Donnerstag, 23. November 2017

Wendy Guerra : "Alle gehen fort"

Wendy Guerra :
"Alle gehen fort"
Roman
original "Todos se van"
2006 Indent Literary Agency
Aus dem Spanischen von Peter Tremp
2017, Unionsverlag Taschenbuch
197 Seiten + 3 Seiten Worterklärungen (Namen, Schlagworte)
ISBN 978-3-293-2077-5

Nieve schreibt in Tagebüchern über ihr Leben, zuerst als Kind, dann als Jugendliche. Sie lernt früh, daß wichtige Menschen gehen, entweder ins Gefängnis oder weil sie Kuba verlassen (müssen). Ihre Mutter, eine kreative Frau die Puppen bastelt und im Radio Kindersendungen macht, glaubt zwar dem kubanischen Kommunismus, versteht aber die Reglementierungen und die Unmenschlichkeit der Diktatur sowie die Brutalität gegen Kunst nicht. Nieves Vater wird als Alkoholiker mit Wandertheater geschildert, der zwar seine Tochter beherrschen, sie aber nicht versorgen will. (Die Abschnitte über Gewalt und Hunger sind heftig). Fausto, der liebevolle freundliche schwedische Freund der Mutter, wird des Landes verwiesen. Nieve verliert alle Kontakte bei jedem Schulwechsel. Sie lernt sich oft zu verabschieden.
Als Jugendliche ist sie in kreativen Kreisen. Sie lernt Osvaldo, einen berühmten Künstler kennen und lieben. Als er nach Paris eingeladen wird, heißt es lange warten, bis klar wird, daß sie nicht nachreisen kann. Filmemacher Antonio bringt sie darauf das echte Leben zu betrachten, nicht nur durch die Seiten der Tagebücher, die sie schreibt.

Die Geschichte wird aus der Ich-Sicht in Tagebuchform erzählt, in die manchmal Gedichte einfließen. Der einzige Teil der nicht aus Nieves Sicht beschrieben ist, ist ein langer Brief von Antonio.

Ich bin eingetaucht in die Welt und die Beschreibungen des Mädchens und später der jungen Frau. Diese Welt bestand am Anfang aus Liebe der Mutter und ihres Freundes, sowie der Brutalität ihres Vaters. Früh lernt sie Angst und Mund halten kennen, weshalb sie sich nur den Tagebüchern anvertraut (was - wie sie weiß - politischer Wahnsinn ist).
Die Stellen in denen kreativ gearbeitet wird und Menschen einfach Kunst und Musik leben wollen sind stark; ebenso die in denen verbotene Literatur, weil zensuriert, versteckt werden muß.

Es gibt einige deftige erotische Absätze.

Politischer Hintergrund ist die Zeit der Repressionen und Hungerszeit der 70-er auf Kuba, in der viele Menschen gehen wollen. Ich habe einiges nachgelesen in der Geschichte Kubas : über die Zeit als die Menschen in der peruanischen Botschaft Zuflucht suchten, als Ausreisewillige wüst beschimpft wurden und die künstlerisch 'graue' Ära auf der Insel.

Die Namen der Worterklärungen führen zu einigen Künstlern die mir neu waren.

Im Summe ein dichter Roman bei dem sich Menschen und Rundherum gut vorstellen lassen - sowohl das Lebensgefühl, auch auch die Diktatur der Lebensverweigerung. Viel Freude beim Lesen !

Wendy Guerra wurde am 11. Dezember 1970 in Havanna (Kuba) geboren. Mit 17 veröffentlichte sie ihren ersten Lyrikband, dann ging sie auf die Kunsthochschule. Später arbeitete sie als Radio- und Fernsehsprecherin und Schauspielerin und besuchte die Filmhochschule um Regie zu lernen. Nach dem außenpolitischen Erfolg ihrer Gedichte, wurde sie in Kuba negiert, was sie dazubrachte in spanischen Zeitungen zu schreiben. Mittlerweile sind drei Gedichtbände und fünf Romane von ihr erschienen. Sie lebt weiterhin auf Kuba.

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