Sonntag, 29. April 2018

Andreas Pittler : "Die Spur der Ikonen"

Andreas Pittler :
"Die Spur der Ikonen"
Kriminalroman
2017, Gmeiner Verlag
275 Seiten
ISBN 978-3-8392-2040-5

Dieser Kriminalroman im utopischen Staat ÖDR (Österreichische Demokratische Republik), in dem Wien noch immer eine aufgeteilte Stadt ist, spielt 1989 als Honecker noch Chef der DDR ist und Gorbatschow Perestrojika durchsetzt. Es gibt keinen Toten, aber geschmuggelte Ware. Hauptwachmeister Peter Landsrait ist aufrechter Polizist seines Staates, glaubt an ihn und seine Werte und die Gesetze. Er versucht mit seiner Truppe den Fragen nach Geld ohne Ware, einem Kleinganoven und einem Westler mit zwei Pässen. Er kommt Ikonenhandel, sowie Ikonenfälscherei auf die Spur - alles kurz vor dem den großen Fluchtwellen aus der DDR via Ungarn in die hier sogenannte Bundesrepublik Österreich. Am Ende wird noch der Drahtzieher des Schmuggels in der eigenen Hierarchie aufgedeckt.

Als Wien-Kenner ist es durchaus spannend zu lesen wie die Namen bekannter Straßen für die unter kommunistischem Regime stehenden Bezirke Wiens umgenannt wurden. Beim Cafe Eintracht und der Karl-Marx-Allee habe ich etwas Zeit gebraucht.

Die Personen der Handlung sind durchaus schön gezeichnet. Hauptwachmeister Peter Landsrait, der nicht nur als Polizist für Recht und Ordnung sorgt, liebt auch seine Frau und Kinder und die Ordnung und Sauberkeit im sozialisten Leben. In seinem Team gibt es begeisterte Polizisten aber auch Menschen die sehen wie sehr das System am kippen ist, und wie die Unzufriedenheit steigt. Seine Vorgesetzten sind Hierarchie bewußt, aber ohne jegliches Verständnis für Menschen gezeichnet. Bürger die etwas neben dem System stehen sind eher unsympathisch gezeichnet.

In dem Krimi gibt es keine Leichen, nur Betrug und Fälschung, trotzdem ist es eine Kriminalgeschichte, und etwas Mitraten wer 'der Böse' ist, ist möglich.

Der Roman ist sehr interessant, aber streckenweise etwas mühsam zu Lesen. Auf jeden Fall ist er für alle Leser und Leserinnen, die sich für Geschichte interessieren und in Wien auskennen ein sehr empfehlenswertes Buch.

Andreas P. Pittler wurde am 21. November 1964 in Wien geboren. Er lebt den meisten Teil im fünften Wiener Gemeindebezirk. Er studierte in Wien Geschichte, Germanistik und Politikwissenschaft und arbeitete lange als Journalist. Im Jahr 2000 erschien sein erster Roman, dem noch viele Romane aber auch Sachbücher folgten.

Samstag, 21. April 2018

Catalina Ferrara : "Spanische Delikatessen"

Catalina Ferrara :
"Spanische Delikatessen" - ein Barcelona Krimi
2018, Droemer Verlag
283 Seiten + 2 Seiten über Jamón + 2 Seiten über Tapas + 10 Seiten Rezepte + 2 Seiten Einstieger Vokabel Katalanisch
ISBN 978-3-426-30617-8

In diesem Krimi ist es möglich durch Barcelona Stadt zu gehen und die einzelnen durchaus bekannten Viertel (wieder) zu erleben.
Der irisch-stämmige deutsche ehemalige Polizeikommissar Karl Lindberg (hier mit Flugangst) ist mit seiner aus Barcelona stammenden Apothekergemahlin Alba und Sohn Oli in die Stadt am Meer übersiedelt. Sein charmanter Schwager Alex ist zu aller Erstauenen bei der Polizei und ersucht ihn um Hilfe, da in einem bekannten Delikatessenladen ein Schinken aus Menschenfleisch aufgetaucht ist. Gemeinsam macht sich das Duett auf die Suche nach dem Mörder bei der Delikattessenfamilie, sucht die ehemalige Geliebte des sehr unsympathischen Verstorbenen, und arbeitet innerhalb der Polizei mit und auch gegen die eigenen Leute, bis am Schluß eine akzeptierbare Lösung vorhanden ist.
Parallel gibt die Familie Albas einigen Rückhalt und Homosexualität bekommt auch einen Nebenstrang der Handlung.

Das Leben und die Schwierigkeiten der Stadt werden beschrieben - die schönen und reichen Seiten, genauso wie die armen und verwahrlosten, die Probleme mit Touristen, nach Olympia 1992 und der dunkle Schatten aus der Franco-zeit als die Spanier den Kataloniern das Leben schwer machten. Kleinigkeiten wie daß in der Kathedrale die Spanier heirateten, in Sta Maria del Mar die Katalanen machen das Buch lesenswert.

