwegs was zu dieser Zeit gefährlich ist, hat aber das Glück von einer schlauen Frau geliebt zu werden.
Die dritte Maria hat die 68-er des 20. Jahrhunderts mitgemacht, und macht sich auf das Weingut wieder in Hochform zu bringen.

Der Familienroman gemischt mit einer Kriminalgeschichte vor dem Hintergrund des wirtschaftlichen Ruins durch die Reblaus (1893) und dem Schatten des Bürgerkrieges und der Franco-Herrschaft (1940) wird sprunghaft erzählt. Manchmal ist es ein Erzähler, einiges was Úrsula dem Inspektor erzählt oder auch ein Märchen (beides in kursiv).

Die Düsterkeit der Koalition zwischen dem schwulen Priester, der andere für sein Verhaltung über die Klinge springen läßt, und Politik mit damals verantwortungsloser Gewalt ist beängstigend.

Ich habe das Buch an einem Wochenende begonnen und genossen es auch fertig zu lesen. Die Dichtheit der Figuren hat mich beeindruckt. Viel Freude beim Lesen !

Lluís Llach, geboren am 7. Mai 1948 in Girona / Katalonien geboren. Lluís Llach studierte unter anderem am Konservatorium Musik. Er ging gegen Franco ins Exil und erlangte als Sänger der Nova cançó große Berühmtheit. Sein Song "L’estaca / Der Pfahl" (1968) gilt als die Hymne der katalanischen Unabhängigkeitsbewegung. Llach lebt auf seinem Weingut im katalanischen Dorf Porrera und engagiert sich aktuell für die katalanische Unabhängigkeit.

Freitag, 28. Juli 2017

Bielefeld & Hartlieb : "Auf der Strecke"

Claus-Ulrich Bielefeld & Petra Hartlieb :
"Auf der Strecke - Ein Fall für Berlin und Wien"
Roman
2011 Diogenes
353 Seiten
ISBN 978-3-257-24068-9

Auf der Zugstrecke zwischen Wien und Berlin wird der aufstrebende Stern am Literaturhimmel ermordet. In Wien ermittelt Anna Haberl, die in Berlin Kommissar Thomas Bernhardt kontaktiert. Der Literaturagent in Berlin wird ebenfalls ermordet, die Berliner Freundin des Schriftstellers springt in den Tod und die Wiener Freundin versucht Selbstmord zu begehen; die ursprüngliche Wiener Verlegerin kommt zu Wort, ein guter Freund des Schriftstellers der ebenfalls Schriftsteller ist aber weniger Erfolg hat und in Berlin ein zwielichtiger Geschäftsmann im Bereich Ex-DDR, Vermögen, Immobilien und aktuelle Politikverknüpfung. Bei einer Abendveranstaltung um die Frankfurter Buchmesse kommt es zum show-down.

Der ermordete Schriftsteller wird als arroganter Schnösl geschildert. Nur das teuerste wäre ihm gut genug. Die Idee den Roman mehrfach zu verschlüsseln und parallel an Verlage zu senden um sich abzusichern finde ich durchaus gut.
Die Frauen in dem Buch sind großteils attraktiv geschildert, die Männer netterweise meist interessant.

Die Hintergrundgeschichte mit DDR - Immobilien - Vermögen - Ausläufer in KPÖ sind spannend. Die Infos über die KPÖ interessant. Der Zynismus zwischen Trotzkisten und Maoisten ist heftig.

Nette Hinweise auf Bücher, Buchregale sind vorhanden, was bei Autoren die aus der Buchbranche stammen vermutlich kein Wunder ist.

Der Krimi ist gut und rasch zu lesen. Ein ideales Buch für Regentage und zum Entspannen. Viel Spaß beim Lesen.

Die Kooperation im Buch von Wien und Berlin ist auch bei den Autoren dieses Buches, wobei Petra Hartlieb in Wien ist und Claus-Ulrich Bielefeld in Berlin. Beide sind in der Buch-Zunft als Kritiker, Ex-Kritikerin und Buchhändlerin verwurzelt.

