Sonntag, 30. März 2025

Waguih Ghali : "Snooker in Kairo"

Waguih Ghali :
"Snooker in Kairo"
original "Beer in the Scnooker club"
1964, Serpent's Tail, London
Aus dem Englischen von Maria Hummitzsch
2018, C.H. Bock München
6 Seiten Einführung von Diana Athill - 235 Seiten - 7 Seiten Glossar
ISBN 978-3-406-71902-8

Ram ist eine junger Mann aus guter, aber veramter koptischer ägyptischer Familie. Er verbringt seine Tage in Kairo in verschiedenen Clubs, trinkt Whiskey und anderes, flirtet Frauen an und spielt Snooker. Seine große Liebe ist die etwas ältere Edna, eine intellektuelle junge Frau aus einer reichen jüdischen Familie. Sie ermöglicht ihm nach London zu reisen und dort einige Zeit zu leben und zu studieren. Wieder zurück verbringt er weiterhin seine Tage gemütlich. Bei einer reichen Tante trifft er wieder eine Freundin Didi aus Londoner Tagen.

Der Roman ist in Ich-form aus der Sicht von Ram geschrieben. Die Zeit in London beschreibt er in Rückblicken, wobei das Panoptikum aus Menschen dort aus ehemaligen Soldaten am Sues, einem ägyptischen Freund, manchen hilfreichen Freunden besteht.
Die Cliquen in Kairo sind unterschiedlich - es gibt die Freunde zum Snooker spielen, Freunde die seine Leben finanzieren, einen Freund der in einem Club an der Bar arbeitet; seine Familie ist verarmt, seine Mutter würzt mit franzöischen Worten ihre Sprache, alle hoffen auf Zuwendungen der reichen Verwandten.

Als Kopte (Anmerkung : vermutlich Mitglied der koptisch-orthodoxen christlichen Kirche, die in Ägypten immer benachteiligt wurde) hat Ram weniger Chancen Arbeit zu finden, teilweise gilt er sogar als gefährlich.
Die Stimmung in dem Roman ist eigen, fast abgehoben; Ram denkt und trinkt sich durch den Tag, aber die Frage was er wirklich tut bleibt beim lesen für mich.

Liebe findet statt, zerbricht oder wird eingetauscht. Das Leben und Snooker gehen weiter.
Dieser Roman wirkt in mir durch seine Sprache und Schilderungen nach.

Waguih Ghali wurde am am 25 Feb 1927 oder 1928 oder 1929 in Ägypten in einer wohlhabenden koptischen Familie geboren. Nachdem er sich mit der Zeit immer stärker kommunistischen Ideen angenähert hatte, war er gezwungen, Ägypten 1958 zu verlassen und nach London zu gehen, da die Gefahr bestand, dass er in Ägypten als Kommunist eingesperrt würde. Als sein Pass abgelaufen war, ging Ghali ins Exil nach Deutschland, wo er neben der Arbeit in einer Fabrik seinen Debütroman schrieb. Er begann einen zweiten Roman über das Leben als „Gastarbeiter“, vollendete diesen jedoch nicht. 1966 ging er nach London zurück. Er starb durch Suizid am 5. Jänn 1969 in London, in der Wohnung seiner damaligen Freundin Diana Athill.
Er schrieb seinen einzig veröffentlichten Roman auf englisch.

Sonntag, 16. März 2025

Nagib Machfus : "Der Dieb und die Hunde"

Nagib Machfus :
"Der Dieb und die Hunde"
original "al-liss wa al-kilab"
1961, Maktabat Misr, Kairo
Aus dem Arabischen von Doris Erpenbeck
1986, Verlag C.H. Beck München
163 Seiten + 4 Seiten Nachbemerkung von Doris Erpenbeck
ISBN 3-406-31025-7

Said Muhran, ehemals erfolreicher aber verratener Dieb, wird nach vier Jahren aus dem Gefängnis entlassen, und findet alles verändert vor, v.a. sind seine große Liebe und sein Kind nicht mehr an ihm interessiert. Er geht zu dem Scheich, bei dem sein Vater und er früher Schutz und geistige Führung gesucht und gefunden hatten. Diesmal ist der Haß stärker - der Haß auf seinen ehemligen Schüler, den Frau und Kind jetzt lieben und der Haß auf seinen ehemaligen Kompagnion der gut in einem schönen Haus lebt. Einige alte Freunde versuchen ihn zu warnen, und auch zu helfen, aber bis auf eine alte Freundin, die ihm wirklich hilft, kommt niemand an ihn durch. Nachdem er mit seiner Rache Unschuldige getötet hat, zieht sich der Kreis der Verfolger eng und enger um ihn.

