Montag, 8. Februar 2010

Leena Lander: "Im Sommerhaus"


Leena Lander
"Im Sommerhaus"
aus dem Finnischen und mit einem Nachwort versehen von Angela Plöger
Original "Iloisen kotiinpaluun ausinsjat"
1997, Verlag Söderström, Helsinki
deutsch Wilhelm Goldmann Verlag, München
1. Auflage Taschenbuch September 2001
352 Seiten
ISBN 3-442-72770-7

Ein schönes intensives Buch, das es trotz der Schwierigkeit mehrerer Zeitebenen schafft, die Spannung und Neugier zu halten, und dessen dicht beschriebene Szenen und Menschen unter die Haut gehen.

Lys Bergmann besucht ihren Jugendfreund Olavi Harjula. Hier starten die unterschiedlichen Zeitebenen und verwobenen Handlungsstränge der Menschen, denn sie sucht Hanna Aalto. Nebenbei lernte ich einiges über die Geschichte Finnlands nach dem 2. Weltkrieg.

Lys Bergman - Tocher eines Archäologen in Afrika - kehrt mit ihrer Familie kurz vor dem Ende des 2. Weltkrieges nach Finnland zurück. Ihr Vater wird geschätzt und beneidet - geschätzt weil er im Kinderheim der einzige ist, der die Kinder mit seinen Geschichten zu unterhalten und motivieren weiß.
Olavi Harjula ist der einzige Sohn einer Angestellten in der Schiffswerft, deren russisch Kenntnisse ihr die Arbeit für die Herstellung der als Reparationszahlungen verlangten Schiffe verschafften.
Im der Stadt hat ein Schwesternpaar ein Heim für Kinder aufgemacht - Kinder, die nach Schwedern geschickt worden waren, nun alle zurückkommen müssen, aber nicht immer willkommen sind. Sie versuchen Kindern die finnisch verlernt haben, wieder ein Heim zugeben - das Buch deutet an, welche Wunden die doppelte Entwurzelung für die Kinder (zuerst Familie und Finnland zu verlassen, dann Schweden und neue Familie zu verlassen) geschlagen hat. Daß es nicht alle Kinder so gut hatten eine neue Familie zu finden, sondern nur als gratis Arbeitskraft gegolten haben dürften, ist auch festgehalten.
Hier lebt ein Mädchen, das Hanna Aalto genannt wird und (fast) nicht spricht. Dieses Mädchen nimmt Lys Vater als zweite Tochter in sein Haus - bzw. das seiner Frau und seines Schwiegervaters - auf.

In Szenen wird beschrieben wie Lys und Olavi ihre Teenager-Körperlichkeit miteinander entdecken, daß niemand Hanna vermißte, daß Lys Vater seiner Frau nicht treu war, daß den Schwestern die Arbeit im Heim nicht leicht fiel, daß es die Finnen schafften fast unlösbare Reparationszahlungen in Form von Schiffen wirklich zurückzuzahlen, daß Karrelien im 2. Weltkrieg heiß umkämpft war, und immer wieder im jetzt wie Lys und Olavi sich schwer tun im Großelternalter (beide haben längst Kinder und Enkelkinder) miteinander zu reden.

Knackpunkt ist, daß Lys von Olavi zu einem Zeitpunkt schwanger wurde, als Lys Vater des Sex mit seiner Ziehtochter Hanna angeklagt worden war, aber Hanna nichts zur Klärung beitragen konnte, da sie verschwunden war. Olavi wußte nichts von seiner Vaterschaft. Lys hatte aber einen Brief ihres Kindes (eines Buben) mit ihm erhalten, der um die Geschichte seiner Eltern ersuchte. Lys ersucht Olavi ihr zu helfen den Ruf ihres Vaters zu reinigen - den Ruf als Kindsverführer, der bei einem Unfall das Leben ihrer Eltern gekostet hatte, und sie in ihrer Schwangerschaft in den Wahnsinn getrieben hatte - sodaß sie sich überreden hatte lassen ihr Kind zur Adoption freizugeben.

Lys versucht Hanna zu finden, damit diese ihr helfen möge und langsam entrollt sich, daß Hanna ein russisches Konzentrationslager als einzige der Familie überlebt hat. Als Reparationsleistung hätte sie sofort nach Rußland zurück übergeben werden müssen. Einige Zeit lang war sie als billige Arbeitskraft in einer Fuchsfarm untergebracht, wo sie da sie bei den Füchsen schlief/schlafen mußte. Das jetzt aber auch wohin sie nach ihrer Zeit bei Lys Familie entschwunden war, bleibt aber verborgen.

Ein eigener Erzählungsstrang wird einem Stein auf einer Insel gewidmet, der eigentümliche rote Zeichnungen aufweist, die Lys Vater faszinieren. Phantasietiere und ein Phallus snd wichtige Elemente der Zeichnungen. Es sind aber keine archaischen alten Zeichnungen, sondern Rache der Mädchen die den Zieh- resp. Vater beim außerehelichen Vergnügen beobachtet hatten.
Teile der Zeichungen werden dann zum Puzzlestein zu Hanna, denn die Tiere weisen auf russischen Ursprung genauso wie ihre vier Puppen, die die Namen ihrer vier Schwestern haben, die im Konzentrationslager umgekommen waren.

Befriedigendes Ende gibt es für mich nicht. Es bleiben Fragen : Fragen über die Zeit damals und Fragen wie sich die Geschichte der Darsteller weiter entwickeln würde.
Mir ging der Roman unter die Haut. Ich kann ihn gerne weiterempfehlen an Leser die sich gerne in andere Landschaften entführen lassen, denn vor meinem Auge lief fast ein Film ab.

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