Freitag, 21. Juli 2017

Bernhard Aichner : "Interview mit einem Mörder"

Bernhard Aichner :
"Interview mit einem Mörder" - ein Max Broll Krimi
2016, Haymon Verlag Innsbruck-Wien
201 Seiten
ISBN 978-3-7099-7133-8

In dem vierten Max Broll - Krimi ist Max auf der Jagd nach Attentäter auf seinen besten Freund Johann Baroni. In die Medien gelangt die Geschichte da Baroni ein ehemaliger exzellenter Fußballer gewesen war, der mit einer neuen Marketingidee mit Würstchen wieder Fuß fassen will. Broll meint den unauffälligen Attentäter gesehen zu haben und fährt mit diesem im Zug und dann auf einem Kreuzfahrtschiff im Mittelmeer. Die Liebe schlägt zu in Form der Journalistin Anna Fröhlich. Am Schluß steht ein langes Interview in dem vieles erklärt wird.

Die Geschichte wird in kurzen Kapiteln erzählt; entweder wird auf wenigen Seiten weiteres Geschehen abgewickelt oder es entspinnt sich ein Dialog. Das letzte Gespräch ist spannend.

Max Broll ist Totengräber, ehemals Journalist, trauert seiner ehemaligen Liebe nach, wird von seiner Stiefmutter versorgt, pflegt die Freundschaft mit dem Ex-Fußballer Baroni und lernt wieder Gras mit dem neuen Priester der Gemeinde, der aus Afrika zu ihnen kam, zu genießen. Der Attentäter hat eine eigene Geschichte von Verlust und Gewalt hinter sich.

Die Menschen sind bildhaft wenig geschildert, und bleiben der eigenen Vorstellung überlassen. klarer sind die Orte wie Dorf, Zug, Kreuzfahrtsschiff. Beschreibende Adjektive fehlen mir, obwohl der Roman spannend ist und ich wissen wollte wie die Geschichte ausgeht.

Bernhard Aichner wurde 1972 in Innsbruck geboren. Er studierte Germanistik und machte eine Ausbildung zum Photographen. Seine Photographien erschienen u.a. im "Kurier"; 2000 machte er sein eigenes Photoatelier auf. Der erste Roman "Das Nötigste über das Glück" erschien 2004; der erste Krimi mit Max Broll "Die Schöne und der Tod" erschien 2010.

Montag, 17. Juli 2017

Hernán Rivera Letelier : "Der Traumkicker"

Hernán Rivera Letelier :
"Der Traumkicker"
Roman
original "El fantasista"
2006, Chilena de Ediciones, Santiago de Chile
Aus dem Spanischen von Svenja Becker
2013, Insel Verlag
200 Seiten
ISBN 978-3-458-35932-6

Ich hatte von dem Autor das entzückende Buch "Die Filmerzählerin" gelesen, das mich wegen seines Zaubers mitten in Kargheit fasziniert hat.
Bei dem "Kicker" ist kein Zauber zu spüren sondern das knochentrockene Leben der Menschen um den Salpeterabbau vermischt mit viel Essen, viel Trinken, viel Sex und noch mehr über Sex reden und noch mehr Gespräche über Fußball.

In der Rivalität zur Nachbargemeinde wird um Frauen und Fußball rivalisiert, wobei die Karten ungleich verteilt sind, da die Nachbargemeinde mehr Geld für gute Fußballer zur Verfügung hat. Als sich ein Mann der mit einen Fußball Tricks spielt in den Ort verirrt, hoffe alle auf einen legendären Sieg - vor allem da der Siedlung der komplette Abriß wegen Baustellenschließung bevorsteht. Parallel zu den Vorbereitungen auf das letzte Spiel gibt es zwei Liebesgeschichten, viele erotische Ausflüge, und das Begleiten der verschiedenen Charaktere in der Siedlung. Am Ende steht ein spannendes Fußballmatch und die Destruktion der Siedlung.

Die Story zieht sich manchmal etwas, aber die Menschen in dem Roman / in der Siedlung sind ein ziemliches Panoptikum.
Expedito González : der Mann der stehend mit einem Fußball fasziniert - und seine rothaarige grünäugige Freundin die aus dem Unterhaltungsgewerbe stammt.
Cachimoco Farfán : mit Mikrophon, originellen Fußballmatch-Beschreibungen und dem Tick diese mit medizinischem Fachjargon zu ergänzen; Tuny Robledo - der endlich seine Angst vor dem Elfmeter schießen vergißt; Siedlungscasanova Choche Marivilla; bis zu sieben Menschen die unter einem Dach leben und die sieben Todsünden verkörpern
Leider ist kein Verständnis für den Tormann in dem Buch zu lesen - es geht nur um Angriff und Prügeleien.