In dem Roman wird Said begleitet - von seiner Entlassung aus dem Gefängnis, bei den für ihn demütigenden Besuch bei ex-frau und Tochter und den hämischen Grinsen der Beobachter, bei dem ruhigen weisen Scheich der in seiner eigenen spirituellen Welt zu leben scheint aber ihm trotzdem mit Schlafraum und Essen weiterhilft, einem Wirt aus alten Zeiten der zumindest Essen bringt, der hochnäsige reiche ehemalige Kompagnon der nur einen kleinen schäbigen Job in Aussicht stellt, und eine ehemalige Freundin und schöne Frau Nur die sich verkauft und ihm einige schöne Zeit beschafft. 

Die Gedanken von Said ziehen ihn in einen Zerstörungswahn, der sich immer schneller dreht und mich als Leser mitgezogen hat.
Allerdings gilt mein Mitgefühl auch dieser Frau Nur, die ihre Liebe und viel gibt und dann plötzlich nicht mehr in dem Buch vorhanden ist.

Der steigenden Verzweiflung von Said steht die betonte Ruhe des Scheichs gegenüber, der Zeilen aus dem Koran zitiert und damit Spiegel und Hilfe für Said sein könnte, was dieser nicht annimmt oder nicht annehmen kann.

In Summe ein faszinierender roman, auch wenn er für mich nicht ganz einfach zu Lesen war !

Montag, 10. März 2025

Nagib Machfus : "Echnaton"

Nagib Machfus :
"Echnaton" - Der in der Wahrheit lebt
Roman
original "Al-A'isch fi l-Haqiqa"
1985, American University in Kairo
Aus dem Arabischen von Doris Kilian
2011 / 4. Auflage 2023, Unionsverlag
180 Seiten + 1 Seite "Nagib Machfus : Leben und Werk" + 3 Seiten Worterklärungen
ISBN 978-3-293-20530-7

In einer Rahmenhandlung begibt sich ein junger Mann Merimun einige Jahre nach dem Tod von Echnaton auf die Suche nach dem Leben und Wirken von Echnaton, der als Amenphobis IV auf den Thron kam. Er trifft in Gesprächen enge und ferne Freunde und Feinde von Echnaton und seiner Frau Nofrete und versucht zu erkennen warum so schlecht über Echnaton und seine Zeit gesprochen wird.
In Gesprächen bei Familie seiner Frau Nofrete, alten Freunden, persönlichem Arzt, ehemaligen Priestern, bis zuletzt bei Nofretet persönlich entschlüsseln daß Echnaton von beginn an anders war, da er weder an Militär interessiert war, auf der Suche nach etwas anderem spirituellen und dabei sehr charismatisch war. Hoffnungen seiner Familie und der traditionellen Priesterschaft, daß seine Frau ihn auf den traditionellen Weg bringen würde, zerschlugen sich als Nofrete mit ihm seinen spirituellen Weg zu nur einem Gott ging. Das Leben in der neuen Stadt war gut, aber da die Feinde Ägyptens militärisch nicht zurückgeschlagen wurden, wandte sich die Meinung gegen das Pharaonenpaar.

Die fiktiven Gespräche sind meist abwechselnd pro oder contra Echnaton, dem Ketzter wie ihn manche nannten. Es wechseln tiefer Haß und Verachtung, bis zu Verehrung, Bewunderung und tiefer Liebe ab. Auch Jahre später sind die Fronten für Verständnis verhärtet, wenn auch die Preister ihre Macht zurückerhalten haben.

Machfus läßt auch Eje und Haremhab zu Wort kommen, die später selber auf dem Pharaonenthron sitzen werden.

Feinfühlig zeichnet der Autor die mögliche Entwicklung dieses Pharaos nach einem anderen spirituellen Gott, vor allem mit mehr Liebe und weniger machtvollen Preistern nach.

Ein wunderbares Buch !

Freitag, 7. März 2025

Nagib Machfus : "Cheops"

Nagib Machfus :
"Cheops"
Roman
original "Abath al-Aqdar"
1939, Salama Moussa
Aus dem Arabischen von Doris Kilias
2007 /3. Auflage 2024 Unionsverlag
Nachwort in der englischen Ausgabe unter dem Titel 'Khufu's Wisdom", 2003, American Universiry in Cairo Press
239 Seiten +  4 Seiten mit einem Nachwort Raymond Stock + 4 Seiten Nagib Machfus : Leben und Werk
ISBN 978-3-293-20380-8

Cheops wird vorausgesagt, daß sein Nachfolger Sohn des Ra-Priesters und nicht einer seiner Söhne werde, worauf er, sein Sohn und eine Gruppe Bewaffneter dies zu verhindern suchen. Das Schicksal trennt Mutter und Priestersohn Dadaf, der Priestersohn wird mit der Dienerin als eigenes Kind und sie als zweite Frau angenommen. Während die Halbgeschwister andere Wege einschlagen, zieht es den Dadaf zum Millitär, bei dessen Abschlußprüfungen er brilliert. Inzwischen lernt er eine junge Frau kennen, die sich als Tochter des Pharaos Miri-si-Anch entpuppt, weshalb beide auf Abstand gehen. Dadaf, der immer noch nicht über seine Abstammung Bescheid weiß, wird Heerführer und begleitet den Kronprinzen im Krieg gegen die Nachbarn. Als sich eine der Gefangenen als seine echte Mutter entpuppt, wird endlich seine Abstammung geklärt und Cheops muß den Wunsch des Schicksals akzeptieren.

