Sonntag, 23. Dezember 2012

Sybille Bedford : "Ein trügerischer Sommer"

Sybille Bedford :
"Ein trügerischer Sommer"
Roman
original "A Compass Error"
1968, Williams Collins Sons, London
Aus dem Englischen von Sigrid Ruschmeier
2000, SchirmerGraf Verlag, München
Auf Wunsch und nach Absprache mit der Autorin wurde der Text für die deutsche Neuausgabe bearbeitet; es bestehen daher geringfügige Abweichungen gegenüber der englischen Originalausgabe.
263 Seiten inkl. Prolog
12  Seiten Nachwort der Autorin zur Neuausgabe 2000
ISBN 3-86555-028-2

Der Roman erzählt die Geschichte der jungen Flavia, die sich vorgenommen hat für ihre Aufnahmeprüfung in Oxford zu lernen. Ihr Mutter und ihr neuer Freund sind heimlich weggefahren - sie hat den Auftrag nichts zu verraten, da seine Scheidung noch nicht gelungen ist.

Der Roman ist die Folgegeschichte von "Liebling der Götter", in der über Constanza erzählt wird - einer faszinierenden Frau, die als Tochter eines italienischen verarmten Grafen und der reichen Amerikanerin Anna nach Scheidung der Eltern in London lebte. Constanze ist eine bezaubernde Frau mit viel Charme, die meist versucht es ihrer Mutter gerecht zu machen. Flavia ist ihre Tochter mit einem Briten - die Ehe war gescheitert.  Flavia hat sich einen Tages- und Wochenablauf an der Côte eingeteilt in der sie arbeitet, lernt und Aufsätze schreibt. Als sie ihr gewohntes Abendessen im Nachbarort einnimmt, beobachtet sie eine Gruppe Menschen, die ihr wie Künstler vorkommen. Die Gruppe nimmt sie unter ihre Fittiche, und Thérèse die charismatische Ehefrau eines Malers nimmt sich ihrer - auch erotisch - an.
Über Nachbarn wird ihr eine andere sehr charismatische Frau vorgestellt : Andrée. Flavia verliebt sich.
Letztendlich stellt sich heraus, daß die Frau des Freundes ihres Mutter herauskriegen (will), wo die beiden sind ...

Die Personenschilderungen sind gelungen und sehr deutlich. Stark sind die Frauenpersönlichkeiten wie Thérèse, Andrée, Nachbarin Rosette, ihre Mutter Constanze und ihre Großmutter Anna. Flavia sucht ihren Platz - sie träumt von einer literarisch-wissenschaftlichen Karriere und ist sich erotisch nicht ganz sicher.
Die Männer kommen meist sporadisch vor - Ehen und Beziehungen scheitern. Der neue Freund der Mutter Michel hat Visionen und Charakter, die meisten anderen Männer haben es mehr auf das Geld von Anna abgesehen.

Die Ortsbeschreibungen in London, Rom, Toskana und Côte d'Azur sind eher skizziert, aber als Leser kennt man sich aus.
Schön ist das Gruppengefühl um Thérèse geschildert, deren Mann, die Kinder und was sonst als Menschen beim abendliche Essen versammelt ist. Gespräche über fast alle Themen sind erlaubt - nur ein Mann der den Nationalsozialismus zu loben beginnt, wird handfest aus der Runde befördert.

Der Roman ist schön dicht geschrieben, und die Personenschilderungen haben mich sehr angesprochen. Viel Vergnügen beim Lesen !

Sybille Bedford kam 16. März 1911 als geborene Freiin Sybille Aleid Elsa von Schoenebeck in Berlin  als Tochter eines deutschen Barons auf die Welt. Sie lebte mit ihrer Mutter und ihrem zweiten italienischen Ehemann an der Côte d'Azur. Sie war Journalistin - und berichtete u.a. über die Ermordung John F. Kennedys - und Schriftstellerin von Romanen und Reiseerzählungen. Der Schriftsteller Aldous Huxley verhalf ihr - da sie Vierteljüdin war - zu einer vorgetäuschten Ehe mit Walter („Terry“) Bedford. Sie starb am 17. Februar 2006 in London.

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