Montag, 10. April 2017

Anne Holt : "Schattenkind"

Anne Holt :
"Schattenkind"
Kriminalroman
Original "Skyggedod"
2012, Piratforlaget AS, Olso
Aus dem Norwegischen von Gabriele Haefs
2013, Piper Verlag
326 Seiten + 2 Seiten Nachwort
ISBN 978-3-492-30638-6

Vor dem Hintergrund des Terroranschlags des Massakers von Utoya (ein rechtsextremer Einzeltäter bringt insgesamt 77 Menschen um - in Oslo und auf einem Feriencamp in Utoya) wird ein acht-jähriger Buch tot bei seinen Eltern aufgefunden. Da der Bub ADHS hatte, sich immer wieder verletzte liegt der Verdacht eines Unfalls nahe. Kriminalpsychologin Inger Johanne Vik, deren zwei Kinder gerade auf Urlaub sind, wird immer mehr in Fragen ob hier wirklich ein Unfall vorlag gezogen, wobei der junge Polizist Henrik hier auch Fragen stellte. Inger Johanne fragt ihre Freundin, die Mutter des Buben, den Vater, einen guten Freund und trifft auch die Großeltern; Henrik fragt in der Schule nach. Die Lösung ist überraschend, aber durchaus schlüssig, die letzten Seiten dann ganz anders und erschreckend negativ.

In dem Roman werden die Psychologin und der junge Polizist begleitet und ihre Gespräche, Gedanken und Handlungen erzählt. Inge Johanne hat zwei Töchter aus zwei Beziehungen und gilt als gute Psychologin; sie lebt mit Kommissar Yngvar Stubo, der mit dem Terroranschlag beschäftigt ist, zusammen. Henrik ist ein junger dünner Mensch, der viele Phobien hat, aber der Wahrheit um den Buben auf der Spur ist. Die Eltern Ellen und Jon sind eigentlich erfolgreiche Menschen, die ihrem Sohn Sander viel ermöglichen können. Jon ist Chef einer Kommunikationsagentur. Ellen wird als ehemalige erfolgreiche Zahnärztin, dann nur Hausfrau beschrieben. Ihre Wandlung von der Schulfreundin Inger Johannes zu dem Menschen der sein Kind verliert, ist ab stärksten. Joachim ist ein guter Freund und Mitarbeiter von Jon und Freund von Sander, bei dem sich der Bub wohl fühlt. Die eine Großmutter wird als beherrscht beschildert, die andere mehr liebevoll aber weit weg.

Der Terroranschlag bleibt im Hintergrund spürbar, auch weil kein Polizist wirklich Zeit und Energie hat zu prüfen ob der Bub einem Unfall oder einer Absicht zum Opfer fiel. Henrik findet nur wenig Rückhalt bei seinen Fragen, und macht vieles erhebungstechnisch komplett falsch.  An Inge Johanne werden Fragen und Hilfestellungen in beide Seiten gerichtet, die sie innerlich fast zerreißen.
Vermutete Wirtschaftskriminalität findet auch den Weg in die Geschichte, bis hin zu Betrug und Kinderpornos. Belastungen wie unerfüllter Kinderwunsch, Fehlgeburt, künstliche Befruchtung sind weitere Puzzleteile.

Die Geschichte war für mich spannend, weil ich bis zum Schluß gehofft hatte daß sich mögliche böse Verdachte in der Familie des Buben nicht bestätigen. Das Gemisch aus nichts-sehen bis überfordert-sein, Verantwortung teilweise tragen, und Gerüchten die viel zerstören ist sehr emotional.

Das Buch ist dicht geschrieben. Auch wenn für Menschen die Norwegen wenig/nicht kennen die Orte eher nichtssagend bleiben, sind die Häuser, Wohnungen und vor allem die Menschen gut vorstellbar. Der Roman ging mir unter die Haut und hat einiges nach Nachgrübeln verursacht. Viel Freude bei der Intensität des Buches !

Anne Holt wurde am 16. November 1968 in Larvik (im Süden Norwegens) geboren. Sie studierte Jus und arbeitet als Polizeijuristin und Rechtsanwältin. Vom 25. Oktober 1996 bis 4. Februar 1997 war sie Justizministerin der Sozialdemokraten Norwegens, bis sie sich aus Gesundheitsgründen zurückzog. Anfang 1990 begann sie zu schreiben. 1993 begann die 'Hanne-Wilhelmsen-Serie', (bisher sind 10 Bände erschienen) in der die Kommissarin mit einer Frau zusammenlebt. 2001 begann die 'Vik//Stubø-Serie' (bisher 5 Bände). Privat lebt sie mit ihrer eingetragenen Partnerin zusammen.

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