Der Roman wurde vom ersten ägyptischen Verleger umbenannt in "die Absurditität des Schicksals". Dieser Roman ist der erste der Pharaonen Trilogie des Autors - die beiden anderen Bände heißen auf deutsch "Radubis" und 'Kefah Teba' (engl. 'Thebes at War'). 

Der Roman ist ziemlich geradlienig geschrieben, die Personen sind eher einfach beschrieben. Cheops ist als selbstbewußter und machtbewußter Mensch beschrieben; der Kronprinz als Mann des Krieges und des machtvollen Hinterhalts; der Wesir ist weise. Die Ersatzfamilie von Dadaf ist ähnlich einfach : der Quasi Vater ist ein gutmütiger Beamter, Dadafs Ersatzmutter ist liebevoll.

Mir ging beim Lesen dieses Buches die Vielfalt und Vielschichtigkeit der Figuren aus den anderen (und später geschriebenen) Bücher von dieses Autors ab;
trotzdem ein interessanter Roman.

Samstag, 1. März 2025

Nagib Machfus : "Karnak-Café"

Nagib Machfus :
"Karnak-Café"
original "Al Karnak in Kairo"
1974, American University in Cairo Press
Aus dem Arabischen von Doris Kilias
2009, Unionsverlag
114 Seiten + 2 Seiten Worterklärungen / Die Übersetzerin + 6 Seiten : Roger Allen : Das Bild einer aufgewühlten Welt
ISBN 978-3-293-00400-9

Der Erzähler geht in ein Café abseits der Hauptstraße und sieht am Eingang, am Kassenplatz, eine wunderschöne Frau, in der er eine ehemalige Tänzerin Kurunfula entdeckt. Sie führt jetzt das Café, und einige ehemalige Verehrer arbeiten jetzt ebenfalls dort.Regelmäßige Besucher sind vier junge Studenten, 3 junge Männer und eine junge Frau; einer der jungen Männer, Hilmi Hamada, wird der Freund von Kurunfula, was sie strahlen läßt. Zwischen der jungen Frau und einem der jungen Männer beginnt sich eine Romanze anzubahnen, als Polizeirepresalien zuschlagen. Insgesamt drei mal werden dei jungen Leute verhaftet; nach dem dritten Mal kommen nur drei zurück und etwas ist in ihnen zerbrochen. Auch für die anderen Menschen hat sich das Leben nach dem Sechs-Tage-Krieg (1967) einiges geändert; einige träumen der Revolution von 1952 nach, andere sprechen gar nicht mehr über Politik.

Ismail Asch-Scheich, einer der jungen Studenten, ist aus armer Familie und darf studieren. Bei dem ersten Gefängnisaufenthalt wird ihm ein Naheverhältnis zur muslemischen Bruderschaft vorgeworfen, bei dem zweiten daß er Kommunist sei, beim dritten wird seine Vertrautheit mit Zainab zerstört und er sieht den zerstörten Hilmi.
Mir bleibt bei ihm seine Einsamkeit am Schluß, eigentlich Orientierungslosigkeit im Gedächtnis

Zainab Dijab, ist das die junge Frau, die seit ihrer Jugend mit Ismail befreundet und vertraut ist. Auch sie studiert. Wie Ismail werden ihr unterschiedliche politische Gruppenzugehörigkeiten angedichtet, und am Schluß ihr die Würde als Frau genommen.
Mir bleibt ihre Wut am Schluß am meisten im Gedächtnis.

Chalid Safwan, kommt erst am Schluß ins Café. Er ist der Chef der Polizei im Gefängnis und damit der Albtraum der Jugendlichen gewesen. Mit freundlichen Sätzen schafft er es, daß ihm eine zweite Chance gegeben wird und er in die Gemeinschaft der Cafébesucher aufgenommen wird.

In diesen vier Kapiteln erzählt der Autor wie Hoffnung und Engagement zerstört werden, und sich die Menschen ändern und anpassen müssen. 

Sympathisch ist mir Kurunfula, die immer noch an die Liebe glaubt und für die Altersgrenzen nicht vorhanden sind. Wie der Autor sie beschrieben hat, mir ihrem Charme und Ausstrahlung ist faszinierend.

Der Autor hat mich mit seinen Menschenschilderungen wieder in den Bann gezogen; ein wunderbares, aber auch verstörendes kleines feines Buch.