Die Geschichte ist aus Sicht von Karl beschrieben - mit seinen Überlegungen und Handlungen und Eindrücken von Menschen und Wohnungen / Ambiente. Er selbst dürfte ein knorriger Rotkopf sein, seine Frau eine fröhliche bildschöne Katalonierin, Rafa - der Freund von Oli - ein schlanksiger 18-jähriger mit blauen Augen, Alex ein charmanter frauengewöhnter attraktiver Mann mit Dackelblick aber überraschend auftauchenden grundsoliden Werten, Dolores Molina die Delikatessenladenbesitzerin eine arbeitsame solide Frau, ihr Sohn José ein dummer brutaler Kerl, die Geliebte Carmen eine schöne Frau mit Geschmack die sich in ihren Traumbereich zurückziehen kann, Vater Mateu ein gepflegter armer gebliebener Mann mit einer grauenvollen Geschichte, Thomas Sedlmayer ist Manager einer eher neuen Wurstfabrik und aalglatt, Marla die Assistentin in der Commissaria ist eine bildschöne Frau deren Bruder ein Verbrecher ist was ihr alle Chancen für Freundschaften nimmt, Maria Arbol als Capitan ist als Vorgesetzte nicht mit Sympathie gezeichnet, dafür die Forensikerin Chi umso mehr.

Der Roman ist gut und unterhaltsam geschrieben. Wer gerade in Barcelona zu Gast gewesen war, oder Sehnsucht nach dieser Stadt hat, ist bei diesem Krimi gut aufgehoben.

Samstag, 7. April 2018

Antonio Ortuno : "Die Verbrannten"

Antonio Ortuno :
"Die Verbrannten"
original "La Fila India"
2013, Editoreal Océano Mexico
Aus dem Spanischen von Nora Haller
2015, Verlag Antje Kunstmann
199 Seiten
ISBN 978-3-95614-055-6

Die titelgebenden Verbrannten sind Menschen aus Mittelamerika, die versuchen über Mexiko in das Wunschland USA zu gelangen. Sie vertrauen sich Menschenhändlern an, die hier aber mit Mafiagruppen zusammenarbeiten. Das Buch startet mit der brutalen Schilderung des Abbrennens eines abgeschlossenen Lagers mit diesen Durchreisenden, unter Mithilfe von Waffen. In diesen fiktionalen Ort wird die Sozialhelferin Irma (genannt Negra) vom Nationalkommission für Migration (kurz NkM) zur Aufklärung geschickt. Die junge Mittelamerikanerin Yein hat überlebt; für sie strengt sich Irma an. Vor Ort findet sie einige Polizeibeamte wie den häßlich-charismatischen Vidal, Pirúli und einige Assistentinnen. Selbst ein lausiges Cafehaus gibt es in dem Ort mit hausgemachten Problemen der immer übergehenden Wasserleitung.
Rundherum erschiessen sich Mitglieder der Mafiagruppen El Sur oder El Rojos und wieder geht eine Flüchtlingsunterkunft in Flammen auf. Irma rettet kurzfristig Yein, die die Ermordung ihrer Landsleute rächt, bevor sie selbst einem Mafiamann zum Opfer fällt. Irma wird gewarnt jemals zurückzukommen und reist mit ihrer Tochter gemeinsam aus.

Das Buch ist hart, brutal, ohne Liebe, manchmal mit Überlebenswillen, aber oft mit grundsätzlicher Menschenverachtung.

Die Geschichte wird in mehreren Strängen erzählt. Hauptsächlich wird Irma (Negra) in ihrem Tun begleitet, wie sie sich vergeblich um die Überlebenden und die Angehörigen der Verbrannten kümmert, wie sie versucht ihre Tochter zu beschützen, die Annäherung an Vidal und das Erschrecken am Schluß.
Selten ist Yein zu vernehmen, auch wie sie am Schluß nur noch Rache antreibt.
Besonders umsymatisch und kleingeistig ist der Samenspender von Irmas Tochter, der als schlecht bezahlter Lehrer arbeitet; er scheut sich nicht eine Hilfesuchende zu vergewaltigen, dann als Hausmädchen für alles Mögliche zu halten und wundert sich als sie ihn ausraubt und verschwindet.
Zynisch lesen sich die offiziellen Berichte der Nationalkommission für Migration (kurz NkM).

In dem Roman sind Wut, Zorn, Enttäuschung, Verletzung, Brutalität, Gewalt, Selbstüberschätzung, Gnadenlosigkeit zu spüren, und alles geht unter die Haut. Es ist kein einfaches, aber ein empfehlenswertes Buch.

Antonio Ortuno wurde 1976 in Guadeljara (Mexico) geboren. Zuerst war er Journalist, bevor er sich dem schriftstllern zuwandte. 2006 erschien sein erster Roman 'El buscador de cabezas'.