Mittwoch, 9. Dezember 2015

Robert Wilson : "Der Blinde von Sevilla"

Robert Wilson :
"Der Blinde von Sevilla"
Roman
original "the Blind Man of Seville"
2003, Harper Collins, London
Aus dem Englischen von Kristian Lutz
2004, Wilhelm Goldmann Verlag, München
2 Seiten Stadtplan Sevilla + 628 Seiten + 2 Seiten Danksagung
ISBN 3-442-459637-1

Dieser Kriminalroman spielt meist in Sevilla mit Ausflügen nach Rußland und nach Tanger. Javier Falcon ist ein kühler erfolgreicher Kommissar der aus Madrid nach Sevilla geholt wird um hier seine Erfolge weiterzuführen.

Er hat bestialische Morde aufzuklären. Ein erfolgreicher Geschäftsmann und Besitzer mehrerer Restaurants mußte sich vor seiner Ermordung Filme ansehen; ein erfolgreicher Galerist mußte sich vor seinem Tod Filme ansehen. Er spät entrollt sich dem Kommissar, daß sein Vater, ein berühmter Maler, mit beiden Männern in intensivem Kontakt gestanden war und erst im Showdown wird ihm enthüllt wie sein Schicksal mit den Morden verknüpft ist.

Der dicke Roman ist dicht geschrieben. Das Leben in Sevilla, in Tanger (Marokko) 30 Jahre zuvor, im klirrend kalten Rußland Krieg zu Francos Zeiten, der waghalsige Schmuggel von Zigaretten und Wertvollerem, die unterschiedlichen Menschen in den Familien des Geschäftsmannes und die eigene Künstlerfamilie von Falcon sind gut vor dem geistigen Auge vorstellbar.

Viele Themen finden in dem mehr als 600 Seiten starken Roman Platz: die Fremdenlegion, der zweite Weltkrieg, das freie Leben und die Liebe in Spanisch-Marokko, Gewalt im Krieg, Homosexualität manchmal offen - manchmal versteckt, einige Lebenslügen, verschiedene Überlebenstechniken, Arbeit von Künstlern, und oft Eifersucht.

Viele Personen finden ihren Platz; der Autor begleitet allerdings meist den Kommissar Falcon dessen sichere Fassade immer mehr bröckelt, nicht nur daß ihm seine Ex-frau oft über den Weg läuft auch viele aus seiner Familie muß er am Schluß des Buches ganz anders sehen. Ihn begleiten innerhalb der Polizei ein eher intriganter-eifersüchtiger Kollege, zwei Vorgesetzte von denen einer genauer hinsieht und zu schützen gewillt ist, während der andere nur sein Netzwerk in Sicherheit bringen will und ein durchaus interessierter Staatsanwalt.
Die Frauen sind ziemlich unterschiedlich: lange Zeit ist die gepflegte starke charismatische Witwe Consuelo des ersten Mordopfers ein Gegenpol zu Falcon, eine mädchenhafte Prostituierte wird leider ermordet, die sexy Ex-frau kommt immer wieder vor und eine blinde Psychologin hilft ihm blinde Flecken zu sehen.
Die Männer sind unterschiedlich in Geschichte, Temperament und Familienbildung. Während der eine sich in eine Kindfrau verschaut, baut der andere mit seiner Muse eine Familie auf; beide bleiben aber ihren Familien gegenüber distanziert, woran letztendlich die Familien auseinanderbrechen. Der Galerist wird großartig als teils schleimiger, teils wirklich kunstinteressierter Mensch geschildert.

Zwischen den Kapiteln die den Kommissar begleiten, wird in Tagebüchern das Leben seines Vaters, des Künstlers geschildert. Erst das Geschenk von Büchern mit leeren Seiten bringen ihn dazu zuerst zu schreiben und dann das gesehene in Bilder, später Gemälde, umzusetzen. Die Kapitel gehen ziemlich unter die Haut.

Rückgriffe in die Geschichte bieten da Leben von Falcons Vater der in Rußland mit der 'Division Azul' für Franco kämpft, dort einen guten Freund verliert, aber überlebt und durch den Geschäftsmann mit Schmuggel nach Tanger kommt. Tanger war nach dem zweiten Weltkrieg internationale Zone gewesen und viele wohlhabende Menschen begannen sich dort niederzulassen.

Ein Spanienbuch kann nicht ohne regionale Spezialitäten auskommen, so auch diese hier. Es wird wohltuend kurz und sachlich das wunderbare Essen genannt, ohne nennenswert von der spannenden Geschichte mit seinen Seitenlinien abzulenken.

In Summe ein großartiger Roman mit Kriminalgeschichte, den ich sehr genossen habe und den ich gerne weiterempfehle.

Robert Wilson  wurde 1957 geboren. Er hat seinen Abschluß für englische Literatur in Oxford. Er arbeitet in verschiedenen Berufen bevor er seine Karriere als Schriftsteller begann. Zuerst erfand er 'Bruce Medway', einen Säufer und Privatdetektiv, dessen Geschichten in Westafrika spielen (1995 - 1997). 2003 begannen die 'Javier Falcon' Kriminalromane, die großteils in Sevilla spielen. Er schrieb auch einen Spionageroman 'The Company of Strangers' und einen historisch bassierenden Roman 'A Small death' . Die Geschichten um Javier Falcon werden derzeit auf englisch verfilmt.
Der Autor lebt derzeit in Portugal.

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