Ort der Handlung ist eine Siedlung mit Laden, Kino, Gasthaus, vier Elektrikern und einem rachegeifernden Priester in der trockenen Atacamawüste bei den Salpetersiedlungen. Es wird beschrieben wie trocken die Gegend ist, wie sich eine Windhose gemütlich ausbreitet und ein seltener Wolkenbruch.
Zeit dürfte einige nach dem Putsch von Augusto Pinochet 1973 sein, der aber nur kurz gestreift wird. Als fußballgeschichtlicher Hintergrund wird auch ein Flugzeugabsturz in den Anden erzählt, der am 3. April 1961 gewesen sein dürfte und der Fußballclub 'Green Cross' wird bewundernd genannt.

Die Geschichte aus einer Wir- bzw. Ich-Sicht geschrieben, wobei nie ganz klar ist wer der Ich /die wir sind außer Einwohner der Siedlung.

Die Geschichte ist etwas deftig ge- und beschrieben als Sex, Trinken, Essen, und medizinische Einläufe oft und genau geschildert werden. Liebhaber, Seitensprünge, Hodengrößen und Huren werden moralfrei erzählt. Das Buch ist nichts für Feinde von Fußball. Allen anderen viel Zeit und Spaß beim Lesen !

Hernán Rivera Letelier wurde am 11. Juli 1950 in Talca (Anm : Mitte von Chile südlich von Santiago de Chile) geboren. Er lebte als Kind und Jugendlicher im Norden Chiles bei den Salpeterbaustellen, auch nach dem Tod seiner Eltern. Einige Zeit reiste er durch die Nachbarländer bis er bei den Salpeterminen zu arbeiten begann, und nebenbei die Matura nachmachte. 1987 veröffentlichte er die ersten Gedichte, 1990 die ersten Kurzgeschichten und mit "La reina Isabel cantaba rancheras" erschien 1994 der erste Roman. Jetzt lebt er mit seiner Familie in Antofagasta.

Freitag, 7. Juli 2017

Andrea Nagele : "Grado im Regen"

Andrea Nagele :
"Grado im Regen"- ein Adria Krimi
2016, Emons Verlag GmbH
230 Seiten
ISBN 978-3-95451-785-5

In diesem spannenden Kriminalroman sind ein Banküberfall, eine verfallende Ehe, eine von Dämonen geplagte ältere Frau, ein gescheites Kind und eine Liebesgeschichte ineinander verwoben. Francescas Ehe ist an der Treulosigkeit ihres Mannes gescheitert. Die Beziehung der Commissaria ist wegen des gleichen Mannes zerbrochen. Die ältere Frau wird von den Dämonen der Treulosigkeit und des Kindes weglegen gejagt. Stefano ist seit Jahren in Francesca verliebt. Francesca läßt sich im Krankenhaus untersuchen. Sie malt eine schöne Nachbarin. Sie wird in einer Wohnung eingesperrt. Mitten im Regen löst sich am Ende einiges auf, Francesca wird gerettet, der Bankräuber wird gestellt und zumindest eine Liebesgeschichte endet gut.

Kapitelweise wird entwickelt wie sich Francesca von ihrem charmanten Ehemann löst und Freund Stephano zu ihrem Freund wird, ein Mädchen Laura das Croissants ausliefert wird durch ihre Beobachtungen zum Rettungsanker, Commissaria die sich gegen männliche Kollegen behaupten muß und verarbeiten muß daß sie eine Ehe zerstört hat und die neue Kenntnis das sie adoptiert ist; nicht chronologisch ist die verwirrte von schrillen Dämonen besuchte ältere Frau die einen Unfall seelisch nicht verarbeitet hat.

Grado ist gut vorstellbar geschildert, auch die Personen laufen schön vor dem inneren Auge ab. Zwei Personen sind oft mit dem Motorrad unterwegs.

Der Roman ist spannend geschrieben und hat mich nicht losgelassen bis ich endlich am Ende war. Viel Spaß auch anderen Leserinnen und Lesern !

Andrea Nagele kam 1957 in Klagenfurt auf die Welt. Sie ist Psychotherapeutin und lebt in Kärnten und Grado. Ihre Dissertation schrieb sie über "Das Schweigen der Lämmer". 2015 begann sie ihre Geschichten zu veröffentlichen.