Dienstag, 25. März 2014

Erich Hackl : "Abschied von Sidonie"

Erich Hackl :
"Abschied von Sidonie"
Erzählung
1989 erstmals bei Diogenes erschienen
als Taschenbuch 1991
122 Seiten
ISBN 978-3-257-22428-3

Abschied von Sidonie ist die wahre Geschichte eines Mädchens das 1933 in Steyr ausgesetzt wird. Das Mädchen ist vom Aussehen her Zigeunerin und es dauert bis sich eine Pflegefamilie findet. Josefa umgibt das Mädchen mit viel Liebe und Zuneigung und kuriert alle Krankheiten aus. Ehemann Hans, ein überzeugter Sozialist, gibt diesem Mädchen, seinem Jungen und einem weiteren Pflegemädchen was er kann. Die Wirtschaft in der Zwischenkriegszeit liegt danieder, Arbeitslosigkeit ist üblich, harte Auseinandersetzungen zwischen rechten und linken Milizen schaffen zusätzliche Unsicherheit. Trotzdem klappt das Leben irgendwie. Eng wird es erst als die Nazis die Macht übernommen haben, und Mitte des Krieges fordern, daß das Kind zur biologischen Mutter zurückkehrt. Von hier geht der Transport ins Konzentrationslager, in dem Sidonie an Essensverweigerung stirbt. Für die Pflegeeltern eine Aneinanderkettung von Ereignissen, die sie nicht vergessen können.

Am stärksten ist Josefa gezeichnet. Wie diese Frau sich um die ihr Anvertrauten mit Zuneigung und mit Energie kümmert, und nicht aufgibt ist imponierend gezeichnet. Sidonie wird als ein liebes liebevolles Mädchen geschildert, vielleicht nicht übertrieben gescheit, aber bemüht. Hans versucht seinen Überzeugungen treu zu bleiben, auch als ihm der Wind entgegenweht. Diese Überzeugungen machen es nicht leichter nachdem die Greuelzeit vorbei ist den Verlust der Ziehtochter zu verschmerzen.

Meist schreibt/ beschreibt der Autor von außen berichtend und läßt Taten und Gespräche für sich stehen; und bringt dadurch zum Nachdenken. Die Seite als er die neutralere Berichterstattung verläßt und fragt warum wer nicht wann was gemacht hat um ein anderes Ende herbeizuführen, macht dem Nachdenken ein ziemlich abruptes Ende.
Der Autor hat die Geschichte in vielen Gesprächen, und Unterlagen / Berichte Recherchen erarbeitet. Ihm half einer echter Bruder von Sidonie, der sie erst in den letzten Tagen bei der biologischen Mutter kennengelernt hatte.
Auf einer Seite wird die Parallelgeschichte einer Margit erzählt: auch sie war Pflegekind, nur haben hier alle umgebenden Menschen geholfen, daß das Mädchen nicht zurück zur biologischen Mutter und damit in den Tod gehen mußte. Eine kleine Geschichte aus Kärnten.

Ich konnte mich nicht dem Eindruck erwehren, daß das Buch aus einem bestimmten politischen Bereich kommt, was es nicht einfacher macht die karge und umkämpfte Zwischenkriegszeit objektiv zu sehen.

In Summe ein starkes beeindruckendes Buch, das hinterfragt wie weit persönliche Verantwortung gehen darf / soll /will.

Erich Hackl wurde am 26 Mai 1954 in Steyr /Oberösterreich geboren. Er studierte Germanistik und Hispanistik in Salzburg, Salamanca und Malaga. Er unterrichtete zuerst deutsch und spanisch in Wien, war dann am Institut für Romanistik an der Universität Wien. Er schreibt seit 1983, und ist Übersetzter aus dem Spanischen. Er lebt in Wien und in Spanien.

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