Dienstag, 20. August 2013

Gidon Kremer : "Briefe an eine junge Pianistin"

Gidon Kremer :
"Briefe an eine junge Pianistin"
2013, Braumüller GmbH Verlag, Wien
110 Seiten für 3 Erzählungen
2 Seiten Danksagung
ISBN 978-3-99200-089-0

"Briefe an eine junge Pianistin" . 2012, L'Arche Editeur, aus dem Russischen von Rosemarie Tietze
"Albtraumsymphonie"; aus dem Russischen von Rosemarie Tietze
"Dekalog eines Interpreten"; aus dem Russischen von Claudia Zecher
Zeichnungen im Buch von Sandro Kancheli; Zeichnung vorne von Gidon Kremer

In zehn "Briefen" schreibt der hochintelligente hochberühmte Violinist Gidon Kremer zwischen Mai 2010 und August 2012 an eine - möglicherweise echte, möglicherweise fiktive - junge Pianistin. Der über 60-jährige Ausnahmemusiker reflektiert über die Klassikbranche, seine Chancen und Gefahren und macht die junge Musikerin auf Zusammenhänge und Gefahren aufmerksam.

Sein großes Ziel ist es der Musik zu dienen, die Musik erlebbar zu machen und nie die Vision zu verlieren. Er schreibt über die wechselseitigen Wichtigkeiten von berühmtem Musiker zu wichtigen Musikfestivals - wer ist für wen wichtig ?

Berührend sind die Stellen in denen er beschreibt, daß er sich für Uraufführungen lebender Komponisten eingesetzt hat - und bisweilen in der Uraufführung erst die Schwächen des Werkes erkannte. Andererseits hat er sich getreu seines Lehrers/Mentors David Oistrach nicht nehmen lassen sich für u.U. spröde Kompositionen von Gubaidulina, Schnittke, Sylvestrow etc. einzusetzen.

Es ging mir unter die Haut als er über das Phänomen 'Zeit' in der Musik schrieb - anhand des 2. Violinkonzerts von Sofia Gubaidulina beschrieb er wie Dirigent/Orchester die Nuance bei diesem Werk mitgehen können oder auch nicht. In den Noten stehen diese Feinheiten nicht, aber stehen zwischen den Registern.

Herr Kremer warnt davor sich einnehmen und vermarkten zu lassen. Er fragt berechtigt, was ein Parfum mit der Virtuosität oder Interpretationskraft eines/r Künstlers/in zu tun hat. Er warnt vor den Gefahren des Kommerzes, zulasten der eigenen inneren künstlerischen Stimme. Er sieht die Gefahren daß das Bedürfnis berühmt zu sein, und auch diese Seite des Lebens zusehen und gelebt zu werden wichtiger als der künstlerische Auftrag sein kann.
Er warnt davor nur eine Kopie eines - wenn auch genialen - Vorbildes zu sein.

Manches ist auch kritisch zu hinterfragen. Wenn Herr Kremer das Autogramm-un-wesen verurteilt habe ich die kostbaren Erinnerungen meiner Autogrammzeit vor mir als mir der gebrechliche, zarte und intensive Yehudi Menuhin oder genauso intensive Jeffrey Tate in die Augen/Seele blickten, oder als eine kleine Gruppe nach einer Aufführung der 14. Schostakowitsch mit Hildegard Behrens und Thomas Quasthoff über Schostakowitsch (auch über 'Lady Macbeth von Mzensk') diskutieren durfte.

In "Albtraumsymphonie" beschreibt Herr Kremer ein Orchester, bei dem die Musiker die am falschesten, unrhythmischsten, wenigsten im Takt spielen etc. die Schlüsselpositionen im Orchester erhalten. Das Publikum akklamiert mit Vergnügen und freut sich nicht mehr genaues hören zu müssen. Es ist ein Albtraum - Glück gehabt :-)

Im "Dekalog eines Interpreten" sind nochmals die Ideen, Visionen, Anregungen und auch Warnungen aus den Briefen zusammengefaßt.

In Summe ein faszinierendes Buch, bei dem ich immer wieder nach Absätzen das Buch zugeklappt und nachgedacht habe. Daß ich dieses Buch mindestens noch einmal lesen und durchdenken werde, ist mir klar. Ich wünsche allen musikbegeisterten Menschen viel Freude beim Lesen der Meinungen & Gedanken & Anregungen dieses Musikers.

Gidon Markowitsch Kremer wurde am 27. Februar 1947 in Riga / Lettland geboren. 1965 ging er an Moskauer Konservatorium - als Schüler von David Oistrach. 1978 reiste er nicht mehr in die UdSSR zurück. 1981 gründete er das Kammermusikfestival in Lockenhaus / Burgenland / Österreich. Viele zeitgenössische Komponisten haben ihm Werke gewidmet.

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