Mittwoch, 17. Februar 2016

Michael Chodorkowski mit Natalija Geworkian : "Mein Weg - Ein politisches Bekenntnis"

Michael Chodorkowski mit Natalija Geworkian :
"Mein Weg - Ein politisches Bekenntnis"
aus dem Russischen von Steffen Beilich
2012, Deutsche Verlags.Anstalt
5 Seiten Vorwort Michael Chodorkowski + 2 Seiten Anstelle eines Vorwortes Natalija Geworkian+ 609 Seiten + 11 Seiten Anstelle eines Nachworts von Michael Chodorkowski + 7 Seiten Namensverzeichnis
ISBN 978-3-421-04510-2

In diesem hochinteressanten, aber nicht einfach zu lesenden Buch erzählen der ehemalige Unternehmer Michael Chodorkowski und die Journalistin Natalija Geworkian in abwechselnden Kapiteln über die Zeit in Rußland in den 90-er Jahren den letzten Jahrhunderts, als einige gewiefte und mutige Menschen Geschäfte machten und aufbauten. Hier wurden Lücken im Gesetzt genutzt um eine Bank zu gründen, Firmen zu erwerben und später dann auf Geheiß des damaligen Präsidenten Jelzin diesen auch zu unterstützen. Parallel erhält man den Eindruck, daß es den Menschen in dem Land nicht gut gegangen sein dürfte, wogegen erst Ende der 90-er Jahre Versuche hier aufzufangen gestartet wurden. Der Einstieg ins Öl-Geschäft war ein Wagnis, das durch die wechselnde Ölpreise ein wirkliches Hasard-spiel war; nebenbei wurde die Technologie der Öl-Förderung verbessert, sodaß nicht mehr so viel Schwund erzielt wurde. Die Gruppe hatte mit dem Ölpreis auch Glück und konnte so weitere Firmen erwerben und einen Konzern aufbauen. Unterstützungen an Parteien wurden nach dem Tod Jelzins nicht mehr gut geheißen, wie andere Ziele der Gruppe auch. Einige reisten rechtzeitig aus, andere blieben und wurden verhaftet. Was in dem Buch über die Prozesse, deren Ablauf, die manchmal eigenartigen Anklagen, zu lesen ist, macht kein großes Vertrauen. Die Gelassenheit, oder vielleicht auch Schwerblütigkeit, die der Autor als typisch russisch beschreibt, mag geholfen haben, mit manchem leichter fertig zu werden.

Im letzten Kapitel geht es um Mögliches : hier gehen Wirtschaft - Politik - Wirtschaftspolitik - Politikphilosophie komplex ineinander über.

Ich habe dieses Buch gekauft, als Michael Borissowitsch Chodorkowski noch im Gefängnis saß, aber erst in den letzten Monaten gelesen. Es ist ein beeindruckendes Buch, auch wenn die Rolle bei den Firmenerwerbungen über die Pfandbriefe zwar legal, aber vermutlich nicht ruhmreich gewesen sein dürfte. Dieses Image ist nicht einfach abzuwaschen, obwohl danach viel in Menschen, in Bildung, in die unterschiedlichsten Parteien aller Richtungen und auch in Offenheit des Geldes investiert worden war. Rückwirkend gesehen wäre es interessant zu wissen, wie das Engagement in neueres Denken und neue Strukturen innerhalb der Bevölkerung das Land geändert hätte.

Faszinierend ist wie die Menschen geschildert werden. Chodorkowski selber, sein engster Mitstreiter, Platon Lebedew der auch im Gefängnis saß, Leonid Newslin der es nach Israel schaffte, genauso wie Michael Brudno; aber auch Roman Abramowitsch bis zu Wladimir Putin und seinem Getreuen Igor Setschin erhalten viel Raum. Auch privates wird erzählt, wobei der Eindruck bleibt es hier mit Workoholics zu tun zu haben.

Eigen ist eine Passage in der erzählt wird, daß sich Chodorkowski aussuchen konnte ob er einen russischen oder jüdischen Paß möchte. Für ihn keine Frage als Russen. Ihm wurde jedoch geraten Technisches zu studieren, da er in Geisteswissenschaft aufgrund dieser Frage keine Chancen erhalten würde.

Das Buch ist in vielerlei Hinsicht eine Herausforderung: man sollte über Rußland mit seinen Menschen einiges wissen, über die Politik in Rußland, über Erdöl und es ist sprachlich auf hohem intellektuellem Niveau geschrieben/übersetzt.
Sowohl Frau Geworkian  als auch dem Übersetzter Herrn Beilich ist hier zu danken, wie viel sie als hilfreiche zusätzliche Information in Fußnoten dazuschreiben oder anmerken.

In Summe ein faszinierendes Buch, für dessen Lesen ich Monate gebraucht habe, aber es nochmals in einiger Zeit lesen sollte. Die Faszination wünsche ich anderen Leserinnen & Lesern ebenso !

Michail Borissowitsch Chodorkowski wurde am 26. Juni 1963 in Moskau geboren.  Er ist ein russischer Unternehmer, früherer Oligarch  und ehemaliger  Vorstandsvorsitzender des Ölkonzerns Yukos . Von Oktober 2003 bis zum 20. Dezember 2013 befand er sich in Haft.  Kurz vor Weihnachten 2013 wurde Chodorkowski nach seinem Gnadengesuch überraschend begnadigt und freigelassen. Am 25. Dezember 2013 wurde bekannt, dass das Oberste Gericht Russlands zwei gegen Chodorkowski verhängte Urteile überprüfen lässt. Er lebt jetzt im Exil in der Schweiz.

Natalia Geworkjan, 1956 in Moskau geboren, arbeitet seit 1996 für die angesehene russische Zeitung Kommersant, zunächst als Sonderkorrespondentin für Politik und Wirtschaft, heute als Pariser Korrespondentin des Blatts. 1991 erhielt sie die amerikanischen Auszeichnung „Freedom of Press“. Sie veröffentlichte ein Buch über den KGB und einen Gesprächsband mit Wladimir Putin. Michail Chodorkowski lernte sie Anfang der neunziger Jahre kennen.

Steffen Beilich ist bilingual aufgewachsen mit Deutsch-Englisch, und maturierte 1992 in Magdeburg (Deutschland). Er ist Übersetzer für Russisch-Deutsch / Englisch-Deutsch / Belarussisch (Weißrussisch)-Deutsch // Deutsch-Englisch, Deutsch-Russisch; Dolmetscher für  Deutsch-Russisch-Deutsch / Deutsch-Englisch-Deutsch / Englisch-Russisch-Englisch und spezialisierte sich v.a. als Fachübersetzer und Dolmetscher für Umwelt, Klima, Politik und Kultur.

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